Martin Bruny am Donnerstag, den
22. Dezember 2011 um 03:13 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
Das Jahr 1962 war für Stephen Sondheim ein sehr wichtiges. Mit »A Funny Thing happened on the Way to the Forum« feierte sein erstes Musical, für das er Text und Musik geschrieben hatte, seine Broadwaypremiere. Diese Show war jedoch nicht nur für Sondheim von Bedeutung, sie revolutionierte letztendlich auch die Art und Weise, wie Musicals auf den Weg gebracht werden. Erstmals probierte der Komponist beim »Forum« sein Material in später so bezeichneten »Workshops«. Bis dahin war der Produktionsprozess ein klar geregelter: Der Autor/Komponist schrieb die Show, der Produzent entschied sich, sie zu machen, die Cast wurde fixiert, es wurde geprobt und die ganze Show in Form von Tryouts präsentiert. Bis zum ersten Tag der Probe wurde das vorhandene Material nicht getestet, wenn eine Show bei den Tryouts nicht klappte, musste man sie in einem relativ engen Zeitrahmen optimieren, und so ist es eine bekannte Tatsache, dass in der Goldenen Ära des Musicals (1925 bis 1960) der erste Akt vieler Musicals weit besser war als der zweite. Einfach weil man für den zweiten zu wenig Zeit hatte.
Bei Sondheims »Forum« fand der erste Test der Show im Rahmen eines »Readings« statt. In einem großen Raum mit einem Klavier spielte Sondheim die Songs, als Interpreten wurden Darsteller engagiert, die auch für die tatsächliche Produktion in Frage kamen. »Workshops” gab es danach viele Jahre später auch für Sondheims »Company«, »Follies« und »A Little Night Music« – und mit der Zeit erkannte die ganze Branche die Vorteile dieser Arbeitsweise. Begonnen aber hat alles mit dem »Forum«.
Sondheims »Forum« hat in vieler Hinsicht Theatergeschichte geschrieben und für Diskussionen gesorgt. Es gilt unter anderem als ein prominentes Beispiel dafür, wie eine geniale Eröffnungsnummer zum Erfolg führen kann, denn erst als Jerome Robbins mitten in den Arbeiten an der Broadwayproduktion als Showdoktor hinzugezogen wurde und die usprüngliche Eröffnung »Love is in the air« durch »Comedy Tonight« ersetzte, war dem Publikum von der ersten Sekunde an klar, womit man es bei dieser Show zu tun hat – mit grenzenlosem Spaß.
»Forum« war auch das erste Musical, das der legendäre Hal Prince alleine produzierte, sein Partner Bobby Griffith starb am 7. Juni 1961, mitten in den Arbeiten an der Broadwaypremiere des »Forums«. Und das »Forum« war George Abbotts letzter Musical-Erfolg, den er mit der Hilfe von Jerome Robbins erzielte.
Das Buch zur Show stammt von Burt Shevelove, einem langjährigen Freund Sondheims, und Larry Gelbert. Seine Wurzeln hat Sondheims »Forum« in dem Musical »When in Rome« (stammend aus dem Jahre 1942), zu dem Shevelove Buch und Texte beigesteuert hat und Albert Selden die Musik. »When in Rome« hat »das Beste von Plautus« zum Inhalt und wurde an der Yale Dramat uraufgeführt, in der Regie Sheveloves. »Forum«, so Steven Suskin in seinem Buch »Showtunes«, ist:
»suitable witty but somewhat brittle, restrained by the needs of the piece. ‚Everybody ought to have a maid‘, ‚Comedy Tonight‘, ‚Impossible‘, and ‚Free‘ all display verbal dexterity, but the only truly melodic song in the score is the puposely vapid »Lovely‘ – which was written as a farce duet for two middle-aged men, and only given to the young lovers in tryout desperation when a more authentically tender duet was cut. It wasn’t until »Company‘ [Uraufführung am 26. April 1970] – a depressingly eight years later – that Sondheim’s music began to receive true recognition.”
Tatsächlich wurde Sondheims »Forum« bei den Tony Awards reichlich mit Nominierungen bedacht. Acht davon waren für Sondheim reserviert, sechs davon gewann die Show. In einer Kategorie, und der für den Komponisten natürlich wichtigsten, dem »Best Score«, war für Sondheim aber nicht mal eine Nominierung drinnen. Finanziell jedoch war die Broadwayshow ein Erfolg, und es ist nach wie vor der größte Hit, den Sondheim jemals am Brodway hatte, mit 964 Aufführungen.
Das Motto der großen Musicalproduzenten im deutschsprachigen Raum lautet derzeit »Fun«. Lustig muss es sein, »Drama« ist immer weniger gefragt, zunehmend ein Risikofaktor, wenn doch Drama programmiert wird, dann handelt es sich oft um Gegengeschäfte und Revivals aus schierer Verzweiflung, die dann als »Geschenke an das Publikum« verkauft werden. »Lustig« bedeutet hierzulande meist unglaublich primitiv platter Humor, aufbauend auf den gesammelten Werken eines Schlager- oder Popinterpreten beziehungsweise wird eine nett angerichtete Pastiche-Platte mit Werken, komponiert im Stile von … serviert. Das Fatale daran: Dieser Trend hält nun schon so lange an, dass viele den Eindruck gewinnen könnten, das sei tatsächlich »Musical«, was man ihnen da vorsetzt. Man spricht dann von der ungeheuer großen Bandbreite des Genres und der enormen Vielfalt des Musiktheaters, man solle doch nicht so kleinkariert sein. Ganze Generationen von Musicalstudenten werden mit Disney-Plastik unterrichtet und in die Leyay/Kunze-Familie hineinmodelliert. Nun, auch Bratwürstel sind essbar. Das ist richtig. Musical aber war ursprünglich doch auf einer etwas feineren Schiene angesiedelt. Man hat tänzerische Elemente nicht in der Show gehabt, weil es ein Punkt war, den man abhaken musste, die Musik bestand nicht nur aus einem Primitivrefrain, der sich ad infinitum wiederholt, oder aus purem Rhythmus, und die Texte wurden nicht unter dem Motto geschrieben: »Ich muss als Autor nicht klüger sein als das Publikum«, also quasi mit dem Subtext: Alles, was ich mache, auch der größte Topfen, ist so unendlich genial, weil ich es ja bewusst und absichtlich schlecht mache.
An der Wiener Volksoper hat man eine eigene Zeitrechnung, was Musicals betrifft. Die zeitliche Trennlinie zwischen dem, was man für produzierbar hält am Haus und allem anderen ist mit einem Namen verbunden: Andrew Lloyd Webber, sozusagen der Antichrist jedes traditionellen Broadwayfanatikers. Auf der einen Seite ist diese Programmpolitik nachvollziehbar, auf der anderen Seite macht man sichs damit natürlich zu leicht, weil auch seit Herrn Webbers größten Erfolgen herausragende Musicals entstanden sind, die mit dem von ihm vertretenen Stil nichts zu tun haben.
Mit Sondheims »Forum« hat die Volksoper, das kann man sagen, die Kritiken zusammenfassend, eine hervorrragende Produktion auf die Bühne gestellt. Die Nachfrage nach den Tickets ist enorm, schon jetzt bemüht man sich Zusatzvorstellungen einzuschieben (so am 28. und 30. Januar 2012). Liest man sich die publizierten Rezensionen durch (siehe Links unten), so wird praktisch alles gelobt, angefangen vom Setdesign (Friedrich Despalmes), das sehr wirkungsvoll den comicartigen Charakter der Show betont, der Lichtgestaltung (Michael Grundner), bis hin zur Choreografie (Ramesh Nair), bei der manche Kritiker betonen, dass sie die Darsteller nicht gerade fordere. Da wird die Leichtigkeit, die auf der Bühne zu sehen ist, wohl als Zeichen von Unterforderung gedeutet, was aber praktisch nie der Fall ist. Vielmehr ist diese Leichtigkeit Resultat von beinhartem Training und exaktem Timing. Glanzstücke wie die Einlagen der »Kurtisanen« Wilbirg Helml, Eva Prenner, Jennifer Kossina, Caroline Ciglenec, Lynsey Thurgar und Miriam Mayr – begeistert beklatscht vom Publikum, zeigen, dass der Tanz im Musical auch »organisch« integriert sein kann ohne den Wert eines abgehakten Punkts auf der Liste »Wie mach ich aus Schlagern ein Muuusikal« zu haben. Mit welcher Leichtigkeit auch Oliver Liebl, Tom Schimon und Ronnie Vero Wagner Dutzende Kostümwechsel in Blitzestempo, witzige Choreografien absolvieren, großartig. Die vielen kleinen Moves aller Darsteller, Gesten, all das hat Nair genial geplant und umgesetzt, innerhalb der Regie Werner Sobotkas.
Dass das »Forum« sehr früh in Wien gelandet ist, nämlich erstmals 1987 im Kabarett Simpl, liegt am Gespür des damaligen Direktors von Österreichs berühmtestem Kellerkabarett, Martin Flossmann. Er erkannte, wie sehr sich die Struktur dieses Musicals für die Programmierung im Haus der legendären Simpl-Revuen eignet. Der erste Akt ist im ersten Teil, wie es Sondheim formuliert, »more exposition than action«, in der ersten Häfte dieses ersten Akts hat Sondheim die meisten Songs seiner Show untergebracht, danach werden die Lieder seltener und die Farce nimmt zunehmend Tempo auf, in den letzten 20 Minuten vor dem Finale der Show gibt es gar kein Lied mehr, da wird das »Funny Thing« zu einer einzigen irrwitzigen Verfolgungsjagd, rasant, jede »Unterbrechung« würde da den Drive der Farce killen. Flossmanns Übersetzung wurde von Werner Sobotka, dem Regissseur der Volksopernversion, bearbeitet, etwa um einige kleine Spitzen ergänzt (zum Beispiel »keine Vampire« als kleiner Seitenhieb im Song »Comedy Tonight«), fast schade, dass man akustisch nicht wirklich alles mitbekommt von den kleinen Schmähs im Text. Sobotka hat mit dem »Forum« ein ideales Stück gefunden, das vom Material her stimmt, bei dem sich auch tatsächlich die Arbeit lohnt, dieses Drehen am Timing, das Perfektionieren des reibungslosen Ablaufs, den er in Interviews mit einem Uhrwerk verglichen hat. 19 Darsteller müssen ein gemeinsames Timing haben – wie die Zahnräder in einem Uhrwerk. Es ist Slapstick in vielen Momenten, aber intelligent inszenierter, ohne dass man sich fremdschämen müsste, weil die Leute da rundherum im Saal laut lachen – man lacht ja selbst mit.
Ein Meisterstück das Casting – keine Rolle, die nicht von den Darstellern mit Leben erfüllt wird. Robert Meyer outriert sich als Pseudulus durch die Show, dass es eine Freude ist. Gilt im Simpl das Motto, dass ein Gag nur gut ist, wenn laut gelacht wird, und eine Simpl-Revue nur dann gelungen ist, wenn andauernd laut gelacht wird, ist der Wiener Volksoper mit dem »Forum” die beste Simpl-Show seit vielen Jahren gelungen. Jede Szene, jedes Lied wird beklatscht, fast jeder Gag trifft ins Schwarze, es sind vergleichbar harmlose Scherze, die keine Randgruppen in fast alltagsrassistischer Art und Weise dauerdiffamieren, wie das in jüngster Zeit im Simpl immer öfter gemacht wird. Das ist Sondheims Anliegen nicht, in seinem »Forum« gehts um Liebesqualen, Ehejoch, Verkleidungen, Verwechslungen, Zaubertränke, verschollene und wiedergefundene Nachkommen und den Wunsch nach Freiheit. Herbert Steinböck als lüstelnder Senex, Dagmar Hellberg als hantige Domina, Boris Pfeifer am Dauerrotieren, Sigrid Hauser als Lycus und Gernot Kranner als Erronius, sie liefern einen Gag nach dem anderen. Ein Fest. Wenn man liest, wie in einer Kritik die Leistung Paul Schweinesters mit dem Vermerk
“Der vom jungen Paul Schweinester verkörperte Hero wird Caruso nie Konkurrenz machen, wirkte aber als der naive Held des Musicals sehr sympathisch.”
etwas kleingemacht wird, könnte man dem entgegenhalten, dass Schweinester es großartig versteht, seine klassisch ausgebildete Stimme im Musicalgenre passend einzusetzen, was oft eines der größten Probleme von Musicalproduktionen an Opernhäusern überhaupt ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und dass er darüber hinaus als Hero schauspielerisch all das zeigt, was im Rahmen dieser wie aus einem Comic entsprungenen und auch mit Absicht so inszenierten Figur (inklusive Sprechblasen) drinnen ist, sollte man auch nicht unerwähnt lassen. Es sind manchmal die kleinen Gesten und es ist auch eben die Leichtigkeit und Glaubwürdigkeit, die hart erarbeitet werden müssen. Ebenso wie Bettina Mönch das fleischgewordene Barbiepüppchen und wie Florian Spiess den selbstverliebten Schwarzenegger-Zinssoldaten mit Brei im Hirn perfekt abliefern.
An einigen wenigen Stellen hätt’s vielleicht noch etwas Maschinenöl gebraucht in der Show, etwa bei einer Persiflage einer »Tanzszene« von Dagmar Hellberg, aber wenn man bedenkt, was für eine Produktion hier für relativ wenige Vorstellungen auf die Beine gestellt wurde und dass sich das bei täglichen Aufführungen innerhalb einer Woche locker eingespielt hätte, kann man diesen »Römern« nur wünschen, dass sie mindestens zehn Jahre immer wieder am Spielplan stehen werden, auf dass man sie immer wieder besuchen kann. Das ist Musical, für das man sich nicht genieren muss, umgesetzt von famosen Darstellern und dem groß aufspielenden Orchester der Wiener Volksoper unter der Leitung von David Levi.
Die spinnen, die Römer!
Buch: Burt Shevelove/Larry Gelbart
Musik und Liedtexte: Stephen Sondheim
Deutsche Fassung: Martin Flossmann,
für die Volksoper eingerichtet von Werner Sobotka
Cast
Pseudolus, Sklave des Hero: Robert Meyer
Senex, Bürger von Rom: Herbert Steinböck
Domina, Frau des Senex: Dagmar Hellberg
Hero, deren Sohn: Paul Schweinester
Philia, eine Jungfrau: Bettina Mönch
Hysterium, Sklave von Senex und Domina: Boris Pfeifer
Lycus, ein Kurtisanenhändler: Sigrid Hauser
Miles Gloriosus, ein Krieger: Florian Spiess
Erronius, Bürger von Rom: Gernot Kranner
Die Zwillinge, Kurtisanen: Wilbirg Helml
Die Zwillinge, Kurtisanen: Eva Prenner
Gymnasia, Kurtisane: Jennifer Kossina
Tintinabula, Kurtisane: Caroline Ciglenec
Vibrata, Kurtisane: Lynsey Thurgar
Panacea, Kurtisane: Miriam Mayr
Drei Männer: Oliver Liebl
Drei Männer: Tom Schimon
Drei Männer: Ronnie Verà³ Wagner
Premiere: 17. 12. 2011
Aktuelle Termine
Di. 27. Dez 2011, 19:00
So. 08. Jan 2012, 19:00
Mi. 11. Jan 2012, 19:30
Sa. 28. Jan. 2012, 19:00
Mo. 30. Jan. 2012, 19:30
Sa. 12. Mai 2012, 19:00
Do. 17. Mai 2012, 19:00
Fr. 18. Mai 2012, 19:00
Sa. 19. Mai 2012, 19:00
Do. 24. Mai 2012, 19:00
Sa. 26. Mai 2012, 19:00
Di. 29. Mai 2012, 19:00
Fr. 01. Juni 2012, 19:00
So. 03. Juni 2012, 16:30
Di. 12. Juni 2012, 19:00
Do. 28. Juni 2012, 19:00
(Tickets–> hier. Karten bis Mai 2012 sind bereits erhältlich!)
Martin Bruny am Dienstag, den
20. Dezember 2011 um 03:36 · gespeichert in Rezensionen, 2011
Weihnachtsshows, es gibt sie noch, die echten, mit viel Gefühl, großem Ensemble, mit dem bisschen Kitsch, das es manchmal braucht, ganz viel guter Laune, mit beeindruckenden Stimmen, Tanz, einem wunderbaren Orchester, zwei Chören, mit stimmungsvollen Lesungen … so eine richtig schöne Weihnachtsshow eben. Keine Ankündigung am Anfang (wie bei der einen oder anderen Show), dass man als Privatmensch die ganze Weihnachtszeit eigentlich nicht mag … Lichter, Glitzern, Stimmung, WEIHNACHTSLIEDER um GOTTES WILLEN, wer will sich das schon mehr als zwei Wochen, mehr als eine Woche oder auch nur mehr als einen Tag vor dem Weihnachtsfest antun. Nein, es gibt auch noch Theaterhäuser, wie die Wiener Volksoper, die das, was sie in ihren Vorankündigungen versprechen, auch halten, und ganz offensichtlich mit großer Lust und Freude. Fast geradezu ansteckend, so dass vielleicht auch so mancher »Scrooge« da draußen, der an Weihnachten nicht glaubt, mit einer solchen Show bekehrt werden würde.
Die Wiener Volksoper, so viel steht fest, wollte am 18. Dezember mit ihren zwei Weihnachtskonzerten (um 14 Uhr und um 19 Uhr) das Publikum in weihnachtlicher Deko in der Szenenlandschaft von »Hänsel und Gretel« in weihnachtliche Stimmung versetzen, die Darsteller sangen gemeinsam mit dem Publikum, man hatte Spaß an den Liedern, am Tanz, an den Lesungen, man lockte niemanden ins Theater, um dann Songs aus der Schlagerparade von 1974 zu trällern. Die Bandbreite der Show war groß, sie reichte von Aaron Copland bis zu Tschaikowsky, von Mariah Carey bis zu Leonard Bernstein.
In der Tat war die Bandbreite so groß, dass das Publikum auch ganz individuell auf einige Künstler reagierte. Sandra Pires etwa begeisterte im Gegenwartssektor des Programms mit einer Interpretation von Mariah Careys & Walter Afanasieffs »Miss you most (at Christmas Time)« die Zuschauer, bei »The Twelve Days of Christmas« rackerte sie sich ab wie wild, um das Publikum zum Mitsingen zu animieren, der Direktor selbst gab sein Bestes, um bei der neuen deutschen Version, die davon erzählt, was man an den zwölf Weihnachtstagen so alles isst, das auf die Taille schlägt, seinen Einsatz nicht zu verpassen und brüllte »Essiggurkerl« von seiner Loge auf die Bühne. Nachmittags war der Song ein Spaß auch für die vielen Kinder im Saal, am Abend für alle Junggebliebenen. Natürlich nicht für alle, denn es gibt auch jene Teile des Publikums, die es doch lieber unverstärkt haben. »Mikrophonstimmen«? Och nee! Das geht so weit, dass man den Applaus verweigerte – aber wurscht, das machte der Enthusiasmus vieler anderer wett. Dass »verstärkte Musicals« nach wie vor für einige gar nicht gehen, zeigt auch eine Kritik zur jüngsten Musicalproduktion (»Die spinnen, die Römer!«) der Wiener Volksoper. Schreibt doch der Rezensent des »Neuen Merker«: »Es fällt übrigens schwer, über Gesangsleistungen zu urteilen, weil alle Auftretenden leider mit Mikrophon arbeiteten.« Das freilich bleibt dahingestellt und ist längst nicht gängige Meinung. Was man jedenfalls sagen kann: Der Ton war gut ausbalanciert, sowohl bei den »(Hand-)Mikro«-Sängern als auch bei allen anderen.
Christoph Wagner-Trenkwitz gab an diesem Abend den Vorleser: »Wer glaubt noch an den Weihnachtsmann« von Janina David und »Das Weihnachtsfest des alten Schauspielers Nesselgrün« von Salomo Friedlaender, sehr amüsant vorgetragen und auch passend zur Stimmung des Abends, der als Plädoyer für die Weihnachtszeit gelten kann. Weihnachten, gar einmal pro Monat?
»Es ist ein Mangel an künstlerischer Kraft. Müsst ihr immer erst ins Theater gehen, Leute, oder auf Traum und Fastnacht, auf Rausch und Irrsinn warten, ehe ihr so kühn werdet, die Natur zu dirigieren? Ist nicht Weihnachten ein so schönes, erquickliches Fest, dass man es mindestens einmal in jedem Monat feiern sollte? Glaubt mir altem, ausgedienten Manne!«
Damit schleuderte er Konfetti und künstlichen Schnee auf die Straße, und in einem Nu steckte er das kindliche Volk mit seiner Begeisterung an. Die allezeit zu Scherz, Fest und Freude aufgelegte Jugend riss die Eltern mit sich fort. Alle Gärtnerläden wurden geplündert. Bald flammten Lichtbäume an allen Fenstern; man sang heilige Lieder. Der kleine Ort war die ganze Nacht hindurch voller Fröhlichkeit. »Es ist der schönste Erfolg, den jemals ein Schauspieler errungen hat!«, seufzte Nesselgrün. [Salomo Friedlaender]
Der junge Benedikt Vogt aus dem Kinderchor der Wiener Volksoper hatte bei »Adeste Fidelis« sein großes Solo, und gemeinsam mit dem Kinderchor gab der Tenor Otoniel Gonzaga – natürlich unverstärkt – ein beeindruckendes »O Holy Night«. Auch eine Vorschau auf die nächste »Musical«-produktion der Wiener Volksoper wurde geboten: Eine konzertante Version von Leonard Bernsteins »Candide« wird es werden.
So feiert man Weihnachten stimmungsvoll und angemessen in der Vorweihnachtszeit!
Chor der Volksoper Wien, Einstudierung: Thomas Böttcher, Michael Tomaschek
Kinderchor der Volksoper Wien, Einstudierung: Lucio Golino, Leitung Kinderchor: Brigitte Lehr
Mitglieder des Wiener Staatsballetts: Gala Jovanovic, Ekaterina Fitzka, Elena Li, Natalie Salazar, Josefine Tyler, Veronika Henschovà¡, Oleksandr Maslyannikov
Orchester der Volksoper Wien
Dirigent: Michael Tomaschek
Klavier: Eric Machanic
Moderation: Helene Sommer
Abendspielleitung: Angela Schweiger
Inspizienz: Elisabeth Schubert, Franziska Blauensteiner
Musikalische Studienleitung: Gerrit Prießnitz
Technische Gesamtleitung: Friedemann Klappert
Technische Einrichtung: Andreas Tuschl
Beleuchtung: Wolfgang Könnyü
Tontechnik und Multimedia: Martin Lukesch
Leitung Kostümabteilung: Doris Engl
Leitung Maske: Peter Köfler
Martin Bruny am Donnerstag, den
15. Dezember 2011 um 04:44 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
Der Musicaldarsteller Andreas Bieber lud am 12. Dezember 2011 ins Wiener Theater Akzent zur Weihnachtsshow »Alle Jahre Bieber«. Er startete in den Abend mit dem flotten Medley »Alle Jahre wieder« (bzw. Bieber)/»Rockin’ around the Christmas tree«, um dann seinem Publikum zu erklären:
»Als der Andreas Luketa, mein Produzent und Veranstalter, mit der Idee vom Weihnachtsprogramm auf mich zukam, hab ich zuerst mal gesagt: Hm, äääh, ich mag es nicht so, wenn Anfang, Mitte Dezember so’n ganzer Abend nur Weihnachtslieder genudelt wird, weil da hat man gar keinen Spaß mehr, wenn dann der Baum wirklich aufgebaut ist zuhause, weil überall blitzt’s und funkelt’s und man hört diese »Jingle-Bell-Glocken« und alles mögliche dauernd den ganzen Tag rauf und runter, und eigentlich hat man dann zuhause, da wo’s Spaß machen soll, überhaupt keinen Bock mehr. Und wenn, hab ich gesagt, dann würd ich das Ganze gern ein bisschen vorweihnachtlich machen, das heißt so ne Mischung aus ein paar Glitzerpaketen, aber auch ein paar ganz banale Geschichten, auch so vergangene Geschichten, die ich verzapft hab.«
Ich muss gestehen, ich verstehe die Logik hinter dieser Argumentation nicht. Andreas Bieber mag keine Weihnachtskonzerte Mitte Dezember, soweit so gut, das ist ja seine Privatsache, und jeder kennt sicher genügend Weihnachtsstimmungsverweigerer, für die Weihnachten am Heiligen Abend erledigt wird, und das war’s dann. Kein Problem. Er macht nun aber doch ein Weihnachtskonzert, das auch als solches etwa noch vor Beginn des Konzerts per Ansage so angekündigt wurde:
»Wir wünschen Ihnen besinnliche, weihnachtliche Stunden mit Andreas Bieber.«
Stellt sich die Frage: Für wen hat Andreas Bieber »Alle Jahre Bieber« wohl gemacht? Wer wird wohl in seine Show gekommen sein? Leute, die Weihnachtskonzerte nicht mögen, lauter Masochisten also, die Weihnachtsshows hassen und deswegen in Biebers Weihnachtsshow gehen? Oder nicht doch Zuschauer, die gerne Weihnachtslieder hören und sich genau das von der Show erwartet hatten? Es ist ja nicht so, dass das Genre der Weihnachtslieder auf das beschränkt ist, was Andreas Bieber an diesem Abend dann doch geboten hat. Würde er sich mit dem Genre etwas näher beschäftigt haben, vielleicht hätte er dann eine andere Meinung davon. Es ist letztlich nichts anderes als Etikettenschwindel, eine in gewissem Sinne »Best of …«-Show im Weihnachtsmantel zu servieren. Nett verpackt, aber der Inhalt passt nicht wirklich. Derzeit scheint das in Mode zu sein. Warum nicht einfach bei der Wahrheit bleiben und das »Best of …«-Programm spielen und vor allem auch so ankündigen, die Bieber-Fans wären dennoch gekommen, und Leute, die sehr wohl in der Weihnachtszeit, die nun wahrhaftig nicht auf den 24. Dezember beschränkt ist, sondern mit diesem Tag für den einen oder anderen ihr abruptes Ende findet, sehr gern Weihnachtsshows besuchen, hätten sich das Ganze eventuell erspart.
In seiner Show erwies sich Andreas Bieber als stets humorvoller Moderator, in seinen Interpretationen war er das eine oder andere Mal extrem schluchzig und bisweilen zu hundert Prozent eher unangenehm im Schlagersumpf, sogar einen Klassiker wie »White Christmas« eierte er eher runter, als dass er ihn interpretiert hätte. Der Sound war jenseits von Gut und Böse, Biebers Gesang wurde in eine fluffige Hall-Wolke gehüllt, man hätte glauben können, einer Messe in einer Kirche beizuwohnen. Wenn es ihm geholfen haben sollte, seine angeschlagene Stimme zu schonen1, okay, insgesamt jedoch ist eine derartige Camouflage grenzwertig.
Die Band war lasch, kaum je hat man einen Schlagzeuger so verzweifelt auf der Suche nach dem gesehen, was von ihm verlangt war. Wenig Power, zu wenig Einsatz, extrem störend etwa beim an diesem Abend von Bieber und seiner Band verschleppten »Als die Liebe entstand« (»Hedwig & the Angry Inch«), am Klavier mehr relaxtes Bargeklimper als Emotion und Gefühl. Besonders zu spüren bei Carin Filipcics Version von Amy Grants »Breath of heaven«, einem der großen Songs amerikanischer christlicher Musik, ein Weihnachtslied, das normalerweise geradezu hypnotische Wirkung hat – im Arrangement bei »Alle Jahre Bieber« verklimpert und pseudoverjazzt, geradezu zerstört.
Sicher, »Alle Jahre Bieber« ist keine Show, für die man sich drei Wochen Zeit nehmen kann, um alles perfekt einzustudieren, aber ab und an hatte man den Eindruck, die Musiker hätten die Noten während der Show zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, und selbst dann … einen Song wie »Wenn ich dein Spiegel wär« dermaßen zu dekonstruieren auf der Suche nach dem richtigen Takt – bemerkenswert.
Gleich zwei Songs lieferte Bieber aus der Revue »Ich war noch niemals in New York« ab, einer davon »Griechischer Wein«. In der hanebüchenen Einleitung meinte Bieber, das sei ja ein Duett, aber sein Veranstalter Andreas Luketa hätte gemeint:
»Sing’s einfach, die gröhlen eh schon mit.«
Bezeichnend, diese Aussage, und so treffend, denn genau das ist es, was man mit einer Tradition von Shows wie »Ich war noch niemals in New York« letztlich erreicht: Dummes Mitgröhlen wie in einer Dorfdisco oder im Bierzelt bei den Oberdeppendorfer Alpenjodlern. Als Überraschungsgast bei »Griechischer Wein« kam Drew Sarich auf die Bühne und, wie schön, der Song, der nur in der jenseitigen Revue »Ich war noch niemals in New York« als Duett konzipiert ist, wurde auch bei »Alle Jahre Bieber« zum Duett – und tatsächlich, das Publikum gröhlte, klatschte mit und kreischte außer Rand und Band wie bei einem Strip der Chippendales, als Sarich auf der Bühne erschien und sich dem Schlager ergab. Manchmal kann »Musical« so abstoßend sein.
Mit seinen Gästen hätte Andreas Bieber natürlich auch über Weihnachten reden können. Weihnachtsshow – Weihnachten, wäre ja nur logisch gewesen. Hat er aber nicht. Lustig war es auch so. Als Caroline Vasicek beispielsweise Bieber gestand, in Zeiten, als die beiden »Grease« gespielt hatten, in ihn »ein bisschen verliebt gewesen zu sein« meinte Bieber: »Oh mein Gott, dann hätte ich heute zwei Kinder mit dir.« Vasicek ganz leise darauf: »Das glaub ich aber nicht.«
Ich mag ja den Biebs. – Biebs. Das soll jetzt nicht abwertend klingen, die Anspielung auf Justin Bieber kam von Andreas Bieber selbst, und mehr als den Nachnamen haben die beiden nicht gemein, bis vielleicht auf eine bestimmte Sorte von Fans, die auch bei »Alle Jahre Bieber« reichlich vertreten war. Sie kreischen, wenn sie applaudieren könnten, und gröhlen, wenn Herr Bieber in einem neuen Outfit die Bühne betritt. Obwohl, einen Punkt gibt es da noch, der Justin und Andreas verbindet: Weihnachten. Beide machen mit Weihnachten ihr Geschäft, Justin Bieber hat mit »Under the Mistletoe« eine höchst erfolgreiche Weihnachts-CDs veröffentlicht, er tritt mit seinen Weihnachtsliedern, die er zum Teil selbst geschrieben hat, in den bekanntesten amerikanischen Talkshows auf und ist am 16. Dezember im TV-Special »Christmas at the White House« zu sehen – und Andreas Bieber macht auch mit Weihnachten sein Geschäft. Vielleicht ja nächstes Jahr mit mehr Gefühl für Weihnachten – und für alle, die die Weihnachtszeit lieben.
Setlist
- Alle Jahre wieder (Friedrich Silcher)/Rockin’ around the Christmas tree (Johnny Marks)
- »Alles, was gut tut« (»Ich war noch niemals in New York«/Michael Kunze/ Udo Jürgens)
- »Ich wollte nie erwachsen sein« (»Tabaluga & Lili«/Rolf Zuckowski/ Peter Maffay)
- Medley aus »Das Feuerwerk« (Paul Burkhard/ Erik Charell, Jürg Amstein und Robert Gilbert): »Ich sag’s durch die Blume«/»O mein Papa«
- »Perhaps love« (John Denver) Caroline Vasicek & Andreas Bieber
- »Ode an den Mond« (»Rusalka«/Antonin Dvorak/Jaroslav Kvapil) Caroline Vasicek
- Medley:
»Silver Bells« (Jay Livingston/Ray Evans)
»Kling Glöckchen Kling« (Karl Enslin)
»Sleigh Ride« (Leroy Anderson/Mitchell Parish)
- »Rudolph, the Red-Nosed Reindeer« (Gene Autry/engl./dt.)
- »Wenn ich dein Spiegel wär« (»Elisabeth«/Michael Kunze/Sylvester Levay)
- »Griechischer Wein« (»Ich war noch niemals in New York«/Udo Jürgens/Michael Kunze) Drew Sarich & Andreas Bieber
- »Isolation street« (Drew Sarich) Drew Sarich
- »Winterszeit in Wien« (Hape Kerkeling) Drew Sarich & Andres Bieber
- »Heidschi, bumbeidschi« (Trad.) Drew Sarich, Caroline Vasicek & Andreas Bieber
Bieber zu Beginn der Show zu seinem angeschlagenen gesundheitlichen Zustand: »Es soll ein gemütlicher Abend werden, auch besinnlich, aber gar nicht mal zu besinnlich, wobei ich mich ein bisschen besinnen muss, denn bei aller Gemütlichkeit, bei aller Entspanntheit muss ich sagen, es geht doch in mir ein bisschen rund. Ich mag solche Ansagen am Anfang nicht ganz, aber gestern Abend war ich noch im Spital, weil meine Stimme weg war, nachdem ich zehn Tage krank bin, und hab mir dann mal etwas geben lassen, was nicht unbedingt so von Vorteil ist, aber die Stimme zumindest auf Vordermann bringt, damit ich hier sein kann. Es hätte mir leid getan, den Abend nicht zu machen, zumal ja ganz viele Leute auch nicht unbedingt nur aus Wien gekommen sind. Sondern vor zwei Tagen war ein Mädl am Bühneneingang, die kam so aus Korea, und spätestens da hab ich mir gedacht: Also wenn das nicht hält, musst du zum Arzt und dir unbedingt etwas geben lasen, dass du jetzt mal zuerst über die Runden kommst. Ich warne euch nur: Jeder Ton könnte der letzte sein. Aber dann könnt ihr wenigstens erzählen, ihr wart live dabei, als er Bieber abgekackt ist (…) [↩]
Martin Bruny am Montag, den
12. Dezember 2011 um 18:09 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
In der Stadtgalerie in Mödling gingen am 10. Dezember 2011 zwei stimmungsvolle Konzerte (nachmittags und abends) von Maya Hakvoort und Missy May über die Bühne. Zugunsten der Make-a-wish-Foundation sangen die beiden Weihnachtslieder, begleitet von Aaron Wonesch am Klavier.
Einen Wunsch galt es zu erfüllen, der kleine schwerkranke Philipp möchte gerne den Formel-1-Star Sebastian Vettel treffen. Die Einnahmen aus den beiden Konzerten an jenem Tag machen das möglich.
Maya Hakvoort:
»Nachdem die Engel erfolgreich unterwegs waren … und wir Philipp seinen Wunsch, den Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel zu treffen, erfüllen konnten .. Es hat mir einen Riesenspaß gemacht, als Engel zusammen mit Missy durchs Leben zu gehen … ja, mir sind Flügel gewachsen … Ich danke ALLEN ganz herzlich fürs Kommen!! Durch euch haben wir diesen Wunsch erfüllen können … und ich hoffe, wir sehen uns alle ganz bald irgendwo mal wieder!! … alles Liebe eure Maya.«
Missy May:
»… dankt allen von ganzem Herzen, die gestern beim Make-a-wish-Konzert von Maya Hakvoort und mir dabei waren!!!! Durch euch konnten wir einem kleinen schwerkranken Buben seinen Herzenswunsch erfüllen!!!! DAS ist Weihnachten!!!DANKE!«
Ein kleines, aber feines Event war es, mit Klassikern quer durch die Weihnachtsliedersammlung der Welt, Bekanntes und weniger Bekanntes, wie Weihnachtssongs von Papermoon (»On the day before Christmas«) und Roger Cicero (»Bin heute Abend bei dir«), in fast familiärer, lockerer Atmosphäre, nachmittags mit vielen Kindern unter den Konzertbesuchern. Vermutlich war es das Weihnachtskonzert schlechthin in dieser Saison, in der es so viele Shows gibt, die zwar »XMAS« beziehungsweise »Christmas« im Titel, aber nicht oder nur bedingt am Programm haben.
Zum Teil unterhaltsam improvisiert, aber doch wohl durchdacht, Missy May mit einer grandiosen Version von David Fosters »Grown-Up Christmas List«, Maya Hakvoort mit wunderbaren holländischen Versionen von bekannten Weihnachtshits, »Greensleeves« mit weihnachtlichem Text und einem fantastischen »Ich gehör nur mir« als Zugabe – zwar nicht wirklich ein Weihnachtslied, aber für die Fans kann man da schon mal ’ne Ausnahme machen.
Jede Menge Fotos vom Konzert am Nachmittag gibt es –> hier.
Setlist
01 »Santa Claus is coming to town«
(John Frederick Coots/Haven Gillespie) – Maya Hakvoort & Missy May
02 »Bin heute Abend bei dir«
(Roger Cicero) – Maya Hakvoort
03 »Grown-Up Christmas List«
(David Foster/Linda Thompson-Jenner) – Missy May
04 »Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!”
(Sammy Cahn/Jule Styne) – Maya Hakvoort & Missy May
05 »Who would imagine a King«
(Mervyn Warren/Hallerin Hilton Hill) – Maya Hakvoort
06 »Winter Wonderland«
(Felix Bernard/Richard B. Smith) – Maya Hakvoort & Missy May
07 »Greensleeves«
(Trad./dt.) – Maya Hakvoort
08 »(They long to be) Close to you«
(Burt Bacharach/Hal David) – Missy May
09 »Rudolph, the Red-Nosed Reindeer«
(Gene Autry) – Maya Hakvoort & Missy May
10 Medley:
»Leise rieselt der Schnee« (Eduard Ebel) – Missy May
»Kling, Glöckchen, klingelingeling« (Karl Enslin) - Maya Hakvoort
»Oh Tannabaum« (Melchior Franck/dt./holl.) – Maya Hakvoort & Missy May
»Jingle bells« (James Lord Pierpont) – Maya Hakvoort & Missy May
11 »On the day before Christmas«
(Christof Straub) – Maya Hakvoort & Missy May
12 Medley:
»We wish you a Merry Christmas« (Trad.) – Maya Hakvoort & Missy May
»Stille Nacht, heilige Nacht« (Franz Xaver Gruber/Joseph Mohr/dt./holl.) – Maya Hakvoort & Missy May
»Silver Bells« (Jay Livingston/Ray Evans) – Maya Hakvoort & Missy May
»It’s the most wonderful time of the Year« – Maya Hakvoort & Missy May
13 »You’ve got a friend«
(Carole King) – Maya Hakvoort & Missy May
14 »Ich gehör nur mir«
(Sylvester Levay/Michael Kunze) – Maya Hakvoort
Martin Bruny am Montag, den
12. Dezember 2011 um 14:33 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
»Viel Lärm um nichts« – den Klassiker von William Shakespeare konnte man schon in den unterschiedlichsten Versionen auf deutschsprachigen Bühnen und im Kino erleben, von klassischen Inszenierungen und/oder opulenten Versionen bis zum dekonstruierten Regietheater. Man kann aus dem Stück fast alles machen, wie auch die Salzburger Festspiele einmal bewiesen haben, die den Schluss der Komödie nicht als Doppelhochzeit in Szene setzten, sondern am Ende zwei Frauen präsentierten, die ihre Männer verloren hatten.
Im Wiener Schuberttheater wurde Shakespeares Stück (Premiere war am 10. November 2011) auf einigen Ebenen in die Gegenwart transferiert. Man hört Musik per iPod, tippt auf Notebooks, per Videoeinspielung klinkt sich Don Pedro, der CEO von Aragon Corporations, ins Geschehen ein. Die Protagonisten sind alle in den Firmen Aragon Corporations beziehungsweise Messina Incorporations verankert. Der Switch von einer klassisch gehaltenen Inszenierung auf die aktualisierte Version findet auch gleich demonstrativ in den ersten Sekunden der Aufführung, quasi als Statement, statt. Leonato, CEO von Messino Incorporations, klickt auf seiner Stereoanlage per Fernbedienung vom gerade gespielten »Sigh no more, Ladies« (ein Track aus dem Soundtrack der »Viel Lärm um nichts«-Verfilmung von Kenneth Brannagh aus dem Jahre 1993) auf »Red Flag« von Billy Talent um – BAMM – vom Seufzer zum harten Rock. Damit ist das Schwülstige aus dem Stück mal draußen.
Die nächste Reduktion, die Jasmin Sarah Zamani (Regie/Text) durchgeführt hat, betrifft das Personal des Stücks. 16 Personen beziehungsweise mehr, je nachdem wieviele Wachen, Boten, Gefolge man sich leisten mag – das geht auch mit weniger. In der Version des Schuberttheaters haben wir 6 Personen auf der Bühne und eine, die mittels eingespielter Videosequenzen mit einbezogen wird. Nicht nur die Kürzung des Personeninventars bedingt eine Streichung jeder Menge Text, und vielleicht ist die Reduktion des Stücks auf den Kern der Beziehungsgeflechte das Radikalste an dieser aktualisierten Version.
Gestrichen auch jeglicher Pathos. Der Shakespeare’sche Text, der trotz aller Bearbeitung und neuer Passagen doch deutlich vorhanden ist, wird mit großer Spiellust gebracht, mit Nachdruck und Hingabe bisweilen bis fast in die Groteske oder ins große Beziehungsdrama inszeniert, die Charaktere liebevoll mit Spleens, Leben erfüllt vom insgesamt großartig spielenden Ensemble, ohne jetzt jemanden hervorheben zu wollen. Das Stück pendelt vom Liebespärchen Benedikt Padua und Beatrice Disdegno zu Claudio Florentin und Hero Purezza, hin und her, legt in den Konfliktsituationen enorm an Tempo zu, der Soundtrack channelt die Stimmung in die richtigen Bahnen, durch die Videoeinspielungen bricht man ein wenig, was sich an Verstaubtem anlagern hätte können, die Kostüme – ein Lacher für sich, immer an der richtigen Stelle. Es ist eine Freude, eine dermaßen heutige, witzige und stellenweise umwerfend komische Shakespeare-Inszenierung zu erleben.
VIEL LÄRM UM NICHTS
William Shakespeare
Leading Team
Regie/Textfassung: Jasmin Sarah Zamani
Regieassistenz, Inspizienz: Helene Ewert
Kostümassistenz: Iris Otterspeer
Lichtgestaltung: Simon Meusburger
Grafik, Videos: Johannes Hucek
Fotos: Anita Milena Murgu
Besetzung
Benedikt Grawe: Benedikt Padua, CFO von Aragon Corporations
Christoph Hackenberg: Leonato Gouverneur, CEO von Messino Inc.
Christian Kohlhofer: Claudio Forentin Graf, Managing Director BU Italy bei Aragon Corporations
Lena Sophie Lehmann: Dona Joanna, Don Pedros Halbschwester und Managing Director bei Aragon Corporations
Manuela Linshalm: Beatrice Disdegno, Leonatos Cousine und CFO von Messina Inc.
Christopher Ryan: Don Pedro Fürst, CEO von Aragon Corporations
Katharina Vana: Hero Purezza Gouverneur, Leonatos Schwester, Praktikantin der höheren Managementebene
Martin Bruny am Mittwoch, den
5. Oktober 2011 um 00:06 · gespeichert in Theater, 2011
Jason Robert Browns Musical “The Last 5 Years” ist dem am Musicalgenre interessierten Publikum Wiens ein Begriff. Im November 2007 war an der Wiener Kammeroper eine sehr schöne Inszenierung dieser Show zu sehen (Fotos siehe -> hier), mit Caroline Frank und Rob Fowler in den Rollen von Cathy und Jamie.
2011 steht Jason Roberts Browns Musical in einer Produktion des Vienna Theatre Project auf dem Spielplan des Theater Drachengasse. Die umjubelte Premiere vom 4. Oktober 2011 beweist, dass auch abseits des Musicalbustourismus in Zeiten des Vereinigten Stage-Gaga das “echte” Musical in Wien eine Chance hat.
Was macht es schon aus, wenn ein begeistertes, kleines, ambitioniertes und sympathisches Theaterunternehmen keine x-Fanstastmillionen Subventionen pro Jahr bekommt, dafür aber mit Hingabe eine Show auf die Beine stellt, die vielleicht in Kulissen spielt, die keine x-Fantasttausender gekostet haben, aber völlig ihrem Zweck dienlich sind und die Fantasie des Publikums anregen, sie dagegen nicht durch Reizüberflutung zudröhnen. Aber genug der Vergleiche mit dem Musicalplatzhirsch Wiens. Das hat diese Produktion nicht nötig.
Als Jamie auf der Bühne zu sehen: Trevor Jary. Der Engländer schafft es, in dieser Rolle wunderbare echte Emotionen auf die Bühne zu bringen, fantastisch seine Interpretation von “Nobody Needs To Know”. Das sind Momente, die man nicht oft auf einer Bühne erlebt. Und im Theater Drachengasse, wo die Darsteller praktisch im Publikum, umgeben von den Zuschauern agieren, erreicht Jary eine beachtliche Intensität. Großartig auch sein “A Miracle Would Happen” oder sein “Schmuel Song”.
Bettina Bogdany, eine Österreicherin, die an den Performing Arts Studios Vienna studiert hat, begeistert unter anderem mit “Climbing Uphill/Audition”, einer feinen Persiflage auf den Audition-Alltag von Sängern. Sehr glaubhaft und auch nuancenreich stellt sie die Entwicklung der Beziehung der Schauspielerin Cathy zu Jamie, dem Autor, dar.
Gerade bei “The Last 5 Years” ist die Frage, wer am Scheitern der Beziehung des Paars nun eher die Schuld trägt, Jamie oder Cathy, eine, die nach der Show man(n) und frau bisweilen unterschiedlich beantworten. Joanna Godwin-Seidl, die Regisseurin des Stücks, scheint mir hier eine ausgewogene Balance gefunden zu haben, bei der man sich als Zuschauer nicht allzu manipuliert vorkommt. “The Last 5 Years” ist letztendlich die Geschichte eines “gemeinsamen” Scheiterns, oder aber auch eine Geschichte vieler auch großartiger Momente im Leben zweier Menschen, die, zumindest im Zeitrahmen des Musicals, auseinandergehen und auch den Beginn ihrer Romanze erleben. Jedes Ding hat zwei Seiten, und so bekommt manch wunderbarer Moment im Leben eines Menschen, aus einer anderen Perspektive betrachtet, hier etwa im Abstand von Jahren, einen etwas bitteren Touch.
Die raffinierte Struktur des Plots, der aus der Sicht Cathys am Ende der fünfjährigen Liebesgeschichte beginnt und für Jamie am Beginn, setzt Godwin-Seidl gekonnt um. Schön ist der Höhepunkt in der Halbzeit der Show herausgearbeitet, die einzigen Momente, in denen Jamie und Cathy tatsächlich im Raum-Zeit-Gefüge miteinander agieren, sich verloben, küssen, und das einzige Mal tatsächlich miteinander singen.
Sarah Grubinger (Violine), Matthias Bartolomey (Cello) sowie Bernd Leichtfried (Klavier) setzen Jason Robert Browns vielschichtigen Score großartig um, und würde man sich nicht auf die Darsteller konzentrieren wollen, so wäre es auch ein Genuss, Grubinger und Bartolomey einfach beim Spielen zu beobachten, wie sie sich intuitiv musikalisch auf eine Schwingung einpendeln, mit Blicken abstimmen und Momente, in denen sie die Kraft dieser Musik besonders zu spüren scheinen, geradezu ausstrahlen und magische musikalische Momente für Jary und Bogdany in den Saal zaubern.
“The Last 5 Years” ist noch bis zum 15. Oktober 2011 im Theater Drachengasse zu sehen. Ein Besuch lohnt sich.
The Last 5 Years
Stage Director: Joanna Godwin-Seidl
Musical Director/Piano: Bernd Leichtfried
Producer: Sarah K. Hayes
Stage Manager: Barbara Schmauß
Assistant Producer: Ludovico Lucchesi Palli
Cathy: Bettina Bogdany
Jamie: Trevor Jary
Violin: Sarah Grubinger
Cello: Matthias Bartolomey
Martin Bruny am Sonntag, den
26. Juni 2011 um 01:12 · gespeichert in Theater, 2011
Das wars also mit “Tanz der Vampire” in Wien. Am 25. Juni 2011 fiel gegen 22:40 Uhr der letzte Vorhang - nach einer Show, die durchaus sehr gut war, in der es aber, von einigen wenigen Kleinigkeiten und einem doch berührenden Liebesgeständnis, wenig an Abänderungen vom üblichen Dienstplan gab.
Man könnte fast meinen, dass die VBW ihre gesamte Kreativität, was die Gestaltung der Derniere betraf, in die Abwicklung des Verschacherns der Karten investiert haben.
Wir erinnern uns, zuallererst gab es die mega-kreative Idee, für die letzte Vorstellung den doppelten Tarif zu verlangen. Auf was hinauf, würde der typische Wiener jetzt fragen. Auf was hinauf also, wenn man die letzte Vorstellung mehr oder weniger wie jede andere Vorstellung abzuwickeln trachtet. Wos wor dei Leistung, Kathi, würde man auf der Alm fragen, wo man direkt ist. Aber Antwort würde man keine bekommen, denn Kathrin Zechner war an diesem Abend nicht zu sehen, zumindest nicht auf der Bühne, wo die Frau Intendantin sich am Ende der Vorstellung hätte einfinden müssen. Schon um als Hausherrin all die Damen und Herren vorzustellen, die sich da aus den Reihen des Kreativteams verbeugt haben. Aber schmecks, immer mehr kristallisiert sich im Laufe der Intendanz Zechner heraus, dass es eine Intendanz ist, die sich quasi in einem gewissen Gegensatz zu einem Theaterdirektor mit Haut und Haar, Leib und Seele begreift. Wie geht es da an anderen Häusern zu, wo leibhaftiges Theaterblut zu spüren ist, sei es die Josefstadt, das Burgtheater oder die Volksoper. Da “managen” Leute, die nicht nur über Finanzen reden, sondern auch über die Stücke, die sich nicht am “Vielfalts”-Brei ergötzen, sondern auf die Details zu sprechen kommen, die wissen, wie sie ihr Genre oder ihre Genres zu bedienen haben und nicht plötzlich ihren Häusern eine völlig andere Richtung geben, nur weil sie ein Faible für, keine Ahnung, Drehorgelspieler haben. Eine Intendantin gehört am Ende der Derniere, zumal einer Derniere, die ein enormer Publikumserfolg war, auf die Bühne. Da darf sie sich dann bei ihren Schauspielern, ohne die sie nichts wäre, bedanken, bei den Technikern, beim Kreativteam. Nicht, dass Kathrin Zechner das früher nicht gemacht hätte, aber scheinbar ist es ihr wurscht geworden. Sie schickt halt die Leute ohne Vorstellung nach oben.
Aber wir waren bei den kreativen Ideen, die man in die Abwicklung des Verschacherns der Karten investiert hat. Da gab es dann noch diese Liste. Wer die Chance erhalten wollte (die Chance, nicht die Zusicherung auf einen etwaigen Erhalt), ein Ticket zum doppelten Preis erwerben zu “dürfen”, der musste sich auf eine Liste eintragen lassen. Warum? Das weiß niemand. Vielleicht ist es eine Art Listenfetischismus. Man könnte ja auch den Verdacht hegen, dass es eine Art schwarze Liste im Hause VBW gibt. So hört man, dass es nicht erwünscht war, den Ablauf der Derniere durch kleine Späßchen abzuändern. Bei Zuwiderhandlung wäre man vielleicht auf die schwarze Liste gekommen? Nicht, dass es nicht genügend Geschichten von Darstellern gäbe, denen man ziemlich deutlich zu verstehen gab, dass man mit ihnen nichts mehr zu tun haben möchte und sie gar nicht mehr zu Auditions kommen bräuchten. Vielleicht ist das ja am Theater üblich. Man liest in Foren, dass es an kreativen Ideen, die Show zu einem Event zu gestalten, genügend gab. Man hört, es sei eine Art Abschiedslied geplant gewesen, die Planungen hätten einen vielversprechenden Verlauf genommen, bis es ein NOPE aus der Intendanz gegeben haben soll. Es soll Darsteller gegeben haben, die davon erfahren haben und sinngemäß meinten, dass sie sehr enttäuscht wären ob des Umgangs mit der geplanten Abschiedsaktion, dass sie diese sehr gerne erlebt hätten. Und gab es das nicht schon mal, ein Abschiedslied, etwa bei “Romeo & Julia”. Was ist passiert seit der Anfangszeit der Ära Zechner?
Zurück zu den kreativen Ideen. Auf Facebook veranstaltete man einen “Kreativwettbewerb”, bei dem es 3×2 Karten zu gewinnen gab, letztendlich wurden die Tickets einfach verlost. Die Halbwertszeit der Hingabe an die Entwicklung von Kreativität schien da schon merklich abzunehmen. Kritik auf Facebook wird freilich praktisch nicht kommentiert. Womit wir auf die Social-Media-Kompetenz der Intendanz Zechner eingehen müssten. Ist doch die Ära des Social Networkings eine, die ein Unternehmen so wunderbar zur Kundenbindung nützen könnte, wenn sie nur wüsste, wie man das macht. Eine Regel lautet, liebe VBW, dass Kritik, die öffentlich in einem Social-Media-Network geäußert wird, nicht unkommentiert stehen bleiben sollte. Indem man reagiert, zeigt man, dass man sich kümmert. Das sieht dann nicht nur derjenige, der kritisiert hat, sondern das sehen auch alle anderen. Durch eine positive Reaktion auf Kritik kann man so den Ruf des eigenen Unternehmens stützen. Aber wozu darüber lang und breit reden. Das haben ja die Mitarbeiter ohnedies im Einführungskurs gelernt, so es einen gegeben hat. Ach ja, und umsetzen müsste man das Gelernte dann noch.
Worum geht es bei einer Derniere eigentlich, wenn man es mit einem Wort ausdrücken wollte? Abschied? Nicht wirklich, es geht um Emotion. Auf der einen Seite Emotion doppelt so teuer zu verkaufen wie eine “normale” Vorstellung und dann in einem Nachschlag alles nur mögliche zu veranlassen, um aufkommende Emotion zu unterbinden, das ist schon fast - ein bisschen - pervers und man möchte sagen, fies. Wie auch immer, die emotionalsten Passagen der Show kamen von Lukas Perman und Marjan Shaki. Marjan Shaki war sichtlich an der Kippe große Teile der Show über, aber immer Profi genug, um souverän zu spielen und im richtigen Moment, beim “Gebet” etwa, dem Ganzen etwas freien Lauf zu lassen, und Lukas Perman änderte zwar nicht viel an seiner Rolle um, aber er nützte sein Sololied “Für Sarah”, um Marjan Shaki ein Liebesgeständnis auf offener Bühne zu machen, und so lautete die Schlusszeile seines Lieds: “Alles, alles will ich tun, weil ich dich liebe, Marjan”. Vielleicht wars ja von oberster Stelle “genehmigt”, man wird es nie erfahren, aber es ist - in diesem Fall uns - wurscht, denn es war ein guter Moment, für die Ewigkeit sozusagen.
Was wird denn nun der letzte bleibende Eindruck der Derniere sein? In meinem Fall, wie könnte es anders sein bei meinem Glück, zwei keifende Billeteurinnnen bei der Bühne. Statt sich freundlich von den Zuschauern zu verabschieden und ihnen, als Vertreter des Hauses, einen schönen Abend zu wünschen, nein, sie müssen sich nicht gleich auch noch freuen, mich im Herbst etwa bei einer neuen Produktion wieder begrüßen zu dürfen, stritten sie miteinander wegen einer “Stoppuhr”. Irgendjemand hat vergessen, eine Stoppuhr einzuschalten. Außer Band und Rand schien die gestrenge Oberbilleteurin zu sein. Was war da bloß geschehen? Hat man etwa vergessen, zu stoppen, wie lange der Schlussapplaus dauerte? Es waren um die 15 Minuten, es gab keine Zugabe, aber wenigstens etliche Verbeugungen. Aber vielleicht wars ja auch etwas ganz anderes. Es wird hoffentlich niemandem schlaflose Nächte bescheren.
“Tanz der Vampire”, das war einmal ein klein wirkendes Musicalbäumchen in der Wiener Musicallandschaft. Jetzt am Ende war es das einzige starke Bäumchen in einem verdorrten Garten, den man offensichtlich nicht pflegt. Änderung wäre angesagt. Hoffen wird man ja noch dürfen!
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PS: Ein kleines Video, das Teile des Publikums beim Singen des geplanten kurzen Abschiedslieds zeigt, ist online gegangen. Gesungen wurde nach der Vorstellung in der Seitengasse des Etablissement Ronacher, hinauf zu den Fenstern - und vorm Bühnentürl, unter anderem für Drew Sarich.
Wenn man die Leute aus dem Theater jagt, singen sie eben auf der Straße. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als man die Leute noch in die Theater holen wollte.
Weitere Aufnahmen gibts:
–> hier
–> hier
–> hier
–> hier
Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp an die VBW: So hätte es auch ablaufen können: siehe –> hier.
Martin Bruny am Sonntag, den
22. Mai 2011 um 13:09 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
Da ist sie wieder, die Zeit des Theatersommers, der Festspielzeit, die Zeit, in der man an Wiens Theatern glaubt, die Läden dichtmachen zu müssen, weil die Wiener ja allesamt ans Meer fahren und gar keiner an die Kultur denkt. Beziehungsweise die Zeit, in der Theater ihre Mitarbeiter nötigen, ihre Urlaubsansprüche aufzubrauchen, weil man nicht überlegt hat, das Ganze anders zu managen.
So fahren die Wiener halt - die, die Theater auch bei 40 Grad brauchen - aufs Land, in Burgen, an Seen, an Tümpel, Ruinen, in klimatisierte Tennishallen … Kultur anschaun. Viele davon nach Niederösterreich, weils halt so nah ist.
Und unter dem Label “Niederöstereichischer Theatersommer” hat sich eine Vielzahl dieser Burgen, Seen, Hallen, Wirtshäuser und Hauptplätze bespielenden Veranstalter zusammengefunden, um gemeinsam stark zu sein. Manchmal hat man dann in der Hitze des Gefechts im Sommer zwar den Eindruck, dass manche der Intendanten eher Mitglieder der legendären Lord Jim Loge sind, die als Motto “Keiner hilft keinem” ausgegeben hatte, da wird miteinander gestritten, geätzt und ausgerichtet, aber was solls, das is eben ein Teil des Theaterdonners oder -sommers, den man sich Jahr für Jahr geben kann.
2011 kann man den Niederösterreichischen Theatersommer in eingedampfter Fassung ohne Probleme auch in Wien erleben, das Wiener Kabarett Simpl hat noch bis Juli die Produktion “Niederösterreichischer Theatersommer* - alle Stücke an einem Abend! *unter besonderer Berücksichtigung des Burgenlandes” auf dem Programm.
“Warum solls nur in Wien großes Theater geben? Auch die Niederösterreicher haben ein Recht auf Kultur. Auch sie wollen überhöhte Eintrittsgelder zahlen. Auch sie wollen nach einer misslungenen Inszenierung verstört das Theater verlassen. Oder im 2. Akt eines Klassikers gelangweilt einschlafen …”, so beginnt der Übervater Niederösterreichs, der in dieser Produktion nur mehr Gottvater höchstpersönlich verantwortlich ist und über alles wacht und entscheidet, die Show zu den Klängen von Sylvester Levays “Elisabeth”-Intro. Alles, was er will, ist Gottes Segen zum Theaterfestival der Niederösterreicher. Dafür ist er zu allem bereit.
Eine scharfe Revue hat man nicht wirklich auf die Beine gestellt, im Simpl, scharf in dem Sinn, dass man befürchten müsste, die Parodierten könnten sich auf den Schlips getreten fühlen. Gezwickt wird ein bisserl, und ein bisserl mehr hätt’s schon sein dürfen. So ist es ein kleines Panorama der Merkwürdigkeiten, das Susanna Hirschler, Ariane Swoboda, Roman Frankl, Otto Jaus, Thomas Smolej und Roman Straka auf die Bühne bringen [Buch: Hannes Muik und Werner Sobotka, Beiträge von Roman Frankl und Fritz Schindlecker].
Schauspiel und Musical, Operette und Oper, jede Form des Theatersommers bekommt ihr Fett weg, manches ist ungemein unterhaltend, manches ein wenig repetitiv. Es mag ja stimmen, dass das Bemerkenswerteste an den Mörbischer Festspielen die Ansprache von Harald Serafin ist, und Roman Frankl vermag ihn gut zu parodieren, aber einen Gag zehn Mal mit kleinen Nuancen zu wiederholen, ist ein Gag, der acht Mal zu viel wiederholt wurde. Da muss es doch ein bißchen mehr geben, allein, wenn man Serafin Junior nur mit einbezogen hätte, das wäre dann eine richtige Lachnummer geworden, allemal!
Der Weg, den einige Sketche nehmen, ist durchaus lustig, doch es gibt eine Tradition im Simpl, die Schlusspointen in absolutem Nonsens aufzulösen oder ganz im eher Unlustigen verpuffen zu lassen. So erleben wir in der ersten Nummer eine Familie, die mit ihrer All-Inklusive-Festivalkarte des Niederösterreichischen Sommertheaters nicht und nicht zu einer Eintrittskarte kommt, weil alles schon ausverkauft ist - und am Schluss geht man in den Zoo. Was so witzig ist, in den Zoo zu gehen - irgendwer wird sich was gedacht haben.
Lustig, der Seitenhieb aufs Regietheater, die Verarsche einer Hamlet-Inszenierung als Rap nachgetextet und getanzt. Sehr kurzweilig. Lustige Gags auch, was das Wetter (inkl. Gelsenplage) und das Sommertheater betrifft, ein Thema, das vor allem im Vorjahr dominant war, als praktisch jede Premiere ins Wasser gefallen ist. Da kommt auch viel Wahres ans Licht, zum Beispiel die Taktik vieler Theater, bei Regen und Unwetter möglichst bis zur Pause zu spielen, weil dann erst die Versicherung zahlt und die Zuschauer, wenn man bis zur Pause gespielt hat, keinen einzigen Cent vom bezahlten Eintrittsgeld zurückbekommen.
Im Programm auch diverse Nummern, die mit dem Theatersommer an sich nicht unbedingt etwas zu tun haben. Zuschauer bei einer Opernpremiere, die von nichts eine Ahnung haben und sich aufführen wie Rüpel, das haben wir auch in den Wiener Theatern im Winter. Ein lustiges Reim-Spielchen rund um Product-Placement, nett gemacht, aber nicht wirklich etwas, was zwingend Sommertheater-spezifisch wäre.
In vielen Zügen ist das Simpl-Programm fast eine Huldigung Erwin Prölls. Dass der Landesvati von der Show bei der Premiere, der er natürlich beigewohnt hat, begeistert war, liegt auf der Hand. Großartig von Werner Müller in der Show verkörpert, wird er eher stilisiert als parodiert.
Jedenfalls sehr unterhaltsam: die “Pröll-Version” des Barry-Manilow-Schlagers “One voice”, umgetextet zu “Als Erwin, will ich überall sein” zum Finale des 1. Akts [Musikalische Leitung: Erwin Bader]. Pröll klont sich, damit er auch ja bei allen Festen und Premieren des Festsommers dabei sein, bei allen Wahlen antreten und alle Medien kontrollieren kann.
Schön schrill die Simpl-Version von Chopins Minutenwalzer, in dem eine gepeinigte Sängerin ihr Leid klagt. Sie will interpretieren, muss aber gegen dreiste Aussagen eines Inspizienten kämpfen wie: “Bei uns ist der ÖBB-Fahrplan Theatergesetz” und “Das Einsingen wird überwertet”. Schöne Idee, könnte man natürlich noch ad infinitum ausbauen. Der Kürzungswahn mancher Intendanten, was Stücke betrifft, kennt kein Ende. Oberstes Ziel scheint es oft tatsächlich zu sein, dass die Besucher noch die Chance haben, den letzten Zug nach der Vorstellung zu erwischen. Vielleicht ist ja das der wahre Grund, warum das alljährliche Hallenspektakel in Amstetten heuer ausfallen muss. Vielleicht konnte man kein Stück auftreiben, das kurz genug war, um den Besuchern die Chance zu geben, nach der Show noch den letzten Zug Richtung Wien zu erwischen.
Ganz am Ende der Show gehts dann so richtig ums Musical, und die Satire kommt in Fahrt. Gott meint: “Ich bin nicht sicher, ob ich für sowas meinen Segen geben kann. Viele meiner Schäfchen sehen es als niedere bis gar keine Kulturform an. Ich bekomme täglich hunderte Beschwerde-Stoßgebete, das Musical doch endlich zur Hölle fahren zu lassen - von einem Rumänen, der in Österreich lebt, sich aber Holender nennt. Ich selbst hab vorher nie von ihm gehört. Er sagt, Musical sei keine Kultur …” Echte & scharfe Satire im Finale der Simpl-Show, sehr schön. Da merkt man, wie böse Werner Sobotka sein könnte, wenn er möchte. Amstetten, Staatz und Herr Haider in Stockerau … darüber lässt sich gut lästern. Und so bekommt Landespapa Pröll nur dann den Segen für das NÖ Theaterfestival, wenn er verspricht, sich jedes Jahr die Musicalpremiere in Stockerau anzusehen … Als Abschluss und Krönung folgt eine Alfons-Haider-Parodie, großartig gemacht. Nur leider ist dann die Show auch schon vorbei.
Wenn man sich also was fürs nächste Jahr am Simpl wünschen dürfte, dann wärs eine “Forbidden Musical”-Show ohne Tabus.
Martin Bruny am Dienstag, den
19. April 2011 um 01:44 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
Nicht zuletzt aufgrund von Kooperationen konnte das Performing Center Austria, eine der führenden Musicalschulen Wiens, im aktuellen Studienjahr gleich zwei österreichische Erstaufführungen auf die Bühne bringen. Im Vorjahr war das in der Halle F der Wiener Stadthalle das Tanzmusical “Camp Rock”, für das man externes Marketing-Know-how (Marika Lichter), den Disney-Touch und das Finanzpotential der Wien-Holding bündelte. Herausgekommen ist eine kraftvolle, mitreißende Tanzshow, mit schwachen Schauspielszenen. Da ist es wie mit der Henne und dem Ei. Ja, das Buch war vermutlich nicht besser oder schlechter, als es umgesetzt wurde, aber letztendlich zählt, was auf der Bühne stattfindet, und gerade junge Leute benötigen im Schauspiel Führung, die sie nicht wie Pennäler auf einer so großen Bühne aussehen lässt. Das ist alles machbar, aber lassen wir das Vorjahr Vorjahr sein. Sollte es zu einer weiteren Aufführungsserie kommen, wird man sicher noch einmal an der Natürlichkeit der Schauspielszenen arbeiten, schließlich weiß man, für wen man produziert.
Am 6. und 7. April diesen Jahres schließlich zeigte die Performing Academy, so nennt Alexander Tinodi die Kaderabteilung des Performing Center Austria, aus deren Absolventen zukünftige Musicalstars werden sollen, “Seussical”, ein Musical von Stephen Flaherty (Musik) und Lynn Ahrens (Text). Die Show hat eine Produktionsgeschichte, die fast ebenso interessant wie die Show selbst ist. “Seussical” startete in die Aufführungsphase mit einem Workshop in Toronto, mit Tryouts in Boston und schließlich den Previews in New York.
Die Tryouts im Sommer 2000 in Boston gerieten zum Desaster, auch am Broadway selbst verliefen die Previews alles andere als erfolgversprechend. Show Doctors versuchten zu retten, was zu retten war, einzelne Previews wurden gecancelt, den Premierentermin musste man mehrmals verschieben. Die Kostümdesignerin wechselte man bereits bei den Tryouts aus, auch den Regisseur und den Bühnenbildner tauschte man. Lieder wurden gestrichen, Texte geändert. Und schließlich hatte man sich auch noch mit Begrifflichkeiten herumzuschlagen, denn “Seussical” wurde eher als “Revue” denn als Musical rezipiert.
Größter Kritikpunkt: “Seussical” ist definitiv eine Show, in die fast mit Gewalt so viele Charaktere wie möglich des amerikanischen Märchenerzählers Dr. Seuss (Theodore Geisel) gequetscht wurden. Als die Show am 30. November 2000 schließlich seine Broadwaypremiere feierte, waren die Kritiken durchsetzt. Die New York Times bezeichnete das Musical als “flavorless broth”.
Die Rettung nahte in Form der Ulknudel Rosie O’Donnell. Als Gastgeberin einer phänomenal erfolgreichen Talkshow der damaligen Zeit outete sie sich als Fan des Musicals, platzierte prominent Poster mit Szenen aus der Show im Studio - und übernahm schließlich die Hauptrolle im Musical selbst: Sie spielte den Erzähler, “Cat in the Hat” - für vier Wochen. In diesen vier Wochen war das Haus ausverkauft, klare Sache, und als Rosie fort war, castete man Aaron Carter, den jüngeren Bruder des “Backstreet Boys”-Sängers Nick Carter als “JoJo”. Das alles half für eine gewisse Zeitspanne, den Ticketverkauf anzukurbeln, doch nach 198 Vorstellungen war Schluss.
Und doch, Broadway ist die eine Sache, der wirkliche Erfolg eines Musicals wird aber nicht immer am Broadway entschieden. Ja, die amerikanischen Broadwayexperten mögen ihren Kanon danach ausrichten, wer den Längsten am Broadway hat: die meistbesuchte Show, die Show mit den höchsten Einspielergebnissen, den besten Kritiken. Doch “Seussical” schaffte es seit seiner Broadwaypremiere im Jahr 2000 eines der meistgespielten Musicals in Amerika zu werden - und zwar an Schulen. Die Top 10 der meistgespielten Musicals an Highschools im Jahre 2007:
01. Little Shop of Horrors
02. Seussical, the Musical
03. Thoroughly Modern Millie
04. Beauty and the Beast
05. Disney’s High School Musical
06. Grease
07. Fiddler on the Roof
08. Bye Bye Birdie, Oklahoma! (ex aequo)
08. Anything Goes, Guys and Dolls (ex aequo)
(Quelle: Educational Theatre Association)
So gesehen war also die Wahl des Perfoming Center Austria goldrichtig, “Seussical” zur Aufführung zu bringen. Es gibt von der Show eine Unzahl an Versionen, die in Länge, Anzahl der Lieder, Arrangements etc. variieren. Im Akzent kam eine der gekürzten Versionen zum Zug, zusätzlich noch auf die Bedürfnisse der Performing Academy abgestimmt.
Etwas verwirrend mag der Sprachenmix gewesen sein. Teile der wenigen Sprechtexte wurden im englischen Original belassen, andere Teile wurden ins Deutsche übersetzt. Das macht aber doch Sinn, da gerade dieses Stück von den Texten und ihrer Komposition, ihrem Versmaß leben. Natürlich hätte man dann eine durchwegs klare und deutliche Aussprache erwartet.
Besetzt wurden die Hauptrollen mit dem Abschlussjahrgang der Performing Academy, also dem 3. Jahrgang. Das war das Finalprojekt der Studenten, unterstützt wurden sie dabei vom 1. und 2. Jahrgang. Hervorstechend aus der Cast: Michael Höfner als Horton, der Elefant. Geradezu eine Idealbesetzung, die beweist, wie wichtig es für einen Musicaldarsteller ist, die richtigen Rollen zu wählen, wählen zu dürfen (oder in diesem Fall wohl einfach richtig besetzt zu werden). Ohne dabei noch einmal ausführlicher auf “Camp Rock” eingehen zu wollen, in “Seussical” war Höfner all das, was die Rolle verlangt, auf eine natürliche, gewinnende Weise, glaubhaft, ohne gekünstelt zu wirken. Zwischentöne, Mimik, Timing, sehr schön, und immer klar verständlich.
Astrid Gollob konnte als JoJo (am Broadway unter anderem von Aaron Carter gespielt) all das an Burschikosem herausholen, was sie in sich hat, und erledigte das sehr gut. War es für sie eine “ideale Rolle”? Nein.
Ganz starke Momente hatte Anna Carina Buchegger als Cindy Lou Who/1st Bird. Da war ganz deutlich das zu sehen, was Rita Sereinig kürzlich in einem Interview als die wesentlichen Qualitäten eines Musicaldarstellers angesprochen hat: Authentizität, ein gewisses Strahlen und Persönlichkeit. Ganz viel Strahlen war da zu sehen.
Das Staging der Songs war großteils sehr bühnenwirksam, eine funkelnde Stepnummer, eine sehr gefühlvolle, auch sehr schön choreographierte und ausgeleuchtete Tanznummer von Peter Knauder, auch er ein “Strahler”, und Eva Prenner, da hielt sich die Anzahl der weniger ausgestalteten Szenen in einem sehr engen Rahmen.
“Seussical” bleibt natürlich eine Show, in der jede Menge Handlungsstränge etwas unglücklich verwoben sind, ob alle Rollen tatsächlich gut besetzt wurden, die Frage sollte man nicht stellen. Es gibt wohl keine Show, die zehn Studenten eines Jahrgangs die gleiche Möglichkeit bietet, ihr Können besonders eindrucksvoll zu demonstrieren. Insgesamt war “Seussical” die beste Lösung für eine Musicalschule, das zu zeigen, was der Gegenstand der Ausbildung ist: ein “Musical”, keine Revue, in der man es vielleicht einfacher gehabt hätte, auch das Strahlen, das die anderen Studenten auszeichnet, zu demonstrieren. Und als Ensemble waren sie alle eine starke Einheit.
Ein kleines Problem hatte ich persönlich mit einigen der Kostüme, aber das war immer schon ein Problem der Show. Einerseits unterstützen die Kostüme, gerade bei einem Stoff dieser Art, nur die Phantasie der Besucher, andererseits wirken sie, wenn sie sagen wir etwas plump sind, hemmend auf die Phantasie. Bis ich realisiert hatte, warum das Kleid des Kängurus deswegen so aussah, wie es eben ausgesehen hat, war ich auf dem Heimweg. Es hat in meinem Fall die Performance von Jasmin Andergassen nicht gestützt, sondern gestört, davon abgelenkt. Anderen Besuchern mag es anders ergangen sein. Ein Großteil der Kostüme war aber zweckerfüllend.
Lichtdesign, Bühne, Projektionen großartig, liebevoll die Gestaltung des Programmhefts, der Werbesujets, da spielt auch Leidenschaft und Hingabe, neben Können, eine Rolle, und das ist immer schön zu beobachten.
Ich persönlich habe Jakob Semotan vermisst in der Show, einen Studenten des 2. Jahrgangs, der viele Jahre schon im Rahmen von Shows des Performing Center Austria auftritt. “Seussical” wäre ein Musical wie geschaffen für ihn gewesen. So aber sollte man zumindest auf ein Konzert hinweisen, das er demnächst mit seiner Band, den “Austerities”, am Dienstag, den 3. Mai 2011 im Wiener Lokal B72 (Hernalser Gürtelbogen 72-73, 1080 Wien) von 23 bis 23:45 Uhr geben wird.
Leading Team
Regie/Künstlerische Gesamtkonzeption: Rita Sereinig
Buchadaption/Zwischenmonologe: Rita Sereinig
Musikalische Leitung: Marie Landreth
Choreographien: Sabine Arthold/Susi Rietz/Rita Sereinig
Stagings: Rita Sereinig
Dance Captain: Franziska Fröhlich
“Flight Captain”: Anna Carina Buchegger
Probenkoordination: Eva Tatzber
Kostüme & Requisiten: Gabi Tinodi
Creative Paintings: Thomas Poms
Bühnenbild: Sandor Coti
Licht: Gerhard Scherer
Audiobearbeitung/Videoinstallationen: Tom Debelke
Bühnenmeister: Manfred Puder
Ton/Projektionen: Tibor Barkocy
Executive Producer: PCA - Alexander Tinodi
Cast
Jeaninne Allieri: Mayzie LaBird
Jasmin Andergassen: Sour Kangaroo
Anna Carina Buchegger: Cindy Lou Who/1st Bird
Astrid Gollob: JoJo
Markus Hareter: The Cat in the Hat/3rd Monkey
Michael Höfner: Horton the Elephant
Peter Neustifter: Mr. Mayor/1st Monkey
Thomas Poms: General Genghis Khan Schmitz/2nd Monkey
Eva Prenner: Mrs. Mayor
Julia Wenig: Gertrude McFuzz
sowie:
1. Jahrgang: Melanie Böhm, Clara Karzel, Michael Mayer, Johanna Mucha, Tiziana Turano, Michà¨le Blättler
2. Jahrgang: Claudia Artner, Franziska Fröhlich, Peter Knauder, Angelika Ratej, Anetta Szabo, Judith Jandl
Martin Bruny am Dienstag, den
12. April 2011 um 19:47 · gespeichert in Rezensionen, Theater, 2011
Der Frust mit dem gängigen Repertoire war wohl mit ein Grund, warum es am 2. und 3. April 2011 im Theater “Die Neue Tribüne” in Wien zur Premiere einer Show mit dem Titel “There’s More” gekommen ist. Walter Lochmann kennt sich mit dem nennen wir es Wiener Standard-Musicalrepertoire aus. Viele Jahre war er als Dirigent, Arrangeur, Pianist und in vielen weiteren Funktionen bei den Vereinigten Bühnen Wien angestellt - und er hat sich wohl gerade rechtzeitig abgesetzt, um jetzt auch all das zu verwirklichen, was ihn künstlerisch noch mehr interessiert, statt im Mainstream-Meer bis zur Pensionierung herumzurudern.
Es werden dies wohl nun weniger die Musicals (wenn es denn Musicals sind) sein, die man in Wien von den Vereinigten Bühnen Wien zu hören bekommt. Mit Mainstream, produziert, wie es unter den jeweils gegebenen Umständen möglich ist, versucht das Unternehmen VBW so gut es geht Geld zu lukrieren, das es dann im besten Fall mit kleinen, feinen Musicalproduktionen wieder auf den Putz hauen kann - nur das passiert leider zu selten, statt dessen wird bisweilen Blasorchester-Musiktheater (”Woyzeck”) und Hollywood-Sternchen-Operndramatik (Malkovich in allem, was je im Ronacher stattgefunden hat und noch stattfinden wird) geplant beziehungsweise produziert, um bei Kritikern das eine oder andere positive Wort abzustauben. Alle paar Jahre revivaln wir unser Liebkind “Elisabeth”, wenn das nicht mehr geht, dann eben “Mozart!”, wenn das nicht mehr geht, “Tanz der Vampire”, und dann passts ja doch schon wieder mit “Elisabeth”.
Es ging bei “There’s More” um Akkord, Melodie, Rhythmus, und es gab, natürlich, kleine Querverweise auf den im Untertitel erwähnten Mainstream, etwa im Vergleich der Songs “Putting It Together” und “Ich gehör nur mir”. Da erklärte Walter Lochmann auf unterhaltsame Art und Weise Melodie, Akkord und Rhythmus, und wie im Unterschied zum Sondheimschen Lied bei Levay am Beginn von “Ich gehör nur mir” nur Rhythmus dominant ist. Genau diese Passagen des Musicalkonzerts waren es, die auf ganz eigene Weise gefielen.
Noch mehr hätte man bei “There’s More” auf einige der Liedtexte eingehen können. So wäre beispielsweise über Stephen Sondheims “Putting It Together” aus dem Musical “Sunday In The Park With George” sicher einiges zu erzählen gewesen. Am 30. September 1989 ging mit “Am Sonntag im Park mit George” die deutschsprachige Erstaufführung dieser Show im Pfalztheater von Kaiserslautern über die Bühne, die deutsche Übersetzung besorgte Jürgen Fischer. Allein über Sondheim und seine Liedtexte könnte man eigene Veranstaltungen ohne Ende machen. Interessant an der “There’s More”-Version: Robert G. Neumayr und Daniela Dett übersetzten “Putting It Together” neu. Jürgen Fischer verwendete für seine Übersetzung die von Sondheim Mitte der 1980er Jahre überarbeitete und ergänzte Version des Original-Songs, auch bekannt als “Streisand”-Version, weil sie für das “Broadway-Album” der Diva entstand. Erkennbar beispielsweise daran, dass aus dem Begriff “earnest conversation” eine “Cocktail-conversation” wurde. Wenn man sich für Sondheim interessiert, sind Neuübersetzungen eine spannende Sache. So ist es ganz interessant, ein paar Zeilen des Originals den Übersetzungen von Jürgen Fischer und Robert Neumayr/Daniela Dett gegenüberzustellen:
Sondheim
Bit by bit,
Putting it together …
Piece by piece -
Only way to make a work of art.
Every moment makes a contribution
Every little detail plays a part
Having just the vision’s no solution
Everything depends on execution:
Putting it together -
That’s what counts.
Ounce by ounce,
Putting it together …
Small amounts,
Adding up to make a work of art.
First of all, you need a good foundation,
Otherwise it’s risky from the start.
Takes a lot of earnest conversation-
But without the proper preparation-
Having just the vision’s no solution-
Everything depends on execution.
The art of making art
Is putting it together,
Bit by bit.
———————————————
Jürgen Fischer
Stück für Stück,
setz ich es zusammen …
Teil für Teil -
denn nur so entsteht ein Kunstobjekt.
Jeder Augenblick ist ein Ereignis
Jede Einzelheit dient dem Projekt
Nur die Vision macht noch kein Zeugnis
Nur was Hände schaffen wird zum Gleichnis:
Füg alles zusammen -
nur das zählt.
Glied für Glied,
Setz ich so zusammen …
Ein Kredit
Finanziert das nächste Kunstobjekt.
Dann gründ ich mal eine Foundation,
Andernfalls riskiert man das Projekt-
Eine kleine Cocktail-Conversation-
Und schon interessiert sich die Foundation-
Nur Visionen, das sind Illusionen-
Wichtig sind die schöpferischen Aktionen.
Die Kunst, wie man Kunst macht
Das fügt alles zusammen,
Stück für Stück
———————————————–
Robert G. Neumayr/Daniela Dett
Stück für Stück,
setze es zusammen …
Teil für Teil -
ja, nur so entsteht ein Meisterwerk.
Jeder Augenblick ist dir ergeben
Jeder kleine Baustein dein Handwerk
Die Vision allein kann nichts ergeben
Es wirklich zu tun ist das Bestreben:
Setze es zusammen -
drauf kommts an.
Gramm für Gramm,
Setze es zusammen …
Irgendwann
Spürst du plötzlich, was Kunst wirklich kann.
Erst brauchst du ein gutes Fundament,
Sonst geht alles schief von Anfang an-
Auch ein Überraschungselement-
Und ich wiederhole vehement-
Die Vision allein kann nichts ergeben-
Es wirklich zu tun ist das Bestreben.
Die Kunst, erschaffst du Kunst, ist
Setze es zusammen,
Stück für Stück.
———————-
“There’s More”, um ein bisschen Werbung zu machen, ist eine Show, die man buchen kann. Viel braucht es dazu nicht: ein Klavier, zwei Sesseln, einen Tisch. Geliefert wird ein Programm, das großteils aus Liedern besteht, die eine Geschichte erzählen und deren Texte nicht mit Softwareunterstützung als bloße larmoyante pathetische Lautmalerei entstanden sind. Robert G. Neumayr, Daniela Dett und Walter Lochmann konferieren, singen und spielen sich durch eine Show voller Highlights, von Scott Alan bis Thomas Zaufke, sie erklären das jeweilige Setting der Shows, erzählen Anekdoten, bieten einen anregenden und unterhaltsamen Abend mit Musicalsongs, die Bedeutung haben.
Die nächste Möglichkeit, “There’s More” zu sehen, gibt es am Samstag, den 4. Juni 2011, um 22 Uhr im Posthof Linz, mittlerer Saal, im Rahmen der Langen Nacht der Bühnen.
Akt 1
“Putting it Together” aus “Sunday in the Park with George”
M, T: Stephen Sondheim, D: Robert G. Neumayr und Daniela Dett
“Carrying a Torch” aus “A Spoonful of Stiles & Drewe”
M: George Stiles, T: Anthony Drewe, D: Robert G. Neumayr, Daniela Dett
Playbill” aus “It’s Only Life”
M,T: John Bucchino
“We’re Just Friends” aus “I Love You Because”
M: Joshua Salzman, T: Ryan Cunningham
“Mein Köper und ich” aus “Babytalk”
M: Thomas Zaufke, T: Peter Lund
“Rauchen Verboten” aus “Elternabend”
M: Thomas Zaufke, T: Peter Lund
“Climbing Uphill” aus “The Last 5 Years”
M, T: Jason Robert Brown
“If I Didn’t Believe in You” aus The Last 5 Years
M, T: Jason Robert Brown
“If I Own Today” aus “Dreaming Wide Awake”
M, T: Scott Alan
Akt 2
“Country House” aus Follies
M, T: Follies
“And They’re Off” aus A New Brain
M, T: William Finn
“They Don’t Make Glass Slippers” aus “Soho Cinders”
M: George Stiles, T: Anthony Drewe
“Sooner or Later” aus Dick Tracy
M, T: Stephen Sondheim
“Role of a Lifetime” aus “Bare: A Pop Opera”
M: Damon Intrabartolo, T: Jon Hartmere, Jr.
“A Way Back to Then” aus “[Title of Show]”
M, T: Jeff Bowen
“Run away with Me” aus “The Unauthorized Autobiography of
Samantha Brown”
M: Brian Lowdermilk, T: Kait Kerrigan
“Who I’d Be” aus Shrek - The Musical
M: Jeanine Tesori, T: David Lindsay-Abaire
Zugabe:
“Does Anyone Ever Really Grow Up” aus “Just So”
M: George Stiles, T: Anthony Drewe