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[Dramen_erwachen] ‘09 - eine neue Dramatiker-Generation wird gesucht

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[Dramen_erwachen], so lautete der Titel der Abschlusspräsentation des 2009 erstmals vom proScript Verlag sowie von der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz und dem Kinder- und Jugendtheater Dschungel Wien ausgeschriebenen Literaturwettbewerbs “Jugend_schreibt_Theater”, die dieser Tage im Dschungel des Wiener Museumsquartiers über die Bühne ging.

Im Prinzip, profan formuliert, ein Castingwettbewerb, nur nicht für Popsternchen, sondern dann doch eine Stufe seriöser für junge Dichter im gesamten deutschsprachigen Raum auf dem Gebiet des Sprechtheaters, wobei mit “jung” nicht erstpublizeirende “Jung”dichter um die 30 gemeint sind, sondern tatsächlich “jung” zu verstehen ist. Die Jury, bestehend aus Vertretern der drei Initiatoren sowie der jungen Autorin Sophie Reyer, konnte aus Einsendungen von jungen Leuten im Alter zwischen 13 und 19 Jahren wählen. 1300 Schulen, Bildungs-, Kultur- und Jugendeinrichtungen wurden angeschrieben. Das Resultat: 42 eingesandte Stücke, aus denen vier ausgewählt wurden. Auszüge daraus wurden am 4. Mai szenisch im Wiener Dschungel aufgeführt.

Die Ausgangsbasis: Eine recht schlichte Anweisung:

Schick uns deine Texte für die Bühne bitte so:
● Szenen bis fertige Stücke in deutscher Sprache
● Bitte nur getippte Texte (Schreibmaschine oder Computer min. 12 pt.)
● Mindestens 5 Seiten im Format DIN A4
● Keine Originale, da wir Texte nicht zurücksenden können
● Texte per E-Mail bitte in der Anlage (Attachment)
● Bitte keine Gruppenarbeiten

Ein paar nützliche Tipps für dich:
● Schreibe deinen Text als Dialog (direkte Reden)
● Lass nicht mehr als 5 Personen auftreten
● Wähle nicht mehr als 3 Schauplätze
● Mache kurze Anmerkungen, die die Situation beschreiben

Die Gewinne:
1. bis 3. Preis:
Dein Stück wird im DSCHUNGEL WIEN – Theaterhaus für junges Publikum aufgeführt, und du wirst zur Uraufführung nach Wien eingeladen! Der proScript Verlag unterstützt dich bei der Arbeit an neuen Theatertexten.

Ein wenig unspektakulär ging der Abend von Veranstalterseite an den Start. Die Rede des Verlagsrepräsentanten - etwas unsicher. Man sei froh, die jungen Talente gefunden zu haben, bevor man sie an, ja, da habe ich ihn nun nicht wirklich verstanden. Meinte er “an die Prosa verliere” oder “an die Großen [Verlage] verliere”? Möglich und wahrscheinlich ist beides. Ehrlich währt am längsten: Man sei bei diesem Wettbewerb ganz ohne Sponsoren ausgekommen, so der Verlagsrepräsentant weiter. Nachsatz: “Allerdings nicht ganz freiwillig.” Lachen im Publikum. Obwohl - eigentlich eine traurige Sache, wenn man einen solchen Wettbewerb ins Leben ruft und die Sache dann virtuell und real etwas versandet.

Unter den Jungdichtern beispielsweise Irene Diwiak. Sie, Jahrgang 1991, gewann schon 2008 mit 16 Jahren den Literaturwettbewerb “sprichcode” mit ihrem Text “Wir Genies”. 2008 ging auch der erste Preis der Jugendliteraturwerkstatt Graz an die junge Autorin. “Die Super-Maschine”, ein Text, den Diwiak mit 12 Jahren verfasst hat, ist im WWW nachlesbar (—> hier). “Die Stiegenkirche” hat sie mit 11 Jahren geschrieben (–> hier nachzulesen), auch “Der Glückszehner” ist online verfügbar (—> hier). 2010 war sie schon beim Grazer “Drama Slam” mit “Die Gefahr” erfolgreich. Ihr Siegertext für [Dramen_erwachen]: “Die Anderen”.

Auszug aus “Die Anderen”

Wir spielen so ein Spiel, das heißt “die Anderen kommen.” Wir trainieren für den Notfall, wenn die Anderen kommen. Weil die Anderen nicht da sind, noch nicht, muss immer eine Hälfte von uns die Anderen spielen und die andere Hälfte uns und das ist gar nicht so leicht, weil wir immer wissen müssen, ob wir jetzt wir sind oder die Anderen und wenn wir die Anderen sind, halten wir trotzdem zu uns und verlieren absichtlich.

Nicht alle der Jungautoren sind im Netz so ergiebig zu googeln. Charlotte Spitzner ist 15 Jahre alt - Anfang 2009 publizierte sie ihre Kurzgeschichte “Die offene Tür” [Online nachzulesen –> hier]. Ihr Siegertext heißt “Svenja”: Svenja wird im Klassenzimmer aufgefunden - tot. Ihr wurde die Halsschlagader durchgeschnitten. Im Rückblick erzählt sie die Geschichte und die ihrer Umgebung. Authentische und schonungslose Einblicke in jugendliche Gedanken- und Gefühlswelten.

Timo Kocielnik, mit 19 Jahren der “Senior” unter den Jungautoren, meint auf Facebook zum Wiener “Dramen_erwachen”:

Timo Kocielnik hat mit 4 Leuten Wien gecrusht! Wien = Random/Gestern um 10:41

Facebook, WWW, ganz sein Thema: In “Geek”, seinem Beitrag zu “Dramen_erwachen”, sehen wir vier Internetsüchtler, wie sie vor ihren Laptops sitzen und fressen: Infos, Chips, Zuckerl und virtuelle Zuneigungen. Ein konzertierter Alptraum von Bits und Bytes in Rausch und Bogen. Kocielniks Facebook-Profil ist offen zugänglich. Das WWW - Brillantin brutal.

Laura àlvarez, geboren 1992, liefert mit der Geschichte um das gefühllose Mädchen Valentina die perfekte Vorlage für eine gelungene, gefühlvolle und einprägsame Inszenierung. Hier passt alles zusammen. Die Reduktion an Themen vom ersten Stück “Die Anderen” (Irene Diwiak) bis zum vierten (”Valentina”) ist wohltuend spürbar. Die Hektik des WWW, wie Timo Kocielnik sie atemberaubend in “Geek” schildert, ist in diesem Stück nicht existent, auch die Gewalt der “Anderen”, das Schrille, Nervenzerfetzende ist nicht mehr da, und auch die Geschwätzigkeit, die Charlotte Spitzner so gekonnt mit “Svenja” eingefangen hat, ist nicht das Thema. Es ist eine Zweierbeziehung (+ Mutter), die sie schildert. Valentina lernt einen Mann kennen. Er liegt auf seinem Handtuch, sie nähert sich, verführt ihn auf gewisse Weise nicht zuletzt - mit Literatur, er schenkt ihr vielleicht das, was sie verloren hat: Gefühle.

Teilweise waren es viele Inhalte, die im Laufe des Abends in letztlich wenig Zeit untergebracht werden mussten, schnelles Sprechtempo war die Folge, das bei “Valentina”, dem vierten Stück, auf einmal angenehm sich verlangsamte. Ein poetischer Text, der sich sanft in einzelne Szenen unterteilen lässt, mit einem gefühlvollen Ende und Höhepunkt, da untermalt von gut gewählter Musik, mäandrierend zwischen Zuversicht und Hoffnungslosigkeit und am Ende doch vielleicht: Überzeugung.

Für jedes Stück schufen die Schauspieler Johanna Orsini-Rosenberg, Maria Spanring, Yvonne Zahn, Florian Hackspiel und Markus Schöttl eine ganz eigene Atmosphäre. Teils als szenische Lesungen angelegt, teils durchgespielt waren hier engagierte Schauspieler zu erleben, die den Texten Leben eingehaucht haben. Die szenische Einrichtung besorgte Yvonne Zahn.

Was nun unbedingt notwendig ist? Mehr Leben auf der Verlagssite von proScript. Ja, es kostet Zeit, Leben auf eine Site zu bringen, genauso wie es Zeit kostet, Sponsoren für einen Literaturwettbewerb zu finden. Leichter könnte das aber eben mit einer gelungenen Internetpräsenz von Erfolg gekrönt sein. Einen “Newsflash” zu posten, der aus vier Zeilen besteht und ausschließlich die Namen der Gewinner und den Titel der Werke enthält, wird zu wenig sein. Es ist junge Literatur, lebendige Literatur, das sollte man auch online spüren.

Mit der Aufführung am 4. Mai startete auch die Ausschreibung für 2010. Jugendliche von 13 bis 19 Jahren sind aufgerufen, Theaterstücke in deutscher Sprache zu schreiben und bis zum Donnerstag, dem 30. September 2010, an office@proscript.at zu mailen. Die Infos dazu bietet proScript –> hier

[Dramen_erwachen]/Die Stücke

»Valentina« von Laura àlvarez (Jg. 1992)
»Die Anderen« von Irene Diwiak (Jg. 1991)
»Geek« von Timo Kocielnik (Jg. 1990)
»Svenja« von Charlotte Spitzner (Jg. 1994)

1 Kommentar »

  m wrote @ Mai 7th, 2010 at 08:55

hey, fein dass du da warst…
weder vertreter von anderen jugendtheatern oder verlagen haben die chance ergriffen. schade, denn die texte und deren verfasser wären allesamt bemerkenswert.

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