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Vienna Theatre Project: The Last 5 Years (2011)

Copyright Foto: Isabell SchatzJason Robert Browns Musical “The Last 5 Years” ist dem am Musicalgenre interessierten Publikum Wiens ein Begriff. Im November 2007 war an der Wiener Kammeroper eine sehr schöne Inszenierung dieser Show zu sehen (Fotos siehe -> hier), mit Caroline Frank und Rob Fowler in den Rollen von Cathy und Jamie.

2011 steht Jason Roberts Browns Musical in einer Produktion des Vienna Theatre Project auf dem Spielplan des Theater Drachengasse. Die umjubelte Premiere vom 4. Oktober 2011 beweist, dass auch abseits des Musicalbustourismus in Zeiten des Vereinigten Stage-Gaga das “echte” Musical in Wien eine Chance hat.

Was macht es schon aus, wenn ein begeistertes, kleines, ambitioniertes und sympathisches Theaterunternehmen keine x-Fanstastmillionen Subventionen pro Jahr bekommt, dafür aber mit Hingabe eine Show auf die Beine stellt, die vielleicht in Kulissen spielt, die keine x-Fantasttausender gekostet haben, aber völlig ihrem Zweck dienlich sind und die Fantasie des Publikums anregen, sie dagegen nicht durch Reizüberflutung zudröhnen. Aber genug der Vergleiche mit dem Musicalplatzhirsch Wiens. Das hat diese Produktion nicht nötig.

Als Jamie auf der Bühne zu sehen: Trevor Jary. Der Engländer schafft es, in dieser Rolle wunderbare echte Emotionen auf die Bühne zu bringen, fantastisch seine Interpretation von “Nobody Needs To Know”. Das sind Momente, die man nicht oft auf einer Bühne erlebt. Und im Theater Drachengasse, wo die Darsteller praktisch im Publikum, umgeben von den Zuschauern agieren, erreicht Jary eine beachtliche Intensität. Großartig auch sein “A Miracle Would Happen” oder sein “Schmuel Song”.

Copyright: Barbara Schmauß

Bettina Bogdany, eine Österreicherin, die an den Performing Arts Studios Vienna studiert hat, begeistert unter anderem mit “Climbing Uphill/Audition”, einer feinen Persiflage auf den Audition-Alltag von Sängern. Sehr glaubhaft und auch nuancenreich stellt sie die Entwicklung der Beziehung der Schauspielerin Cathy zu Jamie, dem Autor, dar.

Gerade bei “The Last 5 Years” ist die Frage, wer am Scheitern der Beziehung des Paars nun eher die Schuld trägt, Jamie oder Cathy, eine, die nach der Show man(n) und frau bisweilen unterschiedlich beantworten. Joanna Godwin-Seidl, die Regisseurin des Stücks, scheint mir hier eine ausgewogene Balance gefunden zu haben, bei der man sich als Zuschauer nicht allzu manipuliert vorkommt. “The Last 5 Years” ist letztendlich die Geschichte eines “gemeinsamen” Scheiterns, oder aber auch eine Geschichte vieler auch großartiger Momente im Leben zweier Menschen, die, zumindest im Zeitrahmen des Musicals, auseinandergehen und auch den Beginn ihrer Romanze erleben. Jedes Ding hat zwei Seiten, und so bekommt manch wunderbarer Moment im Leben eines Menschen, aus einer anderen Perspektive betrachtet, hier etwa im Abstand von Jahren, einen etwas bitteren Touch.

Copyright: Barbara Schmauß

Die raffinierte Struktur des Plots, der aus der Sicht Cathys am Ende der fünfjährigen Liebesgeschichte beginnt und für Jamie am Beginn, setzt Godwin-Seidl gekonnt um. Schön ist der Höhepunkt in der Halbzeit der Show herausgearbeitet, die einzigen Momente, in denen Jamie und Cathy tatsächlich im Raum-Zeit-Gefüge miteinander agieren, sich verloben, küssen, und das einzige Mal tatsächlich miteinander singen.

Sarah Grubinger (Violine), Matthias Bartolomey (Cello) sowie Bernd Leichtfried (Klavier) setzen Jason Robert Browns vielschichtigen Score großartig um, und würde man sich nicht auf die Darsteller konzentrieren wollen, so wäre es auch ein Genuss, Grubinger und Bartolomey einfach beim Spielen zu beobachten, wie sie sich intuitiv musikalisch auf eine Schwingung einpendeln, mit Blicken abstimmen und Momente, in denen sie die Kraft dieser Musik besonders zu spüren scheinen, geradezu ausstrahlen und magische musikalische Momente für Jary und Bogdany in den Saal zaubern.

Copyright: Barbara Schmauß

“The Last 5 Years” ist noch bis zum 15. Oktober 2011 im Theater Drachengasse zu sehen. Ein Besuch lohnt sich.

The Last 5 Years
Stage Director: Joanna Godwin-Seidl
Musical Director/Piano: Bernd Leichtfried
Producer: Sarah K. Hayes
Stage Manager: Barbara Schmauß
Assistant Producer: Ludovico Lucchesi Palli

Cathy: Bettina Bogdany
Jamie: Trevor Jary

Violin: Sarah Grubinger
Cello: Matthias Bartolomey

6 Kommentare »

  The Last Five Years, vtp « Theaterarchiv wrote @ September 30th, 2012 at 12:08

[…] 1) http://www.viennatheatreproject.at/productions/details/TheLastFiveYears.shtml 2) http://www.kultur-channel.at/vienna-theatre-project-the-last-5-years-2011/ 3) http://www.drachengasse.at/upload/presse/Datei_337_246.pdf 4) Sharen mit:TwitterFacebookGefällt […]

  Andreas wrote @ Oktober 9th, 2011 at 18:49

Danke für den Tip!

  Martin Bruny wrote @ Oktober 5th, 2011 at 20:10

Quasi-intellektuell? Das fällt mir nur Michael Heltau ein, der einmal sagte: “Wenn das Gefühl nur ein Rülpser ist, dann ist mir das zu wenig.”

  JS wrote @ Oktober 5th, 2011 at 17:43

In der gleichen Broschüre wird aber noch mal verdeutlicht wie die Umwegrentabilität der Subventionen ist: Jeder Euro komt 2,3 x zurück. Abgesehen von den Arbeitsplätzen. Ich verstehe Ihren Frust durchaus und es ist schwer einzusehen warum die VBW für die Udo-Revue Subventionen bekommen (für Sister Act sehe ich das schon differenzierter) aber dennoch sollte man vermeiden Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Daher, noch mal: ich freue mich dass es die Off-Szene gibt, auch wenn sie kämpfen muss. Und es sei mir gestattet anzumerken dass ich “The Last Five Years” für ein hoffnungslos überschätztes Epos halte worauf persönlich ganz gut verzichten kann. Mich interessieren pseudo post moderne, ach-so-einfühlsame Ehedramen von irgendwelchen NY Neurotiker überhaupt nicht. Mal abgesehen von der quasi-intellektuelle Musik. Aber das war rein persönlich…

  Martin Bruny wrote @ Oktober 5th, 2011 at 14:51

Da gibt es auch nicht wahnsinnig viel zu verstehen, wenn man es nicht verstehen will. Aber trotzdem: Es ist für mich mittlerweile unverständlich, wie ein Unternehmen wie die VBW derartig hohe Subventionen bekommt, während es auf einem Stückeniveau gelandet ist, das teilweise der Löwinger-Bühne entspricht. Da nützt es auch nichts, wenn das Unternehmen über ein sehr gutes Orchester verfügt und in seiner Broschüre “Wussten Sie, dass …” unter anderem schreibt: “… die Musicals der VBW künstlerisch auf demselben hohen Niveau wie in den Metropolen New York oder London sind, die jedoch ein Vielfaches der Marktgröße haben.” Diese Hybris ist dermaßen unappetitlich, dass zumindest ich nicht müde werden werde, auszudrücken, was ich davon halte.

Daher nein, ich bin nicht froh, dass es einen “Tanker” gibt, der das Subventionsmeer leersaugt und statt Musicals unter anderem auch Gülle im Frachtraum transportiert, während die Off-Szene um jeden Cent betteln gehen muss.

  JS wrote @ Oktober 5th, 2011 at 14:10

Ich verstehe nicht warum man sch nicht einfach an der Produktion erfreuen kann ohne den VBW wieder einen rein zu dreschen. Seien wir doch froh dass es sowohl einen Musical-Tanker als auch eine Off-Szene gibt.

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