Archiv - 2011
Martin Bruny am Mittwoch, den
9. März 2011 um 10:37 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2011
Ruth Benjamin ist Romanautorin, ihr Ehemann Arthur Rosenblatt ist Architekt. Was die beiden dazu brachte, dieses Lexikon der Songs von 1460 amerikanischen und englischen (Musical-)Filmen, die im Zeitraum von 1928 bis 1988 in die Kinos kamen, zusammenzustellen? Die Liebe war’s – zum Film, zur Musik, zu den Künstlern. 1993 ist das Buch erstmals erschienen, nun liegt ein Reprint dieses Werks vor.
Für jeden Film gibt es die vollständigen Produktionsangaben, Filmtitel, Entstehungsjahr, Entstehungsland, Infos zu den Orchestern und Bands, die man in den Filmen hört und sieht sowie Angaben zu den Background-Vocals. Man erfährt, welche Sänger zu sehen sind und ob diese Sänger auch dann tatsächlich zu hören sind oder gedubbed wurden. Für jeden Film werden Regisseur, musikalischer Leiter, Komponist etc. aufgelistet. Zitate aus Filmkritiken aus der »Variety« und der »New York Times« sowie kleine Hinweise auf die besondere Bedeutung des einen oder anderen Films runden das Buch ab. So erfährt man über »High, Wide and Handsome« (USA, 1937): »The only musical Hammerstein and Kern ever wrote specifically for the screen.«
Recherchierbar ist das Werk entweder alphabetisch nach den Filmnamen oder durch drei verschiedene Indizes (Performer, Songwriter, Song). Kompakter findet man die Daten zu diesen Filmen kaum wo. Schön wäre es, wenn jemand sich die Mühe machen würde, ein Update für den Zeitraum ab 1989 zu erarbeiten.
Ruth Benjamin and Arthur Rosenblatt: Movie Song Catalog. Performers and Supporting Crew for the Songs Sung in 1460 Musical and Nonmusical Films, 1928–1988. McFarland, Jefferson 2011. 352 S.; (Softcover) ISBN 978-0-7864-6721-1. E-Book: 978-0-7864-8769-1 $ 30,00. [www.mcfarlandpub.com]
Martin Bruny am Mittwoch, den
9. März 2011 um 10:36 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2011
Wenn es unter all den Büchern, die zum Thema »Arbeiten im Bereich des Theaters« erschienen sind, so etwas eine »Eier legende Wolfmilchsau« geben sollte, dann kommt vermutlich Jim Volz’ »Working in American Theatre« einer solchen recht nahe. Erstmals 2007 und danach 2011 in einer aktualisierten Version erschienen, bietet der Autor eine Mixtur aus Ratgeber, Motivationsbuch, Strategieplaner, Geschichtsbuch sowie Schatzkistchen mit hunderten von Tipps für ganz normale und etwas ausgefallenere Jobs – und noch mehr an Tipps zum Bereich des Netzwerkens im (Musik-)Theater in Amerika. Interessant ist das Buch aber nicht nur für jene, die überlegen, in den USA im Theater-Sektor zu arbeiten, Volz präsentiert vielmehr eine derartige Unmenge an Informationen, Daten und Statements, so dass dieses Buch für alle eine interessante Lektüre ist, die sich mit dem amerikanischen (Musik-)Theater beschäftigen.
Im Kapitel »American theatre’s major employers« liefert Volz Daten, Adressen beziehungsweise Links zu weit über 1000 Theaterunternehmen, etwa zu 200 Shakespeare-Festivals, zu 130 Kindertheater-Unternehmen, 140 Musiktheater-Unternehmen; darüber hinaus bietet er eine Fülle an Daten zu Jobs auf Hochseeschiffen (25), in Themenparks (119), bei DinnerTheater-Unternehmen (30), er liefert Kontakte zu Tournee-Veranstaltern (60) und zu 40 Universitäten, die über eine professionelle Theaterschiene verfügen. In diesem Kapitel stellt er auch 99 große »League of Resident Theaters« ausführlich vor, mit Adressteil, Jobaussichten, einer Übersicht, welche Stars in den einzelnen Theatern aufgetreten sind, ob es regelmäßige Castings gibt … und vieles andere mehr.
In einem Überblick über die Theatergeschichte der USA, vor allem auch abseits des Broadway, analysiert Volz unter anderem die Bedeutung von Universitäten mit all ihren Theaterproduktionen, er betont die Wichtigkeit von Non-Profit-Theatergruppen, von denen es allein in nur vier amerikanischen Städten über 1000 gibt: New York (400), San Francisco (300), Los Angeles (210) und Chicago (140).
Volz liefert auch einen motivierenden Power-Guide und bietet wertvolle Tipps für Branchenneulinge und -einsteiger: »10 timely tips for savvy Amerian theatre artists«, »19 terrible distractions that erode productivity«, »29 wonderful ways to seize control of your own life« … Hunderte Interviews mit erfahrenen Theaterproduzenten und Künstlern hat Volz in den letzten vier Jahrzehnten geführt. Erkenntnisse daraus nutzte er jahrelang für die von ihm veranstalteten Seminare und Workshops zu den Themen »Business of Acting« beziehungsweise »Working in American Theatre«. In knapp gehaltenen Kapiteln mit knackigen Titeln liefert Volz nun eine Unmenge dieser Statements von führenden Theaterleuten aus ganz Amerika im Original. Sie erzählen aus ihrer Praxis und bieten Ratschläge für die Praxis, wertvolle und motivierende.
Eines der Kapitel seines Buches hat Volz »The American theatre employment universe« benannt. Hier finden sich auf rund 80 Seiten ausführlich beschrieben »10 pertinent publications«, »10 websites to open up our web world«, »10 challenging books to power your acting career«, »15 quirky books on working in New York City and beyond«, »10 bountiful books on directing, design, producing and production«, oder auch »10 of the friendliest American theatre cities for your consideration«, »10 service organizations«, »10 regional/national audition and job sites«, »10 unions/alliances/societes/guilds/agencies«.
Im Kapitel »Survival Strategies and directories for lifelong planning« bietet Jim Volz beispielsweise »12 tips for stress reduction«, oder »15 notes for actors from New York professionals«.
»Working in American Theatre« ist ein informativer, humorvoller Ratgeber, mit einer Unmenge an unterhaltsamen und inspirierenden Anekdoten aus dem Theaterleben eines Theaterproduzenten geworden. Höchst lesenswert!
Jim Volz: Working in American Theatre. A brief history, career guide and resource book of over 1000 theatres. Methuen Drama – An Imprint of Bloomsbury Publishing Plc, London 2011. 406 S.; (Paperback) ISBN 978-1-4081-3472-3. $ 16.99. [www.methuendrama.com]
Martin Bruny am Mittwoch, den
9. März 2011 um 10:35 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2011
Am Anfang könnte eine Enttäuschung stehen. Wer sich etwa erwartet, in diesem Buch mit seinen 472 Seiten um den doch stolzen Preis von 75 Dollar sämtliche Off-Broadway-Musicals seit Beginn der Geschichte penibel aufgearbeitet zu finden oder gar alle diese Shows aufgelistet mit Premierendatum, Anzahl der Vorstellungen und so weiter, der wird – natürlich – enttäuscht. Dafür würde der Platz bei weitem nicht reichen, und die Frage ist, ob eine reine Auflistung aller Produktionen auch Sinn machte. Ein solches Unterfangen, das am ehesten Statistik-Fans gefallen würde, ist auch gar nicht das Anliegen des Autors Thomas S. Hischak. Denn Hischak ist kein reiner Datensammler, er hat etwas zu sagen, er urteilt, fasst Urteile zusammen, analysiert und erzählt, und das mit spürbarem Enthusiasmus. Der Preis, man mag ihn für überzogen halten – doch ist die Anzahl derer, die sich für Sachbücher über den Off-Broadway erwärmen können, offenbar ja so gering, dass es praktisch kaum Werke zu diesem Thema gibt. Insofern ist eben dieser recht hohe Preis wiederum auf eine gewisse Weise gerechtfertigt, denn allzu hohe Auflagen wird man mit derlei Büchern nicht fahren können, und es bleibt letztlich die Frage, ob sich ein Kauf lohnt.
Thomas S. Hischak ist Professor für Darstellende Künste an der Cortland State University, Autor von 16 Sachbüchern mit den Schwerpunkten Theater, Film und populäre Musik sowie Verfasser von 20 Theaterstücken. Seine bekanntesten Sachbücher: »The Oxford Companion to the American Musical: Theatre, Film, and Television« (2008), »Theatre as Human Action: An Introduction to Theatre Arts« (2005) und »Through the Screen Door: What Happened to the Broadway Musical When it Went to Hollywood« (2004).
Hischak analysiert in seinem Buch die Entwicklung des Off-Broadways anhand von 375 ausgewählten Musicals (im weitesten Sinne), beginnend bei »Greenwich Village Follies«, einer Revue aus dem Jahre 1919, endend bei »The Toxic Avenger« aus dem Jahre 2009. Für jede dieser Shows liefert er die Basisdaten wie Uraufführungsdatum, Anzahl der gespielten Vorstellungen (auch am Broadway, so ein Transfer stattgefunden hat), Angaben zum Leading Team, zu den Darstellern, zum Theater, in dem gespielt wurde – und zu jeder dieser Shows bietet er einen Artikel, der sich eingehend mit der Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Produktion auseinandersetzt. Er liefert grobe Inhaltsangaben und bespricht die wichtigsten Songs. Hischaks Angaben sind vor allem bei jenen Shows wertvoll, über die man heute nur sehr schwer an Informationsmaterial kommt. In das Buch aufgenommen wurden ganz und gar nicht nur die Hits des Off-Broadways. Auch den Flops, die nur wenige Vorstellungen erlebten, wie etwa »Valmouth« von Sandy Wilson, wird viel Aufmerksamkeit geschenkt. Mit Sicherheit hat Hischak ein Faible fürs Kuriose, so nimmt er sich Zeit, genüsslich den Inhalt dieses England-Imports zu schildern, der für 40.000 Dollar 1960 im York Playhouse auf die Bühne gebracht wurde und genau 14 Vorstellungen durchhielt. Eine Show, dessen Rezeptionsgeschichte Hischak nach längeren, äußerst amüsanten Ausführungen so zusammenfasst: »The press was more confused than outraged. Several did praise the score, and the cast was roundly applauded, but just explaining the show in the reviews was enough to frighten audiences away.« Verweise auf den Score, auf die Songs, auf die Londoner Cast-CD, die immerhin mit einem Weltstar, Cleo Laine, aufwarten konnte – Hischaks Liebe für das Musicalgenre und sein Geschick, Fakten auf spannende Art und Weise zu vermitteln, machen dieses Buch lesenswert.
Eine These Hischaks, die sich quer durch einige seiner Bücher zieht und in dem hier besprochenen auch mit Zahlen und Fakten belegt wird: Es ist zwar möglich, das »typische Off-Broadway-Musical« zu charakterisieren, doch werden heutzutage immer weniger »echte« Off-Broadway-Musicals produziert. Was ein »Off-Broadway-Musical« ist, versucht der Autor so festzumachen: »Broadway musicals are bigger than life and offer outsized emotions expressed in large theatres; Off-Broadway musicals are smaller in scale and explore emotions that are more life-size as they are enacted in more intimate venues. When Broadway offers musical comedy, the songs, the dancing, the laughs, even the tears are big enough to fill a large and elaborate theatre. Off Broadway cannot afford such a scale and instead offers simpler productions and a more direct kind of music, dance, and comedy. (…) Broadway is about fame, glory, and success. Off Broadway is about smart, sharp, little shows that make a personal impact. Many actors, writers, and directors first find critical acclaim Off Broadway, but only Broadway can make stars and super showmen.«
Wurden früher Musicals explizit für den Off-Broadway produziert, so ist der Off-Broadway heute immer mehr eine Vorstufe, um es von da zum Broadway zu schaffen. So nennt Hischak auch das Kapitel, das sich mit den Musicals des Off-Broadway von 2000 bis 2009 beschäftigt »Fodder for Broadway«. Zwölf Produktionen haben in dieser Zeit den Wechsel vom Off- zum Broadway gewagt, mehr als in jeder Dekade davor. Doch ein Erfolgsrezept ist diese Strategie nur bedingt, denn fünf dieser Shows sind gefloppt, teils trotz großartiger Kritiken. Beispiele: »Caroline, or Change«: 106 Vorstellungen Off-Broadway, 136 Vorstellungen am Broadway. Hischak: »Had the show remained Off-Broadway, it is likely it would have run and run because it was the kind of musical that flourished on word of mouth, not critical acclaim.« Gefloppt auch: »Grey Gardens« (Off-Broadway: 63 Vorstellungen, Broadway: 307 Vorstellungen), »Passsing Strange (56 Vorstellungen Off-, 165 Vorstellungen Broadway) – »a Broadway show that wasn’t Broadway in spirit, attitude, score, or satisfaction«. Hischaks These, warum es manche Off-Broadway-Shows dann doch schaffen, auch am Broadway Erfolg zu haben, ist im Prinzip simpel, aber nachvollziehbar. Musterbeispiel: »Rent« ging zwar vom Off- zum Broadway, doch »without losing any of its intimacy and power«. Man war zwar als Zuschauer am Broadway, hatte aber »Look and Feel« einer Off-Broadway-Show. Dasselbe trifft auf diverse andere erfolgreiche Transfers zu, wie beispielsweise »Spring Awakening« oder »Avenue Q«.
Zurückkommend auf die Eingangsfrage: Lohnt sich der Kauf? Ja!
Thomas Hischak: Off-Broadway Musicals Since 1919. From »Greenwich Village Follies« to »The Toxic Avenger«. Scarecrow Press, Inc., Plymouth 2011. 472 S.; (Hardcover) ISBN 978-0-8108-7771-9 / ISBN 978-0-8108-7772-6 (E-Book). $ 75,00.
Martin Bruny am Mittwoch, den
9. März 2011 um 10:34 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2011
Ein Blick hinter die Kulissen des Bühnen- und Musikverlags Thomas Sessler. Seit über 40 Jahren leitet Ulrich N. Schulenburg den Wiener Verlag, der die Bühnenrechte von Werken berühmter Autoren wie Peter Turrini, H. C. Artmann, Daniel Kehlmann, Brigitte Schwaiger, aber auch Georg Danzer oder Gabriel Barylli (etwa für sein Buch zur Show »Ich war noch niemals in New York«) vertritt. Zum 70. Geburtstag hat Schulenburg gemeinsam mit Susanne Wolf für den Wiener Amalthea Verlag seine Biographie geschrieben.
Neben spannenden Schilderungen berühmter Wiener Theaterskandale, der oft auch tragischen Schicksale, aber auch der Glücksmomente mancher Erfolgsautoren findet sich im Buch der eine oder andere Hinweis auf Musicals, beispielsweise auf eines, das es zwar nie auf eine Bühne geschafft hat, aber dessen Bedeutung interessant ist.
So wurde Andrà© Heller Ende der siebziger Jahre von einem deutschen Industriellen beauftragt, »The Rocky Horror Show« mit neuen Sketches zu versehen, um das Werk dann zeitgleich in Rom, London, Paris und Berlin zur Aufführung zu bringen. Zwar zerschlug sich dieses Projekt, doch die Texte und Ideen sollten für Heller Basis seiner weiteren künstlerischen Karriere werden. Er suchte das Gespräch mit dem damaligen Wiener Kulturstadtrat Helmut Zilk und schlug ihm vor, eine poetische Show aus dem Material zu formen. Zilk war begeistert und unterstützte das Projekt, das im Rahmen der Wiener Festwochen 1981 uraufgeführt wurde und dann durch ganz Europa tourte: »Flic Flac« war der Name der Produktion – und sie stand am Anfang von vielen erfolgreichen Heller-Shows.
Ein Stück spannende Verlagsgeschichte.
Ulrich N. Schulenburg; Susanne Wolf (Mitarbeit); Peter Turrini (Vorwort) – Sie werden lachen, alles ist wahr. Anekdoten eines Glücksritters. Amalthea Verlag, Wien 2011. 332 Seiten. (Hardcover) ISBN 978-3-85002-745-8. EUR 19,95