Home RSS Go RED Go BLACK

Es gibt nicht zu viele Musicaldarsteller …

… nicht, weil es nicht vielleicht doch zu viele gibt, sondern weil es schon aus Prinzip nicht zu viele geben kann und jeder, der möchte, die Chance haben sollte, es zu versuchen. So wie es nicht zu viele Ärzte gibt und auch nicht zu viele Lehrer, nicht zu viele Philosophen oder Geographen, kann es auch nicht zu viele Musicaldarsteller geben. Wer sollte denn festlegen, ab welchem Zeitpunkt man von “zu vielen” Musicaldarstellern sprechen kann? Und was ist die Alternative? Eine Quote einzuführen? Vom Jahrgang 1995 darf es nur mehr 0,000000001 Prozent Musicaldarsteller geben?

Sicher meint Herr Holger Hauer das gar nicht so, was er jüngst in einem Interview gesagt hat.

Es gibt wahnsinnig viele Musicaldarsteller, und meiner Meinung nach sind es mittlerweile zu viele. Es kommt mir vor, als würde alles durch die Musicalschulen geschleust, was halbwegs vernünftig trällern kann. Aber ich denke, das ist manchmal Verrat an den Träumen junger Menschen. Den Leuten wird an einigen Musicalschulen – so zumindest mein Eindruck – vorgegaukelt, sie hätten Talent, auch wenn dem gar nicht so ist. Aber der Rubel muss rollen. Natürlich gibt es auch tolle Leute. Aber was Musicalschulen teilweise hervorbringen, ist erschreckend. Und hinterher wundern sich die jungen Leute, wieso sie kein Engagement bekommen… [musicalzentrale]

Kann man denn nun aber vielleicht sagen, dass es zu viele Musicalschulen gibt, die Talente aufnehmen, die gar keine sind? Was wäre der größere Verrat an den Träumen junger Menschen, wie Hauer es formuliert, ihnen den gewünschten Weg gleich zu verwehren, oder sie testen zu lassen, ob sich nicht doch auch für sie eine Nische findet. Am Ende ist ein Musicalstudium ein Studium wie jedes andere, und man kann und hat das Recht, sich jederzeit neu zu entscheiden.

Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es zu viele schlechte Musicals gibt und zu wenig gute, aber letztlich ist das völlig wurscht, weil am Ende des Tages alle im Raimund Theater bei den Matrosen landen und tatsächlich glauben, dass die Musicaldarsteller, die da arbeiten, ihre Träume verwirklichen (dürfen).

10 Kommentare »

  Dominik wrote @ Mai 9th, 2011 at 16:03

Ich als derjenige, der das Interview geführt hat, möchte dazu sagen: Zumindest in Deutschland sehen wir doch, dass es zwar immer mehr Musicalschulen und mehr Musicaldarsteller gibt, aber trotzdem immer noch gern (vornehmlich in Stage-Produktionen) auf Musicaldarsteller zurückgegriffen wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Wo also sind unsere Talente, die unsere Musicalschulen hervorbringen? Wieso werden sie nicht engagiert?

  Vapire wrote @ Mai 6th, 2011 at 20:13

“Es gibt zu viele Musical-Darsteller” würde in einem kommunistischen System, wie in der DDR, gelten, wenn es sich denn um eine Berufssparte handeln würde die etwas herstellt was das Volk dringend braucht (wie Lebensmittel).

Ich bin selbst Musical-Darsteller und wurde in einer dieser privaten Schulen ausgebildet und denke, dass die Diskussion einfach sinnlos ist. Selbst wenn es zu viele geben sollte (woran man das auch immer messen möchte) - who cares? Wenn jemand seinen Weg versuchen möchte und dafür bezahlen kann, dass ihm/ihr das Singen, Tanzen, Schauspielen beigebracht wird, warum nicht? Unterricht ist genau so eine Dienstleistung wie z.B. Haare schneiden… Es sollte nur nicht sein, dass man gutes Geld für schlechte Qualität zahlt. Und ob jemand Talent hat oder nicht, darüber lässt sich prinzipiell streiten. Es gab Leute (Lehrer) die mir eine große Karriere vorhergesagt hatten und wiederum andere die meinten ich müsste mich komplett verändern um im Musical überhaupt existieren zu können - wie sich für mich herausgestellt hat, stimmt beides nicht. Ich habe weder eine riesige Karriere, noch musste ich mich großartig verändern. Ich habe regelmäßig, gut und anständig bezahlt zu tun, darf interessantes erleben und oftmals auch schlechtes - was zum “Showbusiness” (leider) einfach dazugehört.

Wenn jemand seine Erfüllung darin findet jeden Tag den Matrosen hinten links zu spielen - und solche Darsteller gibt es! - dann ist das, finde ich, auch völlig ok.

Außerdem ist gerade in der Unterhaltungsbranche das Talent oftmals vollkommen egal. Was ich aber an der Aussage von Herrn Hauer interessant finde ist, wenn man den Spieß umgedreht: Oft dürfen Leute, die keine Musicalausbildung haben, sondern z.B. bei DSDS am x. Platz gelandet sind, trotzdem in Musicals mitspielen…

  Klaus wrote @ Mai 6th, 2011 at 13:52

Typsache und «wer kennt wen” (vor allem in Wien), das sind die Kriterien.

Kann zwar stimmen, ist aber meistens nicht der Fall. Viele kommen auch ohne Vitamin-B voran.

  Nina wrote @ Mai 6th, 2011 at 13:32

Vielleicht ist es ja naiv von mir, aber ich kann mir eigentlich gut vorstellen, dass die Situation, die ihr hier bez. Musicalschulen beschreibt für alle Ausbildungsstätten gilt, für die der Schüler gutes Geld hinlegt. Ich selbst habe nur Erfahrung mit einer FH, dort habe ich als Tutorin einen Praxiskurs für Zellbiologie mitbetreut. Und ich hatte bei einigen Studenten das Gefühl, die sind hier nur im Kurs, weil die FH Geld verdienen will, denn von Talent - auch für Laborarbeit benötigt man sowas - war da keine Spur. So, wie die Damen und Herren eine Pipette gehalten haben, hätte man ihnen lieber einen Krampen in die Hand gedrückt und sie in die Baugrube gesteckt.

Aber noch ein Wort zu “davon leben können”:

Ich habe mir im Alter von 23 den unverrückbaren Wunsch in den Kopf gesetzt, Comiczeichnerin zu werden. In Österreich. Das ist ungefähr so, als wollte man in Swasiland Schirennläufer werden. Aber mir war das egal - ich hab sogar meinen sicheren Job als Rechtsanwaltssekretärin gekündigt, um mich der Verwirklichung meiner Träume widmen zu können.
Und eins möchte ich schon sagen: Einen Beruf erst “gelten” zu lassen, wenn man dabei wie wild abcasht, ist ein trauriges Zeugnis unserer geldversessenen Gesellschaft. Solange man zumindest mit einem Bein am Boden bleibt und nicht versumpert, ist es eigentlich egal, wie man sein Brot verdient - jemandem deshalb die Berufsbezeichnung (und damit für viele die Identität) abzusprechen, ist schon sehr abgehoben.

Bei mir war es so, dass ich mal davon leben konnte, mal nicht. Ich bin ja zudem ein Mensch, der verdammt viele Interessen hat, und als ich mir in den Kopf setzte, Chemikerin zu werden, habe ich mir mit Zeichnen meine Ausbildung finanziert - um mir anschließend im Labor das Geld für die Zeichnerei zu verdienen und dann wieder 3 Jahre nur freischaffende Künstlerin zu sein. Es geht mal hin, mal her, seit der Wirtschaftskrise bin ich dann halt doch etwas vorsichtiger geworden und habe mir einen sichereren Brotjob in der chem. Industrie gesucht, aber ich werde dennoch Comiczeichnerin und -autorin bleiben. Irgendwann wieder hauptberuflich, dann wieder nicht. Ich will mir weiß Gott keinen Stress aufzwingen lassen, nur weil irgendwer meint, dass es andernfalls nicht “gilt”.

Bei Bühnendarstellern ist es natürlich etwas anders, wenn die nicht immer am Ball bleiben, sind sie bald weg vom Fenster. Sicher stressiger als meine ruhige Zeichentischarbeit. Und nicht alle schaffen es, klar. Aber gerade dieser Entwicklung ist sehr wichtig, die Suche, das Finden oder auch nicht Finden. Und dabei seinen eigenen Weg entdecken. Wenn wir alle immer nur das gleiche tun oder das, was “sicher” ist, wäre das eine traurige Gesellschaft. Ich kenne viele solcher Leute, die immer auf die scheinbar sichere Karte gesetzt haben und jetzt mit Mitte 40, von der Midlife crisis gebeutelt, dahinterkommen, dass sie ihr Leben versäumt haben.

  sopherl wrote @ Mai 6th, 2011 at 12:33

> Und hinterher wundern sich die jungen Leute, wieso sie kein Engagement bekommen

Also bitte, das ist doch heute nicht mehr nur das ausschlaggebende Kriterium.
Typsache und “wer kennt wen” (vor allem in Wien), das sind die Kriterien. Diese Aussage würde ja implizieren, dass alle, die tatsächlich spielen auch objektiv “am meisten können”. Wer Musicals anschaut, sieht selbst, dass das oft NICHT der Fall ist.

sopherl

  Klaus wrote @ Mai 6th, 2011 at 12:20

Da muss ich @Carmen Recht geben.
Was die meisten (vor allem privaten) Musicalschulen machen ist eine Schweinerei.
Es ist in der Tatsache eine Abzockerei.
Warum werden im Wiener Konservatorium nur acht Bewerber (4w, 4m) von ca. 150 aufgenommen, und in einer anderen Schule, dessen Name ich nicht sage, 18 von 20 aufgenommen. Der Markt ist für mehr nicht geschaffen. Einen Fall kenne ich persönlich. Vier Jahre lang studiert und dann vor der Diplomprüfung wurde ihr gesagt: “Naja, ist doch nicht vielleicht deines”
Dies entsteht meistens durch dadurch, da bei den meisten Bewerbern erst eine Illusion gegeben wird und nicht die Wirklichkeit, die die meisten Anwerber noch nicht unterscheiden können.

Ich gebe auch @Nina Recht. Was man im Kopf hat, kann dir keiner mehr wegnehmen. Aber man muss auch davon existieren können.
Zum Beispiel hat es keinen Sinn, wenn ich Tischler werden will aber ich habe zwei linke Hände dafür. Zwar habe ich das theoretische Wissen, aber deswegen wird mir auch keiner den Auftrag geben eine Wohnzimmer-Einrichtung zu bauen.

Und @Martin Bruny. Natürlich darf Mami und Papi die Ausbildung finanzieren, die sich das Kind gewünscht hat, die über ein paar Jahre gerechnet über EUR 10.000 kostet, aber ich könnte diese Investition, bei einem nicht Talent es genauso gut in die Donau werfen und die Fische damit füttern.
Aber in einem gebe ich Recht. Es gibt wirklich nicht genügend Musical-Darsteller. Für mich zählt ein “Musicaldarsteller” erst dann bei einem Engagement, wo die Investition der Ausbildung Früchte trägt.

  Nina wrote @ Mai 6th, 2011 at 10:47

Ich bin auch nicht der Meinung, dass es zu viele Musicaldarsteller gibt, da JEDE Ausbildung auch eine fürs Leben ist, egal ob das dann im gewählten Fach endet oder anderswo. Ab einem bestimmten Zeitpunkt kommt man drauf, dass man überall etwas Spezielles mitgenommen hat, was man zunächst nicht erwartet hätte.

Ein weiterer Punkt, der gegen eine Quote spricht, ist der, dass sich der Markt ohnehin mehr oder minder selbst reguliert. Ein Musicaldarsteller endet ja nicht als Beamter, der letztlich, egal ob talentiert oder nicht, pragmatisiert wird und einem jungen Talent den Job wegnimmt. Wenn einer nicht entsprechend beim Publikum ankommt, wird er auch nicht engagiert werden, insofern ist es egal, ob da einige junge Leute eine Ausbildung erhalten, für die sie vielleicht nicht optimal geeignet sind. Die können immer noch im Umfeld des Theaters arbeiten, wenn es nunmal ihr Traum ist. Auch im sonstigen Bühnenleben wird nicht jeder Starsänger, -schauspieler oder -tänzer, die meisten laufen mit der Masse mit und werden irgendwann mal Lehrer, Agent oder ganz was anderes. Dennoch haben sie sich für eine gewisse Zeit ihren Lebenstraum erfüllt, und allein das ist wichtig.

Und ich sage das als jemand, die Theaterwissenschaft, Archäologie, Schneiderei, Bürokaufmann, Parkettleger und Chemie gelernt hat (nicht alles abgeschlossen), und die keine von ihren Irrungen und Wirrungen auch nur eine Sekunde lang missen möchte.

Zu den VBW und IWNNINY sag ich jetzt mal nichts, da fehlt mir der Einblick.

  Martin Bruny wrote @ Mai 6th, 2011 at 09:56

@Carmen: Der Punkt ist, dass es jedem offenstehen muss, diesen Weg einzuschlagen. Eine Aussage wie “es gibt zu viel” beinhaltet auch schon die Forderung, das zu ändern, und das halte ich für den falschen Weg.

Praktiken von Musicalschulen sind ein anderer Punkt.

Der Zustand der VBW ist ein weiterer.

  Carmen wrote @ Mai 6th, 2011 at 09:46

Typisch für Sie, nicht wahr? Hauptsache eine Gelegenheit auf die VBW draufzuhauen, alles andere wird natürlich nicht hinterfragt. Es ist tatsächlich leider so, dass viele Schulen, des Geldes wegen die Schüler bis zum Schluss mitschleifen um ihnen dann kurz vor dem Diplom zu sagen, dass sie es nicht schaffen werden. Meiner Meinung nach nicht vertretbar und schlichte Geldmacherei.
Es ist doch wie mit den Zugangsbeschränkungen zu Studiengängen: Die werden erst dann eingeführt wenn ein Studiengang schon so überlaufen ist, dass die, die es wirklich studieren wollen aufgegeben haben.

  Andreas wrote @ Mai 6th, 2011 at 08:02

gäbe es wirklich zu viele, müssten sich viele ja anders orientieren, weil sie keine Jobs mehr bekämen …

Ihr Kommentar

Abonniere ohne zu kommentieren

HTML-Tags:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>