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Archiv - 2017

VBW: Jesus Christ Superstar, Drew Sarich und die Standing-Ovations-Narzissten

Standing Ovations. Was hierzulande ohne viel nachzudenken meist nicht übersetzt für eine besondere Form des Applauses, nämlich den Stehapplaus, verwendet wird, meint in Wirklichkeit nicht, dass das Publikum beim Applaus aufsteht. Das Adjektiv »standing« bedeutet in diesem Kontext vielmehr »lang anhaltend«. Damit wollte sich Musicalpublikum freilich nie wirklich auseinandersetzen. Geschult von den tollen Übersetzungen englischsprachiger Musicals, konnte für diese Besucherspezies »standing« nur »stehend« bedeuten. Standing Ovations freilich kann es auch bei Rollstuhlpublikum geben, das begeistert und lang anhaltend applaudiert. Wie so oft würde die deutsche Sprache also weit mehr Nuancen bieten, sie werden aber nicht genutzt.

Nötigung. Stehapplaus ist immer mit den Begriffen Nötigung, Gruppenzwang verbunden. Längst wissen Theater, wo man taktisch Claqueure platzieren muss, damit sie den Applaus bei Premieren so richtig in Schwung bringen. Will man Stehapplaus erzwingen, so geht nichts leichter als das. Im vordersten Bereich genügen ein paar Besucher, die sich quasi wie ein Mann erheben, um eine Massenreaktion auszulösen. Auch andere stehen auf, weil sie sonst nichts sehen würden. Am Schluss stehen also die, die aus taktischen Gründen stehen, und die, die nur stehen, weil sie sonst nichts sehen würden. Und in den Medien wird dann von »Standing Ovations« berichtet, die in Wahrheit nur Fake Applaus waren. So betrügt man Künstler um ehrlichen Applaus.

Die Applaus-Narzissten. Andrew Lloyd Webbers Rockoper »Jesus Christ Superstar« gehört in Wien mittlerweile zur Tradition wie Sisi, Mozartkugeln oder der Christkindlmarkt. Und was nie fehlen darf bei Aufführungen dieser Show durch die VBW (davor durch Aufführungen am Theater an der Wien): der enthusiasmierte Fan. So schrieb Attila E. Là¡ng 2001 in seinem Buch »200 Jahre Theater an der Wien. Spectacles müssen seyn.«: Bei Jesus Christ Superstar siedelte sich durch zwei umjubelte Serien im Theater an der Wien eine Fangemeinde an, die bis heute vom Stehplatz schreiend, kreischend ihren jeweils zum Star ernannten Liebling begrüßt. Damals [Österreichische Erstaufführung: 8.12.1981, 137 Vorstellungen, 134.050 Besucher in der Spielzeit 1981/1982] waren es Alexander Goebel, James Brookes und Rainhard Fendrich, heute sind es Uwe Kröger, Maya Hakvoort oder Yngve Gasoy-Romdal …).» In Rolf Kutscheras Memoiren »Glück gehabt. Meine Erinnerungen« (2010) lesen wir: »Zum ersten Mal trat etwas ein, was bei früheren Musicals nicht in diesem Ausmaß der Fall gewesen war: Die Jugend stürmte den Stehplatz. Sang mit. Weinte. Tanzte mit. Quittierte den Auftritt der Lieblinge mit gellenden Schreien. Heute gehört es zum Musicaltheater dazu. Nicht nur am Stehplatz, auch in den Logen und auf den teuersten Plätzen.«
Den Sprung in die Ära der VBW schaffte »Jesus Christ Superstar« 2004 als Fremdproduktion von Markus Prühs. 2004 brachte er die Rockoper konzertant zur Aufführung. Damals hatten die VBW im Raimund Theater »Barbarella« am Start, im gleichen Jahr wurde in Amstetten »Footloose« gezeigt. Im Ronacher waren Yngve Gasoy-Romdal, Maya Hakvoort, Dave Moskin, Ethan Freeman, Pehton Quirante und Previn Moore die Stars von insgesamt zwei Vorstellungen, begleitet wurden sie von einer elf Musiker starken Band, und moderiert wurde die Show von Martin Traxl. Prühs gelang ein Riesenerfolg, und bereits 2005, was für ein Wunder, produzierten die VBW selbst eine konzertante Version. Es spielte unter der Leitung von Caspar Richter das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien, in den Hauptrollen waren Drew Sarich (Jesus), Serkan Kaya (Judas), Dennis Kozeluh (Kaiphas), Rob Fowler (Simon/Annas), Andrà© Bauer (Pilatus), Roman Stranka (Petrus), Claudia Stangl (Maria Magdalena) und Jacqueline Braun (Herodes/Soulgirl) zu sehen. Drei Vorstellungen waren angesetzt. Seit damals steht »Jesus Christ« fast jedes Jahr am Spielplan der VBW. Die Musicalfans fielen damals noch nicht durch blödsinnige »Standing Ovations« auf, sie ruinierten in jenen Jahren nur »Gethsemane« und nicht gleich die ganze Show, indem sie nach dem ersten Teil des Songs zu klatschen begannen. Das ging einige Jahre so, bis Koen Schoots, der mittlerweile Caspar Richter als musikalischer Leiter des Orchesters abgelöst hatte, 2011 ein neues musikalisches Arrangement schrieb. Geschickt baute er nach dem rockigen Anfangspart von »Gethsemane« ein Gitarren-Delay (Echo) ein, das den Schlussakkord des ersten Teiles im Tempo des neuen Teiles wiederholt. Also ein programmiertes Delay. Es entstand keine »Pause« mehr zwischen dem ersten und zweiten Teil des Songs, und mit dem Klatschen war es endlich vorbei. Natürlich war nicht die Klatscherei der Grund dieser Änderung, der Effekt aber eine nette Nebenwirkung.

Springen wir ins Jahr 2017. Wieder einmal stand »Jesus Christ Superstar« am Spielplan, und diesmal hatte eine Gruppe von Fans ganz offensichtlich eine Agenda: Sie wollte ihren persönlichen Superstar Drew Sarich nach dem Song »Gethsemane« feiern. Koste es, was es wolle. Dass die Stelle in der Show völlig unpassend ist, um sie durch Stehapplaus zu unterbrechen – egal. Ich hätte ja nichts gegen »Standing Ovations«, wenn sie tatsächlich Ausdruck spontaner Begeisterung wären, aber das, was sich im Ronacher abspielte, war strategisch geplant. Hier demonstrierte eine Gruppe von Fans sich selbst, wie sehr sie es zu würdigen weiß, was Drew Sarich auf der Bühne leistet. Schaut her, wie gut wir einschätzen können, was er da leistet, wollten die Jubel-Streber signalisieren. Einerseits. Andererseits gibt es einen englischen Ausdruck dafür, wie dieser Jubel eigentlich zu verstehen ist. Er hat eher etwas mit gönnerhaftem (»patronizing«) Schulterklopfen zu tun. Schau doch Drew, was du für tolle Fans hast, die zu schätzen wissen, was du machst. Da stehen sie dann, brüllen, pfeifen, schreien gellend, ohne Rücksicht, wie am Fußballfeld und glauben tatsächlich, dass man das noch als »normales« Verhalten bezeichnen kann. Sie machen sich selbst zur Show. Narzissmus pur. Und auch in ihren Foren geht es dementsprechend zu. Kritiker werden gnadenlos auf persönlicher, nicht fachlicher Ebene niedergeschrieben. Über eine Kritikerin der Tageszeitung »Die Presse« stand in einem jener Foren zu lesen (die Tippfehler wurden übernommen): »Mein erster Eindruck : hier schrieb eine leicht verkniffene, unzufriedene, ältliche Dame,die im Leben wohl selten Freude hatte. Freude an einem wunderbaren, modernen Stück, welches das Publikum zu Recht jeden Abend aufs neue zu Begeisterungsstürmen hinreisst ! also wirklich…….. so verbiestert das ganze,dass es schon wieder komisch ist.«

Auch 2018 steht »Jesus Christ Superstar« wieder am Spielplan der VBW. Was wird dieser Fangruppe dieses Mal einfallen? Vielleicht Transparente, Trillerpfeifen?

Andreas Gergen bis 2025 nicht als Regisseur bei den VBW tätig …

Bekanntlich wurde Christian Struppeck als Intendant der VBW bis zum Jahr 2025 verlängert. Damit gilt wohl auch, was ihm sein Boss unlängst via ORF ausgerichtet hat: Solange Struppeck Intendant ist, so Franz Patay, wird Andreas Gergen ab sofort keine Regiearbeiten mehr übernehmen.
Nur dass wir das alle nicht vergessen.

Werk X: Homohalal (2018)

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Eigentlich sollte »Homohalal« im Frühjahr 2016 am Wiener Volkstheater uraufgeführt werden. Doch kurz vor der Premiere wurde Ibrahim Amirs Stück vom Spielplan genommen. »Grund«: die aufgeheizte Diskussion rund um das Flüchtlingsthema. Es war eine der sich häufenden nicht nachvollziehbaren Spielplanentscheidungen des Volkstheaters. Vor allem aber wurde sie schlecht und nur mit vielen Andeutungen kommuniziert. Gerade das Theater, dem sich Anna Badora verschrieben hat, sollte nicht kneifen, wenn es darum geht, aktuelle Themen mit den Mitteln des Theaters zu hinterfragen.

Weltweit sind rund 65 Millionen Menschen auf der Flucht, gut eine Million kam im Jahr 2015 nach Europa, wo seither eine hysterische Debatte tobt. Der in Syrien geborene Arzt und Autor Ibrahim Amir schaut den Leuten aufs Maul: den Flüchtlingen sowie den Hetzern und den Wohlmeinenden hierzulande. Sein Theatertext »Homohalal« nimmt die Vorurteile über Asylsuchende aufs Korn. Er verschont niemanden und seziert kriminalisierende wie idealisierende Klischees.

»Homohalal« basiert auf Amirs Zusammenarbeit mit Geflüchteten und Aktivisten, die 2012 die Wiener Votivkirche besetzten, um auf ihre prekäre Lebenssituation in Österreich aufmerksam zu machen. Nach der Absage in Wien erlebte das Stück 2017 in Dresden seine umjubelte Uraufführung. Unter der Regie von Ali M. Abdullah unternimmt das Meidlinger WERK X 2018 einen neuen Anlauf, die Österreichische Erstaufführung von »Homohalal« auf die Bühne zu bringen.

Ali M. Abdullah, Regisseur und Co-Leiter des WERK X: »Bitterböse Komödien sind das beste Werkzeug, um alltägliche zwischenmenschliche und interkulturelle Konflikte auseinanderzunehmen. Vor dem Hintergrund des dramatischen Rechtsrucks in Europa zeigt Homohalal, dass Menschen unterschiedlichster Herkunft sich letztlich weniger unterscheiden, als manche Zeitgenossen glauben.«

HOMOHALAL
von Ibrahim Amir
Österreichische Erstaufführung

Inszenierung: Ali M. Abdullah
Bühne und Kostüm: Renato Uz
Dramaturgie: Hannah Lioba Egenolf

Mit: Constanze Passin, Stephanie K. Schreiter, Yodit Tarikwa, Christoph Griesser, Daniel Wagner, Arthur Werner u. a.

PREMIERE: Do 18.1.2018, 19:30 Uhr
WEITERE TERMINE (jeweils 19:30 Uhr): Sa 20.1.2018, Do 25.1.2018, Fr 26.1.2018 (Publikumsgespräch im Anschluss)
ORT: WERK X, Oswaldgasse 35 A, 1120 Wien
Weitere Infos –> hier

Ateliertheater Wien: »Quartett«

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Zwei Mal noch (am Donnerstag, dem 7. Dezember, und am Freitag, dem 8. Dezember) ist Heiner Müllers »Quartett« im Wiener Ateliertheater zu sehen. Müller reduziert in seiner Bearbeitung des dem Stück zugrundeliegenden Briefromans »Gefährliche Liebschaften« (Choderlos de Laclos, 1782) die Personen der Handlung auf die beiden Antagonisten Marquise de Merteuil und Valmont. Sie trägt ihm auf, er solle ihre Nichte verführen, den ehemaligen Geliebten der Marquise aber interessiert die Entehrung einer anderen mehr. Eine giftige Auseinandersetzung nimmt ihren Lauf. Im weiteren Verlauf des Stückes wechseln die Geschlechterrollen: So wird Merteuil zum geübten Verführer, Valmont zur jungfräulichen Nichte, die es zu »vernichten« gilt. Ritualhaft vollzieht sich zwischen diesen beiden gegen ihren Untergang ankämpfenden Hofintriganten ein zerstörerischer, zeitloser Kampf der Geschlechter, der keine Gewinner kennt.

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35 Jahre nach der Uraufführung ist es Zeit, »Quartett« im Hinblick auf gegenwärtige Gender-Debatten neu zu befragen. Aussagen wie »Grab her by the pussy« und Parteiprogramme, die auf alleinerziehende Mütter vergessen, lassen darauf schließen, dass der Geschlechterkampf, den Müller in seinem Werk recht drastisch skizziert, noch immer andauert. Dass er vielleicht durch einen konservativen Backlash wieder verstärkt wird.

VALMONT: Ich glaube, ich könnte mich daran gewöhnen, eine Frau zu sein, Marquise.
MERTEUIL: Ich wollte, ich könnte es.

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Regie und Raumkonzept: Thomas Thalhammer
Video: Sebastian Kraner
Mit Maria Astl und Maks Suwiczak
Fotos: Sebastian Kraner

Spieltermine:
7. und 8. Dezember, Beginn: 2o Uhr (Dauer: ca. 70 Minuten)

Tickets:
VVK: 18,–
AK: 21,–
Erm: 16,–

Nähere Infos –> hier

Wiener Stadthalle: »Royal Christmas Gala« mit Sarah Brightman

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Am 23. Dezember findet in der Wiener Stadthalle (Halle F) die »Royal Christmas Gala«, ein Weihnachtsevent mit Sarah Brightman, statt. Gemeinsam mit Gregorian, Mario Frangoulis, Narcis und Fernando Varela bringt Brightman ein Pop-Meets-Classic-Programm auf die Bühne – begleitet werden die Künstler vom Royal Symphony Orchestra und Band.

Zuletzt war Brightman vor 17 Jahren im deutschsprachigen Raum auf Tournee, eine gute Gelegenheit also, die Sopranistin wieder einmal live zu erleben. Sollte die Christmas-Gala-Tour ein Erfolg werden, bestehen Pläne, ein mehrjähriges Projekt daraus zu machen, mit Auftritten auch in den USA und anderen Ländern.

Tickets für die Show gibt es –> hier

Gerald Nachman: Showstoppers!

shost.pngWenn Burgtheater-Schauspielerin Maria Happel als Rose bei ihrem Volksopern-Debüt in »Gypsy« den Song »Some People« interpretiert, hat sie mit diesem eigentlichen Opener der Show Songmaterial an der Hand, das man einen programmierten Showstopper nennt. Showstopper sind jene Nummern, die Fans immer und immer wieder in dieselbe Show ziehen. Sie definieren einen Theaterabend. »A showstopper is a moment of performance so rousingly expert and energizing that the audience response – usually rapturous applause and noises that sound like bravo! – freezes the show in a moment of loud, pagan worship.« (Ben Brantley) Es gab Zeiten und Orte, unter anderem am Broadway in den 1920er- und 1930er-Jahren, da unterbrach ein Showstopper tatsächlich die Show, der Schauspieler nahm die Ovationen an, verbeugte sich. Ja, gab Zugaben. Al Jolsons Spruch »Wait a Minute, wait a minute. I tell yer, you ain’t heard nothing yet« stammt aus dieser Periode. Wird in der Volksoper wohl nicht passieren. Oder doch? Mit einem Showstopper hat man die Chance, zur Theaterlegende zu werden, da kommen Energien ins Spiel, die schwer im Vorhinein abzuschätzen sind.
Warum ein Song zum Showstopper wird, wie einige legendäre Showstopper »gemacht« wurden, warum Showstopper so populär wurden, das untersucht Gerald Nachman in vorliegendem Buch und covert den Zeitraum von 1925 (»Garrick Gaieties«) bis 2005 (»Jersey Boys«).
Nachman (geboren 1938) kann als Journalist auf eine mehr als 50-jährige Karriere als Theaterkritiker und Kolumnist verweisen für Zeitschriften und Magazine wie »New York Post«, »San Francisco Chronicle«, »GQ«, »Esquire«, »Cosmopolitan« und »Theater Week«. Er ist Autor von drei Sachbüchern zur amerikanischen Populärkultur und mehreren Büchern zum Thema Humor. Außerdem schrieb er die Texte zu drei Musical-Revuen.
Für »Showstoppers!« führte er zahlreiche Interviews mit Schauspielern, Komponisten und Autoren, u. a. mit Patti LuPone, Chita Rivera, Marvin Hamlisch, Joel Grey, Edie Adams, John Kander, Jerry Herman, Sheldon Harnick, Tommy Tune, Harold Prince, Donna McKechnie und Andrea McArdle. Gegliedert hat er sein Werk in die Kapitel »Just for Openers«, »They Stopped The Show« und »O Say Can You Hear Me – Broadway Anthems«.
Nachmans Vorgehen ist ein journalistisches. Er bietet zu jedem Song interessante Anekdoten, etwa auch zum ältesten, »Manhattan«, aus der Revue »Garrick Gaieties« »which was a fundraiser meant for only a two-night run, to raise money to buy tapestries for the cash-strapped Theatre Guild at the Garrick Theatre, but the show proved so popular that it ran 211 performances and gave rise to two more editions« – sozusagen Crowdfunding in den 1920er-Jahren. Und er bietet Werturteile, die unter anderem schon durch die Auswahl der von ihm behandelten Showstopper zum Ausdruck kommen – oder durch Einleitungssätze wie folgende: »Wicked has a real story buried under all of its hokey special effects, but it’s hard to find, and almost as hard to care much about—unless you’re a fifteen-year-old girl with identity problems. (…) Like many musicals today, the show’s guiding principle behind each song seems to be, if it’s shouted loudly enough it must be a sensational showstopper.« Genüsslich zelebriert Nachman Zitate aus den Verrissen, die Stephen Schwartz am Broadway für »Wicked« einstecken musste, aber er liefert auch, und nicht nur hier, im Anhang zu den einzelnen behandelten Musical-Showstoppern ein wenig »Backstage Dish«: »As an inside musical joke, in what he calls a tribute to composer Harold Arlen, Stephen Schwartz incorporated the first seven notes of Over the Rainbow into the song Unlimited. Schwartz deftly dodged a lawsuit by the Arlen estate by not including an eighth note, which he says is where the copyright law kicks in. He disguised his good-humored theft by changing the tune’s rhythm and reharmonizing it.« Oder: »According to New York writer David Sheward and author Paul R. Laird (…) the electronics in Wicked generate enough power to supply twelve homes, using five miles of cables, and it takes 250 pounds of dry ice to create the smokey effects onstage.« Und er hat ein kleines Interview mit Stephen Schwartz geführt, in dem er ihn »über die Bande« mit seinen Kritikpunkten konfrontiert, wenn er etwa einen Freund anführt, der meint, »Wicked« sei nicht nur eine Show für junge Girls, sondern auch für Damen in seinem Alter (um die 70) und Schwartz darauf antwortet: »I love that. I think that is very accurate. I like that very much. The producers of Wicked get extremely annoyed when people say it is successful because it’s popular with teenage girls. You can’t run a show ten years in New York or all over the world if the audience consists entirely of teenage girls.«
Kein Problem hat Nachman etwa mit »La Cage aux Folles«. Für diese Show recherchierte er sehr interessante Statements, wie jenes von George Hearn, dem Albin der Musical-Uraufführung am Broadway: »It’s good it came along just before everything turned bad and we began losing people, about half the men in the cast. The zeitgeist changed and then people were at the barricades.« Nachmann zur Entstehungsgeschichte des Showstoppers »I Am What I Am«: »(Jerry) Herman recalls that the idea for the song, and the title, was born when the show’s book writer, Harvey Fierstein, arrived one day with an impassioned scene to end act 1 that included the phrase, I am what I am. Herman asked Fierstein if he could steal the phrase and promised to have a song by the next morning. He delivered it, but instead of making the lyrics overly didactic, Herman purposely created a mainstream song that just might become a hit, a song that, like the show itself, not just gays would respond to but also straight mid-American audiences.«
Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube an Geschichten, Fakten, witzigen Randbemerkungen, geschrieben von einem Musical-Liebhaber. Empfehlenswert.

Gerald Nachman: Showstoppers! The Surprising Backstage Stories of Broadway’s Most Remarkable Songs. Chicago Review Press Incorporated, Chicago 2017. 408 S.; (Broschur) ISBN 978-1-61373-102-4. $ 19,99. chicagoreviewpress.com

Werk X: Ich glaube

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Das WERK X startet mit der Uraufführung von »Ich glaube«, einer Produktion des aktionstheater ensemble, in die neue Spielzeit. Die Truppe rund um den Theatermacher Martin Gruber thematisiert in ihrem neuesten Stück Religion als Faktor für Selbstlegitimierung, Abgrenzung, Ausgrenzung und Gewalt. Die Wien-Premiere findet am Mittwoch, 11. Oktober 2017, im WERK X in Meidling statt.

Vor der Kulisse einer durch Attentate verletzten Welt treffen sich die ProtagonistInnen des aktionstheater ensemble und werfen sich mehr oder weniger funktionierende Lebensphilosophien einer saturiert-säkularen Welt an den Kopf. Jeder weiß es besser. In einem schwindelerregenden Parforceritt werden religiöse wie quasi-religiöse Lebensentwürfe durchdekliniert. Die Erkenntnis, dass der Glaube an absolute Wahrheiten noch nie wirklich funktioniert hat, ist den AkteurInnen aber nur ein schwacher Trost. Was letztlich verbindet, ist die Suche nach einem verbindenden Element: die Liebe.

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ICH GLAUBE
von Martin Gruber und aktionstheater ensemble

Uraufführung in Koproduktion mit Bregenzer Frühling und Kooperation mit Werk X
Dauer: 75 Minuten

täglich bis Sa. 14. Oktober jeweils 19:30 Uhr im Werk X (Oswaldgasse 35a, 1120 Wien)

Konzeption, Regie: Martin Gruber
Text: Martin Gruber und aktionstheater ensemble
Dramaturgie: Martin Ojster
Regieassistenz: Robin Sarah Ströhle
Musik/Arrangements, Sound-Design: Kristian Musser
Musiker: Kirill Goncharov (Geige), Jean Philipp Viol (Bratsche)
DarstellerInnen: Susanne Brandt, Alev Irmak, Martin Hemmer, Claudia Kottal, Benjamin Vanyek

Dank an: Simone Huchler, Martin Platzgummer (PROXI), Aaron Sutterlütte (Aaronfilm),
Felix Dietlinger
Fotos: Stefan Hauer

ICH GLAUBE - TRAILER from aktionstheater ensemble on Vimeo.

Dan Dietz: The Complete Book of 2000s Broadway Musicals

Dan Dietz legt den vorerst letzten Band seiner Serie ‘The Complete Book of … Broadway Musicals’ vor. Er begann seine Zeitreihe in Band 1 mit den 1940er-Jahren und widmet sich im vorliegenden Band 7 dem Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2009 – insgesamt 213 Produktionen. Was besonders auffällt am Broadway der 2000er-Jahre: der zunehmende Mangel an neuen Musicals. Nur 37 Book Musicals mit neu komponierter Musik gab es, dagegen 85 Revivals. In den 1940ern waren es 80 neue Book Musicals mit neuer Musik, in den 1950ern 71, in den 1960ern 98, in den 1970ern 84, in den 1980ern 50 und in den 1990ern 32. Die 2000er waren übrigens auch die erste Dekade seit den 1950ern (Dietz schreibt: seit den 1940ern), in der kein neues Sondheim-Musical seine Broadway-Premiere feierte.
Dietz, das irritiert, hat in seine Übersicht auch Produktionen wie ‘Penn & Teller’ aufgenommen, eine Zaubershow der beiden Magier, die für acht Aufführungen im Beacon Theatre zu sehen war. Was bietet der Autor nun genau? Für jede Show gibt es Angaben zu Aufführungsort, Premierendatum, Anzahl der Aufführungen, Kreativ-Team, Cast; eine Auflistung aller Songs und Awards – und im Analyseteil seine Einschätzung, Bewertung anhand von Kritiken, Zeitungsartikeln. Die Bewertung fällt bei einem Trend der 2000er, den Vampir-Musicals, harsch aus. ‘Dance Of The Vampires’ (56 Vorstellungen), ‘Dracula’ (157 Vorstellungen) und ‘Lestat’ (39 Vorstellungen) werden abgefertigt und als Phänomen eingestuft, vergleichbar mit der kurzen Periode der Zombie-Musicals am Off-Broadway Mitte der 1990er-Jahre (‘Zombies From The Beyond’, 1995, und ‘Zombie Prom’, 1996). Der Anhang bietet eine Chronologie aller Shows (nach Jahr, Genre), eine Auflistung jener Produktionen, von denen eine Cast-CD oder Filmaufnahme bzw. das Libretto erhältlich ist, und einige Spezial-Listen, etwa «Black-Themed Revues and Musicals” und «Jewish-Themed Revues and Musicals”, sowie eine Auflistung aller Shows nach Spielstätten. Jetzt wär’s noch schön, aus allen Bänden eine digitale Datenbank zu erstellen.

Dan Dietz: The Complete Book of 2000s Broadway Musicals. Rowman & Littlefield Publishers, Lanham
2017. 514 Seiten; (Hardcover). ISBN 978-1-4422-7800-4. $ 125,–. rowman.com

Theater Drachengasse: Arme Gerechtigkeit, liegst im Bett und hast kein Kleid!

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Am Montag, dem 9. Oktober 2017, geht im Theater Drachengasse die Premiere des Stücks »Arme Gerechtigkeit, liegst im Bett und hast kein Kleid!« über die Bühne. Nach »Die großen Kinder unserer Zeit« ist es die zweite Arbeit von Korbinian Schmidt und Franz-Xaver Mayr im Theater Drachengasse. Franz-Xaver Mayr ist aktuell für den NESTROY-Preis 2017 nominiert, für seine Inszenierung von »diese mauer fasst sich selbst zusammen und der stern hat gesprochen, der stern hat auch was gesagt« im Wiener Schauspielhaus.

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»Arme Gerechtigkeit, liegst im Bett und hast kein Kleid!« ist ein theatrales Panoptikum zur Erforschung der Generation Y in Bezug auf Haben, Wollen, Sein und Müssen. Zwischen Prekariat und Selbstoptimierung, Leistungsdruck und Ich-Inszenierung regiert die Angst, als Witzfiguren in die Geschichte einzugehen.

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Lieber Bonnie,
Es ist ja so. Wir haben lange gewartet und waren geduldig. Wir sind joggen gegangen. Wir haben uns gesund ernährt. Wir haben unsere Körper auf Vordermann gebracht. Wir haben eine Ausbildung gemacht, haben studiert und sind gereist. Wir haben lange Gespräche geführt, haben Interesse an vielen Dingen entwickelt, haben Sprachen gelernt und gelernt, wie wir uns anziehen müssen, damit wir nach etwas aussehen. Wir haben in uns und unsere Leben viel Zeit und Geld investiert, damit wir damit etwas anfangen können. Und jetzt ist all das in Gefahr, weil es etwa Probleme gibt? Woher wir das wissen? Aus dem Internet! Dort sagen das nahezu alle. Es stünde schlecht um uns und man müsse etwas unternehmen. Das sagen auch nahezu alle. Das ist nicht fair. Darauf hat man uns nicht vorbereitet. Und außerdem fehlen uns dazu die Informationen und die finanziellen Mittel. Was machen wir denn jetzt. Wie du weißt, bin ich Schriftstellerin und arbeite im Einzelhandel und da bleibt mir wenig Zeit mich noch um anderes zu kümmern. Und so geht es fast allen. Gut. Nicht jeder arbeitet im Einzelhandel, aber nahezu jeder ist Schriftsteller*in geworden und da braucht man viel Zeit für sich. Bonnie, ich weiß. Uns geht es ja gut. Wir haben Arbeit, die Landschaft ist toll, das Klima auch, wir tragen tolle Kleider, alles i.O. Noch! Weißt du, ich habe einfach Angst, dass wir es nicht hinbekommen. Dass alles vergebens war. Dass wir nicht den Ruhm ernten, den wir verdienen, sondern stattdessen einfach immer so weiter machen, weiter unsere Kleider kaufen und gesunde Dinge essen und dann einfach verschwinden und als die größten Witzfiguren in die Geschichte eingehen werden. Davor habe ich eine verdammte, begründete Angst!
In Liebe, den Tränen nahe, deine Bonnie!

PS: Ich habe jedes einzelne Gespräch mit Dir genossen. Auch wenn uns kein einziges weitergebracht hat.

Arme Gerechtigkeit, liegst im Bett und hast kein Kleid!
Uraufführung
Eine Koproduktion mit Theater Drachengasse

Inszenierung: Franz-Xaver Mayr, Korbinian Schmidt
Dramaturgie: Moritz von Schurer
Video: Nela Pichl
Maske: Inge Schra
Regieassistenz: Sarah Maringer
Bühnenbildassistenz: Johanna Mitulla
Produktionsfotos: Marcella Ruiz Cruz

Es spielen: Nehle Breer, Karola Niederhuber, Nils Rovira-Muà±oz, Amerlingchor

Uraufführung: Montag, 9. Oktober, 20 Uhr
Weitere Vorstellungen: 10.–14.10., 17.–21.10., 20 Uhr

Karten:
Theater Drachengasse, Bar&Co
Fleischmarkt 22, 1010 Wien
Telefon: +43 (0)1 513 14 44
e-mail: karten@drachengasse.at
web: www.drachengasse.at/karten.asp
Abendkassa: 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn
Vollpreis: 19 Euro / Studierende: 10 Euro / weitere Ermäßigungen

brut/Volkskundemuesum: Chesterfield

Während der Generalsanierung des Künstlerhauses zieht brut Wien für eine Saison um und umher und initiiert Projekte an unterschiedlichen Orten in Wien: In der ersten Saisonhälfte bespielt brut Theaterräume in Neubau und in der Leopoldstadt, Leerstände in Favoriten, ein Museum in der Josefstadt, einen Club am Donaukanal, eine Bushaltestelle in der Brigittenau und ein Schwimmbad in Hernals.

In den Räumen des Volkskundemuseums zeigt die Wiener Künstlerin Alix Eynaudi Anfang Dezember gemeinsam mit vier weiteren Performer*innen ihre neueste Arbeit: Chesterfield, ein choreografisches Projekt in Form einer performativen Ausstellung, deren Absicht es ist, poetische Beziehungen zwischen Tanzen, Lesen, dem Objekt Buch und dem Material Leder herzustellen.

Die Tänzer*innen lassen sich für Chesterfield von Pflanzenbüchern aus der viktorianischen Zeit und der Sammlung des Volkskundemuseums inspirieren, darunter u. a. von brandbemalten Lederobjekten, gestanzten Masken oder feinen Schnitzereien auf Tierhäuten. Aus diesen unterschiedlichen Inspirationsquellen collagieren sie das Stück Chesterfield, in dem ihre Körper wie tanzende Wörter und Zeichen erscheinen.

Die Choreografin und Tänzerin Alix Eynaudi lebt und arbeitet in Wien. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Balletttänzerin an der Opà©ra national de Paris und studierte zeitgenössischen Tanz bei PARTS Brüssel. Sieben Jahre tanzte sie in Anne Teresa De Keersmaekers Compagnie ROSAS. Seit 2005 tourt sie erfolgreich international mit ihren eigenen Stücken. www.alixeynaudi.com

Chesterfield
Ein Projekt von Alix Eynaudi In Zusammenarbeit mit Mark Lorimer, Quim Pujol, Cà©cile Tonizzo, An Breugelmans, Bruno Pocheron Dank an Alessio Scandale, Jean-Luc Plouvier, Olivier Renouf, Elton Petri, Jacopo Lanteri, Clà©mentine Caudron, Beatrix Potter, Emily Dickinson, Margaret Gatty, Margaret Hamilton Produktion Sarah Blumenfeld für boà®te de production – Verein für zeitgenössischen Tanz und zeitgenössische Installationen Administration Smart – Das Büro für Künstler*innen und Kreative
Eine Koproduktion von Alix Eynaudi und brut Wien, danceWEB through Life Long Burning und BUDA Kunstencentrum. In Kooperation mit Tanzquartier Wien, La Place de la Danse – CDCN Toulouse/Occitanie (working studio), Volkskundemuseum Wien. Mit freundlicher Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien, des Bundeskanzleramts Kunst und Kultur und des Kulturprogramms der Europäischen Union.

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