Martin Bruny am Freitag, den
30. Dezember 2011 · Filed under Musical
Eine letzte Großtat kann die Ära Zechner nun noch verbuchen. In sicher jahrelangen Analysen konnte man den Grund isolieren, warum die österreichische Version von »The Producers« im Wiener Ronacher gefloppt ist. In einem Interview mit dem österreichischen Werbemagazin »Bühne« führt die Intendantin aus:
Eine Rolle spielte aber auch der amerikanische Titel, den wir als Lizenznehmer leider nicht ändern durften. Vor allem die Menschen in den Bundesländern, die wir brauchen, um ein ausgelastetes Jahr zustande zu bringen, konnten mit dem Titel nichts anfangen Die Skepsis einem amerikanischen Titel gegenüber war einfach zu groß. [Bühne, 1/2012, Seite 25]
Danke, Kathrin Zechner, you officially MADE MY YEAR!
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klaus wrote @ Januar 1st, 2012 at 11:28
Einigen wir uns auf kontinentales Europa:)
JS wrote @ Januar 1st, 2012 at 09:50
Das Stück ist in Holland aber auch hoffnungslos geflopt. Es wurde nach nur einer Spielwoche abgesetzt: http://nos.nl/artikel/308935-de-producers-stopt-na-een-week.html
Gut, dann enge ich es auf deutschsprachiges Europa ein.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dieses Thema in Europa für ein Musical ungeeignet ist, —
@ Mr. Bruny: In London am WestEnd war The Producers ein ziemlich großer Erfolg. Bei Publikum als auch bei den Kritikern. London liegt schon in Europa, deshalb denke ich nicht, dass es eine kontinentale Frage des Erfolges ist.
S.Z. wrote @ Dezember 31st, 2011 at 17:25
@ Martin Bruny: Ich finde es interessant dass Sie sagen dass ein Musical über den Vietnamkrieg in den USA nicht laufen würde, dabei liegt Miss Saigon doch gerade diese Zeit zu Grunde und es lief gute 10 Jahre am Broadway. Oder meinten sie ein Stück das wirklich den Krieg als Hauptthema hat? Denn dann würde auch Ihre Aussage, dass The Producers in einem Land in dem das Regime des dritten Reichs gewütet hat nicht funktionieren wird, ein schwaches Argument für den Flop sein …
Kommentar:
Ich schrieb “Comedy Musical”. MB
C. wrote @ Dezember 31st, 2011 at 15:40
“Nicht in Wien.”
Will nicht mit dir streiten, aber Tatsache ist (ob geplant oder nicht) in jedem TV-Bericht/Zeitungsartikel, den ich im Vorfeld gesehen habe - und ich habe versucht, so viel wie möglich schon vor der Premiere zu sehen, weil ich das Musical wirklich gern mag - immer wieder der Begriff “Hitlermusical”/”Musical über Hitler” kam. Dann hätte man irgendwie vorab die Journalisten dezidiert darauf hinweisen müssen, dies nicht zu erwähnen.
Meine damals 81 Jahre alte Mutter hat sich übrigens köstlich über die “Little old Ladies”-Szene, wie auch “Springtime for Hitler” amüsiert …
Ich finde “Spring Awakening/Frühlings Erwachen” sollte man auch Zechners Großtat zählen.
Nina wrote @ Dezember 31st, 2011 at 11:36
Ich kann mich an die Vermarktung von “The Producers” nicht mehr so genau erinnern, aber in meinem Kopf war da auch immer vom “Hitlermusical” die Rede. Dann wohl eben nicht seitens der Werbespots selbst, sondern durch die Medien, die darüber geschrieben haben. Und die haben das Wort “Hitler” keineswegs gescheut.
Im konkreten Fall wird es also wohl eher das Thema denn der sperrige fremdländische Titel gewesen sein, der die Landbevölkerung abgeschreckt hat. Und wie ich die Österreicher kenne, wohl eher nicht, weil sie sich für ihre Geschichte schämen, sondern weil sie einfach befürchtet haben, die Moralkeule ins Gesicht geschwungen zu kriegen. Oder auch, weil sich einige den Adolf, der doch auch viel Gutes fürs Land getan habe, nicht schlecht reden lassen wollten.
Ich wurde einige Zeit vor der Wien-Premiere im Rahmen einer Dissertation oder Diplomarbeit (so wie immer hab ich natürlich das Endergebnis nie gesehen) mal zu Producers befragt. Ich hab mir mein Word-File aufgehoben. Das hab ich geantwortet:
Finden Sie grundsätzlich Hitler-Parodien komisch?
In einem Land, in dem an die 30 Prozent der Bevölkerung jederzeit von rechtsradikalen politischen Gruppierungen bei Wahlen erreicht werden können? Nein, ich persönlich kann darüber nicht lachen, es langweilt mich eher. Es gibt so viele Themen, über die man gut lachen kann, es wäre besser, man würde hierzuande endlich lernen, wie man dieses Kapitel der Geschichte mit Würde verarbeitet, Stichwort Restitution, Leopold Museum.
Besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr der Verharmlosung der Person Hitlers?
Nein, das wäre eine Verharmlosung der tatsächlichen Verharmlosungen, die wir hier in Österreich sogar bei gewählten Politikern erleben. Zu einer Verharmlosung gehört auch das Moment der Absicht, und das ist bei Mel Brooks‘ Musical nicht gegeben.
Zwei Zitate von Mel Brooks (vgl. Hanser Verlag, Woody Allen. Mel Brooks. (Carl Hanser Verlag München Wien, 1980) S. 161 bzw 166):
»Ich kann alles über jeden sagen. Ich kann jeden Schwarzen, jeden Juden, einfach jeden auslachen.« «Es gibt keine Grenzen für menschliches Denken, also gibt es auch keine Grenzen für Humor.«Wo liegen für Sie die »Grenzen des Guten Geschmacks«?
Das ist eine persönliche Einstellung und die Aussage von Mel Brooks ist ein Marketinggag. Fakt ist, dass man natürlich über jeden alles sagen kann, dass man das aber nicht tun muss und das auch nicht jeder gutheißen wird. Ich persönlich habe kein Problem mit Hitler-Satiren, ich finde sie nicht »empörend«, sondern langweilig. Die Figur Hitler ist für mich uninteressant. Wenn es darum geht, das von ihm repräsentierte Gedankengut zu hinterfragen, dann finde ich das spannend und wichtig. Äußerlichkeiten eines Diktators zu parodieren, kann handwerklich (aus künstlerischer Sicht) gesehen sicher interessant sein, aber das wars dann auch.
Wie gut kennen Sie »The Producers – Frühling für Hitler« (1968), das Musical bzw das Remake des Films »The Producers – Frühling für Hitler« (2005)? Wie stehen Sie dazu?
Ich habe den Film und die Musicalverfilmung von 2005 gesehen und fand den Film von 1968 sehr gut gemacht. Mit der Musicalverfilmung kann ich weniger anfangen. Musikalisch ist das recht altmodisch, spricht mich wenig bis gar nicht an.
»The Producers« in Wien, Zitat von Rüdiger Bering (Vgl. Bering, Rüdiger. Schnellkurs Musical. DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006) »Ob Mel Brooks The Producers je in Deutschland zu sehen sein wird, ist fraglich: Die deutschen Rechteinhaber bezweifeln, dass im Land des Holocaust ein deutsches Musicalpublikum den bisweilen bewusst geschmacklosen jüdischen New Yorker Humor Mel Brooks’ goutieren wird. Herausragend sind Szenen wie ein Ballett von alten Damen mit Gehhilfen oder ein Hitler-Casting, zu dem Dicke und Dünne, Schwarze und Weiße, Männer und Frauen erscheinen, alle mit typischen kleinen Schnauzbart.«
Was geht Ihnen beim Lesen dieses Zitats spontan durch den Kopf?
Der Begriff »Land des Holocaust« ist unangebracht, eine plumpe Etikettierung, zumal im Jahre 2008, die völlig unsachlich in dem Zusammenhang ist und nur verwendet wird, um die These, die folgt zu unterstützen. »Geschmacklos« ist ein dehnbarer Begriff. Geschmackloser als die »Producers« finde ich Hansi Hinterseer, »Ich war noch niemals in New York« und »Deutschland sucht den Superstar«. Bedenklich finde ich es, Mel Brooks indirekt als »geschmacklosen jüdischen New Yorker« darzustellen, eine sehr problematische Formulierung, die man nur toppen kann, wenn man ihm vielleicht auch noch unterstellt, nur Geld damit verdienen zu wollen. Man kann der Meinung sein, dass dieses Musical nicht optimal in die Gegegebenheiten Deutschlands und auch Österreichs passt, ohne dem Macher des Musicals auf so untergriffige und sehr problematische Weise schlechten Humor zu unterstellen.
Die Vereinigten Bühnen Wien machen mit »The Producers – Der Comedy-Hit vom Broadway« (Vgl. http://musicalvienna.at) Werbung. Ist es wirklich »nur« Comedy?
Ein »Comedy«-Musical ist nie nur Comedy. Es ist Liebe, Enttäuschung, Wahnsinn drinnen, es ist mit Sicherheit aber kein Musical über Hitler, und auch als »Hitler«-Musical nicht wirklich etikettierbar. Hinterfragbar ist die Sinnhaftigkeit der Versuche von Seiten der VBW, das Wort »Hitler« in der Werbung ja nicht auftauchen zu lassen. Der Film aus dem Jahre 1967, auf dem alles beruht, hieß nunmal in seiner synchronisierten Version »Frühling für Hitler«. Die Show als »Comedy-Musical« zu bewerben ist so, als würde man eine Ausstellung mit Aquarellen »Aquarelle« benennen. Letztlich ist der Begriff Musical eine Kurzform des Begriffs »Musical Comedy«, aus dem sich das ganze Genre ableiten lässt. Wenn ich schon als Intendant den Mut habe, das Stück zu bringen, dann ziehe ich das durch. Der USP dieses Stückes ist nicht Comedy. Es ist ein Musical, in dem eine Hitler-Parodie vorkommt. Wenn Mel Brooks gut drauf ist am Premierenabend, nimmt er sich nen kleinen schwarzen Kamm und hält ihn sich an die Oberlippe, und genau das Foto wäre dann in jeder Zeitung, weil so könnte man dieses Musical verkaufen. Ob das jemand sehen will, ist eine andere Frage.
Glauben Sie, dass die deutsche Uraufführung von »The Producers« ein Erfolg in Wien wird? Warum? Warum nicht?
Ich persönlich glaube nicht an einen Erfolg, auch wenn die VBW natürlich alles aufbieten, um es zu einem Erfolg zu machen, inklusive einer Castauswahl, die sich vor allem auf renommierte Schauspieler und weniger Musicaldarsteller konzentriert hat, aber: Wer in diesem Land lacht über Hitler? Wer von den Alten, die in Bunker fliehen mussten, ihre Familienmitglieder verloren, deren Freunde vergast wurden. Wer von den Jungen soll darüber lachen, über eine verkorkste Broadway-Show im Stile von «42nd Streetâ€, mit Stepp und altem Broadwayschlurf? Das wird sich erweisen.
Herr Bruny, die Vereinigten Bühnen Wien haben in den letzten Jahren mit Eigenproduktionen für Aufsehen gesorgt (unter Anderem: Elisabeth, Tanz der Vampire, Barbarella, Rebecca). Jetzt steht die deutsche Uraufführung von »The Producers« auf dem Programm. Was sagen Sie zu der Wahl dieses Stückes?
Ich hätte mir zur Eröffnung des Ronacher ein modernes Musical gewünscht, um hier eine Richtung vorzugeben. »The Producers« ist altmodisches Musiktheater, das meiner Meinung nach keine Zukunft hat am Ronacher. Dafür gibt es beispielsweise die Volksoper. Die Vereinigten Bühnen Wien versuchen damit allgemeines Theaterpublikum, auch ältere Publikumsschichten anzusprechen. Ob das gelingt, wird sich weisen.
Welche Auswirkungen kann/wird es Ihrer Meinung nach auf die Musicalstadt Wien haben?
Gar keine. Weder bei einem Erfolg noch einem Misserfolg.
Nicht in Wien. In Wien lautete die Devise: Hitler darf mit keinem Wort erwähnt werden. Der Werbespot bestand aus völlig sinnlosem Gelächter, in der Marketingbesprechung wurde explizit gesagt, dass der begriff Hitler nicht erwähnt werden darf.
Wenn man schon ein solches Musical hier produziert, dann gleich mit Frühling für Hitler im Untertitel. Entweder man hat den Mut, zu provozieren, oder man lässt es.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dieses Thema in Europa für ein Musical ungeeignet ist, dieser Meinung war auch, entgegen Behauptungen der VBW, Gerhard Bronner. Die Amis können darüber leicht ein Comedy-Musical zu diesem Thema machen, über Vietnam dagegen würden sie wohl keines auf die Beine stellen.
Verdrängen-Vergessen-Verarbeiten, die ersten Stufen werden erfolgreich praktiziert, die dritte noch lange nicht.
C. wrote @ Dezember 31st, 2011 at 03:21
Definitv! Sämtliche TV-Beiträge oder Zeitungsartikel gingen in diese Richtung …
Unterstützt von unsäglichen Hörfunkspots und ähnlichem. Und was hat man denn als Key Visual genommen? Franz Liebkind mit Wehrmachtshelm.
Habe ich das jetzt falsch verstanden oder meinst du, dass “Producers” als “Hitlermusical” vermarktet wurde?
C. wrote @ Dezember 31st, 2011 at 02:56
Kann natürlich nicht die ganze Berliner Spielzeit von “The Producers” beurteilen, aber am Abend der Dernià¨re in Berlin war es so, dass man mit Verspätung begann, weil so ein Ansturm auf die Abendkassa war und man jedem die Möglichkeit geben wollte, reinzukommen.
Und bis heute tut’s mir leid, um diese verschenkte Chance dieses - meiner Meinung nach - großartigen Musicals (auch schon als Film), das hierzulande mit einer unglücklichen Marketing-Strategie (”Hitlermusical” … nein, zwei gewiefte Produzenten versuchen ein Flop zu produzieren und tun dies höchst unorthodox) von Anfang an, trotz (wieder meine persönliche Meinung) hervorragender Cast, nicht die verdiente Wertschätzung bekam.
Da haben auch unsere mehrfachen Besuche in Wien und eben Berlin gar nix geholfen!
Ji wrote @ Dezember 31st, 2011 at 02:06
Aber es stimmt, denn man muss leider sagen, dass die sogenannten “Bauern” damals immer “De Produkters” gesagt haben… und viele konnten eben damit nichts anfangen! Also mit dem Titel. Ebenso würden viele mit “WICKED” nichts anfangen! “A grüne Hexn?” ;)
Elisabeth, Tanz der Vampire, Mozart, oder ähnliches ist bekannt…
Wenn ich manch Publikum in Wien oder Deutschland so sehe wunders mich nicht! (FlipFlops, Kurze Hose, offenes Hemd, und und und).
Und in Berlin ist es ja auch gefloppt!;)
C. wrote @ Dezember 31st, 2011 at 00:52
@JS:
Frau Zechner made OUR YEAR mit diesem Ausspruch (wenn ich mich da einfach anhängen dürfte, lieber Martin), dieser Kommentar “at least made my day!”
Die Frage die sich noch stellt, ist “Barbarella” dann auch in die Kategorie “unverständliche englische Titel” einzuordnen?
Und was ist dann eigentlich mit “Fame”, “A Chorus Line”, “Miss Saigon”, “Joseph and the Technicolour Dreamcoat”, “The Sound of Music”, “South Pacific” … alle dem Untergang geweiht?
Wie erklärt sich dann eigentlich der oft zitierte Erfolg von “SISTER ACT”?
JS wrote @ Dezember 30th, 2011 at 21:38
Frau Zechner kommt ja bekanntlich aus der Steiermark. Vielleicht hat sie selber den Titel nicht verstanden. Man weiß es nicht.
Zusammenfassend waren die Wiener zu blöd und die anderen können kein Englisch. Man hat’s halt schwer als Producer.
Elisabeth wrote @ Dezember 30th, 2011 at 21:25
Jetzt wissen wir auch, warum “Wake Up” kein Erfolg war…
Turtle wrote @ Dezember 30th, 2011 at 20:47
Ich hab mir allerdings auch meinen Teil gedacht, als mich meine burgenländische Freundin fragte, ob ich mir die “Produtschers” schon angeschaut habe. **lach**
Madeleine wrote @ Dezember 30th, 2011 at 20:24
@C. ich lache mich gerade zu Tode:-)))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))
@Klaus: ja, anscheinend geht Frau Z. vom Publikum aus den Bundesländern davon aus, die ja hinterm sprichwörtlichen Berg wohnen, dass sie anscheinend kulturell unterbelichtet und/oder der englischen ,Zunge’ nicht mächtig sind; sehr ,interessant’! - Bei derartigen kuriosen Analysen frage ich mich stark, wie sich Frau Z. überhaupt so lange über ,Wasser’ der VBW halten konnte!?!?!?!?!?!?
klaus wrote @ Dezember 30th, 2011 at 17:37
Vor allem die Menschen in den Bundesländern, die wir brauchen, um ein ausgelastetes Jahr zustande zu bringen, konnten mit dem Titel nichts anfangen
–
Eh typisch für die Zechner.
Die in den Bundesländern könnnen kein Englisch:(
Aber hätte es einen deutschen Titel wie “Die Produzenten” gewesen, wäre es genauso gefloppt.
C. wrote @ Dezember 30th, 2011 at 15:14
Das erklärt dann auch die tw. jahrelangen (”Miss”)-Erfolge von “West Side Story”, “Annie get your gun”, “Showboat”, “Singin’ in the Rain”, “Kiss me Kate”, “Cats”, “Jesus Christ Superstar”, “Hair”, “Rocky Horror Show” - name it!”
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