Archiv - 2008
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:35 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Alle Musicals Andrew Lloyd Webbers auf kompakten 128 Seiten im handlichen Kleinformat abgehandelt – und mehr braucht man auch nicht darüber zu wissen … so könnte man das Büchlein »Andrew Lloyd Webbers Musicals – Ein musikalischer Werkführer« von Ulrich Müller in ein paar Worten umreißen. Man würde dabei aber der Intention des Autors nicht gerecht, dem gerade diese abwertende Haltung einem/dem (finanziell) erfolgreichsten Musicalkomponisten der Gegenwart gegenüber fern liegt. Vielmehr ist Ulrich Müller um eine sachliche Haltung bemüht und definiert das gleich auf der ersten Seite des Buches in seiner Einleitung: »Um es von vornherein klarzustellen: Mein Verhältnis zu den Werken von Andrew Lloyd Webber ist durch kritische Sympathie geprägt (…) Ich sehe in diesem Interesse keinen Gegensatz zu meiner Liebe zu anderen Gattungen des Musiktheaters, von Mozart bis Wagner, von Johann Strauß, Oscar Straus und Richard Strauss bis György Ligeti und und (sic!) Karija (sic!) Saariaho.« Abgesehen von den zwei Fehlern in nur einem Satz: Wie weit ist es eigentlich gekommen in diesem Genre, dass man sich am Beginn eines Sachbuches quasi dafür entschuldigen muss, es geschrieben zu haben.
In aller Kürze sehen wir also die Musicals von Andrew Lloyd Webber abgehandelt. Man könnte sich vorstellen, dass Schüler, die sich einen raschen Überblick verschaffen wollen oder ein Referat vorbereiten, damit gut bedient sind, oder auch Musicalbesucher, die, Gott weiß wo, zum ersten Mal eine der Webber-Shows sehen und sich vorab informieren möchten. Ulrich Müller bietet zu allen Webber-Musicals die »Handlung«, einen Einblick in die »Entstehungsgeschichte und Einspielungen« sowie eine »Charakterisierung« der Werke. Das klappt ganz ausgezeichnet und ist in der Tat sehr informativ. Der Leser wird auch mit einer kurzen Biographie des Komponisten versorgt und erfährt en dà©tail, ob nun »Andrew Lloyd-Webber« oder »Andrew Lloyd Webber« beziehungsweise »Baron Andrew Lloyd-Webber of Sydmonton Court« die korrekte Schreibweise für den Namen des »Cats«-Komponisten ist – oder ob das am Ende egal ist und man alle Variationen verwenden kann.
Ein Kapitel des Buches schrieb Peter Back-Vega, Dramaturg der Vereinigten Bühnen Wien. Unter dem Titel »Andrew Lloyd Webbers Auftritt auf dem Kontinent« analysiert er, wie die Shows des englischen Komponisten von Wien aus in Europa Fuß fassten. Auf engstem Raum (acht Seiten) stellt er dar, wie, angefangen mit »Evita« und »Jesus Christ Superstar«, Webber der Grund war für eine tiefgreifende Änderung der Produktionsbedingungen an den Musicalhäusern – und letztlich indirekt auch bei den Ausbildungsmöglichkeiten für Musicaldarsteller. Back-Vega schließt seine Ausführungen mit der Erwähnung der Gründung des »Tanz-Gesang-Studios Theater an der Wien«, in dem Darsteller der ersten Webber-Jahre in Wien unterrichtet haben. Back-Vega: »Die Choreographen und Dance Captains, die in den großen Produktionen gelernt haben, bestreiten heute noch die Mehrzahl der Musical-Inszenierungen im deutschsprachigen Raum. Im Musicalbetrieb gibt es noch künstlerische Stammbäume, und wie manche ihre Wurzeln bei Jerome Robbins haben, so haben sie andere in den Musicals von Andrew Lloyd Webber.«
Man sollte noch den unrühmlichen Rest hinzufügen: Als eine der ersten Handlungen der Intendanz Rudi Klausnitzer erfolgte die Schließung des »Tanz-Gesang-Studios Theater an der Wien«, aus Kostengründen. Auch das ist eine spannende Geschichte, die man einmal ausführlich erzählen sollte.
Ein Lektor hätte dem Buch übrigens ganz gut getan, es ist eher unüblich, einen solchen Haufen an Tippfehlern auf so wenigen Seiten zu finden. Nichtsdestotrotz: Für eine allererste Einführung in die Musicals Andrew Lloyd Webbers ist dieses Büchlein durchaus empfehlenswert, einzige Ausnahme: Der Vergleich Webber–Sondheim im Kapitel »Zussammenfassung (sic!) und Ausblick« ist zu verknappt und – mag sein ungewollt – tendenziös, schlicht und einfach nicht haltbar. So wie sich dies in diesem Büchlein liest, könnte man meinen, der Ruf Sondheims wäre primär auf die Meinungsmache eines Grüppchens Intellektueller der New York Times und anderer Zeitungen zurückzuführen. Bezugnehmend auf »Pacific Ouvertures« und »Assassins« liest man auf Seite 113: »Eine solche scharfsinnige Analyse von Gesellschaft und Politik, durchaus wirkungsvoll verpackt in verschiedene Musical-Formen, erklärt zum beträchtlichen Teil auch den fast legendären Ruf Sondheims, der durch eine in den Medien höchst einflussreiche Gruppe von Intellektuellen (insbesondere in der sogenannten Qualitätspresse) verbreitet und propagiert wird (…)” Da warten wir dann doch lieber auf einen Beck’schen Band zu Stephen Sondheim – sollte je einer publiziert werden.
Ulrich Müller: Andrew Lloyd Webbers Musicals – Ein musikalischer Werkführer (unter Mitarbeit von Peter Back-Vega). Verlag C. H. Beck, München 2008, 128 S.; ISBN: 978-3-406-44814-0. € 7,90 (Paperback). www.beck.de
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:34 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Mit »Cats & Co.« legt Wolfgang Jansen, Theaterwissenschafter, Kulturmanager, ein profunder Kenner der Theaterlandschaft und Verfasser von zahlreichen Publikationen zum musikalischen Unterhaltungstheater, die erste Gesamtschau der Entwicklung des Musicals im deutschsprachigen Theater vor – eine Pionierleistung, ist doch der Umfang an Fachliteratur, die sich theater-, musik- oder kulturhistorisch mit der Entwicklung des Musicals in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschäftigt, erstaunlich gering. In fast zehnjähriger Recherche wertete der Autor eine Unzahl an Unterlagen aus, seine Analysen beruhen zudem auf persönlichen Erinnerungen an Hunderte besuchte Aufführungen und auf unzähligen Gesprächen mit Darstellern, Regisseuren, Autoren und Produzenten.
Rein optisch ist »Cats & Co.« eine Wucht. Durch die Bank, von der ersten bis zur letzten Seite, faszinierende Fotos, Musicalplakate, spannende Szenenausschnitte, Porträts, rare und atmosphärische Aufnahmen aus den Anfängen des Musicals im behandelten Zeitraum bis zu den fröhlich bunten Fotos aktueller, belangloserer Shows, gedruckt auf sehr gutem Papier, jedes Foto genau beschrieben.
Das Layout detto, die einzelnen Kapitel des Buchs sind im unteren Bereich der Seiten mit jeweils einer eigenen Signalfarbe kenntlich gemacht. Wenn man ein bestimmtes Kapitel ansteuern will, muss man nicht erst mühsam nach Seitenzahlen suchen, man hat ein sehr gut durchdachtes optisches Hilfsmittel an der Hand. Gedruckt ist das Buch in Top-Qualität, auch bei der Produktion hat man nicht gespart. Softcover plus Fadenbindung, da bricht nichts, das hält, auch wenn man es aufbiegt.
Was Satz und Gestaltung betrifft, so gefallen die kleinen schmematischenTänzer-Figürchen, die das Schriftbild am unteren Seitenrand etwas auflockern, das ist alles wirklich durchdacht, leicht verspielt, die Schrifttype leicht lesbar. ABER: Wer optisch gut und übersichtlich strukturierte, in sich gegliederte Texte zum besseren Verständnis und leichtem Wiederfinden bevorzugt, ist mit “Cats & Co.” etwas weniger gut bedient. Unterteilt ist das Buch in sechs große Kapitel, die in sich nicht weiter gegliedert sind. Manchmal hat man geradezu den Eindruck, dass all die möglichen Untergliederungen beim Umbruch rausgeflogen sind, um Seiten einzusparen. Liest man das Buch, so hat man es schwer, interessante Stellen auf Anhieb wiederzufinden, Unterüberschriften fehlen hier doch sehr. Es sind 304 Seiten zweispaltiger Blocktext (natürlich durch die Vielzahl an Bildern aufgelockert), das ist eine wirklich enorme Ladung an Information.
Beginnend mit der vergessenen deutschsprachigen Erstaufführung von »Porgy and Bess« wenige Wochen nach Kriegsende in der Schweiz behandelt Jansen chronologisch die Jahre 1945 bis 1960, die sechziger, siebziger, achtziger, neunziger Jahre und Musicals nach 2000,. Insgesamt sieben kleine Listen wurden für das Buch erarbeitet, sechs davon sind Zusammenstellungen der Produktionen ausgewählter Musicalspielstätten (das Theater an der Wien in den siebziger Jahren, Schweizer Musicalaufführungen der siebziger Jahre, deutsche Musicalgroßproduktionen der neunziger Jahre, Aufführungen, die Klaus Wagner in den neunziger Jahren am Stadttheater Heilbronn herausbrachte, und eine Auflistung der Produktionen der Sommerfestspiele Amstetten in den neunziger Jahren), eine ist ein Firmenstammbaum der Stella Musical AG. Das Problem dabei ist ein wenig die Beliebigkeit. Tabellen dieser Art sind sicher nette Einsprengsel, aber relevant wäre es dann schon gewesen, statistisch ausgewertete Daten dieser Art über einen längeren Zeitraum zur Verfügung zu stellen. Auch hätte man viele Themen des Buches auf diese Art und Weise optisch etwas auflockern können, ach was, man hätte einen ganzen hochinterssanten Statistikteil für dieses Werk erarbeiten können. Freilich muss man bedenken, dass hier ganz offensichtlich der dafür nötige Aufwand im Rahmen dieses Bands zu groß gewesen wäre.
Am Ende der Lektüre hat man eine Art historischen Fleckerlteppich, der sich nicht ganz leicht zu einem Gesamtbild zusammensetzen mag. Ein stärker gegliedertes Konzept hätte es den Lesern sicher einfacher gemacht, im Text Brücken zu bauen, ABER: Wolfgang Jansens Geschichte des Musicals ist ein profundes Werk, der Autor holt aus fast jeder Epoche und aus fast jeder Spielstätte ein paar Fakten zusätzlich heraus, die so noch nicht im Rahmen einer Gesamtschau verknüpft waren. Das Buch hat seine stärksten Momente immer dann, wenn sich der Autor beispielsweise ausführlicher der Geschichte eines ausgewählten Theaters oder einer Theaterpersönlichkeit widmet, so unter anderem dem Theater des Westens unter Helmut Baumann. Hier fungiert »Cats & Co.« dann als reiche Quelle von Hintergrundinformationen – nicht nur zur Aufführungsgeschichte der behandelten Stücke, sondern auch zu den Personen vor und hinter der Bühne, Komponisten, Darstellern, Autoren, Regisseuren, Intendanten, sowie auch zur Entwicklung der Infrastruktur, die für den Aufschwung des Genres in den letzten Jahrzehnten unerlässlich war.
Die im Buch besprochenen Musicals unterzieht Jansen einer spannenden inhaltlichen Analyse. »Cats & Co.« hebt sich dadurch von anderen Werken ab, die oft einen rein handlungsbezogenen Schwerpunkt setzen.
Wolfgang Jansens Anliegen war es, nicht bloß eine Geschichte der Musicalgroßproduktionen zu skizzieren, sondern sich auch ausführlich der engagierten Sommertheater-Szene, den ambitionierten Stadttheatern und auch Freien Gruppen zu widmen, wie beispielsweise Hoffmanns Comic Teater – einer Gruppe, der Rio Reiser angehörte und für deren Produktion »ROBINSON 2000« der damals erst siebzehnjährige Reiser die Musik und einen Teil der Songtexte beisteuerte, zu einem Werk, das 1967 als erste »Beat-Oper« seine Uraufführung feierte (mit Schlagersänger Peter Horten in der Hauptrolle).
Im Anhang des Werks finden sich ein Personenregister, ein Register der Bühnenwerke, ein Quellenverzeichnis und reichhaltige Anmerkungen.
Fazit: Wolfgang Jansen bietet ein Standardwerk, das, wenn man den gegebenen Umfang in Betracht zieht, ein Optimum an Information liefert – ein Buch, das man jedem, der am Musicalgenre interessiert ist, empfehlen kann.
Wolfgang Jansen: Cats & Co. Geschichte des Musicals im deutschsprachigen Theater. Henschel Verlag in der Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Berlin 2008, 304 S.; ISBN: 978-3-89487-584-8. € 20,50 (Softcover). www.henschel-verlag.de
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:28 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Jahrelang arbeitete Carol de Giere als Bibliothekarin in Mason City, USA, bis sie den Drang verspürte, auch selbst kreativ tätig zu werden. Sie studierte “professional writing” und startete eine neue Karriere als Freelancer-Autorin für lokale und regionale Publikationen. Eines Tages wurde sie damit beauftragt, für eine neu gelaunchte Website Texte über Musiker zu schreiben. Und zwar über Musiker, deren Namen mit einem “S” beginnen. »John Schneider«, »Diane Schuur« – »Stephen Schwartz« … Dieser Name kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie recherchierte im Netz, loggte sich bei www.StephenSchwartz.com ein und war von seiner Biographie beeindruckt. Ihr Lieblingsmusical “Godspell” hatte ja er geschrieben! Sie beschäftigte sich eingehend mit den Texten, die Schwartz auf seine Homepage gestellt hatte und war fasziniert, wie eingehend sich der Komponist und Texter mit den Fragen seiner Fans auseinandersetzte, wie glaubwürdig seine Antworten waren, wie gekonnt er eines beschreiben konnte: den kreativen Prozess des Komponierens und Textens, des Erarbeitens einer Show.
Und genau das ist der Punkt, der diese Biographie so lesenswert macht. Wer im Musicalbereich versucht, abseits der üblichen Fragen etwas tiefergehend den Entstehungsprozess von Shows zu ergründen, wird oft einerseits einem gewissen Misstrauen begegnen, und andererseits auch oft der Unfähigkeit, diese Prozesse zu kommunizieren. Zu sehr setzen Produzenten darauf, ihre Shows zu mystifizieren, ja nicht zu viel vom Entstehungsprozess nach außen zu tragen. Fragt man Komponisten/Texter nach ihrer Arbeitsmethode, nach dem kreativen Prozess des Komponierens oder Textens, kommen des Öfteren nebulose Leerformeln und ein abschließendes “Musik muss man hören”. Nur ganz wenige sind in der Lage, ihre Arbeitsmethode anderen vermitteln zu können.
Stephen Schwartz ist ein Künstler, der bereit ist, den kreativen Prozess nicht nichtssagend als “Magie – Tadaaa” zu mystifizieren, sondern detailliert alle Aspekte des Arbeitens auf dem Gebiet des Musiktheaters zu analysieren und zu erklären. Er tut dies in der hier besprochenen Biographie unter anderem ausführlich mit immer wieder eingestreuten »Creativity Notes«, quasi Tipps aus der Praxis. Alleine diese Hinweise und Analysen sind es wert, sich mit diesem Buch auseinanderzusetzen. Oft werden höchst komplizierte Prozesse am Ende der Ausführungen auf einen simplen Nenner gebracht. Zum Thema Songwriting meint Schwartz : »What I’ve learned as a writer is that the more I can get to my own emotional truth, the more a song is actually about me, thinly disguised as an Indian princess or the hunchback of Notre Dame or other characters, oddly enough, the more it communicates universally. For the most personal songs I’ve ever written, I’ve had people come up to me and say, «How could you possibly have known that? I felt like you read my diary.†It’s really an interesting phenomenon, and of course it makes our job as songwriters a lot easier. I have this joke where people ask, «How do you write a song?†and I say, «Tell the truth and make it rhyme.†But that’s really it. The more you can tell your truth, the more it resonates for others. Of all the lessons about songwriting I’ve learned over time, that’s been the most revelatory for me. I didn’t actually go in knowing that. I had to learn it from experience.â€
Carol de Giere (geboren 1952) ist kein «Hardcore-Musicalfan”. Ihre erste Show hat sie im Alter von 49 Jahren gesehen. Sie war und ist von der kreativen Persönlichkeit Schwartz’s fasziniert, und schon bald wurde aus dem einen Text für ihren Auftraggeber der Plan, eine autorisierte Biographie über den Komponisten zu schreiben. Im Jahr 2000 begann sie ihre Arbeit, 2008 wurde »Defying Gravity – The Creative Career of Stephen Schwartz from “Godspell” to “Wicked”« von Applause Books publiziert, ein 536 Seiten-Riegel, der so spannend und faszinierend ist wie ein guter Krimi. Ein Buch, das in jeder Hinsicht gelungen ist.
Beispielsweise ist es klug und leserfreundlich gegliedert, in 3 Akte (1948 bis 1974, 1974 bis 1991, 1991 bis 2003), sowie die Kapitel “Wicked” und “Extras”. Jeder Akt ist in sich wieder logisch gesplittet in Unterkapitel. Wenn man in diesem Buch Passagen nach dem ersten Lesen sucht, wird man sie auch finden. Das Layout ist durchdacht, links und rechts des Satzspiegels findet sich Platz für Abbildungen und eine Unmenge an Zitaten von und über Schwartz.
Die Biographie ist mit 200 Schwarz-Weiß-Fotos aus dem Leben Stephen Schwartz’s reich bebildert. Die Auswahl der Bilder ist durchdacht, viele stehen für Wendepunkte im Leben des Künstlers und werden zu Impulsgebern für Geschichten. Beispielsweise ein Foto, entstanden auf einer Bootsfahrt in Hawaii, bei der Holly Near Stephen Schwartz von einem Buch erzählte, das ihr besonders gut gefallen hat: Gregory Maguires Roman “Wicked”. »In an instant, Schwartz’s imagination flashed through the implications of a backstory for »The Wizard of Oz« told from the perspective of the unpopular witch. It was the best concept for a musical he’s ever heard. As soon as he returned to his L. A. apartment, he called his attorney in New York, inquiring Maguire’s 1995 novel. […] «Okay, this book has been out for a while, so somebody has the rights. I need you to find out who has them. Meanwhile, I’m going to get the book and read it, because I think I want to do this.†Es sollte ein langer Trip werden, bis zur Premiere, und eigentlich hatte Schwartz schon vor seinen Disney-Erfolgen mit dem Broadway und dem West End abgeschlossen. Nach dem Flop von »The Baker’s Wife« in London ging er in Therapie und spielt mit dem Gedanken, Psychologie zu studieren und den Rest seines Lebens etwas ganz anderes zu machen – nur keine Musicals mehr.
Detaillierte Analysen der Entstehungsgeschichten von »Godspell«, »Pippin«, »The Magic Show«, »The Baker’s Wife«, »Working«, »Children of Eden« zur Disney- & DreamWoks-Phase und natürlich “Wicked” machen das Buch zu einem wichtigen Nachschlagewerk für alle, die sich mit den Musicals von Stephen Schwartz beschäftigen wollen, aber auch für alle jene, die generell an der Arbeitsweise eines Komponisten/Texters interessiert sind.
Das Buch ist auch ein Fundus witziger Anekdoten: Schwartz’s schwierige Zusammenarbeit beispielsweise mit Bob Fosse bei “Pippin”, oder das Chaos, das Topol bei der Produktion “The Baker’s Wife” verursachte. Aber nicht nur mit Topol gab es bei dieser Show Probleme, auch John Berry, ein Produzent der Aufführungsserie in Washington 1976, war ein Schlitzohr der besonderen Art:
“Merrick especially despised “Meadowlark” and wanted it replaced. Schwartz resisted. In Washington, D.C., the producer tried another track. Reports differ on what actually happened. Bob Billig remembers a matinee when, after Patti Lupone sang the piece and the first act curtain went down, he got a call on his headset in the orchestra pit. It was the stage manager saying, “Mr. Merrick is here. Her would like you to collect the orchestra parts of “Meadowlark” and bring them up here right now.”
Billig collected the music from the musicians and walked up the stage manager’s desk. “I handed the parts to the stage manager, he handed them to Mr. Merrick who put them in his briefcase, locked it, and walked out the door. I said “Oh God, what the hell are we going to do? How are we going to make the dramatic high point of the act to happen?” We had a show to do that night.”
Billig called Schwartz. “You have to know what just happened,” he explained the situation, upon which Schwartz said he would pull the score and close the show if it wasn’t restored, again invoking the Dramatists Guild contract he had used to save “King of Woman” in “Pippin”.
Publicity director Josh Ellis remembers being in the stage manager’s office backstage when someone stormed in regarding the pilfered music. He believed it was Schwartz (although Schwartz claims not to have been in Washington D.C. at that time). Merrick told whoever was there fussing over the removed music, “… don’t worry, we’re in Washington, D.C., home of the FBI. They will find our little Meadowlark. It’s clear it wasn’t stolen. The Meadowlark just flew away.” By the next performance, the music was back in Billig’s hands and the song remained in the show.”
Am Ende der Reise und des Buchs, nach diversen negativen Kritiken für »Wicked«, und nach den Tony Awards 2004, die für »Avenue Q« die begehrten Auszeichnungen für »Best Score«, »Best Book« und »Best Musical« einbrachten, steht die Conclusio des Komponisten: »When I was a kid [..] this was going to be my «corner of the skyâ€: I wanted to make a contribution to musical theatre, maybe help to advance it in some way or expand its boundaries like […] Richard Rodgers, and Stephen Sondheim, and Bock and Harnick, and Kander and Ebb and all these other people. That was my dream. And I think concomitant with that dream was an acceptance by the Broadway establishment. […] And that’s what, for whatever reasons, didn’t happen for me. I won’t even say it’s a disappointment anymore, because at this point I’ve accepted it. It’s simply a fact of life. I’ve had to accept the fact that it’s a dream that didn’t come true. And that’s okay, because so many other things have come true and have exceeded my expectations.â€
Carol de Gieres «Defying Gravity†ist natürlich keine werkkritische Auseinandersetzung mit dem Schaffen Schwartz’s. Sie hat eine von tiefer Sympathie geprägte Biographie geschrieben, Musikwissenschafter sind ihre Hauptzielgruppe nicht (schließlich soll sich das Buch ja verkaufen). Dennoch bietet sie ein breitgefächertes Datenmaterial: Auszüge aus vielen Original-Liedtextentwürfen, Partiturauszüge, genaue Entstehungsgeschichten vieler Songs, einen der ersten »Wicked«-Entwürfe aus dem Jahr 1998, negative Rezensionen von Kritikern sowie positive von Fans, spannende Schilderungen, wie man bei Disney Musicaltrickfilme konzipiert, entwickelt und vermarktet, und natürlich einen Ausblick auf neue, kommende Projekte des Texters/Komponisten. Und auch wenn Stephen Schwartz die New Yorker Kritiker nicht überzeugen kann, bleibt ihm eines: der Erfolg beim Publikum. Seit Juli 2008 ist er der einzige Komponist/Texter, der es auf drei Broadway-Shows (»Pippin«, »The Magic Show« und »Wicked«) mit mehr als je 1900 Vorstellungen gebracht hat.
Carol de Giere: Defying Gravity - The Creative Career of Stephen Schwartz from “Godspell” to “Wicked”. Applause Theatre & Cinema Books – An Imprint of Hal Leonard Corporation, New York 2008, 536 S., ISBN: 978-1-55783-745-5. $ 24,95 (Softcover). www.applausepub.com
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:27 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Einen »Überblick« über 40 Jahre Musical am Theater an der Wien – das bietet Professor Peter Back-Vega in seinem Buch »Theater an der Wien – 40 Jahre Musical«. Back-Vega ist dafür ein berufener Mann, nach seinem Studium arbeitete er lange Zeit in Deutschland als Dramaturg und Regisseur. Seit 1981 in Wien, war er mehrere Jahre am Burg- und Volkstheater engagiert, bevor er 1989 Leiter der Dramaturgie der Vereinigten Bühnen Wien wurde. Er lehrte Kulturmanagement, Dramaturgie und Geschichte der Bühnengestaltung in Wien, Graz und Salzburg und ist Kolumnist der Kunstzeitschrift »Parnass«.
Im Vorwort erklärt der Autor, was im Rahmen der Ausführungen nicht geleistet werden kann: nämlich eine “Geschichte” des Musicals am Theater an der Wien, und zwar im Sinne einer umfangreichen “Chronik”, zu schreiben. Der Autor will sein Buch nicht als wissenschaftliche Abhandlung verstanden wissen, es gibt keine Fußnoten, keine Anmerkungen, die Zitate entstammen persönlichen Gesprächen und persönlicher Korrespondenz.
Einerseits also beste Voraussetzungen, um eine leicht lesbare, kurzweilige »Geschichte« des Musicals am Theater an der Wien zu bieten, andererseits: Schade um die vertane Chance, ein wirklich umfassendes Werk abzuliefern. Wie viele Theatergeschichten werden schon im deutschsprachigen Raum publiziert? Aber das Buch soll sich ja verkaufen, und die Schlagzeilengesellschaft mag keine dicken Wälzer, auch nicht, wenn sie viele Bilder enthalten – obwohl, auf diesem Gebiet ist das von Back-Vega gebaute Buch sehr befriedigend. Mit Bildern wurde nicht gegeizt. 88 der 176 Seiten sind ganzformatig mit den Musicals am Theater an der Wien bebildert. Zwei bis vier Seiten pro Show (sechs für »Elisabeth«), vollgepackt mit stimmungsvollen Szenenfotos. Und auf den 88 verbleibenden Seiten verteilt nochmal 30 Bilder. Wenn man also in ganz lesefauler Laune ist, kann man die Produktionen des Theaters auch anhand der Photos Revue passieren lassen. Wirkungsvolle, gut ausgewählte und auch gut reproduzierte Aufnahmen, von »Wie man was wird im Leben, ohne sich anzustrengen« (1965) mit Harald Juhnke und Theo Lingen bis hin zur Wiederaufnahme von “Elisabeth” (2003). Die Bilder aus den Produktionen ab dem Ende 60er und während der 70er Jahre dokumentieren, wie sehr man zeitweise dem Starprinzip vertraut hat: Josef Meinrad, Marika Rökk, Freddy Quinn, Vico Torriani, Michael Heltau oder Johannes Heesters füllten die Kassen, und dann kam Andrew Lloyd Webber. Ein Infokasten bietet auf den bebilderten Doppelseiten die Eckdaten: das Datum der Premiere, Angaben zu Regie und Choreographie, zu Kostümen, zur Musikalischen Leitung und zu den Darstellern – und die Anzahl der Vorstellungen sowie die Gesamtbesucherzahl.
Klug gebaut hat Back-Vega seinen Text, wobei das Werk vor allem auch ein Tribut ist an die (General-)Direktoren des Hauses, angefangen bei Frank Klingenbeck, über Rolf Kutschera, Robert Jungbluth, Peter Weck, Rudi Klausnitzer bis zu Franz Häußler. Wie die Direktion die Stückauswahl anlegte, welche Faktoren in den Entscheidungsfindungsprozess hineinspielten, das erklärt Back-Vega sehr schlüssig. So war beispielsweise die Bühnentechnik bzw. ein dringend nötiges Ugrading derselben dafür verantwortlich, dass 1998 »Elisabeth« abgesetzt wurde. Die Sanierung des Schnürbodens stand an und man brauchte eine Produktion, die ohne Schürboden und Unterbühne auskam: »Chicago« war perfekt.
Eines der großen Verdienste Peter Wecks war unter anderem die Gründung der Musicalschule »Tanz-Gesang-Studio Theater an der Wien« im Jahre 1984. Es war der Start einer professionellen Musicalausbildung in Wien und nur so, das erkannte Weck, konnte man sich einen Pool an deutschsprachigen Profidarstellern für die eigenen Produktionen schaffen. Back-Vega: »Die Kosten der Schule waren im Theater an der Wien-Budget mit zehn Millionen Schilling jährlich veranschlagt. Das bedeutet, dass in jeden Darsteller, der daraus erfolgreich hervorging, 1 Million Schilling investiert wurde! Für den nachfolgenden Direktor, den kühlen Rechner Rudi Klausnitzer, ein zu hoher Einsatz. Er sperrte die Schule 1994 wieder zu – nicht ohne durch Kooperationen mit den Performing Arts Studios doch für eine gewisse Kontinuität der Ausbildung zu sorgen.” Leider ist dem unrühmlichen Ende der »Theater an der Wien-Studios« nur diese eine recht knappe Passage gewidmet – den Problemen der Studenten, die mitten in ihrer Ausbildung waren, wird damit nicht gerecht getan, ein wenig zu geglättet ist hier diese Zäsur mit einem Neubeginn verwoben, der unter dem Begriff »Kooperation« vielleicht nicht wirklich in der richtigen Begriffsschublade gelandet ist.
Back-Vegas Buch ist ein starkes Plädoyer für das Musical-Genre. Längst fällig war eine sarkastische Abrechnung der VBW mit den Kritikern der Tagesjournaille. In einem Werk, geschrieben vom Chefdramaturgen des Hauses, darf man daher Passagen wie die folgende auch als offizielles Statement auffassen: »Schade, dass die Wiener Presse, speziell das Feuilleton, sich in all den vierzig Jahren kaum mit dieser Qualität anfreunden konnte. Das Theater an der Wien sollte »gerettet« werden, sollte – in noch schlimmerer Diktion – »musicalfrei« (wie ungezieferfrei) gemacht werden. […] Die vielen Menschen, die aus den Bundesländern oder gar aus dem Ausland anreisten, um in Wien einen schönen Musiktheater-Abend zu erleben, ohne in die Oper zu gehen, wurden menschenverachtend als letztklassig verspottet. […] Man tat so, als würden jährlich 300.000 bis 500.000 Zuschauer mit der Peitsche ins Theater getrieben. Es lässt sich ja noch verstehen, dass ein Journalist über Theater, das er jahrelang nicht neu besprechen kann, die Nase rümpft und durch pure Polemik versucht, Inhalte und Qualitäten des Musicals zu »verreißen«. […] Noch erschreckender ist allerdings, mit welcher Häme und zum Teil Niedertracht das Musical und sein Publikum pauschal angegriffen wurden, indem auf das »Synthetic-Gedröhne« geschimpft und die auch von vielen Theaterleuten bewunderten, großartigsten Bühnenaufführungen auf die lächerlichste Weise zerpflückt und niedergemacht wurden.«
Wo es beim abrupten Ende der Musicalschule des Theater an der Wien an Exaktheit und Transparenz mangelt, da ist eine Offenheit bei der Aufschlüsselung der Subventionen vorhanden, die das Theater im Laufe der 40 Jahre erhalten hat. Aus der Defensive in die Offensive strebend liefert der Autor konkrete Zahlen, bis hin zu einer genauen Aufschlüsselung der Tantiemen, die Andrew Lloyd Webber, Regisseure, Bühnenbildner und Kostümbildner, Licht- und Sounddesigner sowie Produzenten bei einer Show wie »Cats« erhalten haben. Gut herausgearbeitet wird das Subventionswesen im Vergleich zu den Produktionsbedingungen am Broadway. Einen weiteren Schwerpunkt legt der Autor auf die Vermarktung der Musicals, bis hin zur Entwicklung des Merchandisings, beispielsweise des »Elisabeth«-Fächers: »Den Fächer für »Elisabeth« und das ganze damit zusammenhängende Artwork, vom Programmheft über die Souvenirs bis zu Ferienflieger-Prospekten hat Loys Eggs Grafikabteilung allein entwickelt. Die grafische Präsenz war ein äußeres Zeichen dafür, dass sich da etwas etabliert hatte.« All diese Details sollen klar machen, dass das Musical in Wien keine sinnlose Geldvernichtungsmaschinerie ist, sondern letztendlich ein Geschäft für die Stadt: »Die Stadt Wien hat ihre »Subvention«, die man richtiger »Investition« nennen sollte, schon durch indirekte Steuern der Theaterbeschäftigten und der Firmen, die für das Theater tätig sind, zurückerhalten! Durch die lang laufenden, qualitativ gleich gut bleibenden Aufführungen wurde gleichzeitig die Attraktivität eines Wienbesuchs in einer Weise gesteigert, dass der Stadt zusätzliche Einnahmen in derselben Höhe der zur Verfügung gestellten Summer erwuchsen. Wien hat also von jedem ins Theater an der Wien gesteckten Schilling deren zwei zurückbekommen.«
In einer Art Anhang schildern u. a. einige Darsteller ihre »innere« Verbindung zum Theater an der Wien und zum »weltweit längst dienenden Theaterdirektor« Franz Häußler. Die Auswahl jener Darsteller, die man hier antrifft, mutet ein wenig zufällig an: Es fehlen Namen wie Mà¡tà© Kamarà¡s, Rainhard Fendrich, Luzia Nistler, Dennis Kozeluh, Rob Fowler, Peter Faerber, um nur einige zu nennen – und es fehlt Sylvester Levay, während Michael Kunze die Bedeutung des Theaters an der Wien in seinem Leben ausführt. Mehr zu Sylvester Levay fehlt generell in diesem Buch. Immerhin ist »Elisabeth« das erfolgreichste Produkt der VBW bisher und hat »bis heute fast so viele Besucher rund um die Welt erreicht wie in vierzig Jahren alle Musicals am Theater an der Wien zusammen!« Dass Levay also in diesem Buch fast nur als »Name« Erwähnung findet (ganz im Gegensatz zu Michael Kunze), ist etwas befremdlich.
Fazit: »Theater an der Wien – 40 Jahre Musical« bietet neben einem Schnelldurchgang durch 40 Jahre Musical auch bislang weniger Bekanntes sowie eine Standortbestimmung des Theaters an der Wien im internationalen Umfeld und viele interessante Blicke hinter die Kulissen des erfolgreichen Theaterbetriebs. Sehr empfehlenswert!
Peter Back-Vega: Theater an der Wien – 40 Jahre Musical in zwei Akten mit Prolog, Entr’Acte und Schlussapplaus. Amalthea Signum Verlag, Wien 2008, 176 S., ISBN: 978-3-85002-664-2. € 29,95 (Hardcover). www.amalthea.at
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:18 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Eigentlich eine gute Idee, eigentlich – nach 20 Jahren Spielzeit – auch nur logisch, dass man das Juiläum »Starlight Express 1988–2008« mit einer ebensolchen Publikation feiert. Gelungen ist das Vorhaben allemal. Ein knallbunter A4-Band, der Einband aus matt cellophaniertem, starkem Karton, durchgehend vierfärbig, gedruckt auf gutem Papier, übervoll mit Bildern, nicht allzu viel Text, eine leicht lesbare fast übergroße Schrift, knappe Infos für die größten Fans, die im Theater (oder auch im Buchhandel) neben der obligaten Tasse und dem Schirm auch diese Publikation erwerben werden. Viel fürs Auge und zum Erinnern an eigene Besuche in Bochum.
Was ein bisschen verwirrt: Die Darsteller von »Starlight Express« spielen in diesem Band ein wenig die zweite Geige. Zwar finden sich jede Menge Darsteller abgebildet und es gibt auch nette Übersichten über die diversen »Electras«, »Rustys« und »Pearls« im Wandel der Jahre in den immer wieder leicht abgeänderten Outfits, aber beschriftet sind die meisten Fotos in diesem Buch nicht. So steht eher die Rolle im Vordergrund und nicht der Darsteller, vielleicht auch gar nicht so zufällig.
Recht interessant zum Durchblättern ist die Dokumentation der einzelnen Spieljahre, hier findet man jede Menge Fotos Prominenter, die sich mit der Cast fotografieren ließen – von Sepp Maier, über Helmuth Kohl und Michael Schumacher bis Rudi Völler, Bilder von Promotion-Auftritten im Fernsehen, da kommt schon einiges zusammen.
Blicken hinter die Kulissen ist ein eigenes Kapitel gewidmet, das sich mit der Bühnentechnik, der Beleuchtung, der Tonregie und dem Orchester, der Ausstattung und der Maske beschäftigt. Spätestens da wünscht man sich doch etwas mehr Information als beispielsweise der folgende Text zu »Ton und Orchester« bietet: »Stimmgewaltige Künstler und das STARLIGHT EXPRESS-Orchester, das in einem Raum unter der Bühne sitzt und somit für die Zuschauer nicht sichtbar ist, präsentieren die einzigartigen Musical-Songs. Damit ein optimaler Klang gewährleistet werden kann, sorgen Tontechniker dafür, dass der unvergleichliche Sound mit einer Gesamtleistung von 40.000 Watt in das Auditorium gespielt wird, Hörgenuss pur!« Das wars zu diesem Kapitel, mehr ist an Informationen nicht im Buch enthalten. Das entspricht dann vom Text-Niveau wohl eher einem Lehrgang »Wie schreibe ich einen Marketingtext«, 1. Semester, 1. Stunde. Das 20-jährige Jubiläum wird abgefeiert und man erfährt nicht mehr, als dass das Orchester unter der Bühne sitzt, und bekommt 40.000 Watt als Hinweis. Viel hat sich das sechsköpfige Konzept- und Redaktionsteam dieses Buches da nicht einfallen lassen. Gegen Ende des Bands geht’s dann ins BRAVO-mäßige, wenn Lovestorys hinter den Kulissen geschildert werden und die Geschichte eines Zahnarztes erzählt wird, der es zum Rusty-Darsteller brachte, aber lassen wir’s gut sein. Als Fanbuch geht das mit Sicherheit durch.
STARLIGHT EXPRESS GmbH (Hrsg.): Auf Rollschuhen zum Welterfolg – 20 Jahre Starlight Express Live in Bochum. Klartext, Essen 2008, 160 S.; (Hardcover) ISBN 978-3837500011. € 19,95. www.klartext-verlag.de
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:17 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Es stimmt schon, wenn Zeitungen über Frauen im Musiktheater schreiben, dann sind es meist Darstellerinnen, über die berichtet wird. Wenn dann auch über weibliche Mitglieder der Kreativteams publiziert wird, sind es immer dieselben Namen: Agnes de Mille, Dorothy Fields, Mary Rodgers und Betty Comden, vielleicht noch Lynn Ahrens und in jüngster Zeit Julie Taymor und Susan Stroman. Und nein, das betrifft nicht nur Zeitschriften und Magazine, auch Fachliteratur geht nicht anders vor. Al Kasha und Joel Hirschhorn publizierten 1985 ein viel beachtetes Buch mit dem Titel »Notes on Broadway: Conversations with the Great Songwriters«. Von den 25 Interviews waren nur fünf mit weiblichen Interviewpartnern. 2003 veröffentlichten David Walsh und Len Platt ihre Studie »Musical Theater and American Culture« und schafften es, gar nur eine einzige Frau zu erwähnen: Agnes de Mille. Man könnte noch Dutzende Beispiele dieser Art anführen. Fakt ist: Ein Buch, das sich speziell und ausschließlich mit der Frau im Musiktheater beschäftigt, könnte eine spannende Sache sein, und um es gleich vorwegzunehmen: Bud Coleman und Judith A. Sebesta haben ein aus elf Kapitel bestehendes, sehr spannendes und informatives Sammelwerk zu diesem Thema zusammengestellt, angefangen von den Komponistinnen im Zeitraum von 1866 bis 1943, dem Zeitalter der »Operetta« und »Musical Comedy«, bis hin in die Gegenwart mit ihren Performance Artists wie Meredith Monk, Laurie Anderson und Diamanda Galà¡s. Dazwischen wird das nachgeholt, was in den vielen Lexika nicht zu finden ist: Biographien und Werkanalysen bedeutender Choreographinnen, Autorinnen und Komponistinnen, aber auch Dirigentinnen, Musikalischen Direktorinnen, Designerinnen, Regisseurinnen u. v. a.
Keine Angst, das ist kein »Emanzen-Buch«. Es sind ja oft genug die Männer, die plötzlich zu den wahren Superemanzen mutieren und dann eher belächelte klischeebehaftete Statements abgeben wie Martin Gottfried in seinem Buch: »More Broadway: Since 1980«. Er schreibt über »The Secret Garden«: »On a male-dominated Broadway, »The Secret Garden« was written by women (book and lyrics by Marsha Norman, music by Lucy Simon) and it was directed by a woman, Susan B. Schulman. The resulting musical was not only artistically different but different in sensibility from traditionally «tough†shows.†Das haben die Frauen gerade nicht gebraucht, andererseits ist das eines der wenigen Statements, die in Lexika überhaupt auf Leistungen weiblicher Wesen eingehen. Daher ist dieser Versuch, eine Geschichte der Frau im Musiktheater zu schreiben, auch gar nicht hoch genug einzustufen, in Teilbereichen fast eine Pionierleistung. Die Quellenlage war äußerst mühsam, und es lohnt sich, das Resultat der Forschungsarbeit zu lesen.
Bud Coleman, Judith A. Sebesta (Herausgeber): Women in American Musical Theatre. Essays on Composers, Lyricists, Librettists, Arrangers, Choreographers, Designers, Directors, Producers and Performance Artists. McFarland & Company, Jefferson 2008, 282 S.; (Softcover) ISBN 9780786-433827. $ 45,00. www.mcfarlandpub.com
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:17 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Noch bis 12. April 2009 kann man in Wien im Österreichischen Theatermuseum die Ausstellung »schein werfen – Theater Licht Technik« besuchen. Ausstellungsbegleitend ist dazu im österreichischen Christian Brandstätter Verlag ein 160 Seiten starker Band erschienen, der durchaus für sich allein stehen kann und die Geschichte des »Theaterlichts« von der Antike bis in die Gegenwart, von der Fackel bis zum Laserstrahl, beleuchtet. Der Band macht deutlich, welche Funktionen dem Bühnenlicht im Verlauf der Theatergeschichte zugesprochen wurden, wie sich dessen Bedeutung geändert hat und welche Möglichkeiten sich heute mit den neuesten Technologien auftun.
Die Herausgeber sind Kapazitäten in ihren Fachgebieten. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger ist Theaterwissenschaftler, Theaterkritiker, Regisseur und Autor sowie seit 2001 Präsident des Österreichischen P.E.N. Clubs. Dipl.-Ing. Dr. techn. Tadeusz Krzeszowiak hat unter anderem als Lichtregisseur bei vielen Produktionen des Theaters an der Wien, des Raimund Theaters und des Etablissements Ronacher mitgewirkt (»Freudiana«, »Elisabeth«, »Cats«, »Das Phantom der Oper«, um nur einige zu nennen).
Sachlich fundierte Artikel bieten auf engstem Raum einen kompakten, mit ausführlichsten Quellenangaben unterfütterten Überblick über die Fortschritte der Technik bis hin zu den neuesten Trends. Spannende Themenausflüge bietet die Autorin und Lichtkünstlerin Brigitta Bödenauer unter anderem in das Gebiet audiovisueller Computerperformances, in Richtungen wie VJing, Color Musik, synästhetische Kunst oder audiovisuelle Performance, die eine Symbiose von Licht und Musik als zentrales Thema in den Mittelpunkt stellen.
Das Buch ist reich bebildert und demonstriert auf der einen Seite aus der Praxis kommend anhand von Szenenaufnahmen vieler Bühnenproduktionen, welche Effekte erzielt werden können. Die dafür verwendeten Szenenfotos stammen unter anderem von diversen Produktionen der Vereinigten Bühnen Wien, des Burgtheaters und aus aller Welt, von Deutschland bis Japan. Auf der anderen Seite bietet ein Technikteil unter anderem Konstruktionsskizzen ebenso wie Fotos des Equipments der Lichttechniker.
Ein Lexikon der Bühnenlichttechnik macht das Buch auch zu einem brauchbaren Nachschlagewerk zum Thema Bühnenlicht.
Wolfgang Greisenegger, Tadeusz Krzeszowiak (Herausgeber): schein werfen – Theater Licht Technik. Christian Brandstätter Verlag/Österreichisches Theatermuseum, Wien 2008, 160 S.; (Softcover) ISBN 978-3-85033-218. € 29,90. www.cbv.at
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:15 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Denny Martin Flinn (1947–2008) war Tänzer (»Fiddler on the roof«), Choreograph (»Six«, »Sugar«), Schauspieler und Drehbuch- sowie Sachbuchautor. Er schrieb das Musical »Groucho«, das unter seiner Regie am Off-Broadway und danach als Tourproduktion zwei Jahre lief. Er choreographierte Rock-Videosequenzen für Soaps wie »Another World« oder »Search for Tomorrow« und einige Szenen im Filmblockbuster »Ghost« (1990). Als Drehbuchautor schrieb er an »Star Trek VI: The Undiscovered Country« (1991) mit, als Darsteller tourte er eineinhalb Jahre mit »A Chorus Line«. Sein erstes Sachbuch war eine Making-off-Story ebendieser Show mit dem Titel »What They Did For Love: The Untold Story Behind the Making of A Chorus Line«. Es folgten viele weitere Bücher mit meist werbewirksam formulierten Titeln wie «How Not to Write a Screenplay: 101 Common Mistakes Most Screenwriters Make” (1999), «How Not To Audition: Avoiding the Common Mistakes Most Actors Make†(2003) oder «Little Musicals for Little Theatres: A Reference Guide for Musicals That Don’t Need Chandeliers or Helicopters to Succeed†(2005). 2007 starb Denny Martin Flinn an den Folgen einer Krebserkrankung, seine letzten Bücher, »Ready for My Close-Up!: Great Movie Monologues« und »The Great American Book Musical«, erschienen 2007 beziehungsweise 2008 posthum.
Für das hier besprochene Buch »The Great American Book Musical« hatte Flinn drei Untertitel als Auswahl vorliegen: »A Manifesto«, »A Monograph« und »A Manual«. Dass er sich letztlich dafür entschieden hat, alle drei zu verwenden und damit auch die Ansprüche, die diese Titel stellen, erfüllen zu wollen, mag eine Schwäche des Autors oder des Werks sein, denn zumindest als »Manual«, also quasi als Anleitung, wie man ein Book Musical schreibt, taugt das Buch ganz und gar nicht. Zumal das Book Musical, laut Flinn, längst tot ist, und zwar genauso tot wie »Höhlenmalerei und Impressionismus«, so der Autor. Und zumal es für Flinn extrem schwer scheint, den Begriff Book Musical überhaupt zu fassen beziehungsweise die Kriterien dafür zu erstellen, wann ein Book Musical als gelungen zu bezeichnen ist, und wann nicht. Für Flinn beginnt die Ära der Book Musicals 1944 mit »On the town« und endet 1975 mit »A Chorus Line« beziehungsweise 1981 mit »Dreamgirls«. Dass man den Beginn des modernen Musicals eigentlich 1927 mit »Showboat« ansetzt, spätestens 1943 mit »Oklahoma!«, kümmert ihn nicht besonders, er gibt auch keine Gründe für seine Entscheidung an.
»Cats« beispielsweise ist für Flinn, der besonderen Wert auf das Staging legt, kein »echtes« Book Musical, weil die Choreographie alles andere als originär sei. Was hätte aber daraus werden können, wenn ein Bob Fosse oder Jerome Robbins hier federführend gewesen wären, so der Autor. Es sind letztlich solche Passagen, die das Buch eher zu einer Art riesigen Ideeensammlung machen denn zu einem »Manifest« oder einer »Anleitung«.
Es ist ein durchaus sympathischer Ansatz, den Flinn hier skizziert, wenn er meint, »It’s the songs that carry the musical«, und Ira Gershwin zitiert, der sagte: »Words deliver an idea to the head. Music delivers an emotion to the heart. A song delivers an idea to the heart.« Kaum meint man, eine klare Linie in Flinns Argumentationsreigen gefunden haben, bietet er die folgende Anekdote: »Mrs. Oscar Hammerstein was at a party, and overheard someone say, »I just love Jerome Kern’s ‚Old Man River‘« Mrs. Hammerstein replied, »Jerome Kern didn’t write ‚Old Man River‘. Jerome Kern wrote, dum, dum, dum-dum, dum-dum, dum, dum-dum.« Dass bei einem Musical die Lyrics wichtig sind, das Libretto und die Melodie, das hätten wir wohl auch ohne den Autor gewusst, ob die Betonung des Stagings nun den entscheidenden Schritt zum Book Musical macht, ist die Frage.
Im Kern ist Flinns Werk eine Art Liebeserklärung an die Kunst des Stagings, sozusagen das »Herz« des von ihm sizzierten »guten« Book Musicals, neben dem Libretto. Da wird sein Werk dann zur im Untertitel angesprochenen Monographie, wenn er unter dem Motto »Dance is the hidden language of the soul« (Martha Graham) Minibiographien der großen Broadway-Choreographen ausarbeitet wie Robert Alton, Jack Cole, Agnes de Mille, Jerome Robbins, Michael Kidd, Gower Champion, Bob Fosse und Michael Bennett. Da erweist sich Flinn als blendender Anekdotenerzähler und da bietet er auch einiges an interesanten Einblicken in die Arbeitsweise der Choreographen von Shows wie »West Side Story«, »A Chorus Line«, »Company«, »My Fair Lady« und vielen anderen. Ob es nun notwendig war, ellenlange Listen zu schreiben mit den ursprünglichen Stoffen bekannter Musicals wie »Peter Pan«, »Hello, Dolly!«, »Gypsy« und so weiter, bleibt dahingestellt.
Es macht immer Spaß Flinns Bücher zu lesen, man kann sie zumindest meistens als Sammlung lesenswerter Zitate verwenden. Bei diesem seinem letzten Buch könnte es sein, dass der Autor die tatsächliche Bearbeitung noch nicht abgeschlossen hatte, als er am 24. August 2007 starb. Es wirkt in vielen Zügen unfertig, viele Schlussfolgerungen und Kapiteltitel, die provokant gemeint waren, wie »Nur Choreographen sollten auch Regie führen«, sind nicht wirklich schlüssig mit Material unterfüttert. Und letztlich ist ein unterhaltendes Anekdotenbuch noch keine fundierte Analyse. Flinn bietet gute Materialskizzen, keine Frage, schießt aber manchmal übers Ziel und wird ein wenig geschmäcklerisch, beispielsweise, wenn er gegen Ende des Buches zum Schluss kommt: »You gonna have heart: It may be that in a good production of »Les Misà©rables«, we are applauding the fact that the cast got through all that singing; in »Miss Saigon«, the sets; in »Cats«, the virtuoso singing and dancing. In the great American book musical, an ovation is, well … from the heart.†Das ist dann fast schon … platt.
Denny Martin Flinn: The Great American Book Musical – A Manifesto, A Monograph, A Manual. Limelight Editions, New York 2008, 268 S.; (Softcover) ISBN 978-0-87910-362-0. $ 19,95. www.limelighteditions.com
Martin Bruny am Samstag, den
8. März 2008 um 14:12 · gespeichert in Rezensionen, Bücher, 2008
Das Filmmusical ist derzeit wieder angesagt. In den nächsten Monaten wird die Neuverfilmung von »Fame« ebenso in die Kinos kommen wie die Filmversion von Maury Yestons »Nine«, 2010 steht unter anderem eine neue Version von »Footloose« auf dem Programm und »High School Musical 4« (allerdings als »TV-Musical«), 2011 ein Remake von »My Fair Lady« – und auch Steven Soderberghs Cleopatra-3D-Rock’n’Roll-Musical »Cleo« ist im Entstehen.
Ist nun«Fame« ein Filmmusical oder ein Tanzfilm, wann vermischt sich alles mit Genres wie dem Ballettfilm wie beispielsweise in »White Nights« (USA, 1985) oder »Billy Elliot – I Will Dance« (UK, 2003) oder gar in Herbert Ross’ »The Turning Point« (USA 1977) und Robert Altmans »The Company« (USA, 2003). Wie grenzt man Musiker-, Musik- und Konzertfilm voneinander ab? Das sind einige der Themen, mit denen sich Dorothee Ott im Rahmen ihrer Dissertation im Fach Filmwissenschaft der Universität Mainz auseinandergesetzt hat. 2007 promovierte sie mit dem hier vorliegenden Werk, das 2008 als Buch erschienen ist. Derzeit arbeitet Ott beim Hessischen Rundfunk als Redakteurin.
Was die Autorin bietet, ist eine genaue und genau belegte Analyse der Entwicklung des Filmusicals (bleiben wir jetzt mal ungenau und schließen da sämtliche Gattungen ein) nicht nur im amerikanischen Sprachraum, sondern auch mit Abstechern nach Deutschland (»Rhythm is it!«) und Japan (»Shall we dansu?«) oder Australien (»Moulin Rouge!«) – und auch beispielsweise mit einem spannend zu lesenden Kapitel zum Subgenre des Tangofilms mit seinen prominenten Regisseuren wie Carlos Saura (»Bluthochzeit«, 1981, »Carmen«, 1983 und »El Amor Brujo«, 1986) und Fernando E. Solanas (»Tangos – El Exilio de Gardel«, 1985 und »Sur« 1987).
Dorothee Ott beginnt ihre Ausführungen mit einer genauen Untersuchung der Entwicklung des Musical-und Tanzfilms, beginnend bei der ersten Tonfilm-Revue, Harry Beaumonts »The Broadway Melody« (USA, 1929), beschäftigt sich dann mit der Musik im Film generell und erzählendem Gesang im Musicalfilm, um sich schließlich der dramaturgischen Funktion des Tanzes in Musicalfilmen der 1930er, 1940er und 1950er Jahre zu widmen. In kurzen Kapiteln werden daran anschließend die Krisenjahre, die 1950er und 1960er, untersucht, um schließlich in die Gegenwart einzubiegen mit eigenen Kapiteln zur »West Side Story« (USA, 1961) und zum Einfluss der Popmusik auf Musical- und Tanzfilme der letzten Jahre.
Langsam baut die Autorin ihr Instrumentarium auf und festigt die begrifflichen Grundlagen, als Voraussetzung für den Hauptteil des Werkes, die Untersuchung besonders interessanter Werke für das Genre. Für diesen Hauptteil hat Ott »Dirty Dancing« (USA, 1987), »Strictly Ballroom« (Australien, 1991) und den japanischen Film »Shall we dansu?« (1996) von Masayuki Suo ausgesucht, der zum bis dahin erfolgreichsten japanischen Film in den USA wurde.
Nach einem Kapitel, in dem zeitgenössische Musicalfilme wie »Evita« (USA, 1996), »Everyone says: I Love You« (USA, 1996) und »Dancer in the Dark« (Dänemark, 2000), Animationsfilme (»Snow White and the Seven Dwarfs«, USA 1937 – bis hin zu »Corps Bride«, USA 2005) generell sowie das Bollywood-Kino besprochen werden, folgen ausführliche Auseinandersetzungen mit »Moulin Rouge!« (Australien, 2001), »Chicago« (USA, 2002) und »Rhythm is it!« (BRD, 2004). Insgesamt werden 44 Filme ausführlicher behandelt, angefangen bei Filmklassikern wie »The Jazz Singer« (USA, 1927) über »Swing Time« (USA 1936) und »Sweet Charity« (USA, 1968) bis hin zu »Mad Hot Ballroom« (USA, 2005) und »Take the Lead« (USA, 2006).
Interessant, weil auch in den kommenden Monaten wieder aktuell: Otts Vergleich zwischen aktuellem Filmmusical und Bühnenmusical: »Das zeitgnössische Publikum scheint eher nach der authentischen Bühnenerfahrung – nach dem Live-Erlebnis und der Live-Musik – zu verlangen als nach einer gesungenen Filmerzählung, das zeigt sich an der ungebrochenen Popularität der Bühnenmusicals, die Jahr um Jahr ein Massenpublikum ins Theater locken. Hier finden sich auch professionelle, solide ausgebildete Musicaldarsteller, die auf der Leinwand meistens noch fehlen. Denn mit der Rückkehr zur Formtradition geht im Musicalfilm eines leider nicht daher: das Casten echter Musicaldarsteller für den Film. Während es im zeitgenössischen Tanzfilm meist gelingt, professionelle Tänzer mit ausreichend schauspielerischem Talent einzusetzen (siehe Patrick Swayze oder Paul Mercurio), sucht der zeitgenössische Musicalfilm hauptsächlich unter bekannten Filmschauspielern seine Darsteller, was dem Genre nicht immer gerecht wird. (…) Sollte der Trend zur konventionellen Inszenierung von Musicalfilmen fortbestehen, dann bleibt zu hoffen,dass die Produzenten billantere Musicaldarsteller für die nächsten Filme engagieren als bis dato, damit das Publikum, in Ermangelung innovativer Regie-Ideen, zumindest wieder virtuose Gesangs- und Tanzdarbietungen genießen kann (…) Die Zukunft des Musicals wird auch mit dem richtigen Casting entschieden.«
Fazit: Man lasse sich nicht abschrecken von dem Umstand, dass dieses Buch ursprünglich als Dissertation geschrieben wurde. Dafür ist es nämlich sehr leicht lesbar, aber gleichzeitig basierend auf einem gefestigten Boden von Tatsachen und Fakten. Verwendete Fachbegriffe werden erklärt und so sparsam wie möglich eingesetzt. Das Buch ist bebildert, aber zweifellos textzentriert, ein Quellenverzeichnis sowie eine kleine Internetlink-Zusammenstellung bieten einen guten Überblick über bisher erschienene Literatur zum Thema. Trotz einer Konzentration im Hauptteil auf einige wenige Musicals bietet dieses Buch den wohl besten Gesamtüberblick und die beste Analyse zum Genre des Filmmusicals und Tanzfilms auf dem Gebiet der deutschsprachigen Fachliteratur.
Dorothee Ott: Shall we Dance and Sing? Zeitgenössische Musical- und Tanzfilme. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2008, 362 S.; (Softcover) ISBN 978 3 86764 045 9. EUR 39,00 www.uvk.de