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Aktionstheater Ensemble: »Heile mich« (2020) im Werk X

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Am Mittwoch, dem 29. Jänner (Beginn: 19:30 Uhr), feiert »Heile mich«, die aktuelle Produktion des Aktionstheater Ensemble, ihre Wien-Premiere im Wiener Werk X.
Der Arbeitsweise der Gruppe entsprechend, wird darin einmal mehr der politische Status quo auf das Persönliche, auf das Alltägliche heruntergerissen. Drei Schauspielerinnen exekutieren in dieser Theater- und Musikperformance ihren ganz persönlichen Seelenstriptease. Fünf Musiker machen dort weiter, wo die Kommunikation versagt.

Isabella (Isabella Jeschke) naht, nach mehreren missglückten Partnerschaften, Rettung durch einen abermaligen Heilsbringer, der ihr Sicherheit bieten soll. Allein den bekommen die Zuschauer nicht zu Gesicht, er bleibt Chimäre, bloße Projektionsfläche. Da sind, neben Isabella, nur noch Susanne (Susanne Brandt) – und Kirstin (Kirstin Schwab), die ihre Erlösung, zwecks Rettung des Planeten, in Weiterbildungskursen sucht. Die Sehnsucht nach den richtigen Lebenskonzepten treibt sie zueinander.
An politischen Heilsbringern, deren Wirkmacht dann am größten ist, wenn sie nichts sagen, arbeiten sich Martin Gruber und sein Aktionstheater Ensemble schon länger ab. An einer Ego-Gesellschaft, die diese befeuert und von diesen befeuert wird, auch. In »Heile mich« stellt sich die Gruppe nun die Frage, wie es sich auswirken mag, wenn verschiedene Meinungen und Weltbilder aufeinanderprallen. Eine Bestandsaufnahme einer narzisstischen Gesellschaft, die nach Heilung sucht. Um der Einsamkeit zu entkommen.

Warum ich das Aktionstheater Ensemble so sehr schätze, hat einen speziellen Grund. Leicht erklären kann ich es anhand eines kleinen Ausschnitts aus der Produktion »Immersion. Wir verschwinden« aus dem Jahr 2016. Die Show ist online auf Vimeo. Gleich die erste Szene wird durch den Wutmonolog einer Schauspielerin gekrönt, die sich über eine unbegabte Kollegin echauffiert, die trotz all ihrer Unfähigkeit mit einem sexistischen Werbespot zu 46.000 Shares in den Social Media kommt und nun doch sicher berühmt wird (ab 5:28):

»Das Beste hab ich ja noch gar nicht erzählt: Wisst ihr, was die gesagt hat? In einem ÖFFENTLICHEN Werbespot sagt die: Mensch, hier ist anscheinend alles schärfer wie ich, ich geh dann mal shoppen.
Wie ich? Wie ich? ALS ICH! Da muss man nicht zehn Jahre Germanistik studieren wie ich. WIE ICH! Damit man das weiß. Ein Vergleich. Als. Als ich. Als ich wie was. Wie? Wie was, würde ich sie mal fragen. Wie? Wie was? Wie – was meinst du überhaupt? Wie wie was wie? Was ich alleine da an Geld in meine Ausbildung … Und die? NIX. TUT. DIE. Und wir Schauspieler … 46.000 … Und wir … Und die … Nada … Null … Und wir … Wie? Wie was? Wie wo? Was meinst du? Wie was wo? Wie wa… Aaaaaaaaaals. Aaaaaaaaaaaaals. Aaaaaaaaaals.«

Es mag vielleicht nicht viele geben, für die gerade diese Szene das reinste Vergnügen ist. Der Berufsstand der Lektoren und Korrektoren aber wird damit wunderbar unterhalten. Wie oft denke ich mir beim Lesen von Texten: Im Endeffekt? Ist das dein Ernst? Weder gibt’s einen Anfangseffekt noch einen Mitteleffekt, und schon gar keinen Endeffekt. Nur weil das »sogar« im »scheiß Duden« steht (wie mir schon einige Male gesagt wurde), muss man es noch lange nicht verwenden. Im Duden steht viel. Zum Beispiel, dass dem österreichischen »weiters« das deutsche »weiterhin« entspricht. WAS FÜR EIN SCHWACHSINN. Aber wie auch immer, dann überlegt man: Soll ich es korrigieren, auf »letztlich«, »letzten Endes« … nicht dass es nicht genügend Möglichkeiten geben würde. Leicht fällt es, wenn ein ein strammer Politiker auf irgendeinen »Endeffekt« zu sprechen kommt. Na klar lässt man das. Authentischer kann er sich gar nicht sprachlich darstellen.
Oder DAS MACHT SINN. Nein, nichts »macht Sinn«. Etwas »ergibt« Sinn, etwas »ist sinnvoll«. Etwas macht nur Sinn, weil etwas falsch aus dem Englischen übersetzt wurde.
Oder man bearbeitet ein Manuskript und checkt mal, wie oft das Wort »auch« vorkommt. 243 »auchs« auf 120 Seiten hatte ich schon.
Oder Rufzeichen.
Oder Begriffe wie »fulminant«, die die Presseabteilung eines Wiener Musicaltheaters in praktisch jeder Aussendung strapaziert, kombiniert mit elendslangen Aufzählungen von unbedeutenden technischen Details. Als würde jemand seine Zwangsneurosen in Aufzählungen verpacken, wie viele Meter Kabel vom »Cats«-Kobel auf der Bühne bis zum Häusl im Backstage-Bereich verlegt wurden und wie viele Glühlämpchen den Kätzchen den Weg zum Pissoir erleuchten. Man könnte meinen, manche Pressemeldung stamme direkt aus »American Psycho«.
Und genau auf diese Facette in den Stücken des Aktionstheater Ensemble freue ich mich jedes Mal besonders. Das Sezieren des Sprachgebrauchs auf vielfältigste und subtilste Art und Weise. Das ist für mich spannend wie eine Krimi und wohltuend – es gibt auch andere, die vielleicht nicht ganz so extrem wie ich, aber doch, bestimmte sprachliche Phänomene erleben.

HEILE MICH
von Martin Gruber und Aktionstheater Ensemble
Kooperation mit Werk X

Mi. 29. Jänner 19:30 Uhr Premiere
Do. 30. & Fr. 31. Jänner sowie Sa. 1. & So. 2. Februar jeweils 19:30 Uhr
im Werk X, Oswaldgasse 35a, 1120 Wien
Karten: reservierung@werk-x.at, T +43 1 535 32 00-11, http://werk-x.at