Archiv - Oktober, 2004
Martin Bruny am Montag, den
25. Oktober 2004 um 09:56 · gespeichert in Literatur, Netz
Bücher über Blogs, das ist wie eine Videokassette, auf der die Vorzüge des Mediums DVD erklärt werden. Immer wieder ist es ärgerlich, ein Buch über Weblogs in die Hände zu bekommen und dann doch nur festzustellen, dass ein Autorenteam mal wieder das Phänomen “Blogging” auf etwas reduziert, was dem Ganzen nie und nimmer gerecht wird. Jüngstes Beispiel: die 1-Kilo-Schwarte “Blogs!“, herausgegeben von “Don Alphonso” und Kai Pahl. Das Buch bietet auf den ersten Seiten altbekannte Vergleiche zwischen der Journaille und den Webloggern und versucht danach, sich auf den “Inhalt” einiger Weblogs zu konzentrieren, was jedoch nichts anderes bedeutet, als dass versucht wird, Weblogeinträge krampfhaft in den Rang von Literatur zu erheben. Nun mag es durchaus Weblogs von literarischem Niveau geben, aber das Phänomen Weblogging auf diesen Aspekt einzuschränken und damit dann auch noch auf eine Lesetour zu gehen, das ist, mit Verlaub, völlig am Thema vorbeikonzipiert.
Mit Verwunderung muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass es zwar wunderbar gestaltete Blogs gibt, die auch manchmal geradezu atemberaubendes Bildmaterial bieten, wenn es aber dann daran geht, ein Buch über Blogs zu schreiben, bringt man die hässlichsten und abstoßendsten Cover auf den Markt, die man sich nur vorstellen kann.
Martin Bruny am Montag, den
25. Oktober 2004 um 09:55 · gespeichert in Literatur, Sprache
… als Kriterium bei der Wahl zum “schönsten Wort” gilt, dann gilt vielleicht auch bald das schönste Kaffeehäferl, aus dem ein Maler beim Malen eines Bildes getrunken hat, als ausschlaggebender Faktor bei der Bestimmung des Marktwerts eines Kunstwerks.
Wenn “Habseligkeiten” “Geborgenheit” und “Liebe” sowie andere vielleicht wirklich “schöne” Worte auf die Plätze verweist, nur weil sich jemand eine reichlich konstruierte, wenn auch semantisch durchaus plausible Begründung dafür ausdenken kann, dass Habseligkeiten “schöner” als Liebe sind, dann könnte man ja auch annehmen, dass in Zeiten, die zur Befürchtung Anlass geben, dass man dereinst im hohen Alter praktisch ohne dem, was das schönste Wort ausdrückt, dastehen könnte, Geborgenheit und Liebe eben nunmal erst an zweiter und dritter Stelle kommen beziehungsweise von den Juroren gereiht werden. Es wäre kein Wunder gewesen, wenn auch “Angst” in den Top 10 gelandet wäre, eine Begründung dafür würde man sicher irgendwie basteln können.
Martin Bruny am Sonntag, den
24. Oktober 2004 um 09:54 · gespeichert in Event-Tipps
Das Tiroler Landestheater und das Wiener sireneOperntheater stellen in einer Koproduktion die Uraufführung sieben österreichischer Opernminiaturen (”Operellen“) vor. Nach der Uraufführungspremiere am 31. Oktober in den Kammerspielen des Tiroler Landestheater finden im Anschluss 5 Vorstellungen statt; auf die Wiener Premiere am 17. November 2004 im Wiener Jugendstiltheater folgen zwei weitere Vorstellungen.
Die Versuchsanordnung: Ein kleiner Planet, bewohnt von nur 5 Personen - Johanna und Johann, Zwerg, Dieb und Voltaire. Was lässt sich anstellen mit der Population dieser Miniaturwelt. Welche Miniaturkatastrophen und Millimeterkrisen spielen sich ab? Was geschieht?
In Walter Titz’s minimalistisch gereimter Landschaft “HerzLosZeitLos” findet sich Voltaires verlorenes Herz zwischen roten Rosen. Den Kampf um Herzen und Liebe, der sich daraus entspinnt, hat der Wiener Domorganist Peter Planyavsky in ein subtiles Ballett verwandelt.
Die Jüngsten, das Autoren-Duo Hosea Ratschiller und Lukas Tagwerker, denken sich einen Krieg, in dem keiner eine Chance hat, schon gar nicht der, der optimistisch in diese Welt geboren wird. Vom ungarisch-österreichischen Komponist Akos Banlaky ist dieses Szenario ins Absurde, fast Kabaretthafte gesteigert - “Schock - ein Hundeleben”.
Hermes Phettberg bleibt mit “Schutt” in seiner Tradition als pessimistischer Prediger. Er legt Voltaire freimütig biblische Worte in den Mund und lässt unter dem Gleichnis vom anvertrauten Geld seine Figuren rettungslos verschüttet gehen. Gilbert Handler interpretiert das Klagen der phettbergschen Figuren undramatisch, er entwickelt eine ganz eigene meditative musikalische Sprache.
Friederike Mayröcker hingegen lässt Lebende und Verstorbene Frieden finden, sensibel am Text entlang vertont von Wolfram Wagner. Wie eine autobiographische Zwiesprache zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten Ernst Jandl führt “Stretta” das Duett aus Monologen liebevoll weiter - Liebende kann der Tod nicht scheiden, und wenn ein zwergenhafter Beagle der Bote sein muss.
Friedlich und witzig löst Kurt Schwertsik mit Kristine Tornquists “Schlaf der Gerechten” den Generationenkonflikt - während die Eltern sich zur ewigen Ruhe betten, gehen die missratenen Kinder ihrer Wege.
Radek Knapp, ein Wiener aus Polen, erleichert kurzerhand Voltaires Schultern. “Die vertauschten Köpfe” - vom Tiroler Komponist Christof Dienz in ein feines Gewebe aus Clustern und zirpenden Mustern eingebettet, stehen im Spannungsfeld von Poesie und sprachlicher Bosheit.
Wolfgang Bauer lässt schliesslich das zu Beginn gestohlene Herz zu seinem rechten Platz zurückfinden: In Ägypten bei Pyramiden und Sphinxen wird alles wieder gut. Der in Wien lebende Berliner Komponist Jury Everhartz verdichtet Bauers Reime zu komplexen polyphonen Strukturen von barockem Witz.
Martin Bruny am Freitag, den
22. Oktober 2004 um 09:54 · gespeichert in Literatur
Für die Statistik-Freaks ein ganz erlesenes Ranking, erstellt von medienhandbuch.de.
Man könnte meinen, dass damit der Literatur eine Stellung zuerkannt wird, die sie eigentlich in unserer Gesellschaft gar nicht hat, aber können Zahlen lügen? (Klar können sie das!)
Martin Bruny am Donnerstag, den
21. Oktober 2004 um 09:47 · gespeichert in Musical
Während “I believe My Heart”, die Titelnummer aus Andrew Lloyd Webbers neuem Musical “The Woman in White”, einen sensationellen Einstieg in die UK-Charts auf Platz 2 hingelegt hat (Video ansehen), muß man auf das Cast-Album noch bis 15. November warten.
Ein paar Highlights hat Lloyd Webber nun für Musicalfans auf der Website der Show zum Download frei gegeben. Zu hören sind Ausschnitte aus den Songs “I Believe in My Heart” gesungen von Jill Paice und Martin Crewes; “All for Laura”, interpretiert von Maria Friedman; “Evermore Without You”, gesungen von Crewes; “If Not for Me For Her”, dargeboten von Friedman; und “You Can’t Get Away with Anything”, interpretiert von Michael Crawford.
Martin Bruny am Mittwoch, den
20. Oktober 2004 um 09:46 · gespeichert in West End, Musical
Was auch immer Hollywoodstar Richard Dreyfuss in Zukunft machen möchte, es wird wohl nicht auf den Brettern einer Musicalbühne stattfinden.
Kürzer Rückblick: Dreyfuss sollte in ein paar Tagen als Leading Man die Europa-Premiere des Mel Brooks-Musicals “The Producers” zum Erfolg steuern. Dann passierten ihm in englischen Talkshows aber Sager wie:
“I can’t (sing or dance). Actually, I sing like a seal and dance like your Uncle Leo at that wedding where he got up and went “ya ya ya”.”
Er riet den Zusehern, sich nicht vor Weihnachten Karten für die Show zu kaufen, da sie noch nicht fertig sei und empfahl sich als Hauptdarsteller mit den Worten:
“Please don’t think that you’re paying to see Richard Dreyfuss sing and dance because you’ll only be pissed off.”
Es kam, wie es kommen musste, der Hollywoodstar “verletzte” sich an der Schulter (andere in seiner Situation brechen sich auch mal so nebenbei den Arm), die Produzenten der “Producers” einigten sich mit ihm auf eine Vertragsauflösung, und während Dreyfuss schon wieder nach Hause Richtung USA fliegt, sinnieren manche wohl noch immer, wie Nina Proll zu ihrer Hauptrolle in “Barbarella” gekommen ist … aber das ist eine andere Geschichte.
Martin Bruny am Sonntag, den
17. Oktober 2004 um 09:44 · gespeichert in Musical, Wien
Lange Zeit musste man sich ziemlich mühsam durch angestaubte Sites zwängen, um an Infos über Veranstaltungen am Konservatorium Wien zu gelangen. Die Zeiten scheinen nun vorbei zu sein. Eine neue Homepage wurde gelauncht, und alles in allem sieht sie sehr gut aus. Zu den Veranstaltungen der einzelnen Institute gelangt man nun mit wenigen Klicks. Ganz nett wäre es aber auch zum Beispiel, wenn jedem Studenten eine Site zur Verfügung gestellt werden würde, um sich selbst vorzustellen. Das wäre nicht nur Werbung für die angehenden Absolventen, sondern auch für das Institut.
Der Jänner 2005 wird für alle Musical-Fans interessant, steht doch die legendäre “THE ROCKY HORROR SHOW” auf dem Programm der Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater. Premiere: 21.01.2005 (Leonie-Rysanek-Saal). Vorstellungen: 22., 24., 25., 26., 27., 28. Jänner 2005.
Regie: Alexandra Frankmann
Besetzung:
Dr. Frank N. Furter (Ein Wissenschaftler): THOMAS UDALRIK/JOACHIM FEICHTINGER
Janet Weiss (Eine Heldin): ELISABETH SIKORA/BIRGIT RADESCHNIG
Brad Majors (Ein Held): LUTZ STANDOP/JONNY KREUTER
Riff Raff (Ein Handlanger): BERNHARD VIKTORIN/JONNY KREUTER
Magenta (Eine Hausangestellte): LISA POLACEK/IRENA FLURY
Columbia (Ein Groupie): NICOLE RADESCHNIG/SANDRA HÖGL
Dr. Everett V. Scott (Ein Wissenschaftler der Gegenseite): ANDREAS KAMMERZELT
Rocky Horror (Eine Schöpfung): VINCENT BUENO/OLIVER GRITSCH
Eddie (Ex-Botenjunge): JAN HUTTER
Der Kriminologe (Ein Experte): ERHARD PAUER
Martin Bruny am Dienstag, den
12. Oktober 2004 um 09:43 · gespeichert in Literatur, Sprache
Man liest, dass dem Papst die Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Elfriede Jelinek ein Dorn im Auge ist. Die vatikanische Tageszeitung “L’Osservatore Romano”, das Sprachrohr des Papstes, bezeichnet Jelinek als Fahnenträgerin des “absoluten Nihilismus”. Ihre Schriftstellerei sei durch die “scharfe Unannehmlichkeit des Obszönen” gekennzeichnet. Die österreichische Schriftstellerin beschreibe eine Frauenwelt “mit Szenen roher Sexualität, die nicht auf die Emanzipierung der Frau vom Erotismus hindeuten, sondern Sex und Pathologie, Macht und Gewalt verbinden”. “Die Vereinigung der Körper, kalt und düster und von Mangel an Kommunikation und von Übergriff gekennzeichnet, führt niemals zu Zartheit, zu einer Würde der Seele, oder der Intentionen”, meinte die Tageszeitung. (siehe ORF.at)
Ganz kurz könnte man darauf antworten, dass nicht das Werk einer Rosamunde Pilcher der Realität am ehesten entspricht, sondern vielmehr das einer Elfriede Jelinek. Man könnte auch meinen, dass all die Szenen “roher Sexualität” eine künstlerische Aufarbeitung von Verbrechen sind, die nicht zuletzt durch kinderschändende Pfarrer begangen werden. Scharf und unangenehm? Ja, Gott sei Dank gibt es solche Literatur. Freilich: eine Seligsprechung erwartet sich Elfriede Jelinek nicht, keine Bange. Sex und Pathologie, Macht und Gewalt von Pfarrern, die Minderjährige mißbrauchen, und ein Mangel an Kommunikation, der dazu führt, dass diese Verbrechen erst Jahrzehnte später ans Tageslicht kommen … wen wundert es da, dass es im Leben dieser Menschen keine Zartheit mehr gibt, dass die Würde ihrer Seelen erstochen vor sich hin blutet …
Martin Bruny am Samstag, den
9. Oktober 2004 um 09:42 · gespeichert in Literatur, Pop, Castingshows
Er ist als absoluter Außenseiter in die zweite Staffel der Castingshow “American Idol” gestartet - völlig unvorteilhaft angezogen, pickelig. Eine Nerd-Brille war das, was am auffälligsten an seinem Gesicht war - was ihn durch die Audition gebracht hat, war nur eines: seine Stimme. Und das hat gereicht. Im Laufe der Show wurde aus Clay Aiken, dem unauffälligen Nerd, ein mehr oder weniger attraktiver Barry Manilow-Klon geformt. Und man könnte fast meinen, dass das den Juroren dann nicht wirklich recht war. Sie waren zwar angetan von seiner Stimme, befanden aber seine Performances als zu “musical”. Und was gibt es schließlich Verachtenswerteres für einen gestandenen Popstar als Musicalsänger. Das wissen wir ja alle spätestens seit der aktuellen Popstars-Staffel, in der Musical mit “unecht” und “Popstar” mit “real” verglichen wurde (was für ein Topfn, aber Lukas Hilbert wird schon davon überzeugt sein :-))
Doch kommen wir zurück zu Clay Aiken. In einem spannenden Run kämpfte er sich bis ins Finale von American Idol, wo er schließlich, unter reichlich dubiosen Umständen (angeblicher Ausfall von Telefonvotinganlagen), Ruben Studdard unterlag.
Mittlerweile sind fast zwei Jahre ins Land gezogen, und der “Verlierer” Clay Aiken kann nicht nur auf ein Nr.-1-Album in den USA verweisen, sondern auch auf diverse Nr.1-Singles sowie auf eine loyale und stetig wachsende Fangemeinschaft.
Am 16. November wird die junge Karriere von Aiken um eine Facette reicher, wird doch an diesem Tag sein erstes Buch “Learning to Sing: Hearing the Music in Your Life” zeitgleich mit seiner ersten Christmas CD ausgeliefert.
Martin Bruny am Donnerstag, den
7. Oktober 2004 um 09:41 · gespeichert in Literatur
Der Nobelpreis in Literatur des Jahres 2004 wird der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek verliehen “für den musikalischen Fluß von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen”.
Die Schwedische Akademie
[Interview mit Elfriede Jelinek]
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