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Musicals sind doof

Das Wiener Karajan-Centrum war am Mittwoch, dem 24. November 2004, Schauplatz einer Diskussion, die sich dem Thema “Musical in Wien - Tanz der Millionen” widmete - eine ziemlich eindeutige Formulierung, die erahnen ließ, wo der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegen würde.
Am Podium: Kammerschauspieler Michael Heltau und Kathrin Zechner, Intendantin der Vereinigten Bühnen Wien, sowie Gert Korentschnig, Kurier-Kulturchef, der sich als “Moderator” versuchte.
Im Publikum: eine Hundertschaft ergrauter Damen und Herren um die 80 und ein paar jüngere interessierte ZuhörerInnen.
Der Doyen des Wiener Burgtheaters machte recht bald klar, warum er bei dieser Diskussion erschienen war: Er war gekommen, um ein schreckliches Verderben noch aufzuhalten, um etwas zu stoppen, etwas zu verhindern: den Umbau des Wiener Ronachers. Tosender Applaus in den vorderen Reihen, ungläubiges Staunen in den hinteren Reihen, besetzt von ein paar jüngeren Menschen, unter anderem Markus Pruehs, die dem Musical ein bisschen mehr als Verachtung entgegenbringen.
Die Verhinderung des Umbaus des Ronachers war aber nicht das einzige Ziel Michael Heltaus, seine ganze, bei vielen Wortmeldungen übertrieben gekünstelt und unecht wirkende Performance war darauf angelegt, nicht nur das Musikgenre Musical in Grund und Boden zu reden, sondern auch das Publikum zu beleidigen. Man müsse schon der Banalität zugeneigt sein, um so etwas wie Musicals zu mögen. Und überhaupt, es seien ja entzückende junge Menschen, die Musicals im Raimundtheater besuchen und mit Bussen kommen, aber Umwegrentabilität (eines der Argumente für das Musical, die in die Diskussion getröpfelt wurden)? Was bringen denn diese Menschen? Ja, die Besucher der Oper, DAS ist doch etwas ganz anderes. Sachliche Argumente, die von Kathrin Zechner viel zu zögerlich eingebracht wurden, zählten bei Heltau nichts. Unter einem Meer von melancholischen Wattebäuschchen ließ der Schauspieler jegliche ernstgemeinte Diskussion buchstäblich ersticken. Einen Tiefpunkt erreichte die Farce, als der Moderator auf Lukas Perman zu sprechen kam, den Hauptdarsteller den Musicals “Romeo & Julia” (Premiere Februar 2005), den er mit den Worten “Lukas Perman( früher Permanschlager) von den Starmaniacs” in das Gespräch einbrachte. Da reichte es auch Markus Spiegel, und mit einem kleinen Tumult endete die Veranstaltung, die gänzlich aus dem Ruder lief, als ein Gemeindepolitiker versuchte, sich durch die feuchten Wattebäuschchen doch noch in das Himmelreich der Argumente zu kämpfen. Keine Chance, das Publikum hatte die Flausen satt, wie recht doch Herr Heltau hat, wer braucht schon dieses laute Gedröse, das sich Musical schimpft, ab an die Garderobe, schnell noch ein Autogramm vom Doyen und nichts wie nach Hause. Der Moderator verabschiedete sich in laute Unaufmerksamkeit.
Diskussionskultur - damit hatte diese Veranstaltung nichts zu tun. Musicals wurden als Kommerz abgetan, der Geld abwerfen muss und keine Subventionen verdiene. Musicaldarsteller wurden als Künstler zweiten Ranges ohne Biographie dargestellt. Ab ins Scheinwerferlicht - Du seist EVITA - und danach? Gelobt seien die Schauspieler, die zuerst eine solide Karriere an einem Theater durchlaufen und danach vielleicht mal eine Hauptrolle bekommen. Das Musicalpublikum schließlich - alles Hohlköpfe - zu doof, um komplexe Opern zu begreifen. … Ab einem gewissen Zeitpunkt hörte man von den hinteren Reihen nur mehr lautes Schnaufen. Ach in einer bessern Welt würden wir doch alle nur in Burg und Oper gehen. Amen!

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