Den Alltag an einer steirischen Musicalschule dokumentiert eine mehrteilige Serie des Senders “Steiermark 1″. In Zeiten der Krise ist es immerhin beruhigend zu wissen, dass es im Land von Erzherzog Johann, Klaus Maria Brandauer, Peter Rosegger und Renate Götschl noch Musicalschulen gibt (während man sich in Wien bemüßigt fühlte, erst kürzlich eine zu schließen). Musicalschulen zu bewerben, ist eine großartige Idee, sicher wird ORF Wien da bald nachziehen und etwas für die Wiener Musicalschulen in dieser Richtung unternehmen (oder auch nicht, was wahrscheinlicher ist). So gut also die Idee ist, mit einem derart ausführlichen Feature die Musicalakademie Graz zu präsentieren und ihr so zu einem Popularitätsschub zu verhelfen, so schlecht ist dies für diese Musicalschule letztendlich ausgegangen.
Der verlockenden Möglichkeit, sich im Fernsehen zu inszenieren, kann nicht jeder Charakter widerstehen, und die Damen und Herren des Lehrkörpers dieser Institution konnten das schlicht gar nicht.
Im Prinzip kann man die Sendung als Mischmasch von »Hilfe, ich will Musicalstar werden – ich brauch keine Therapie« und »Graz quält den Musicalstar« sehen. Stellen Sie sich vor, Sie steicheln eine Katze, und plötzlich BRÜLLT Ihnen jemand ins Gesicht: »Mach wenigstens ein freundliches Gesicht, wenn du das Viech streichelst. Ich sag dir das jetzt schon 1000 Mal, wenn dus nicht kapierst, zieh aus, mir reichts, du bist ja so unfähig.« So ungefähr muss sich eine der Schülerinnen gefühlt haben, als sie in einer Szene dieses Features (Teil 4) Levay/Kunzes zarte Ballade »Der Prinz ist fort« gesungen hat und von ihrer Lehrerin nach einer mehrjährigen Ausbildung vor laufender Kamera in knarrendem Schrapnell-Tonfall zu hören bekam:
“SIMONE STOPP. ICH HALT … SIMONE .. Das letzte Mal haum mas ghobt mitn Lochn. Mitn Lachen, Lachen lachen lachen immer nur lachen lachen lachen. Sie sind im dreieinhalbsten (sic) Ausbildungsjahr. Sie stehen kurz vor Ihrem Diplom, ja? Sie wollen Ihr Diplom, jetzt machen. Und sie hams no immer ned gschafft Ihre Emotionen selbst zu finden. Sie haben alle Techniken bekommen. Alles, was Sie brauchen. Wenn Sie noch nicht fertig sind nach einer Probe, weil Sie ihre Emotijonen noch nicht gefunden haben, dann werden Sie nach Hause gehen und daran weiterarbeiten. Aber es kaun ned sain, dass Sie, wenn der Vaater stirbt, lachen.”
Noch ein Bonmot dieser “Pädagogin” gefällig! Bitte: “Eine Baronin von Waldstätten, die abgekaute Fingernägel hat, geht nicht.” (Folge 3)
Das wirklich Schlimme an diesem Schulporträt ist, dass man in jeder Sekunde merkt, wie aufgesetzt alles ist. Als Zuschauer fühlt man sich danach fast ein wenig verschleimt, wenn der Schulleiter am Ende einen Sermon hält, der in seiner rhetorischen Qualität nicht mal an »Eins, zwei oder drei« des legendären Kinderflüsterers Michael Schanze heranreicht. Wenn jemand die Möglichkeit hat, Musical im Fernsehen zu präsentieren, dann hat er auch ein wenig die Verpflichtung, sich nicht wie ein Freak aufzuführen. Mit dieser Sendung hat man dem Genre insgesamt geschadet. Gott sei Dank sind die Musicalstudenten, die zu sehen sind, durch die Bank sympathisch und auch Talent kann man ihnen nicht absprechen. Sie werden hoffentlich ihren Weg machen.
Ohne viel weiter zu schwätzen - hier die Links zu einer Reportage, die man eigentlich als Mensch, der noch nie etwas mit Musicals zu tun hatte, für eine schlechte Parodie halten müsste. Leider ist es … steirischer Musicalalltag.
Update/März 2010
Die Links zu dieser göttlichen Reportage sind leider nicht mehr online.