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Caspar Richter nimmt Abschied im Ronacher: “… and my life belongs to me … I shall feel that I have lived my life!”

Als am 27. Juni 2010 nach einem rund zweistündigen Musicalkonzert des Orchesters der Vereinigten Bühnen Wien unter seinem Dirigenten Caspar Richter und mit den Stars des Unternehmens alles gesungen und gespielt und auch schon vieles gesagt war, betrat Kathrin Zechner die Bühne, die Intendantin der VBW, und richtete das Wort an ihren Angestellten und das Publikum:

Kathrin Zechner: “Es ist dein Abschied Caspar, es ist dein Abend. Ich bedanke mich trotzdem vorher einmal beim wunderbaren Orchester, es kann nicht oft genug gesagt werden. Ich bedanke mich bei Jerome und ich bedanke mich bei den wunderbaren Künstlern, die diesen Abend mit uns gestaltet haben. Danke euch.
Über den Caspar ist heute schon so viel gesagt worden, das Konzert spricht eigentlich seine Sprache, also ich werde mich kurz halten. Caspar, als ein Lübecker auf eine Steirerin traf, das war nicht einfach. Ich gebs ehrlich zu, aber für mich ist das Schlussresümee: Du bist wie Lübecker Marzipan - eigen im Geschmack, aber großartig. Caspar Richter ist wirklich eine herausragende Persönlichkeit, mit der es sich trefflich streiten lässt. Wir haben uns unseren Respekt voreinander hart erarbeitet, aber auch fröhlich erlacht, wir hatten auch viel Spaß. Sie haben ja heute bei “Conga” und anderen Momenten erlebt: Der Mann hat auch Humor, was mir bei Norddeutchen eher fremd war. Er hat Humor, er hat definitiv Humor, und das hat die Reise mit diesem strengen, kämpferischen, leidenschaftlichen Mann sehr viel leichter gemacht, und ich neige mein Haupt vor dir, Caspar.
Caspar ist, wie wir schon gehört haben, aus Lübeck über Berlin nach Wien gekommen, und er hat sieben großartige Aufgaben, Eigenschaften, die ich ihnen nochmal darbringen möchte: Er hat dieses Orchester geformt, er ist also unser Orchester-Vater.”

Caspar Richter: “Erzieher!”

Kathrin Zechner: “Erzieher. Erzieher, sigst, so hots immer angfangn: I sog es is da Vota, des is mit Herz und Ding. Er sagt: “Erzieher!” Das wäre erst Punkt zwei bei mir. Er hat das Orchester ständig trainiert und herausgefordert, das heißt, die, die schon lange dabei waren, hat er trainiert, erzogen, und die, die neu dazukamen, ebenso. Er ist ein großer Förderer des Orchesters und der Mitglieder des Orchesters gewesen. Und wirds auch noch bleiben. Er hat als Musikalischer Leiter unendlich viele Premieren gemacht, bei mir fast alle, fast alle, möcht ich sagen. Er war einfach von Anfang an, so sehr wir uns zusammenraufen mussten, und es auch getan haben, die Nummer 1, und wir haben alle unseren großen Premieren gemacht. Nicht nur die “Rebecca” zum Beispiel, auch “Romeo und Julia”. Er hat eine Bandbreite gezeigt, die, glaube ich, auch eine Befruchtung war von ihm aus der Klassik, aber auch von diesen großartigen Musikern, die nicht nur Klassik mit sich bringen, sondern auch Pop, Rock und Jazz, also ich glaub, das war auch ein gegenseitiges Befruchten und Zusammenraufen, und so haben wir wunderschöne Premieren miteinander erlebt. Er ist aber auch, man glaubt es kaum, Diplomat. Diplomat zwischen nicht immer einfachen Sängern, nicht immer einfachen Musikanten, nicht immer einfachen Intendanten, nicht immer einfachen Regisseuren, nicht immer einfachen Sounddesignern. Er musste das ja alles zusammenführen. Und dafür schaust du eigentlich heute ganz fit aus. Er hat, wie du selber schon gesagt hat, mit mir gemeinsam viele wunderschöne Konzerte von Bernstein, über Christmas, über Jubiläumskonzerte, Donauinselfest gestaltet. Das war uns beiden gemeinsam wichtig, dass wir eben nicht nur die klassischen Musicals herausbringen, sondern auch viel mit dem Orchester auf die Beine stellen, eben unsere Konzertreihe, die wir nicht mehr missen können. Und, er ist reiselustig. Er hat viele Gastspiele gemacht, auch mit mir, ob es Japan war oder Italien, wir haben wunderbare Gastspiele gemacht.”

Caspar Richter: “In Peking waren wir 2000 und waren die Ersten, die in Peking Musicalkonzerte gemacht haben. Das war schon toll.”

Kathrin Zechner: “Ich hab die Chinesen kennengelernt, die sind nicht einfach. Also auch die hast du verzaubert. Wunderbar, Und, was für uns alle besonders wichtig ist, er hat immer auch die jungen Künstler gefördert, ob das im Orchester war oder [zu Thomas Borchert] … Thomas, du warst auch mal jung?… Also er hat junge Künstler, viele davon, wenn ich die Marjan anschau oder den Lukas, die Carin etc., er ganz viele tolle, großartige Leute, die jetzt unter den V.I.P.s unseres Sängerensembles hier stehen, gefördert, und was mich *nicht* überrascht hat, er geht in Pension, und hat nicht nur uns gesagt, dass er uns zur Verfügung steht weiterhin, sondern macht gleich wieder einen Sprung, nach Brünn als Generalmusikdirekter der Oper in Brünn, das heißt, du machst zwei Wochen Urlaub und gibst gleich wieder Gas, und wir werden mit diesem Konzert, das hat das Orchester auch mitgetragen, Caspar nach Brünn begleiten und dieses Konzert, das sie hier gesehen haben, in Brünn aufführen, damit wir die Ära Caspar Richter in Brünn würdig einläuten.”

Thomas Drozda betrat daraufhin die Bühne, sprach drei komma fünf oder ein wenig mehr Sätze und überreichte Caspar Richter den Ehrenring des Theaters an der Wien, von einem Vertreter des Orchesters wurde Caspar Richter zum Ehrendirigenten des Orchesters der VBW ernannt, Kathrin Zechner schließlich überreichte Richter einen Dirigentenstab der VBW. Damit war die Ära Caspar Richter (nicht ganz, aber doch) zu Ende.

Diesen Schlussworten und den Überreichungszeremonien vorangegangen war eine Rede Caspar Richters an sein Publikum, aber auch an das Unternehmen VBW, die Musiker des Orchesters der VBW und an alle Kollegen. Sie enthält ein paar sehr bemerkenswerte Schlussworte an das “jetzige Team der Vereinigten Bühnen Wien”, ein abschließendes Statement, das durchaus interpretierbar wäre, aber das soll jeder für sich entscheiden:

Caspar Richter: “So, jetzt ist es aber an mir, ein paar Worte zu sagen, mit fällt es ein bissl schwer langsam, in mir rumort es ganz schön, ich konnte schon seit drei, vier Nächten fast überhaupt nicht schlafen, weil es mir immer bewusster wird, dass es zwar heute noch nicht zu Ende ist, aber am nächsten Wochenende, da dirigiere ich noch zwei Mal “Tanz der Vamopire” und dann verabschiede ich mich von den Vereinigten Bühnen Wien. Und das ist nicht nur ein Abschied von den Vereingten Bühnen, sondern von Wien überhaupt.
Ich bin 1982 nach Wien gekommen, damals von Berlin aus, auf Wunsch meines Lehrers und Mentors Lorin Maazel, der damals
Staatsoperndirektor wurde. Er hat mich nach Wien mitgenommen. Ich habe an der Staatsoper gearbeitet und danach hat mich sofort die Volkoper gekrallt, da war ich dann auch noch engagiert. Ich war Orchesterchef der Volksoper und Dirigent der Staatsoper. Irgendwann hab ich dann mal meinen Vertrag richtig gelesen, und da war noch eine dritte Aufgabe, die ich überhaupt nie wahrgenommen habe. Ich hab sie auch gar nicht geglaubt. Ich war Musikalischer Berater des Burgtheaters. Ja, fragen Sie mich nicht, ich habe nie einen Schritt in dieses Theater gesetzt. Kurz bevor Herr Peymann kam, hab ich dann einfach mal in der Direktion angerufen und gefagt, was ich zu tun hätte. Da hat mir damals Herr Benning gesagt: “Wissen Sie, Herr Richter, vergessen sie das Ganze. Morgen kommt der Herr Peymann, der hat eh was ganz anderes vor.” Jedenfalls, ich hab einmal telefoniert, das muss ich sagen, aber, wie gesagt, das war eine sehr schöne Aufgabe … [Gelächter im Publikum] … also nicht das.
Der Herr Fröhlich hat ja schon vorhin erzählt, wie ich zufällig zum Musical kam, aber im Leben gibt es keine Zufälle. Dann war ich bei Professor Weck Musikalischer Leiter von diesem wunderbaren Orchester, vor dem ich mich jetzt mal wirklich verneigen möchte.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei anderen Menschen bedanken, die mir sehr wertvoll sind. Es wird nicht so lange dauern, obwohl ich eine ganze Liste hätte. Erstmal hab ich damals angefangen mit zwei wunderbaren Kollegen, die auch heute hier im Saal sind, das ist der Herr Manz und Walter Lochmann. Ich glaube, auf dem Musicalsektor sind wir das längstgediente oder Dienst habende oder hattende Terzett, das es jemals gab. Immerhin, wir haben also auch fast 20 Jahre zusammen gearbeitet, ich bin der letzte, der hier noch übriggeblieben ist. Dann möcht ich mich sehr bedanken bei unseren drei Intendanten, die ich erleben durfte. Professor Weck habe ich schon erwähnt. Rudi Klausnitzer, mit dem ich auch so manche Sachen durchgefochten habe, aber wir haben sehr viele schöne Sachen auf die Beine gestellt, und natürlich Kathi Zechner. Frau Zechner hat mit vor allem die Möglichkeit gegeben, auch die Konzerttätgkeit zu intensivieren, und wir haben sehr schöne Sachen gemacht, was dem Orchester auch zugute kam, sich als Orchester zu verstehen. Zu diesem Zweck bin ich ja auch damals angetreten und habe gesagt: “Wenn ich das mache, dann möchte ich aus diesem Musicalorchester die Philharmoniker des Musicals machen.” Und ich glaube, das ist uns auch gelungen.
Bedanken möchte ich mich auch vor allem bei unserem damaligen, also letzten Generaldirektor Häußler, der mir sehr viel beigestanden hat, der mir sehr viel ermöglicht hat und dem ich sehr verbunden bin, und ich wünsche dem jetzigen Team der Vereinigten Bühnen sehr viel Erfolg und sehr viel Glück, und besinnen Sie sich auch auf die Werte, die wir selber in uns haben, nämlich unsere Kreativität, aber das tun Sie sowieso. Wir brauchen einfach wieder richtige Kreationen von uns heraus, und ich weiß, dass das kommt. Und da wünsche ich Ihnen sehr viel Glück. Das ist unsere Einmaligkeit gegenüber allen anderen Häusern auf der ganzen Welt, das hat Wien immer ausgezeichnet, und das bleibt auch so und davon bin ich auch fest überzeugt. Und wenn ich irgendwie helfen kann, steh ich zur Seite.
Nicht vergessen möchte ich auch die vielen vielen wunderbaren Sänger, Solisten, Ensemblemitglieder und Tänzer, also wenn ich das jetzt alles aufzähle, bin ich bis morgen früh hier, aber das waren wirkich tolle Erlebnisse. Und diese Zeiten, und es waren wirklich 23 Jahre, mit einer kleinen Pause, aber ich war schnell wieder da, war für mich die größte Zeit, die längste Zeit, die ich je in einem Theater verbracht habe. 23 Jahre ist ja wirklich eine ganze Generation praktisch. Das wird auf ewig in mir bleiben. Das wird ein ganz ganz wichtiger, wenn nicht bis jetzt sogar der wichtigste Punkt, der wichtigste Eindruck und die wichtigste Zeit in meinem Leben bleiben und sein und ich werd es auch nie vergessen.
Weiterhin möchte ich mich noch bei meiner Familie bedanken, die immer sehr viel Geduld mit mir hatte mit meinen blöden Ideen, und ich muss mich auch bei diesem wunderbaren Orchester … Ich hatte auch ein paar Zeiten, wo ich nicht so nett war, wo wir uns ein bisschen gestritten haben, aber das kommt in einer guten Ehe immer vor und wir vertragen uns ja heute, wie man sieht, ja doch glänzend, und das Ergebnis is das wichtigte. Was bei mir immer das wichtigste war, war die Qualität, nie das Persönliche, davon war ich überzeugt. Ich weiß auch, dass mein Nachfolger, Koen Schoots, das wunderbar führen wird, er ist aus dem selben Holz geschnitzt wie ich und ich wünsche ihm sehr viel Glück damit. Er hat ein wunderbares Orchester. Er wird es weiterführen und wird es weiter erweitern, und ich glaube, das wird eine tolle Sache. Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Ein letztes Werk gibt es noch, das hat jetzt mit dem Musical gar nix zu tun, es hat eher mit den Weihnachtskonzerten zu tun, an denen ich sehr gehangen habe, und die auch Gott sei Dank, wie ich gehört habe, weitergeführt werden. Da freu ich mich sehr drauf, wenn ichs dann mal hören kann … nämlich ein Song aus einem Film. Dieser Film ist einer meiner Lieblingsfilme, handelt von einem Dirigenten. “Wie im Himmel”, ein schwedischer Film. Da gibt es einen wunderbaren Song, der heißt “Gabriella’s Song”. Der Text am Ende des Liedes betrifft mich sehr: “With my Joy of living, I am who I am, see me strong and see me free […] and my life belongs to me. […] I shall feel that I have lived my life!”

Selbstverständlich gibt es auch über das musikalische Programm jenes Abends viel zu sagen - ein Programm, das zwischen Genie und Wahnsinn, Posing und Ekstase, Pannen und Berührendem pendelte. Mehr dazu demnächst.

1 Kommentar »

  Andreas wrote @ Juli 7th, 2010 at 10:34

Die Kati war wiedermal, sowohl kleidungstechnisch als auch ansprachentechnisch der absolute Super-Gau :-(

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