Home RSS Go RED Go BLACK

Konservatorium Wien Privatuniversität: »Casting«

»Casting«, eine Produktion des 4. Jahrgangs der Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater am Konservatorium Wien, könnte zu einem Meilenstein in der Geschichte der Musicaldarsteller-Schmiede werden, ist es doch die erste Show, die an einen Partner, in diesem Fall das »Theater der Jugend«, weiterverkauft werden konnte und daher nicht nur als Bestandteil der Ausbildung, sondern auch als »reguläre« Theaterproduktion (im Wiener Metropol) gegeben wird.

Am Anfang der Entwicklungsphase von »Casting« standen Improvisationen der Studenten – Selbstzweifel, Zukunftsängste, aber dann doch diese enorme Lust zu performen, Träume versus die Realität des Berufslebens als Darsteller: »Was, wenn ich es nicht schaffe? Bei der letzten Audition, da war ich wirklich gut. Ob ich jemals davon leben werde können? Was, wenn ich nach meiner Ausbildung kein Engagement bekomme? Wem möchte ich eigentlich gefallen – dem Publikum? Ich habe Angst zu versagen. Warum die mich nicht genommen haben. Was ist schon Erfolg? Wenn die Konkurrenz bloß nicht so groß wäre. Was, wenn ich irgendwelche Jobs machen muss, nur weil ich nix zu spielen habe? Bin ich deshalb schlecht? Möchte ich MIR gefallen? Und wenn die mich nicht gut finden? Was dann? Ich möchte nur auf der Bühne stehen und performen. Irgendwer wird immer die scheiß Drehung besser können als ich …« Aufbauend auf den gemeinsam geformten Szenen haben Erhard Pauer, Vorstand des Fachs Musikalisches Unterhaltungstheater und Regisseur der Produktion, sowie Michaela Ried (Text) eine »Musikalische Revue« entwickelt, deren Inhalt rasch erzählt ist: Was passiert, wenn 8 junge Künstler (Vincent Bueno, Joachim Feichtinger, Elise Hovdkinn, Jonny Kreuter, Lisa Polacek, Lutz Standop, Tomas Tomke und Gloria Wind) genau 6 Tage Zeit haben, um eine 10-minütige Ensemblenummer einzustudieren? Die Zeit ist verdammt knapp, da sagt auch noch der Choreograph unerwartet ab – ja, was nun? Auf sich allein gestellt, unterstützt nur von einem kauzigen Korrepetitor (ganz wunderbar in dieser Rolle am Klavier Lior Kretzer, gleichzeitig auch für die Musikalische Leitung der Show zuständig) haben nun die Musicalstars in spe alle Fäden selbst in der Hand. Das Publikum wird nicht nur Zeuge der unvermeidlich auftretenden Konflikte und Krisen, der (genüsslich und sehr unterhaltsam gespielten) Ticks und Spleens der Protagonisten, sondern erhält auch einen Begriff davon, was es heißt, künstlerisch zu arbeiten, also eine Ensemblenummer sängerisch und choreographisch einzustudieren.

Die pfiffige Show besticht durch Wortwitz und verdichtet sich in ihren besten Momenten zu einer »Fame«-artigen spannungsgeladenen Stimmung. Dass die Musik, wenn mehr als Klavierbegleitung nötig ist, vom Band kommt, tut dem keinen Abbruch. Blicke hinter die Kulissen sind immer verlockend, das nützen die Macher dieser Show perfekt aus. Die Bühne und der Zuschauersaal werden mit wenig Aufwand und einigen Requisiten sehr clever zur Probebühne und zum Tanzsaal – was man nicht sieht, bleibt der eigenen Phantasie überlassen, und die wird durch den »Soundtrack« der Show geradezu beflügelt: Stephen Sondheim (»Sooner or later«, Dick Tracy), Charles Strouse (»It’s a hard knock life«, Annie), Cy Coleman (»Big Spender«, Sweet Charity; »Du bist nur, weil ich bin«, City of Angels) bis hin zu Sylvester Levay (»A bisserl für’s Herz und für’s Hirn«, Mozart!), Robert Lopez (»I wish I could go back to college«, Avenue Q), Stephen Schwartz (»Popular«, Wicked), Andrew Lloyd Webber (»I believe my heart«, The Woman in White), Andrew Lippa (»Let me drown«, Wild Party), Michael John LaChiusa (»People like us«, Wild Party) und Paul Gordon (»Sirens«, Jane Eyre) liefern das Songmaterial, das den jungen Talenten die Möglichkeit bietet, zu zeigen, was sie an Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung haben. Vincent Bueno ist das Energiebündel dieses Jahrgangs. Seine Mimik und Gestik, seine Bewegungen – immer exakt und voller Spannung. Er ist einer jener Performer, die auf der Bühne »erscheinen« und alle Blicke automatisch auf sich lenken, ein Strahler mit Charisma. Mit Tomas Tomke liefert er sich das mitreißende Gesangsduell »Du bist nur, weil ich bin« aus dem Musical »City of Angels«. Der deutsche Text von Michael Kunze wurde dabei von Tomas Tomke umgetextet. Auch bei »I wish I could go back to College« aus Avenue Q stellt Tomke seine Texterqualität unter Beweis. Insgesamt ein starker Jahrgang, der sich mit dieser Show ausgezeichnet zu präsentieren weiß.

»Look at me«, der Showstopper aus »The Witches of Eastwick” (Dana P. Rowe) wird zum heimlichen Motto des Abends: «Look at me/I am the music/A soaring tune upon the air/ (…) Look at me/I found the power/Look at me, in my life, I found the self esteem”. Mit einem furiosen Finale, das mit einem Broadway-»Best of« von Frank Wildhorn (»Into the fire«, The Scarlet Pimpernel) bis Jonathan Larson (»I’ll cover you«, Rent) und John Kander (»We both reached for the gun«, Chicago) in eine Chorus Line (Marvin Hamlisch, »Let me dance for you«) mündet, soll sich das erfüllen, was eines der heimlichen Ziele dieser Produktion zu sein scheint, denn wie meint Erhard Pauer so schön: »Die jungen Leute sollen erleben, was es neben »Romeo & Julia« noch alles an wunderbaren Musicals gibt.«

»

Ihr Kommentar

Abonniere ohne zu kommentieren

HTML-Tags:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>