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Kammeroper Wien: “Ain’t misbehavin’” - Fats Waller verleiht Flügel

Ain't misbehavin' (Foto: © Martin Bruny)
Die Musical-Revue Ain’t misbehavin’ feierte im Jahre 1978 ihre Broadway-Premiere. Vom 28. April 1978 bis zum 21. Februar 1982 brachte sie es auf 14 Previews und 1604 reguläre Vorstellungen. Nell Carter, Andrà© De Shields, Armelia McQueen, Ken Page und Charlaine Woodard bildeten die Premierenformation. Ihr Lohn: “Best Musical” bei den Tony Awards 1978, Nell Carter “Best Featured Actress in a Musical”, eine Nominierung in derselben Kategorie für ihre Kollegin Charlaine Woodward. Die Auszeichnung “Best Direction of a Musical” ging an Richard Maltby Jr., eine Nominierung für die Kategorie “Best Choreography” gab es für Arthur Faria. Weitere Auszeichnungen: 2 Theatre World Awards (Nell Carter und Armelia McQueen), 3 Drama Desk Awards (”Outstanding Musical, “Actor in a Musical” [Ken Page], “Outstanding Actress in a Musical” [Nell Carter]) sowie Nominierungen in 3 weiteren Kategorien. Outer Critics Circle Award 1978 als “Best Musical” und ein “Obie Award” in der Kategorie “Best Musical”.

In Wien feierte die Show am 8. Juni 1982 im Theater an der Wien im Rahmen der Wiener Festwochen ihre Premiere - es war das Jahr, in dem auch “Evita” und “Jesus Christ Superstar” im Theater an der Wien zu sehen waren.

Am 9. August 1988 ging der Vorhang zum Broadway-Revival der Show auf, doch nach 8 Previews und 176 regulären Vorstellungen war Schluss - immerhin gab es eine Nominierung für den Tony Award als bestes Revival, doch zum Zeitpunkt der Preisverleihung am 4. Juni 1989 war die Show schon Geschichte.

In der Wiener Kammeroper ging die Premiere von “Ain’t misbehavin” am 16. Februar 2006 über die Bühne. Noch bis zum 24. März 2006 steht die Show am Programm. Seit einigen Jahren produziert die Kammeroper in einer als “Kammer-Musical” benannten Programmnische durchwegs sehenswerte Musicals. Angefangen von der “Cole Porter Story” (2003) über Stephen Sondheims “Company” (2004) bis hin zum Vorjahreserfolg “Avenue X”.

“Ain’t Misbehavin’”, im Untertitel “The Fats Waller Musical Show” basiert auf einer Idee von Murray Horwitz und Richard Maltby Jr. Es handelt sich dabei nicht um ein herkömmliches Bio-Musical, das die Lebensgeschichte eines Künstlers anhand von gespielten Szenen nacherzählt, vielmehr werden die Zuschauer ins Harlem der 30er Jahre, in einen Nachtclub entführt, in die goldene Zeit des Jazz und Swing. Rund 30 Songs aus der guten alten Zeit des Jazz werden interpretiert, darunter 19 Kompositionen von Fats Waller (”Honeysuckle Rose”, “The Jitterbug Waltz”, “Black and Blue” u. v. a.). Die Lieder erzählen die Geschichte, die Performer lassen die Geschichte, das Flair der alten Jazzclubs durch ihre Interpretation der Songs lebendig werden.

Im Bühnenhintergrund sehen wir die 7-köpfige Band (deren Mitglieder im Programmheft und auf der Website nicht angeführt sind) unter der Leitung von Michael Schnack, der am Piano brilliert. Die Bühne (Ausstattung: Cordelia Matthes) kommt ohne großartige Requisiten aus. Eine Theke, ein paar Sessel, eine Discokugel, das wärs dann auch schon. Ein Glitzervorhang (eigentlich zwei davon) darf nicht fehlen, den Rest erledigt die großartige Lichtregie (Harry Michlits). Mal wird der Saal in eine dunkle, verruchte Atmosphäre getaucht, mal knallen weiße Spots auf die Protagonisten; eine clevere Mischung aus dem Flair eines Nachtclubs der 30er Jahre und modernem High-Tech-Lichtdesign in Black & Blue, White & Pink. Schlichtheit und Eleganz, kühle Präsenz und brodelnde Atmosphäre, eine wohl durchdachte Einheit von Ausstattung und Lichtdesign.

Fünf Darsteller tragen die Show: Carole Alston, Aisha Lindsey, Amanda Whitford, Alvin Le-Bass und Previn Moore.
Previn Moore (Foto: © Martin Bruny)
Previn Moore kennen Musical-Fans schon lange, und man schätzt ihn. Er hat die Fähigkeit, einen Song ins Magische zu treiben, er ist ein Meister der Mimik, der Gestik. Moore hat die seltene Gabe, die Spannung eines Songs sukzessive aufzubauen und dann mit vollem Körper- und Stimmeinsatz in Bruchteilen von Sekunden zu entladen. Previn Moore ist imstande, wie eine stimmliche Naturgewalt zu wirken, und das schaffen nicht viele im deutschsprachigen Raum arbeitende Künstler.
Alvin Le-Bass (Foto: © Martin Bruny)
Alvin Le-Bass zeigt im Laufe des Abends immer neue Facetten seiner Darstellungskunst. Seine seidensamtene Stimme, die in manchen Momenten ein wenig an Lou Rawls erinnert, ist im Ensemble die perfekte Ergänzung zu Previn Moore. Die Tanzszenen mit ihm, blendend choreografiert von Giorgio Madia, sind atemberaubend, “The Viper’s Drag” ist einer der Höhepunkte des Abends - eine hervorragende Komposition aus Lichtdesign, Regie, Bühnentechnik und Darstellerkunst. Le-Bass singt auf einem Sessel sitzend. Es ist fast dunkel im Saal. Langsam wird der Sessel hochgefahren, während der Darsteller über den Köpfen der Zuschauer seine laszive Interpretation abzieht. Perfekt.
Carole Alston (Foto: © Martin Bruny)
Carole Alston, die schon im Vorjahr bei “Avenue X” mitgewirkt hat, ist seit 1982 in Wien ansässig. Sie unterrichtet seit 1988 an der Ballettschule der Wiener Staatsoper. Als Sängerin reicht ihr Repertoire von “Kiss me Kate” über “West Side Story” und “Jesus Christ Superstar” bis zu Partien in zeitgenössischen Opern, so sang sie in Nancy Van der Vates Oper “Venal Vera” sowie die Partie der Lil in der Oper “Cocaine Lil”. 2004 verkörperte sie Billie Holiday in dem von ihr selbst konzipierten und geschriebenen Stück “Tribute to a Blue Lady” in Joe Zawinuls Birdland. 2005 präsentierte sie in ihrer Show “Ladies, you’re on!” Soul- und Jazzklassiker. Ihre Stimme wirkt in ihren besten Momenten, als würde sie von einem Klangkörper aufsteigen, der aus einem wogenden, unendlichen Meer geformt ist.
Amanda Whitford (Foto: © Martin Bruny)
Amanda Whitford, in New York geboren und aufgewachsen, studierte Journalismus und Gesang. Mit der Broadway European Tour “Little Shop of Horrors” kam sie nach Europa, blieb in Deutschland und ist seitdem freischaffend in vielen Musicalproduktionen zu erleben, wie z. B. in “West Side Story”, “Hair”, “Jesus Christ Superstar” und “Les Misà¨rables”. Dank ihrer deutschen Sprachkenntnisse tritt sie auch als Schauspielerin (”Hexenjagd”, “Kleiner Mann, was nun?”) auf. Soloprogramme mit ihrem Pianisten und ihrer Band sowie Galaabende mit Sarah Brightman gehören genauso zu ihrem Repertoire wie Bridget Fogels “The Gospel Experience”.
Aisha Lindsey (Foto: © Martin Bruny)
Aisha Lindsey ist ausgebildete Tänzerin und Sängerin aus New York. Sie war Mitglied der Duke Ellington Dance Company in Washington D. C. von 1993-1997. Aisha Lindsey absolvierte einen BA in Musik (Vocal performance) am New England Conservatory in Boston/Mass. von 1997-2002. Sie war Mitglied der Harlem Gospel Singers, hat als Background-Sängerin u. a. für Stevie Wonder und in verschiedenen Musicalproduktionen in den Vereinigten Staaten gesungen. 2004 hat Aisha Lindsey ihr Theaterdebut in Wien als “Sandrina” in der Mozart-Oper “Die Gärtnerin aus Liebe” am Schlosstheater Schönbrunn im Rahmen ihrer Weiterbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst gegeben.

Wäre “Ain’t misbehavin’” in Flaschen abgepackt erhältlich, könnte Red Bull einpacken. Es gibt kaum eine Show, die energiegeladener, witziger, berührender und so hemmungslos exaltiert ist wie dieses “Fats Waller Musical”. Gute Laune ist garantiert. Wäre Wien nicht Wien, hätten die Leute am Ende der Show auf den Stühlen getanzt, alte Omas würden mit ihren Krückstöcken zum Takt auf den Boden gestampft haben, ein paar völlig enthusiasmierte Fans wären auf die Bühne gestürmt, um mit den Performern Party zu machen. So aber gabs frenetischen Applaus, Bravo-Rufe und lautes Johlen, und hey, das ist für Wien gar nicht so übel!

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