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Archiv - Juli, 2011

Was kostet ein Musical - am Broadway, in Deutschland und in Wien?

Am Londoner West End läuft derzeit und noch bis zum 20. August 2011 Harold Pinters Schauspiel “Betrug” (”Betrayal”) aus dem Jahre 1978 – ein Revival, das auch 2011 zum Hit wurde. Die Produktionskosten beziffert Produzentin Sonia Friedman mit 350.000 Pfund (rund 565.000 Dollar). Dazu kommen rund 65.000 Pfund (105.000 Dollar) an laufend anfallenden Kosten pro Woche.

Ein Hit am West End landet nicht gar so selten am Broadway, auch Sonia Friedman hat diesbezügliche Pläne gemacht. Die Produktionskosten am Broadway allerdings würden für dasselbe Stück in derselben Besetzung (Filmstar Kristin Scott Thomas) 2,8 Millionen Dollar kosten sowie zusätzlich 260.000 Dollar laufend anfallende Kosten pro Woche.

Friedman dazu:

«Betrayal” is easily turning a profit in London. But on Broadway these days, even with a movie star, it’s very hard to survive.

Natürlich sind die teilweise hohen Ticketpreise am Broadway teilweise auf die hohen Produktionskosten zurückzuführen (manchmal freilich auch auf reine Gier), aber auch die hohen Ticketpreise ermöglichen es nur 20 bis 30 Prozent der Broadwayproduktionen, gewinnbringend zu spielen.

Schauspielstücke am Broadway kosten ein Minimum von 2,5 Millionen Dollar – Musicals sind teurer. In “Next to Normal” mussten 4 Millionen Dollar investiert werden, “The Book of Mormon” verschlang 9 Millionen. Doch damit ist noch nicht die Spitze erreicht. In “Shrek” packte Dreamworks satte 25 Millionen Dollar, und “Spider Man: Turn Off the Dark” verheizte 75 Millionen Dollar.

Auch Michael Kunze hat sich heute Gedanken über Produktionskosten und Ticketpreise gemacht. Auf seiner Site schreibt er unter anderem:

Gäbe es für das Musical eine entsprechende Subvention, würde ein Ticket nicht mehr als 25-45 Euro kosten. [Michael Kunze, Storyarchitekt]

Man darf annehmen, dass die Vereinigten Bühnen Wien “entsprechend” subventioniert werden. Dennoch sind sie von den 40 Euro nicht nur weit entfernt, nein, sie entfernen sich auch zunehmend von diesem Betrag. Sie entfernen sich nicht nur an der Spitze, bei den höchsten Eintrittspreisen, nein, was noch viel negativer einzuschätzen ist, sie heben die Eintrittsschwelle ins Theater laufend an, und Preiserhöhungen im billigsten Segment haben die größten Auswirkungen.

25 bis 40 Euro also, das wäre nett, aber klar, die VBW haben ja viel Personal, das bezahlt werden muss, beispielsweise eine Rechtsabteilung. Vielleicht wird einfach zu viel Zeit damit verbracht, kleine Blasmusikkapellen, die die Stärke einer liebenden Frau in einem Ballsaal rausblasen wollen, mit Klagen zu bedrohen, statt darüber nachzudenken, wie man die Explosion der Ticketpreise verhindern könnte.

Links
- Michael Kunze: Storyarchitekt
- The New York Times: The Staggering Cost of Broadway

»Berlin erleuchtet«: Uraufführung einer Weihnachtsshow

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In der Weihnachtszeit feiert im Berliner FriedrichstadtPalast die Show “Berlin erleuchtet” Premiere, eine, laut Pressetext:

herzerwärmende Weihnachtsshow vom zarten ersten bis zum überwältigenden letzten Bild. Zum furiosen Finale versinkt die Bühne und der ganze Saal mitsamt den Gästen im Schneegestöber und verzaubert die Besucher mit dem Traum einer Weißen Weihnacht. Das hat auch Berlin noch nicht gesehen und spätestens dann sind alle Augen und Herzen erleuchtet. Eine Weihnachtsshow für die ganze Familie.

Leading Team
Buch: Jürgen Nass/Roland Welke
Komposition: Martin Wingerath/Daniel Behrens/Anja Krabbe/Florian Richter/Friedemann Matzeit
Produzent: Dr. Berndt Schmidt
Kreativdirektor: Jürgen Nass
Regie: Jürgen Nass
Choreographie: Natricia Bernard/Maik Damboldt/Rosiris Garrido/Eric Gauthier/Alexandra Georgieva/Nikolai Matev/Tatjana Ostroverkh/Aliaksei Uvarov
Bühnenbild Jürgen Schmidt-Andrà©
Kostüme: Uta Loher & Conny Lüders
Videocontent: Marcus Bossdorf
Lichtdesign: Markus Krömer
Sounddesign: Cedric Beatty

Cast
Gesangssolistin: Amber Schoop
Gesangssolist: Fabrizio Levita
Puppenspiel: Big Smile
8 Kinder in wechselnder Besetzung

Previews ab 18.11.2011
Uraufführung am 24.11.2011
Letzte Vorstellung am 26.12.2011

Link
- FriedrichstadtPalast

Die Erzdiözese featuring Michael Schönborn

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Die Kirche scheint geradezu darüber zu jubilieren, dass Michael, der Bruder des Kardinals Christoph Schönborn, demnächst eine Wiener Musicalproduktion mit seinen schauspielerischen Fähigkeiten krönen wird. Nun berichtet auch “Der Sonntag”, die Zeitung der Erzdiözese Wien, über “Sister Act”.

Besonders entzückend die folgende Passage:

Auf die »Gretchenfrage”, wie er es mit der Religion habe, meint er: »Ich habe heute meine Rolle in der Franziskanerkirche geübt … Ich bin gläubig, aber nicht praktizierend.”

Ein paar offene Punkte gibt es aber bezüglich Michael Schönborn noch zu klären. In einem Interview mit dem Magazin “News” vor einigen Wochen meinte er, er habe in den achtziger Jahren in Musicalproduktionen mitgewirkt, in einem Interview mit dem ORF einige Zeit später sagte er, er habe noch nie in einem Musical mitgewirkt. Da müsste man sich dann doch auf eine Linie einigen.

Etwas merkwürdig auch eine Passage eines Interviews mit dem KURIER vom 24. Juli 2011: Da meinte Schönborn:

Ich habe neulich bei der Probe erfahren, dass der Monsignore doch irgendwie musikalisch tätig wird, da hat es mich doch ein wenig aus der Kurve getragen. Und jetzt erinnere ich mich an meine alten Zirkustage [er war einmal ein Clown und Fakir], da besagt das Gesetz, wo auch immer man herunterfliegt, steige auf und übe, so lange, bis du es kannst.

Nunja, es ist wohl nicht gar so unüblich, dass man als Mitwirkender in einem Musical sich auch musikalisch betätigen muss, die Frage ist: Auditions? Hat man da nur das Vaterunser gecheckt? Oder wars wurscht?

Link
- Der Sonntag: »Bösewichte reizen mich”

SOKO “Rebecca”: VBW verhindern Deutschland-Premiere in Prüm

Einen Sieg dürfen die Vereinigten Bühnen Wien verzeichnen. Einige Tage stand die enorm große, fast existenz-, ruf- und ansehenvernichtende gefährliche Drohung im Raum, eine kleine Musikschule in der deutschen Verbandsgemeinde Prüm könnte es wagen, das Levay/Kunze-Musical “Rebecca” als deutsche Erstproduktion auf die Bühne zu stellen, auf ein Bühnchen, in einem Kirchlein, nein, eigentlich in der Kapelle des Konvikts in Prüm.

Es ist ein wahrhaft großer Sieg, in den sicher einiges an Mann- bzw. Fraustunden investiert werden musste, und wenn man die Gehälter in den Führungsriegen des Unternehmens in Betracht zieht, könnten in die Abwehr dieser Gefahr doch einige tausend Euro geflossen sein.

Mich erinnert das an einen anderen Vorfall, der sich vor nur wenigen Wochen in Wien ereignet hat. Das Spotlight-dancecenter brachte da eine Produktion des Steinman/Kunze-Musicals “Tanz der Vampire” im Wiener Off-Theater zur Aufführung. Eine Ankündigung auf meiner Site dürfte bestimmten Damen und Herren sauer aufgestoßen sein, und schon durfte sich die Leiterin der Schule mit dem Vorwurf des Vertragsbruchs auseinandersetzen. Dem allgemeinen menschlichen Bedürfnis, Verantwortung für das eigene Tun abwälzen zu wollen, schrieb sie mir eine Mail in einem wirklich entzückenden Stil, in dem Sinnkreationen zu lesen waren wie:

Als Besitzerin und Leiterin der “Spotlight-Performance Group” verwehre ich mich dagegen, dass Sie ohne mein Wissen und mein Einverständnis Beiträge im Internet veröffentlichen!

Völliger Humbug natürlich, da die Informationen zu dieser Veranstaltung auf der Site des Off-Theaters zu lesen waren, wohl mit dem Zweck, dass eine interessierte Öffentlichkeit sie wahrnimmt.

Doch was für einem Druck muss man ausgesetzt sein, um einem völlig Unbekannten Formulierungen zu mailen wie:

Ich erwarte, dass Sie den Beitrag sofort aus dem Internet nehmen und verlange um eine Erklärung Ihrerseits, dass Sie die Informationen ohne mein Wissen und ohne meinen Auftrag veröffentlicht haben!

Natürlich, meine Replik war nicht wesentlich freundlicher, woraufhin als Antwort kam:

Da ich nicht über Ihren Beitrag informiert war, konnte ich diese Informationen leider nicht richtig stellen und meine Lizenzgeber haben das daher fehlinterpretiert und mir Vertragsbruch vorgeworfen. Um zu zeigen, dass ich wirklich keine Karten verkaufe, daher auch keinen Vertragsbruch begehe und den Bericht auf Ihrer Website nicht in Auftrag gegeben habe, musste ich mich von Ihrer Website distanzieren.

Ich wollte Sie allerdings in keiner Weise persönlich beleidigen und entschuldige mich dafür falls Sie es so aufgefasst haben. Außerdem bedanke ich mich dafür, dass Sie den Bericht von Ihrer Seite entfernen.

Meint der Lizenzgeber tatächlich, hier richtig zu handeln, dass man private kleine Musikschulen dermaßen unter Druck setzt? Wäre es nicht sinnvoller, sie für die Werbung, die sie betreiben, indem sie diese Stücke mit der nächsten Generation einstudieren und zur Aufführung bringen, zu belohnen? Hat der Lizenzgeber, ohne jetzt den Namen zu nennen, wirklich Angst, dass derartige Produktionen seinen Gewinn schmälern?

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, einen Vertreter nach Prüm zu einer der, nun gecancelten, vier Aufführungen zu schicken und den Schülern zu ihrer Leistung zu gratulieren, öffentlichkeitswirksam im positiven Sinne, statt die Schule in den digitalen Selbstmord zu treiben - alle Inhalte zur Produktion sind von der Website getilgt worden, auch ein Fotos des Ensembles in zeitgenössischen Kostümen. All die Kreativität und all die Mühe wurden vernichtet. Macht das Sinn? Macht es Sinn, dann auf einer deutschen Website die Stellungnahme der Schule lesen zu müssen:

Wir Musiker und Akteure bedauern sehr, dass wir das Einstudierte aus diesem schönen und noch eher unbekannten Musical unseren Zuschauern nicht präsentieren dürfen, aber das öffentliche Urheberrecht zwingt uns zu diesem Schritt.
Genehmigungen für öffentliche Aufführungen dieses Werkes werden an Laiengruppen nicht mehr vergeben!
Obwohl es den Eindruck erwecken könnte , dass wir mit unserer Schüleraufführung mit Ausschnitten aus dem Musical “Rebecca” die Deutschlandpremiere dieses Musicals nach Prüm vorverlegen möchten und somit unser Publikum evt. von der eigentlichen Premiere im Dezember in Stuttgart fernhalten könnten, war das zu keinem Zeitpunkt unsere Absicht.

Ging es tatsächlich um die Gefahr, dass die “Deutschland-Premiere” von “Rebecca” in Prüm stattgefunden hätte? Das wäre nämlich der Fall gewesen. Denn es ist einerlei, welche Version der Show zu einer Aufführung gebracht worden wäre, es wäre eine Deutschland-Premiere gewesen. So wie die Wien Holding, das Mutterunternehmen der VBW, ja auch keine Probleme hatte, bei ihren Produktionen von “High School Musical” und “Camp Rock” von österreichischen Erstaufführungen zu sprechen, und auch da handelte es sich um Lizenzen für Schulproduktionen.

Nun, das Vaterland ist gerettet, “Rebecca” wird seine Deutschland-Erstaufführung durch die Firma Stage Entertainment erleben, und die VBW haben eine Musikschule ihres Traums und Ihrer Arbeit beraubt. Hoffentlich wars den Aufwand wert.

PS: Durch einen Kommentar (siehe unten) entdeckt: Für die Geschichtsbücher: musical-am-stein.de

PPS: Die Musikschule Kalimba hat nun einen Schuldigen gefunden. Es war der Kultur-Channel. Den bemerkenswerten Artikel von Frau Kollegin Stefanie Glandien findet man -> hier.

Link
- pruemnetz.de: “Rebecca”-Aufführungen fallen aus
- musicalzentrale: VBW gehen gegen nicht lizensierte Amateurshows vor
- op-online.de: Anzeige gegen das Vampir-Musical

Reeve Carney: “Rise Above”

New York, NY (July 28, 2011) – The music video for «Rise Above 1,” the first single from the album Music From SPIDER-MAN Turn Off The Dark, is now available to view on Vevo. Directed by Aaron Platt and Joseph Toma and shot in New York City, the video includes a look into the making of the Broadway musical SPIDER-MAN Turn Off The Dark, including Reeve Carney training for his roles as «Peter Parker/Spider-Man.”
The single, produced by Alex Da Kid, is available on the album Music From SPIDER-MAN Turn Off The Dark out now on Interscope. SPIDER-MAN Turn Off The Dark features creative consultation by Philip William McKinley (The Boy From Oz), original direction by Tony® Award-winner Julie Taymor (The Lion King, Across The Universe, Frida), music and lyrics by 22-time Grammy® Award-winners Bono and The Edge, and book co-written by Taymor, Glen Berger (Underneath The Lintel) and Roberto Aguirre-Sacasa (Fantastic Four and Spider-Man comics, «Big Love”).

Stage Entertainment verlängert Mietverträge für Hamburger und Stuttgarter Theater

Um zehn Jahre mit Option auf weitere zwei Mal fünf Jahre hat Stage Entertainment die Mietverträge für die Musical-Theater in Stuttgart und Hamburg verlängert: in Stuttart für die Musical-Theater Apollo und Palladium im SI-Centrum, in Hamburg für das Theaterhaus Neue Flora.

Link
- Immobilien-Zeitung.de

Das böse Internet - Was man alles übers Theater nicht schreiben darf …

In einem Beitrag, betitelt “Stop Telling Me What to Think About Your Show: A Manifesto of Love and Annoyance”, beschäftigt sich die Bloggerin Laura Motto (vulgo Lucky) mit Durchsagen, die vor Beginn von Theateraufführungen über Band in den Theatersaal eingespielt werden oder auch live von der Bühne kommen.

Heutzutage ist man es ja gewohnt, dass man daran erinnert wird, sein Handy auszuschalten, ja, auszuschalten, nicht auf lautlos zu stellen – nur um dann während der Show dennoch eine nette Sitznachbarin zu haben, die einen “ganz bedeutenden” Song live per Handy “übertragen” muss, oder eine SMS nach der anderen live aus dem Theater schicken muss.

In den USA scheinen sich belehrende Durchsagen in letzter Zeit zu häufen, so beispielsweise erlebte Laura Motto eine Preview des neuen Duncan Sheik/Steven Sater-Musicals «The Nightingale” und bekam als Intro die Warnung, dass man eine Show zu sehen bekäme, die noch nicht fertig sei. Es sei nicht erwünscht, dass man darüber bloggt, tweetet oder sich anders online darüber äußert.

Motto meint dazu:

I understand the value of the preview process, and it’s our blog’s policy to play by the rules: We generally don’t post reviews until previews have ended. But besides just being a total drag, the announcements, I couldn’t help but feel, infringed on something really basic: They wrecked the magic.

Musicals, like opera, require the suspension of disbelief in ways that almost no other kind of entertainment does. Preshow lectures don’t do much to preserve that. They took me out of the moment and distracted me from the work. And there was a more sinister implication, too: That the audience is not capable of fairly judging a show on its own.

Die Frage, die Motto stellt: Wenn sie für ihr Ticket bezahlt, wer kann ihr das Recht absprechen, ihre Meinung zu äußern, egal wie und egal wo.

Wir alle kennen die ungeschriebenen Regeln, dass man eine Show nicht vor der Premiere bespricht, aber wenn es denn ohnedies ungeschriebene Regeln sind, die für Journalisten gelten, die im Auftrag für ein Medium schreiben und nicht für ihre Tickets bezahlen, wenn es denn Regeln sind, die nur die befolgen, die sie befolgen wollen, warum müssen sich dann alle derartigen Schmafu vor der Show anhören?

Und was ist so positiv an all den falschen Lobgesängen, die man oft von unmittelbar oder mittelbar Involvierten über jede besuchte Show hört, was ist so großartig an jenen entsetzlichen Lobgesängen, die sie dann in Magazine, Foren und sämtliche meinungsbildenden Online-Medien einschleusen. Ein bisschen mehr Wahrheit wäre angebracht.

Links
- the craptacular: Stop Telling Me What to Think About Your Show: A Manifesto of Love and Annoyance
- The New York Times: Theater Talkback: In Protest of Pre-Show Announcements

9Q – Alexander Moitzi: Die Herausforderung, nach der ich so lange gesucht habe

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Die heutige Folge der 9 Q, der neun Fragen, beschäftigt sich mit Alexander Moitzi. Der gebürtige Oberösterreicher absolvierte eine Ausbildung zum Musicaldarsteller am Performing Center Austria. Schon während seines Studiums wird der grandiose Tänzer von den Vereinigten Bühnen Wien für «Musical Christmas” (2006) engagiert, er ist unter anderem beim Musikfestival Steyr in «Evita” zu sehen, tourt mit «Finix” durch Europa und wirkt bei den Ostseefestspielen Stralsund in der «West Side Story” mit. Mit dem Diplom in der Tasche wird er für zwei Saisonen an das Stadttheater Klagenfurt engagiert, wo er in Produktionen wie «Jesus Christ Superstar«, »Gräfin Mariza«, «Cinderella« und »Poppea« mitwirkt.
Neben Erfolgen erlebt auch er die Realität, mit der sich Musicaldarsteller im deutschsprachigen Raum abmühen müssen. Denn das typische Klischee - Musicaldarsteller können nicht schauspielen -, es ist keines, es ist die Realität, es ist exakt das, was man als in diesem Genre Tätiger tatsächlich nach wie vor immer wieder zu hören bekommt, womit man sich freilich aber nicht abfinden muss. 2009 bricht Moitzi aus dem Musicaldarsteller-Käfig aus und auf nach Amerika - um da seinen Traum zu verwirklichen.

1
Martin Bruny: Alexander, du hast das Wiener Performing Center Austria 2007 als Sänger, Tänzer und Schauspieler, also als das, was man “triple threat” nennt, mit Diplom abgeschlossen.
a. Wann wusstest du, dass du den Beruf eines Musicaldarstellers ergreifen möchtest?
b. Was war der ausschlaggebende Moment?
c. Wann war dein erstes Mal auf einer Bühne?
d. Warum hast du das Performing Center Austria gewählt und was waren die Highlights in dieser Phase deines Lebens?

Alexander Moitzi: Meinen beruflichen Werdegang habe ich wohl meiner Mutter zu verdanken, die mich aufgrund meiner zu vielen Energie (haha) im Alter von vier Jahren anstatt zum Fußball ins Ballett gesteckt hat. Und da blieb ich dann auch hängen. Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen, war sozusagen immer von Musik umgeben und wusste schon relativ früh, dass ich Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler oder so etwas Ähnliches werden möchte – und habe es, vor allem als Kind, nie in Frage gestellt.
Das erste Mal stand ich glaube ich mit vier oder fünf Jahren auf der Bühne, aber den wirklich ersten großen Moment hatte ich mit zwölf Jahren, als ich bei der »Wider die Gewalt«-Gala im Theater an der Wien singen durfte. Das war damals schon sehr spannend.
Ich wollte eigentlich schon immer im englischsprachigen Raum studieren und arbeiten, habe mich dann aber aus diversen und vor allem finanziellen Gründen für Wien entschieden und bin im wahrsten Sinne des Wortes »blind« zur Audition der damals noch Performing Arts Studios gegangen. Haha, diese Audition ist auch eine kleine Geschichte für sich. Ich bin aber im Endeffekt aufgenommen worden und habe dann auch keine andere Schule mehr probiert.
Was ich am Performing Center wirklich gelernt habe, ist Disziplin und wie man in den unmöglichsten Situationen »funktioniert«. Auch wenn es nicht immer einfach war, hat es mich auf alle Fälle bestens aufs Berufsleben vorbereitet. Das andere, was ich an der Schule sehr schätze, ist der praxisorientierte Unterricht, denn ich hatte das Glück, schon während der Ausbildung inner- und außerhalb der Schule engagiert zu werden.

2
Martin Bruny: Mit der fertigen Ausbildung in der Tasche: Wie war das Berufsleben als “Musicaldarsteller” in Österreich?
a. Ist man frisch von der Schule kommend tatsächlich das, was gesucht wird? Was wird gesucht, in Wien, Österreich?
b. Welche Jobs hast du bekommen, wie befriedigend waren sie?
c. Was hat dich schließlich veranlasst, im Herbst 2009 nach New York zu ziehen, um dort am William Esper Studio ein zweijähriges Schauspielstudium zu absolvieren?

Alexander Moitzi: Ich habe mich grundsätzlich für den Beruf als Musicaldarsteller entschieden, weil ich es liebe zu spielen, zu singen und zu tanzen. Nicht um jetzt unbedingt Musicaldarsteller zu sein. Ich wurde dann aber schon während und hauptsächlich nach der Ausbildung in Wien eines Besseren belehrt. Denn die Realität ist: Als Musicaldarsteller ist man Musicaldarsteller und kein Schauspieler. Der Versuch ins Schauspielfach oder zum Film zu wechseln, war so ziemlich ein Ding der Unmöglichkeit. Was ich jetzt im Nachhinein allerdings auch verstehe (haha). Denn es ist eine andere Art von Arbeit. Aber ich kann mich mit dem Schubladendenken, vor allem im deutschsprachigen Raum, nicht wirklich anfreunden.
Ich bin auch nicht wirklich ein Fan von den ganzen Musical-Großproduktionen, die momentan den deutschsprachigen Raum belagern und habe mich ehrlich gesagt auch nie wirklich dafür interessiert.
Ich wurde direkt nach der Ausbildung für zwei Spielsaisonen unter Josef Ernst Köpplinger am Stadttheater Klagenfurt engagiert. Für diese Zeit bin ich sehr dankbar, da konnte ich in schönen Produktionen mitwirken – aber irgendwie fehlte mir die Herausforderung. Und so habe ich mich kurzerhand entschlossen, meinen Koffer zu packen, nach NYC zu ziehen und am William Esper Studio eine Zusatzausbildung in Schauspiel zu absolvieren. Um schlussendlich meinen Plan, den ich schon als Kind hatte, zu vollbringen.

3
Martin Bruny: Beschreib ein bisschen die Ausbildung am William Esper Studio.
a. Was ist das Besondere an dieser Institution?
b. Welche grundlegenden Unterschiede zwischen einer Ausbildung in Wien und einer in New York gibt es?
c. Wie ist das Studium aufgebaut, wie praxisorientiert ist es, wie zeitintensiv?
d. Was ist die Philosophie der Schule, wer waren ihre Gründer?
e. Wer hat dich auf die Idee gebracht, da zu studieren?
f. Was waren für dich die größte Herausforderung, der schönste Erfolg und die größte Niederlage am Esper Studio?
g. Was waren die Momente in deiner Ausbildung in New York, die dir besonders wichtig erscheinen.

Alexander Moitzi: Ich kannte das William Esper Studio vorher nicht und wurde durch eine Freundin von mir darauf aufmerksam gemacht. Es arbeitet nach der Sanford Meisner Methode. William Esper beschreibt das Grundprinzip so:

Real contact between actors comes when they listen to what they are saying to each other, and then respond truthfully from themselves, from their own point of view. Sanford Meisner’s principle is what an actor does doesn’t depend on him, but on what the other actor does to him. He believes that this is the foundation from which all acting training should begin.

So eine Ausbildung wie am William Esper Studio bekommt man bei uns zuhause nicht. Und vor allem nicht im Musicalbereich. Und da bin ich auch schon bei der großen Herausforderung. Denn das erste, was mir am Studio gesagt wurde, war:

Be more simple, you don’t have to act.

Das stimmt, und es dauert eine Weile, um den Unterschied zwischen amerikanischem und deutschsprachigem Schauspiel zu erkennen und zu erlernen – denn wenn dir das Gewohnte weggenommen wird, fühlst du dich kurz mal ziemlich nackt.
Das Besondere ist, dass trotz der Popularität der Schule auf jeden einzeln eingegangen wird und du deine ganz spezielle Persönlichkeit entwickeln kannst.
Um das Visum zu bekommen, musste ich das Full-time-Konservatorium abschließen. Es gab Phasen, wo ich kurz vorm Durchdrehen war, weil es dich zeitlich und vor allem emotional doch sehr in Anspruch nimmt und du seeeehr viel Zeit mit dir und deinem inneren Schweinehund verbringst.
Ich sehe meine Ausbildung oder generell mein Leben hier in der Stadt als Achterbahnfahrt. Du hast dein Hoch, auf das kurz darauf ein Tief folgt. Und gleich darauf sieht es wieder anders aus. Ich habe so einige Momente, die mir in Erinnerung bleiben, sowohl gute als auch nicht so gute, hatte aber zum Glück Kollegen und Menschen in meinem Umfeld, die durch das gleiche Szenario wie ich gingen. Und das war auch das Schöne: Gemeinsam zu scheitern, zu wachsen und im Endeffekt zu gewinnen.

4
Martin Bruny: Du bist nun zwei Jahre in New York. Was ist für dich das Besondere an der Theaterszene dieser Stadt aus der Sicht eines Schauspielers, Tänzers, Sängers – auch im Vergleich zu Europa, Österreich.

alex_moitzi2.jpgAlexander Moitzi: New York ist »the artistic center of the world«. Auch wenn es nicht immer einfach ist in dieser Stadt zu (über)leben, New York hat einfach so viel Energie und Kraft, dass es dich einfach in seinen Bann zieht. Du wirst einfach so kreativ gefüttert, sei es am Broadway, der immensen Off-Szene, in der U-Bahn oder auf der Straße. Es wird so viel Neues ausprobiert und gewagt.
Gestern habe ich zum Beispiel eine »Drag«-Version von Shakespeares »King Lear« gesehen. Ob es funktioniert, bleibt wohl Geschmackssache, aber zumindest hat man hier eine Möglichkeit, solche Dinge auszuprobieren. Das gibt es bei uns zuhause zum Beispiel nicht. Und das ist auch etwas, das ich mir für Wien wünsche: eine viel größere und mehr etablierte Off-Szene. In Wien geht man ins Theater und sieht ein Stück, das zum 75. Mal wiederaufgeführt wird, weil man nicht den Mut aufbringt, neue Stücke zu zeigen – und auch nicht wirklich das Publikum dafür hat. Das ist hier schon sehr anders, weil man auch aufgrund der Größe der Stadt viel mehr Möglichkeiten hat, um unterschiedliches Publikum anzusprechen und auch aus der Sicht eines Künstlers viel mehr Möglichkeiten hat, sich auszuprobieren.
Der Entschluss nach New York zu gehen, war für mich wie ein Neuanfang, hat mein bis dahin gewohntes Leben völlig auf den Kopf gestellt und mich zu einem »neuen« Menschen gemacht. Sowohl auf privater als auch auf künstlerischer Ebene. Nach zwei doch sehr emotionalen Jahren getraue ich mich schon langsam zu sagen, dass ich in NYC ein neues künstlerisches Zuhause gefunden habe. NYC ist eine Stadt für »junge« Leute und ich weiß jetzt schon, dass ich nicht den Rest meines Lebens hier verbringen und auch meine österreichischen Wurzeln nicht aufgeben möchte, aber für die nächsten Jahre kann ich mir schon vorstellen, mir mein Leben hier aufzubauen. Und vor allem habe ich aus der Sicht eines »triple threat« endlich das Gefühl, alle drei Sparten ausleben zu können.

5
Martin Bruny: Als Europäer in New York – mit welchen Schwierigkeiten hat man zu kämpfen? Was begeistert dich an New York, was stört dich?

Alexander Moitzi: Ich würde nicht sagen als Europäer, sondern generell als Ausländer wird dir das Leben in Amerika, also nicht nur in New York, nicht einfach gemacht. Aber jetzt auch nicht unbedingt aus künstlerischer Sicht, sondern aus bürokratischen Gründen. Um zum Beispiel eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, geht man sprichwörtlich durch die Hölle. Und wenn du diese erst einmal bekommen hast, bist du erst einer von 100.000 Schauspielern, die den gleichen Job wollen wie du.
Aber ich versuche, und bin ja eigentlich erst am Anfang, mich als ausländischer Künstler hier in der Stadt zu etablieren. Als Ausländer ist man immer ein Exot, man muss nur einen Weg finden, sich »das Anderssein« zu seinen eigenen Gunsten zu nützen. Und das ist vielleicht die Herausforderung, nach der ich so lange gesucht habe.

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6
Martin Bruny: Du bist Mitglied der New Yorker Arcade Theatre Company. Erzähl ein wenig über diese Theatergruppe, die Projekte, die du mit dem Arcade Theatre umsetzen möchtest und über deine weiteren Zukunftspläne. Wo, in welchen Bereichen, siehst du deine Zukunft? Was ist für dich die größte berufliche Herausforderung am Theatersektor, welche Traumrollen hast du?

Alexander Moitzi: Ich freue mich, neues Mitglied der Arcade Theatre Company zu sein. Es ist ein sehr junges Ensemble, das sich aufgrund seiner »Extravaganz« schon einen Namen in der New Yorker Szene gemacht hat. Ich freue mich, direkt nach der Ausbildung eine künstlerische Plattform zu haben, bei der ich mich ausprobieren und weiterentwickeln kann.
Ein längerfristiges Ziel von mir ist der Film, und ich möchte auch versuchen, in der nächsten Zeit darin Fuß zu fassen.
Im Grunde sehe ich mein nächstes Jahr als neuen Schritt ins Berufsleben. Neue Leute, neue Ziele – und ich freue mich auf jede Art von Arbeit, sei es im Musical, Theater oder Film. Die größte berufliche Herausforderung hier in NYC ist sicherlich einen Job am Theater zu finden, der bezahlt ist (haha).

7
Martin Bruny: In der Interview-Sendereihe “Inside the Actors Studio” stellt Moderator James Lipton seit 1994 seinen Gästen in einer Art Word-Rap zehn Fragen. Er wiederum hat die Fragen vom französischen Journalisten Bernard Pivot, der sie nach dem “Proust Questionnaire” entwickelte. Diese Fragen würde ich dir hier gern als eine Frage mit einigen Unterfragen stellen, weil ich sie für sehr interessant halte. Die Antworten gerne deutsch oder englisch bzw. gemischt. [Wie beispielsweise Meryl Streep sie beantwortet hat, sieht man –> hier. ]

a. What is your favorite word?
Im Moment »Schnitzel« (haha) – hat eine sehr persönliche Bedeutung und würde für jeden Außenstehenden absolut keinen Sinn machen. :-)

b. What is your least favorite word?
Das wäre in diesem Rahmen etwas zu vulgär ;-)

c. What turns you on, excites you inspires you?
Chocolate.

d. What turns you off?
Someone who talks way too much, especially about him- or herself.

e. What sound do you love?
The crashing of the waves.

f. What sound do you hate?
Squeaky chalk on the chalkboard.

g. What is your favorite curse word?
F*** :-)

h. What profession other than yours would you like to attempt, if you could?
Psychologist.

i. What profession would you not like to do?
Physicist

j. If heaven exists, what would you like to hear God say when you arrive at the pearly gates?
Na dann: Prost!

8
Martin Bruny: Welche 5 LPs/CDs würden sich im “Soundtrack of Your Life” ganz oben finden, also Lieder oder CDs, egal aus welchem Genre, die eine Bedeutung in deinem Leben hatten/haben, und welche Bedeutung haben sie?

Alexander Moitzi:
• “Seasons of Love” (”Rent”): Abschlusssong unseres Jahrgangs in den Performing Arts Studios.
• “Empire State of mind” (Alicia Keys): Mein New York Song :-)
• «Don’t stop Believing” (Journey): Mein William-Esper-Studio-Song.
• «I am from Austria” (Rainhard Fendrich): Als Österreicher einfach ein Muss.
• »I love the nightlife” (Alicia Bridges): Mein Motivationssong zum Wohnungsputzen. (haha)

9
Martin Bruny: Ein paar abschließende Fragen zu deinen Erfahrungen und Vorlieben im Theater-/Musicalgenre:
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a. Wann warst du zum ersten Mal im Theater?
Alexander Moitzi: Kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, also muss ich sehr jung gewesen sein :-)

b. Wann hast du zum ersten Mal ein Musical besucht?
Alexander Moitzi: Im Alter von zehn Jahren habe ich “Grease” im Raimund Theater gesehen.

c. Wann hast du zum letzten Mal ein Musical besucht?
Alexander Moitzi: Vor einer Woche die Wiederaufnahme von »Rent« am Off-Broadway.

d. Welche Musicalaufführung hat dich in den letzten Jahren am nachhaltigsten beeinflusst?
Alexander Moitzi: »Next to Normal« am Broadway. Da weiß ich wieder, warum ich den Beruf gewählt habe. Es war schockierend und ergreifend zugleich. Und aufgrund des relativ kleinen Theaters war es eine sehr schöne, intensive und emotionale Show. Und für mich wieder einmal der Beweis, dass Musiktheater mehr sein kann als nur Jazzhands, gewaltiges Bühnenbild und Lichtdesign.

e. Wer ist dein Lieblings-Musicalkomponist?
Alexander Moitzi: Gibt es nicht wirklich.

f. Welches ist dein Liebings-Musical?
Alexander Moitzi: Ich habe nicht wirklich einen Favoriten, aber “Cabaret” steht sicher ganz weit oben auf meiner Liste.

g. Wer beeindruckt dich derzeit in der Musicalszene durch seine Erfolge, wer durch seine Kreativität?
Alexander Moitzi: Ich habe nicht wirklich ein Idol, dem ich nachlaufe. Ich bewundere nur die Menschen, die trotz ihres Könnens, ihrer Karriere oder Popularität am Boden bleiben.

Legacy Project: Stephen Sondheim with Adam Guettel

Wiens Broadway, 2011

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