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Archiv - November, 2007

Musical! Die Show - Folge 2

Immer mehr entwickelt sich “Musical! Die Show” zum Alptraum für einige der Kandidaten. Es hakt vor allem an Stellen, auf die man im Vorfeld nie getippt hätte: an der Songauswahl und an der Instrumentierung der Lieder. Beides Bereiche, auf die die Kandidaten keinerlei Einfluss haben.

Beispiel Alice. Nicht nur, dass sie - als weibliches Wesen - “Any Dream Will Do” singen muss, nein, man unterlegt den Song auch mit einer Art Calypso-Rhythmus, bei dem sich Andrew Lloyd Webber wohl auf der Stelle übergeben würde. Man raubt dem Lied jegliche Wirkung, jeglichen dramatischen Aufbau, jegliche Substanz. Schlechter geht es wirklich nicht. Ist es Ziel dieser Sendung, alternative Arrangements zu perfektionieren?

Beispiel Vincent Bueno. Man gibt ihm eine Nummer aus dem Dschungelbuch, die er mit Tänzern bringen muss, die alle um einen halben Meter größer sind als er, zu einer Choreographie, die nichts mit Musical und schon gar nichts mit Vincent Bueno und seinem Stil zu tun hat. Danach, fast zum Hohn, verlangt die Jury von ihm, er solle doch das nächste Mal etwas Lyrisches bringen. Schön langsam sollte sich auch bis zu den Juroren herumgesprochen haben, dass den Kandidaten die Nummern vorgeschrieben werden.

Zur völligen personifizierten Lächerlichkeit gerät “I Am What I Am” von Alexander. Bei allem Verständnis, aber wenn das alles ist, was die Abteilung Kostüm und Maske des ORF drauf hat, dann ist das zu wenig. Das jedenfalls war mehr Rocky Ugly Horror als “La Cage Aux Folles”. Da gibt es Schulaufführungen, die mit einem Bruchteil des Budgets auskommen müssen, und bei denen die Darsteller besser aussehen dürfen.

Ein Direktimport ist auch zu vermelden: Man hat ganz offensichtlich die professionellen Musicalkreischer vom Raimund Theater für “Musical! Die Show” begeistern können. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass man nach einer Stunde neben einer solchen Kreischpartie einem Hörsturz sehr nahe ist. Gekreischt wird von dieser Spezies Mensch, meist, aber nicht immer weibliche Wesen, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, gerne auch mitten im Song.

Beispiel Werner Mai: “Du musst versatiler werden”, sagt Alexander Goebel ihm, wieder mal darauf Bezug nehmend, dass er eine “Popstimme” hat. Gegeben hat man Werner Mai in der ersten Sendung einen Song von Elton John, in der zweiten einen Popsong von Queen.

Gelungen von der optischen und szenischen Aufbereitung: “Don’t cry for me Argentina” aus “Evita”, “Milady ist zurück” aus “Die Drei Musketiere” und “Ich gehör nur mir” aus dem Musical “Elisabeth”. Auch musikalisch hat man erstaunlicherweise keinen Foxtrott aus den Nummern gemacht. So inszeniert hat der Kandidat ein optimales Umfeld, um auch tatsächlich optimal performen zu können. Leider hatten das nicht alle.

Was gabs noch? Viele leere Gesten und aufgesetzte Musicalattitüde. Unerwartet viel, wenn man bedenkt, wieviel choreographische Manpower hinter den Kandidaten steht. Moderator Alfons Haider handelte sich vor laufender Kamera von Alexander Goebel eine harsche Abfuhr ein: In “La Cage Aux Folles” wird man ihn ganz sicher nicht als Georges und damit als “Mann” von Alfons Haider erleben.

Tiefpunkt der Show: Die Ensemblenummer “Breaking Free” aus Disneys “High School Musical”. Da liegen Welten zwischen der Power, die man erst unlängst bei Studenten des Performing Center Austria in der Wiener Stadthalle erleben konnte, und dieser müden Schlussnummer der zweiten Folge von “Musical! Die Show”.

Auf der Strecke blieben Markus mit “I’m Free” und Alice mit “Any Dream Will Do”. Das Stechen konnte Alice mit “Irgendwo wird immer getanzt” aus dem Levay/Kunze-Musical “Mozart!” für sich entscheiden.

West End: Tschüss Blondie - Aus für “Desperately Seeking Susan”

Bereits am 15. Dezember 2007 findet die letzte Vorstellung des Musicals “Desperately Seeking Susan” statt - einer Show, die auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahre 1985 basiert und mit Songs der Band Blondie unterfüttert ist.

Gerade mal einen Monat konnte sich die Show am Spielplan des Novello Theatre behaupten, ein paar dankende Wort immerhin fanden die Produzenten der Show, Susan Q. Gallin, Ron Kastner, Mark Rubinstein, Joseph Smith von Old Vic Productions sowie Peter Kane, Nordby/Rawley Productions, Mary Lu Roffe in Zusammenarbeit mit MGM On Stage:

The producers wish to thank the talented cast, creative team and company for all their hard work and dedication to this production. Despite fantastic performances and enthusiastic audiences, the ticket sales have not been sufficient and the producers have had to make the difficult decision to close the show.

Die Londoner Daily Mail meldet, dass die Produzenten mehr als sieben Millionen Dollar Verlust eingefahren haben. [Playbill]

Stephen Kings Lieblings-CDs des Jahres 2007

Bestsellerautor Stephen King hat einen teilweise recht ausgefallenen Musikgeschmack. Für die “Entertainment Weekly”-Ausgabe vom 7. Dezember 2007 hat er seine Top 7 der CD-Neuerscheinungen des Jahres 2007 benannt. Warum es ausgerechnet sieben CDs sind, hat nur einen Grund: Mehr als sieben Veröffentlichungen haben ihm in diesem Jahr nicht wirklich gefallen. Hier also die Top 7 des Masters of Horror:

01) Steve Earle: “Washington Square Serenade”
02) Wilco: “Sky Blue Sky”
03) Mika: “Life in Cartoon Motion”
04) Lyle Lovett and His Large Band: “It’s Not Big It’s Large”
05) Ozzy Osbourne: “Black Rain”
06) John Fogerty: “Revival”
07) Skid: “Countrypolitan Favorites”

VIEW: Opernregisseurin Katharina Wagner zur fünftbeliebtesten Deutschen gekürt

Die BILD berichtet von einer Wahl, durchgeführt vom Magazin VIEW, bei der die “beliebtesten Deutschen” ermittelt wurden. Das Ergbebnis ist, gewissermaßen, recht abstrus. Die Bestenliste basiert auf den 20 meistgenannten Deutschen im Jahr 2007. Sympathie- und Job-Bewertung wurden jeweils in Schulnoten von 1 (sehr sympathisch bzw. sehr gut) bis 6 (sehr unsympathisch bzw. ungenügend) bewertet.

Interessant beispielsweise Platz 5; den konnte die Opernregisseurin Katharina Wagner, die Urenkelin des Komponisten Richard Wagner, ergattern. Ein wenig abstrus ist ihr Spitzenplatz freilich schon - bei einem Bekanntheitsgrad von nur 29 Prozent. Abstrus aber auch die “Bekanntheitsgrade” an sich, kennen doch den Schriftsteller Martin Walser (Platz 06) angeblich nur 41 Prozent aller Deutschen. Im Folgenden also die “20 beliebtesten Deutschen”:

Platz 01: Günther Jauch (TV-Moderator); Sympathiewert 1,8; Arbeitsnote 1,6; Bekanntheitsgrad 100%
Platz 02: Joachim Löw (Bundestrainer); Sympathiewert 2,2; Arbeitsnote 1,8; Bekanntheitsgrad 93%
Platz 03: Miroslav Klose (Bayern-Spieler); Sympathiewert 2,5; Arbeitsnote 2,0; Bekanntheitsgrad 95%
Platz 04: Herbert Grönemeyer (Musiker); Sympathiewert 2,6; Arbeitsnote 2,2; Bekanntheitsgrad 98%
Platz 05: Katharina Wagner (Opernregisseurin); Sympathiewert 2,8; Arbeitsnote 2,8; Bekanntheitsgrad 29%
Platz 06: Martin Walser (Schriftsteller); Sympathiewert 2,9; Arbeitsnote 2,5; Bekanntheitsgrad 41%
Platz 07: Sabine Christiansen (TV-Moderatorin); Sympathiewert 3,0; Arbeitsnote 2,7; Bekanntheitsgrad 98%
Platz 08: Ottmar Hitzfeld (Bayern-Trainer); Sympathiewert 3,0; Arbeitsnote 2,5; Bekanntheitsgrad 94%
Platz 09: Franz Müntefering (Ex-Arbeitsminister und Vizekanzler); Sympathiewert 3,0; Arbeitsnote 2,9; Bekanntheitsgrad 99%
Platz 10: Frank-Walter Steinmeier (Außenminister); Sympathiewert 3,0; Arbeitsnote 2,6; Bekanntheitsgrad 85%
Platz 11: Angela Merkel (Bundeskanzlerin); Sympathiewert 3,1; Arbeitsnote 2,9; Bekanntheitsgrad 99%
Platz 12: Dieter Zetsche (Daimler-Chef); Sympathiewert 3,1; Arbeitsnote 2,7; Bekanntheitsgrad 38%
Platz 13: Günter Grass (Schriftsteller); Sympathiewert 3,4; Arbeitsnote 2,6; Bekanntheitsgrad 90%
Platz 14: Horst Seehofer (Landwirtschafts-Minister); Sympathiewert 3,4; Arbeitsnote 3,3; Bekanntheitsgrad 96%
Platz 15: Peer Steinbrück (Finanzminister); Sympathiewert 3,4; Arbeitsnote 2,9; Bekanntheitsgrad 87%
Platz 16: Kurt Beck (SPD-Vorsitzender); Sympathiewert 3,6; Arbeitsnote 3,3; Bekanntheitsgrad 93%
Platz 17: Wolfgang Schäuble (Innenminister); Sympathiewert 3,6; Arbeitsnote 3,4; Bekanntheitsgrad 99%
Platz 18: Manfred Schell (Chef der Gewerkschaft der Lokführer); Sympathiewert 3,9; Arbeitsnote 3,5; Bekanntheitsgrad 65%
Platz 19: Edmund Stoiber (Ex-CSU-Chef); Sympathiewert 4,0; Arbeitsnote 3,3; Bekanntheitsgrad 99%
Platz 20: Hartmut Mehdorn (Bahnchef); Sympathiewert 4,5; Arbeitsnote 4,1; Bekanntheitsgrad 84%

50 Jahre Wiener Stadthalle: Nackte Kerle & ein bunter “Joseph”

2008 feiert die Wiener Stadthalle ihren 50. Geburtstag. Grund genug, um dieser Tage in ersten Umrissen eine groß angelegte Showoffensive anzukündigen.

Neben Auftritten von Celine Dion, Kylie Minogue, Mark Knopfler, Rosenstolz, Smashing Pumpkins, Roger Cicero, Annett Louisan oder dem Buena Vista Social Club wird es auch Musicals und Comedy-Events im Jubiläumsjahr 2008 geben.

“Ladies Night” nennt sich das von Joesi Prokopetz (Adaption/Buch) und Frank Hoffmann (Regie) konzipierte Comedy-Revue-Theaterstück, das auf dem Film “Ganz oder gar nicht” (”The Full Monty”) beruht und vom 19. bis 21. September, vom 28. Oktober bis 2. November und vom 27. bis 31 Dezember 2008 in der Halle F zu sehen sein wird.

Vom 26. September bis 19. Oktober 2008 wird “Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat” in der Wiener Stadthalle aufgeführt. [wien.gv.at]

Und er kommt doch: “Rudolf” im Raimund Theater 2009

Sollte es noch einer offiziellen Bestätigung bedurft haben, dass das Frank Wildhorn-Musical “Rudolf” tatsächlich Anfang 2009 im Wiener Raimund Theater seine deutschsprachige Erstaufführung feiern wird, nun ist sie da. Ganz ohne TV-Castingshow werden die Auditions zu “Rudolf” in Köln (20.-21.1.2008), Hamburg (22.-23.1.2008) und Wien (3.2.-5.2. 2008) stattfinden. Der Probenbeginn wurde auf November 2008 festgelegt, die Premiere findet Ende Februar 2009 statt.

Interessant, wie so oft, unter anderem das Spielalter der ausgeschriebenen Rollen:
- Rudolf (Spielalter 30)
- Mary Vetsera (knapp 20)
- Graf Taaffe (Spielalter 40-50)
- Franz Joseph (Ende 50)
- Stephanie (Ende 20)
- Bratfisch (zwischen 40 und 50)

Terminvereinbarungen (mit Lebenslauf und Photo und Angabe des Terminwunsches) an:
Vereinigte Bühnen Wien GmbH, Linke Wienzeile 6, A-1060 Wien
Audition-Musical@vbw.at oder Fax: ++43/1/58830–312
Einsendeschluss: 04.01.2008

Link
- PDF der Audition-Info
- Vereinigte Bühnen Wien

“Sweeney Todd” - 9 Filmclips, 3 Featurettes und einiges mehr

Die Filmplattform IESB.net bietet eine nette kleine Auswahl an Videos mit Ausschnitten aus der Verfilmung von Stephen Sondheims Musical “Sweeney Todd”. Neben neun Filmausschnitten gibt es auch zwei Hintergrundberichte sowie die Featurettes “The Cast”, “The Vision” und “The History”.

“Sweeney Todd” läuft am 21. Dezember 2007 in den amerikanischen Kinos an. In den Hauptrollen: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Alan Rickman, Timothy Spall und Sacha Baron Cohen.

Link:
- IESB.net

Ja, ich lebe … KrebspatientInnen zeigen ihre Bilder (Ausstellungseröffnung)

3. Dezember 2007
17:00bis19:00

Ja, ich lebe … KrebspatientInnen zeigen ihre Bilder
Ausstellungseröffnung am 3. Dezember 2007, 17.00 Uhr bis 19.00 Uhr
Zentrum für Onkologie, Pavillon 23, Wilhelminenspital, 1160, Montleaertstraße 37

PROGRAMM

Begrüßung:
- Direktorin Drin Barbara Hörnlein (Ärztliche Direktorin des Wilheminenspitals)
- Univ. Prof. Dr. Heinz Ludwig (Vorstand des Zentrums für Onkologie und Hämatologie am Wilheminenspital)

Initiative - Gruppe94
Dr. Thomas Schmitt (Allgemeinmediziner und Initiator der Gruppe94)

Ehrengast
Karl Heinz Hackl

Ausstellungseröffnung

Mag. Sonja Wehsely (Amtsführende Stadträtin für Gesundheit und Soziales)

Lied »Ja, ich lebe …«
Text: Josef Miligui, Musik: Erich Neuwirth

Die Ausstellung findet im Foyer und in den Gängen des Zentrums für Onkologie statt und bleibt bis 29. Februar 2008
geöffnet. Kontakt zu den KünstlerInnen über das Sekretariat der Gruppe94 unter: +43 1 5811558

Werden Menschen mit der Diagnose Krebs konfrontiert, verlieren sie oft den Boden unter ihren Füßen. Sie fallen aus ihrer gewohnten Normalität. Gerade diese Krankheit löst bei einer großen Zahl von Patienten eine Lebenskrise aus, in der sie nicht nur ihre körperliche Unversehrtheit, sondern sehr oft auch Partner, Beruf und soziale Stellung verlieren. Viele werden sprachlos, verstummen, ziehen sich in sich zurück und wissen häufig nicht mehr weiter. Ihre zentrale Frage, ob sie jemals wieder völlig gesund werden, das heißt, ein Leben frei von Krebs führen werden, kann ihnen niemand beantworten.

Kreativität in ihrer komplexen Vielfalt eröffnet einen Weg, zu seinen Wurzeln zu finden. Kreative Menschen versenken sich derart in ihre Tätigkeit, dass es ihnen möglich wird, alles um sie herum Negative für die Dauer des Schaffensprozesses zu vergessen und im Schaffen wieder ihre alte Kraft zu spüren, wieder ganz Ganz zu sein. Für einen langen Moment können sie ihren Sorgen entrinnen und erleben wieder Entspannung, Ruhe, Kraft, Leidenschaft und Freude. Körper, Geist und Seele tanken Kraft, finden zu einer neuen Harmonie und öffnen sich neuen Wegen zur Gesundheit.

Durch den schöpferischen Prozess können die durch die Krankheit geschlagenen Wunden und auch alte Verletzungen bewältigt und geheilt werden. Trauer, Wut über das eigene Schicksal, Scham wegen der Hilflosigkeit und viele andere Gefühle kommen in Fluss und emotionale Wunden können sich schließen. Die Betroffenen fangen an, sich wieder auszudrücken, verlassen ihre Isolation und zeigen, wie hier mit ihren Bildern, die viel deutlicher ausdrücken, als dies Worte zu sagen vermögen, wie es um sie steht.
Der heilende Prozess indes reicht viel weiter. Mit dem Erschließen der Kreativität, mit dem Spüren der zurückkehrenden eigenen Kräfte entstehen Hoffnung und Zuversicht. Die Befürchtung, vielleicht nie mehr gesund zu werden, kann sich in Gewissheit umkehren, dass das Leben dennoch wert ist, gelebt zu werden, denn es gilt: «Ich schaffe etwas, also bin ich!«

Diesen Lebenswillen, dieses Bekenntnis zum Wert des Lebens entdecken wir, wenn wir diese »Bilder der inneren Heilung« betrachten und sehen, wie sich im Verlauf der Zeit die Motive und Farben in den Werken verändern und Mut, Freude, Buntheit und Lebendigkeit zurückkehren – trotz oder gerade vielleicht auch wegen der schweren Krankheit.

Diesen Mut, diese Kraft und diese Freude wollen jene PatientInnen, die diese Bilder geschaffen haben, anderen Betroffenen mit auf den Weg geben und ihnen zeigen, dass es aus dem Dunkel der Krankheit heraus einen Weg ans Licht gibt. (Dr. Schmitt, Obmann Gruppe 94)

“Ich Tarzan, Du Jane” - “Nix Musical, Nur Show”

Kaum entdeckt der deutschsprachige Raum ein neues Sendungsformat für sich, wird ein Stakkato an Produktionen auf den Konsumenten runtergesendet, und zwar auf Biegen und Brechen. Man hat es vor Jahren bei den “Big Brother”-Formaten erlebt, man konnte es bei den Pop-Castingshows erkennen, auch die “Dancing Stars”-Formate bilden keine Ausnahme. Gerade aktuell: die Musical-Castingshows.

Während man in England und den USA Musical-Castingshows mit einem konkreten Ziel (gesucht wurden Besetzungen zum Beispiel für “Grease” oder “Joseph”) auf Sendung brachte, in denen die Macher/Produzenten der Show und die künftigen Stars, eventuell auch noch eine prominent besetzte Jury, im Vordergrund standen, ist in Europa die Tendenz abzulesen, dass der Moderator, warum auch immer, der Star der Sendung ist. In Österreich spielt bei “Musical! Die Show” Alfons Haider diese Rolle, in Deutschland bei “Musical Showstar 2008″ wird es Thomas Gottschalk sein.

Bereits in der zweiten Folge von “Musical! Die Show” geht der ORF zudem einen recht merkwürdigen Weg bei der Zuteilung der von den Kandidaten zu interpretierenden Songs. Es ist ja wunderbar, dass “Any Dream Will Do” aus Andrew Lloyd Webbers “Joseph” auf dem Programm steht, aber warum diesen Song Teilnehmerin Alice singen muss, ist mehr als fraglich, genausogut könnte man Werner Mai “Ich gehör nur mir” performen lassen. Eine solche Songauswahl mag bei Konzerten durchaus einen gewissen Charme haben, bei einer Musical-Show ist sie völlig sinnfrei.

Fast so sinnfrei wie der Titel einer Musical-Castingshow, die 2008 auf SAT.1 mit dem Titel “Ich Tarzan, Du Jane” gesendet wird. Zwar handelt es sich dabei weingstens um eine Show mit einem konkreten Ziel, nämlich die Hauptdarsteller für Phil Collins’ flaues Musical “Tarzan” zu finden, das im Oktober 2008 in Deutschland Premiere feiern soll, aber schon der primitive Titel macht nicht viel Hoffnung auf eine tatsächlich ansprechende Show.

Ein bisschen mehr Seriosität und etwas weniger Karneval und Pseudowitzigkeit wären vielleicht gar nicht so übel.

Kammeroper: The Last Five Years

Es hat sich mittlerweile zur Tradition unter Kritikern entwickelt, Jason Robert Browns Musical “The Last Five Years” von der Handlung her als “zu kompliziert” abzuqualifizieren. Lang und breit erklären sie, dass es die Liebesgeschichte eines Paares ist, aber er und sie erzählen die Beziehung von unterschiedlichen Zeitpunkten startend. Er steht zu Beginn des Stücks am Anfang ihrer fünfjährigen Lebensgemeinschaft und erlebt sie chronologisch von Beginn bis zum Ende, sie steht am Anfang des Stücks am Ende der Beziehung und erlebt sie quasi im Rückwärtsschritt. Kompliziert? Nicht wirklich, aber man kann “The Last Five Years” ja sowieso auch ganz anders sehen - nämlich als Manifestation reinen Gefühls. Es sind die letzten Zuckungen eines liebenden Herzens, das im Sterben begriffen ist und wie im Schnelldurchlauf noch einmal die letzten fünf Jahre einer Beziehung kammerflimmert. “The Last Five Years” ist schließlich auch so etwas wie eine klassische “Ghost Story”, denn die beiden Hauptdarsteller sind zwar sehr oft gemeinsam auf der Bühne, aber zu verschiedenen Spielzeiten. Sie singen bis auf ein Duett in der Mitte des Stücks, bei dem sie für einen kurzen Moment tatsächlich im Raum- und Zeitgefüge des Plots aufeinandertreffen, sich berühren, küssen und sich die Ehe versprechen, nur Solo-Songs, agieren nie tatsächlich miteinander, sondern nur mit der Imagination des Partners, die durch die reale Person tatsächlich dargestellt wird, aber eben nur, um dem Zuschauer das Mitverfolgen der Handlung zu erleichtern. Hier beginnt dann der andere Zugang zur Story auch schon wieder kompliziert zu werden, und es mag sein, dass deswegen Browns Musical nie der wirkliche Publikumsrenner war, wenngleich viele der Songs längst Klassiker des modernen Musical-Repertoires sind.

Der andere Zugang, die Story zu rezipieren, wird durch die englischsprachige österreichische Erstaufführung von »The Last Five Years«, die am 22. November 2007 in der Wiener Kammeroper über die Bühne ging, perfekt umgesetzt. Das Bühnenbild zeigt einen riesigen Damenkoffer, der am Anfang geschlossen ist, sich mit den ersten Takten der Musik öffnet und eine in vier Stages gegliederte Bühne freigibt. Am Ende schließt sich der Koffer wieder. Mag sein, dass es ein Koffer ist, man kann sich das Szenario aber auch als pumpendes Herz vorstellen.

Rob Fowler als Jamie und Caroline Frank als Catherine bieten eine formidable Ensembleleistung. Wenn man möchte, kann man kann sich streiten, wer der bessere Sänger und wer der wirkungsvollere Schauspieler ist, man mag anführen, dass Rob Fowler sich mehr an die Musik Browns anschmiegt, in sie versinkt und in der Musik aufgeht, dass er mit bemerkenswert fein inszenierter Gestik und Mimik das Maximum herausholt, dass er die Wandlung des von ihm gespielten Jungautors glaubhaft und deutlich herausarbeitet und als Jamie eine der besten Bühnenleistungen seiner Karriere abliefert, doch Caroline Frank setzt ebenso berührende emotionale Höhepunkte, ihr steht die sehnsüchtige Melancholie sehr gut. Beide liefern auch köstliche Proben ihres Talents für Komik, Caroline Frank beispielsweise in der Audition-Szene, Rob Fowler als leicht Verführbarer in einer Bar. Geht man aus der Show und fragt sich, wer nun die Schuld trägt am Scheitern der Beziehung, so fällt die Antwort vielleicht gar nicht so schwer. Sie war es, sie trägt die Schuld. Sie verweigert die Kommunikation, ist nicht mitfühlend genug, teilt nicht die starken Gefühle des Jungautors Jamie, als sein erstes Buch zum Verkaufserfolg wird, ist verbittert, dass ihre eigene Karriere als Musicalsängerin so gar nicht in die Gänge kommt. Es mag sein, dass eine andere Art der Regie oder aber der Darstellung diese eindeutige Schuldzuweisung verhindert hätte, denn in den Songs selbst ist diese Art der Interpretation freilich nicht so eindeutig angelegt, aber das ist eine der größten Stärken dieses Musicals. Es genügen Nuancen, um den Zuschauer in seiner Interpretation in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen oder aber auch einfach nur Möglichkeiten der Interpretation zu bieten. Wir haben hier kein Megamusical vor uns, «The Last Five Years« ist ein äußerst feinsinnig gesponnenes Stück Musiktheater, und auch ein forderndes. Man kann sich nicht einfach im Sessel zurücklehnen und darauf warten, dass einem Affen oder Hexen um die Ohren fliegen, die Abenteuer dieses Stücks fühlt man mit dem Herzen – oder gar nicht.

Jason Robert Browns Kammermusical kann man, wenn man möchte, auch in einem Wohnzimmer ohne jegliche Deko spielen. Die Kammeroper hat eine vergleichsweise pompöse Bühnenmaschinerie entwickelt. Auf der vordersten Stage spielt sich ein Hauptteil des Geschehens auf zwei Minihebebühnen ab, die äußerst wirkungsvolle Effekte und Szenenwechsel erlauben. Für jeden der vierzehn Songs hat Duncan Hayler ein stimmiges Set Design entworfen, die Szenenwechsel erfolgen äußerst präzise und ruhig, um die Stimmung in keiner Weise zu stören. Eine logistische Herausforderung, die gelingt. Michael Schnack, der Musikalische Leiter und Pianist der Show, sitzt mit seiner Band (Gerda Breslmayr, Violine; Peter Profant, Cello 1; Boris Boho, Cello 2; Stefan Först, Bass; Kerstin Neubauer, Gitarre) auf der hintersten und vierten Stage. Sehr wirkungsvoll und durchdacht ist das Beleuchtungskonzept (Harry Michlits). In warme, helle Farben wird der jeweils im Jetzt agierende Darsteller getaucht, während der imaginierte Partner in kalte Farben getaucht wird. Satte Blau- und Rottöne dominieren das Lichtdesign, stärker ausgeleuchtet und in hellere Farben gegossen wird das Set bei den weniger traurigen Nummern wie »A Summer In Ohio«. Nur ein einziges Mal berühren sich die Hauptdarsteller, nur ein einziges Mal sehen sie sich tatsächlich an, und das ist zur Halbzeit der Show. Sensibel hat Regisseur und Choreograph Alonso Barros all die Feinheiten der Darstellungsmöglichkeiten der Songs herausgearbeitet. Ganz wunderbar, wie Rob Fowler “The Schmuel Song” spielt und mit drei verschiedenen, ganz eigenen Singstimmen als Stück im Stück interpretiert. Der Ton (Gregor Neuwirth) ist für das Parkett perfekt gemischt, lediglich am Balkon kommt das Ganze etwas dumpf daher. Wie meistens in der Kammeroper gibt es deutschsprachige Untertitel (Übersetzung: Derek Weber), die man besser nicht verfolgt, weil sie viel zu sehr ablenken und auch nicht immer den Kern der Texte von Jason Robert Brown exakt treffen – als grobes Hilfsmittel sind sie aber durchaus tauglich. Regie und Choreographie fließen in dieser Inszenierung zu einem perfekten Ganzen zusammen und machen gemeinsam mit der musikalischen Umsetzung, für die Michael Schnack verantwortlich zeichnet, “The Last Five Years” zum eindeutig besten in Wien gezeigten Musical des Jahres 2007.

The Last Five Years
Einfühlsame englischsprachige österreichische Erstaufführung in der Kammeroper
von Martin Bruny

The Last Five Years – Buch, Musik und Texte: Jason Robert Brown / Musikalische Leitung: Michael Schnack / Inszenierung & Choreographie: Alonso Barros / Ausstattung: Duncan Hayler / Licht: Harry Michlits. Darsteller: Rob Fowler (Jamie) / Caroline Frank (Catherine). Englischsprachige österreichische Erstaufführung: 22. 11. 2007, Wiener Kammeroper. www.kammeroper.

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