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Das Ende der Long-Runs? Hausgemacht? Die Wirtschaftskrise?

Das Totschlagargument per se in Diskussionen um das langsame Dahinscheiden der so genannten “Long Runs” lautet: “Na, kein Wunder, bei der Wirtschaftskrise.”1

Die Wirtschaftskrise mag ein Faktor sein bei diesem Phänomen, tatsächlich steckt aber auch etwas anderes dahinter (abgesehen davon, dass die Zeit der Megamusicals der achtziger Jahre, aus denen sich die meisten Long-Runs rekrutierten, nun mal, bis auf wenige Ausnahmen, vorbei ist). Musicals sind für viele Besucher im Laufe der Zeit so etwas wie “beste Freunde” geworden, die man ab und an, oder auch häufiger, besucht.

Das war lange Zeit kein Problem - bis ein paar besonders kluge Köpfe auf die Idee kamen, die Ticketpreise schlagartig um einen Faktor X zu erhöhen, der diese Bindung vieler Zuschauer an “ihre” Shows kappte. Die Ticketpreise waren bis vor zirka zehn, fünfzehn Jahren am Broadway und bis vor ein paar Jahren in Wien im Vergleich zum Einkommen vieler Musicalfans “relativ” erschwinglich. Da war es für einen Fan am Broadway durchaus möglich, seine “Lieblinge” regelmäßig zu besuchen. Das ist ein Phänomen, das unbestreitbar existiert(e), so wie man das auch, auf einem anderen Niveau, in Wien kannte und auch heute, in geringerem Ausmaß, kennt.

Schaun wir uns die derzeitige Situation am Broadway an: Als Jason Robert Browns neue Show “13″ in aller Munde war und die prächtigen Kritiken noch nicht mal alle heruntergeklopft waren, kostete das billigste Ticket für die Show 76,50 Dollar. 76,50 Dollar, das ist ein Preis, den viele Theaterbesucher, die nicht nur einmal Tarzan furzen hören wollen und nicht unbedingt auf Löwen und Meerjungfrauen stehen, die nicht in Bussen herangekarrt werden, Musicals aber seit Jahrzehnten besuchen, meist noch nie für ein Ticket ausgegeben haben.

Freilich musste Jason Robert Brownn auch innerhalb kürzester Zeit erkennen, dass er mit solchen Preisen nicht lange am Broadway bleiben wird mit seiner Show (wieder einmal). Und so wie man am Basar mit Wurschtsemmeln handeln würde, gibt es nun, bei einer durchschnittlichen Auslastung von knapp über 50 Prozent, Rabatte. 25 Dollar pro Ticket, das ist der aktuelle Preis, den man zahlt, wenn man nicht so dumm war, beispielsweise als Brown-Fan, im Voraus zu kaufen.

Auf seiner Website schreibt Brown:

I want people to come see “13″, and I asked the producers what we could do to make sure that my fans and friends could come, and do it now when we really need to build momentum. And they really came through.
Through November 3, you can get orchestra and front mezzanine tickets for any weeknight (and Sundays at 7!) for only $25. That means you can take a family of four to see the show for less than the cost of one ticket to “The Lion King.”

Die Situation in Wien ist nicht viel anders (abgesehen davon, dass einige Theater subventioniert werden, was dem Ganzen doch einen etwas skurrilen Touch gibt). Die Ticketpreise steigen im Dreivierteltakt. Während man es aus Deutschland gewohnt war, dass neu erbaute riesige Mehrzweckhallen bestimmte Saalabschnitte wie den neunten Rang oder Reihe sechstausend gar nicht erst in den Verkauf brachten, werden in Wien in vergleichsweise Minimundus-Theatern nun auf einmal Ränge gesperrt. Weil die Shows so schlecht sind? Mag sein. Mag sein, wie man hört, dass in Wien das Publikum auf einmal “nicht reif für ein Stück ist”. Vielmehr aber kann man aber auch der Meinung sein, dass das Publikum irgendwann einmal sagt: Stopp, nicht mit uns. Die Preiserhöhungen reichen. Und vielleicht ist auch längst eine Grenze überschritten. Dann würden Wiens Theater Tag für Tag Zuschauer verlieren, die man nur mehr mit viel Aufwand wieder in die Häuser bekommt.

  1. Achtung: Glosse! Das Lesen dieses kurzen, pointierten Meinungsbeitrags, der sich von Kommentar und Leitartikel durch seinen polemischen, satirischen oder feuilletonistischen Charakter unterscheidet, kann Ihren Blutdruck beeinflussen []

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