Zu Gast bei “Apropos Musik. Das Magazin” war am 7. Dezember 2008 Michael Kunze, Librettist und Songwriter. Was die Moderatorin Irene Suchy mit einer zugegeben recht provokanten Frage entzündete, im Folgenden kurz zitiert:
Irene Suchy: Sie arbeiten jetzt zum ersten Mal an einer Oper. Ist da noch mehr Demut vom Librettisten erfordert, noch mehr Zurückstecken oder Verzicht manchmal, also vom Librettisten. Wenn man mit Turrini gesprochen hat … Ist das stärker … oder wie verändert sich Ihre Arbeit als Librettist an einer Oper nun?
Michael Kunze: Also es ist prinzipiell so, dass ich nicht auf die Knie gehe vor Komponisten. Ich habe mein Leben lang mit Komponisten gearbeitet, und ich kenne sehr gut ihre Begrenzungen. Und ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass der Komponist ein gottbegnadeter Künstler ist, während der Librettist lediglich ein Zuträger ist. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, der Komponist ist jemand, der meine Geschichte illustriert, und ich sehe ihn auch als Illustrator.
Irene Suchy: Jetzt, wir haben schon kurz Geld angeschnitten und Wertschätzung. Die Tantiemenverteilung zwischen Librettist und Komponist oder Librettistin und Komponistin, ist, seit es Tantiemen gibt, also seit Beginn des 20. Jahrhunderts, immer wieder ein Konfliktstoff. Brecht/Weill - Dreigroschenoper - Brecht will 60 Prozent. Wie halten Sie das?
Michael Kunze: Ja, also generell ist es ja so, dass wir hier drei Autoren haben: den Komponisten, den Buchautor und den so genannten Lyricisten oder Liedertexter. Ich bin in meiner Person zwei Autoren, insofern stünden mir an sich zwei Drittel zu, und nach den amerikanischen Musiktheaterregeln wären es auch zwei Drittel, aber aus Kollegialität hab ich immer nur 50:50 vereinbart. Wie kommt man überhaupt dazu, zu glauben, dass der Komponist wichtiger ist bei der Erzählung einer Geschichte? Die Geschichte ist doch das wichtigste. Ich kenne ja die öffentliche Beurteilung, und da ist es nun mal leider so, dass der Komponist als Schöpfer des Werkes gilt. Es ist ein Kindermärchen, dass er das ist. Aber wenn die Leute das glauben wollen, sollen sie es halt glauben. Also das stört mich überhaupt nicht. Meine Eitelkeit ist mir nicht so wichtig wie die Entstehung eines Werkes. Und selbstverständlich gönne ich dem Komponisten die Befriedigung seiner Eitelkeit, aber er hat mit der Schaffung des Werkes nur seinen Anteil, und 50 Prozent ist schon sehr hoch gerechnet.
Weitere Aussagen bezüglich Komponisten
Michael Kunze: Als Librettist nehme ich in Anspruch, dass ich die Charaktere besser kenne als der Komponist, und ich verlange von dem Komponisten, dass er die Charaktere zeichnet, dass er die Geschichte, die ich erzähle, noch einmal musikalisch darstellt.
Michael Kunze: Da nunmal Komponisten die Leute sind, die gerne im Vordergrund stehen und die auch in der ganzen Tradition immer nach vorne gestellt wurden, und oft auch zurecht, muss ich natürlich sagen, selbstverständlich, gibt es da auch sehr oft viele Werke, wo die Kompositionen einfach überdauert haben und die Libretti eben nicht. Aber ich habe ja nur in meinem Leben ja nicht zu tun mit Puccini und Mozart, das muss man auch mal sagen. […] Die Wertschätzung, die die Oper generell oder das Musiktheater generell dem Komponisten widmet, ist ja eigentlich verdient durch die ganz großen Genies. Gut, jedem gegönnt, dass er mit einem Genie zusammenarbeitet, mir ist es noch nicht passiert.