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Julia Danielczyk (Hg.): Josef Meinrad – Der ideale Österreicher

Mehr als zehn Jahre (mit Unterbrechungen) war der österreichische Schauspieler Josef Meinrad ein Star der Wiener Musicalszene und auch auf Tourneen in Deutschland ein gefeierter Musicaldarsteller. Am 4. Januar 1968 feierte er in der Titelrolle der deutschsprachigen Erstaufführung des Musicals »Der Mann von La Mancha« seine Musicalpremiere. Meinrads Abendgage: 4000 Schilling, zusätzlich bekam er eine Probenpauschale von 35.000 Schilling. Mehr als ein Jahrzehnt später, vom 18. September bis 29. November 1981, spielte Meinrad eine letzte Serie an Vorstellungen dieser Show im Theater an der Wien. Seine Abendgage: 15.000 Schilling.
Genaue Angaben etwa zu Abendgagen von Musicaldarstellern findet man nicht so oft. Julia Danielczyk, Literaturreferentin der Kulturabteilung der Stadt Wien und Herausgeberin des vorliegenden Sammelbandes »Josef Meinrad – Der ideale Österreicher«, konnte sich als stellvertretende Leiterin der Handschriftenabteilung der Wienbibliothek im Rathaus auf beste Quellen stützen: Vor drei Jahren erwarb die Institution einen Teilnachlass des Schauspielers aus Privatbesitz.
Handelt es sich bei diesem Biografieband über Josef Meinrad zwar nicht gerade in erster Linie um eine Aufarbeitung seiner Musicalaktivitäten, so ist man im Musicalgenre doch oft darauf angewiesen, sich puzzleartig Informationen aus den verschiedensten Fach- und Sachbüchern für die Erstellung eines größeren Gesamtbildes zu suchen. In dem Sinne ist das vorliegende Werk auch für Zwecke der Musicalgeschichte relevant. Thomas Aigners (Leiter der Musiksammlung der Wienbibliothek) Beitrag, betitelt »â€š… den Gipfelpunkt meiner schauspielerischen Darstellung erreicht‘ – Josef Meinrad als Mann von La Mancha, sein Abstecher ins Musicalfach«, macht klar, wie wichtig der Schauspieler selbst seinen Einstieg ins Musicalgenre einschätzte: »Als ich hörte, daß das Theater an der Wien wegen der Rechte von Der Mann von La Mancha verhandelte, habe ich mich – vielleicht zum erstenmal in meinem Leben – von mir selbst aus um eine Rolle bemüht.« (Meinrad, 1968). Wie es genau zum Engagement Meinrads durch Rolf Kutschera, den damaligen künstlerischen Leiter des Theater an der Wien, gekommen ist, lässt Aigner offen und schreibt: »Die näheren Umstände, wie Meinrad und Kutschera zu der ‚Mann von La Macha‘-Produktion zusammenfanden, sind nicht bekannt.« Da könnte man aus dem reichen Erfahrungsschatz Robert Herzls, des derzeitigen künstlerischen Leiters der Bühne Baden, schöpfen und ergänzen: International gesehen wird die Hauptrolle in diesem Musical meist mit einem baritonalen Musicalsänger besetzt. In Österreich freilich ist der Erfolg ganz anders verlaufen. Doch warum? Rolf Kutschera erzählte Herzl: Auch in Wien war ursprünglich für die Hauptrolle ein großer Bariton vorgesehen – Hans Hotter. Doch Hotter sagte kurzfristig ab. Was tun? Kutschera kam auf die Königsidee, einen Schauspieler zu fragen – und das war Josef Meinrad. Rund um ihn herum wurde die gesamte Besetzung geändert: Alle großen Rollen waren nun mit Schauspielern besetzt. Fritz Muliar spielte Sancho Pansa, Blanche Aubry kam vom Burgtheater und gab die Dulcinea. Die kleineren Rollen aber waren alle mit Sängern besetzt. Diese Schauspieltradition hat sich in Österreich fortgesetzt. In der Volksoper mit Karlheinz Hackl, in Graz mit Franz Suhrada und in Klagenfurt mit Karl Merkatz.
Mit dem »Mann von La Mancha« konnte sich Meinrad am Theater an der Wien einen derartigen Stellenwert erarbeiten, dass ihm von Rolf Kutschera bei der darauffolgenden Musicalproduktion »My Fair Lady« – Meinrad spielte Higgins – die Möglichkeit eingeräumt wurde, Einfluss auf die Besetzung zu nehmen. Zitiert wird aus einem Brief von Kutschera an Meinrad, in dem es heißt: »Wenn Dir in dieser Richtung bzw. für die übrige Besetzung etwas einfällt, so bitte ich Dich um Deinen Rat und um eine entsprechende Nachricht.« Ein Ensemble, das um Meinrad gruppiert wurde, die Möglichkeit, die Besetzung mitzubestimmen, eine Abendgage von 10.000 Schilling – es sind die vielen Details in diesem Buch, in diesem Kapitel, aber auch in den anderen zur Karriere des Theater- und Filmschauspielers Meinrad, die es so lesenswert machen. Dazu kommen Beiträge (neben den Fachbeiträgen) von Kollegen wie Dagmar Koller deren Mentor Meinrad war, Michael Heltau, Achim Benning, Lotte Tobisch, Michael Bukowsky und Reinhard Urbach. Michael Bukowsky etwa zitiert Rolf Kutschera, der dem damals jungen Schauspieler einen Überbrückungsjob zwischen zwei Engagements im »Mann von La Mancha« mit folgenden Worten anbot: »Das Stück ist bei uns ein Riesenerfolg. Für Sie gäbe es zwar nur eine kleine Rolle, die hat aber ein sehr schönes Lied. Sie bekommen die gleiche Gage wie immer – und Sie können mit dem Meinrad spielen.« Am 18. November 1969 fand die Premiere statt, Gastspiele in Salzburg und Graz folgten. 1973 brachte Kutschera »Helden, Helden« auf die Bühne – statt einer angedachten Musicalfassung von Hermann Bahrs »Das Konzert«. Im »Konzert« hätte vermutlich Meinrad die Hauptrolle gespielt, mit »Helden, Helden« jedoch gelang Michael Heltau sein Durchbruch im Musicalfach, und Meinrad zog sich bis zu seiner letzten »Mann von La Mancha«-Aufführungsserie 1981 komplett aus dem Musicalgenre zurück.
»Josef Meinrad – Der ideale Österreicher« ist ein penibel recherchiertes und mit einem umfassenden Quellenapparat unterfüttertes Porträt zum 100. Geburtstag des Schauspielers geworden. Zitate aus Briefen und Dokumenten aus dem Nachlass, ein Vielzahl an Fotografien sowie eine Auflistung sämtlicher Film- und Bühnenrollen vervollständigen diesen lesenswerten Sammelband.
Als die Rolle seines Lebens, die Traumrolle schlechthin, wertete Meinrad den Mann von La Mancha. In einer seiner Lieblingsrollen, den Theodor aus dem »Unbestechlichen« von Hugo von Hofmannsthal nahm Meinrad am 17. April 1983 Abschied von der Bühne des Wiener Burgtheaters – in einem Stück, das in einem anderen Wiener Theater mit großer Tradition am 16. März 1923 seine Uraufführung erlebt hat: dem Wiener Raimund Theater.

Julia Danielczyk: Josef Meinrad – Der ideale Österreicher. Mandelbaum Verlag, Wien 2013. 320 S.; (Broschur) ISBN 978385476-411-3. Euro 24,99. [www.mandelbaum.at]

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