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Archiv - Social Media

Und morgen lösche ich wieder ein paar meiner »Friends«. Facebook-Trouble

Als ich mich nach längerer Zeit wieder mal um die Linklisten auf meiner Website gekümmert habe, fiel mir auf, dass eine ganze Reihe von Darstellern ihre klassischen Websites aufgegeben hatten, stattdessen zu Facebook gewechselt waren und dort »offizielle Accounts« eingerichtet hatten. Vom jungen Musicalstudenten bis zur schon gereifteren Darstellerin. Das hat sicher Vorteile. Zum Beispiel ist es völlig unproblematisch, Updates zu posten. Man muss sich in kein Wordpress- oder anderes System einklinken oder jemanden bezahlen, der das erledigt. Formatieren braucht man ebenfalls nichts, schon allein deswegen, weil Facebook da recht wenig an Möglichkeiten bietet. Man bekommt sofort angezeigt, wie viele User ein Posting erreicht, und das ist auch wunderbar, solange man weiß, dass diese Zahlen nicht viel bedeuten. Die Angaben sind ein grober Richtwert, wie viel Menschen erreicht werden könnten, die das betreffende Posting dann eventuell lesen. Nicht zu vergleichen ist das mit guten Analysetools, die auf Websites eingesetzt werden. Problematisch erscheint mir bei einem kompletten Wechsel zu Facebook, dass man alle seine Inhalte, insbesondere Bilder, einem System zu Verfügung stellt, bei dem man nicht weiß, was es damit machen wird. Vor allem, wenn es sich um Bilder hat, deren Rechte vielleicht nur für eine bestimmte Zeit für einen bestimmten Zweck freigegeben wurden. Es ist auch nicht möglich, hierarchisch zu posten, alles erscheint in chronologischer Abfolge. Ältere Beiträge zu suchen, das kann schon mal dauern.
Facebook als zusätzliches Tool erscheint mir sinnvoll, wenn es um Promotion geht, um Hinweise auf aktuelle Konzerte oder spielfreie Termine. Doch selbst das wäre auf einer aktuell gehaltenen Künstler-Website besser aufgehoben, weil klarer strukturierbar.
Die Zeit (und/oder das Geld) ist es wohl vor allem, die vielen fehlt, eine wirklich gute Künstler-Website in Schuss zu halten.
Obwohl es auch auf Websites von Künstlern um Selbstdarstellung geht, ist doch eine Hauptaufgabe die Information, während es auf Facebook bei vielen verstärkt um Selbstdarstellung zu gehen scheint. Solange es sich um eine »offizielle« Website handelt, ist vielleicht die Gefahr, zu viele für die Öffentlichkeit ungeeignete Inhalte zu posten, gering. Nicht wenige junge Musicaldarsteller, Choreografen etc. starten jedoch mit einem ganz simplen Facebook-Account und adden dann mal los. Nicht ein oder zwei User, oder zehn oder 20, sondern gleich Dutzende pro Tag. Das kann gar nicht schnell genug gehen. Hauptsache »viele Freunde«, das ist die Devise. Und kaum kommt das erste größere Engagement und vielleicht der erste Kaffeeplausch mit einem Marketingverantwortlichen eines Theaterunternehmens, geht’s los mit dem Minimieren der »Friends«. Dabei gibt es recht kreative Strategien. Die besonders Lustigen posten: »In den nächsten Tagen werde ich mal bei meinen Freunden aufräumen. Mit wem ich noch nie Kontakt hatte, der wird gelöscht.« Nicht ein Mal habe ich Sätze wie diesen gelesen, sondern Dutzende Male. Und Tage später dann die Folgemeldung: »Schon 100 Freunde gelöscht.« Ich kann das Gefühl nicht einschätzen, das diese User verspüren, aber es bewirkt nur eines: Der Typ wird unsympathisch. Gleich lieb sind mir Facebook-User, die, wenn sie auf einen Wochenendtrip gehen, zu Protokoll geben: »Bin jetzt auf Urlaub. Keine Updates in den nächsten Tagen.« Was zur Hölle ist Facebook denn für sie? Ein bezahlter Job, für den man eine Abwesenheitsbestätigung benötigt?
Eine andere Strategie, um lästige Friends loszuwerden, auch Dutzende Male erlebt: »Liebe Freunde, ich ziehe mich aus den sozialen Medien zurück und lösche mein Facebook-Account.« Welch ein Verlust, ja. Nur. Zu 99 Prozent ist die Absicht dahinter, am Tag drauf ein neues Account zu eröffnen. Die Altlasten hat man so wunderbar entsorgt, und man kann neu starten (und wieder ein paar unnötige Gfrasta adden, die man dann mit einer erneuten Löschung … Na, man kennt das Vorgehen). Facebook ist nicht Twitter oder Instagram, bei denen man bestimmten Usern folgt oder mit einem Klick eben nicht mehr. Hinter Facebook steckt ein bisschen mehr Verbindlichkeit. Das sollte man nicht allzu ernst nehmen, klar. Aber man kann es einfach auch möglichst professionell als Instrument nutzen, wenn man es als Künstler zu Promotionzwecken im weitesten Sinn einsetzt.