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Klaus Bachler: “Ich mach’ doch nicht ‘Romeo und Julia’ als Eisrevue oder Musical!”

Eine ganze Seite ist in der Kurier-Ausgabe von heute (7. Oktober) einem Interview mit Burgtheater-Direktor Klaus Bachler gewidmet. Eine Seite, die er großteils dafür nützen darf, zu den verheerenden Kritiken der “Romeo und Julia”-Premiere an der Wiener Burg Stellung zu nehmen. In der Online-Ausgabe des Kurier wird man das Interview vergeblich suchen, denn auch der Kurier ist eines jener Medien, die es vorgezogen haben, kulturlos online zu gehen. Im Folgenden Ausschnitte aus dem Interview:

Kurier: Warum ist es passiert?
Bachler: Weil “Romeo und Julia” einzigartig ist. Die Liebesgeschichte der abendländischen Kultur. Jeder, der das sieht, fühlt sich persönlich gemeint. Jeder will seine kleine Liebe im kleinen Leben groß sehen. Und was haben die Menschen im Kopf? Meist nicht Shakespeare, sondern alles von Zeffirelli bis zum Lehrer am Theresianum. Ich finde die Aufführung theatralisch-ästhetisch sehr offen und angreifbar - inhaltlich finde ich sie überhaupt nicht angreifbar. Aber um das zu bemerken, müsste man sich sich wirklich mit dem Stück auseinandersetzen. Wenn ich jetzt lese, diese Aufführung sei ein “Tiefpunkt”, dann muss ich schon sagen: Der Tiefpunkt im Theater ist der Schlafsaal, niemals die Aufregung.

Kurier:
Aber es gibt doch konkrete handwerkliche Einwände gegen diese Aufführung, die Qualität des Schauspiels …
Bachler: Ich finde die Auseinandersetzung damit äußerst oberflächlich. Wenn das Einzige, was man bei Figuren wie Mercutio anzumerken hat, die Nacktheit ist, das Einzige bei Lorenzo, dass der Schauspieler einen deutschen Kritiker attackiert hat, dann ist das einfach flach. Ich lasse jetzt einmal den Kritikern ihre Meinung, die Aufführung sei nicht gut. Ich behaupte aber: Sie ist wichtig!

Kurier: Aber reden wir doch nicht nur von den Kritikern - das Premierempublikum hat sogar schon zur Pause gebuht!
Bachler: Das ist doch in Ordnung! Das ist Reaktion! Wir sind doch kein Dienstleistungsbetrieb! Ich mach’ doch nicht “Romeo und Julia” als Eisrevue oder als Musical! Regisseure und Schauspieler sind Künstler. Sie haben eine Eigenverantwortung und ein Recht auf künstlerische Freiheit, auch gegenüber dem Intendanten. Ich war bei den Proben viel dabei, habe viel gesagt. Bestimmte Dinge haben sich verändert, andere nicht. Man kann mich dafür kritisieren, dass ich Herrn Hartmann engagiere. Aber man kann nicht erwarten, dass ich ihn engagiere, um ihm dann das Stück aus der Hand zu nehmen. Es ist eine Interpretation von “Romeo und Julia”: Dass die jetzt so einen Schmerzensschrei auslöst - so what?

Kurier: Wie läuft “Romeo und Julia” jetzt?
Bachler: Ausverkauft! Eine Vorstellung war die Premiere, mt Pausen-Buhs. Die Schauspieler aber reagieren, entwickeln, eine extreme Vorstellung lebt. Es gab auch eine Aufführung mit jungem Publikum, die haben gejohlt wie im Popkonzert!

2 Kommentare »

  Melodie Milchbaum wrote @ Oktober 13th, 2007 at 16:33

Ich habe mir vergangene Woche dieses Meister-Mist-Werk “Romeo und Julia” anschauen dürfen und bin mehr als entsetzt. Diese Inszenierung ist wie ein Tritt, Mitten in das Gesicht Shakespeares und erfüllt keinerlei Sinnhaftigkeit in seiner Ausführung. Warum man eine so großartige Liebesgeschichte derart zerhackt und nicht einmal schockierend (obwohl auch das ein alter Schuh wäre) langweilige 2 1/2 Stunden auf die Bühne bringen will, bleibt unklar.
Die Hauptdarsteller sind formschwach und nicht sprachgewandt, versprühen eine derart hölzenere Leidenschaft, daß man sie als Zuseher sogar fast von ihrem Leid erlösen möchte. Bei ihrer ersten Begegnung errscheinen Beide, wie zwei gelangweilte, verkiffte Paroli-Rotzen und bereits ab diesem Moment wird einem bewußt, daß ihre “tragische Trennung” weder Spuren noch die leiseste Regung eines Mitgefühls hinterlassen wird. Da bleibt die Frage, ob dies Regie-beabsichtigt oder doch auf die mangelnde Bühnen-Erfahrung zurückzuführen ist. Ein Eisrevue-Paar hätte in dem Fall wahrscheinlich mehr Charme Jugendlichkeit und Spritzigkeit verkörpert. Nackte Geschlechtsteile haben wir bereits ebenfalls alle gesehen oder? Und plötzlich vollkommen unmotiverte Schrei-Ausbrüche stören allenfalls das Trommelfell, als daß sie noch in irgendeiner Form schockieren könnten.

Immerhin eine wunderbare Kirsten Dene, die man bedauerlicherweise wohl quasi dazu vergewaltigt hat, in dieser Inszenierung die Rolle der Amme zu übernehmen bleibt einem am Ende des Abends.
Sie schafft es, im Rahmen der ungeheurlichen Möglichkeiten ihren Charme zu versprühen, sodaß man sich wünscht, sie einmal in einer gelungenen Inszenierung in dieser Rolle zu erleben. Alleine die Wärme ihrer Stimme lässt einen aufatmen und einen Restfunken Schauspielkunst erkennen.

Eine visuelle Umweltverschmutzung in der Kunstwelt. Doch was ist heutzutage schon Kunst.

  Marianne Strobach wrote @ Oktober 8th, 2007 at 18:14

Die letzte Vorstellung, die ich im Burgtheater gesehen hatte, war “Maria Stuart”. Die einzige Schauspielerin, die man in der letzten Reihe verstand, war Elisabeth Orth. Sie hat noch zu sprechen gelernt.
Wenn Klaus Bachler meint, das junge Publikum hätte gejohlt wie im Popkonzert könnte das vieles bedeuten.
Die Jugend hat ja leider nichts besseres zu sehen und hören bekommen seit ca 20 Jahren (sie kennt nichts anderes), als es mit der “Burg” und dem “Burgtheaterdeutsch” stetig bergab ging. Von den Inszenierungen ganz zu schweigen.
Das Publikum, welches noch richtiges Theater - schriftstellergetreu - und mit erstklassig Deutsch sprechenden Schauspielern erleben konnte, stirbt leider langsam aus oder flüchtet nach Reichenau

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