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Patti Labelle live in der Wiener Staatsoper - ein Konzert, zwei Erlebniswelten


Am 1. Juli gastierte Soul-Diva Patti Labelle im Rahmen des Jazzfest Wien in der Wiener Staatsoper und lieferte eines jener seltenen Konzerte ab, die von Anfang an in eine andere Welt entführen. Die Erwartungshaltung war hoch, die Spannung vor dem Konzert spürbar - nichts anderes als DAS Live-Highlight des Jahres haben sich alle Fans der Künstlerin erhofft -, und schon mit dem ersten Ton, den Patti noch offstage in den Saal sandte, löste sich diese aufgeladene Atmosphäre - was dann folgte, war Soul pur, Soul der Extra-Klasse wie ihn nur eine Handvoll KünstlerInnen auf dieser Welt zu leben und vermitteln verstehen. Das haben Kritiker, die dafür eine gewisse Sensibilität aufbringen, verstanden und gefühlt, und so liest sich auch eine Kritik in der PRESSE auszugsweise wie folgt:

Magie und Aura waren eindeutig auf Seiten der Künstlerin aus Philadelphia, die nicht nur nahm, sondern vor allem gab. Etwa eine intensive Version von “If only you knew”, ihres späten ersten Nummer-Eins-Hits (1983), oder eine Duett-Adaption von “On my own”. Dazwischen erzählte sie tragische Episoden ihres Lebens, die sie derart selbst berührten, dass sie immer wieder zu weinen begann, ehe sie sich darauf besann, ihre Gefühle in Gesang zu kanalisieren.
In der Einleitung zu “Not right but real” empfahl sie allen unglücklichen Frauen, aus ihren Partnerschaften zu flüchten; vor dem eleganten Schleicher “Two steps away” erinnerte sie an die Ungewissheiten des Lebens. Ihre ekstatische Adaption des Al-Green-Klassikers “Love and Happiness” ließ die Oper brodeln. Das konnte dann nicht einmal ihr alter Discohit “Lady Marmalade” toppen. Mit einem langen “Over the Rainbow” und einer Gospelversion des “Vaterunser” verabschiedete sich Patti LaBelle, wankte in die Garderobe zurück, mit nichts als Schweiß und Tränen und einem knapp sitzenden Kleid. Keine Frage: ein Star.

Freilich gibt es auch Zeitgenossen unter uns, die Kritiken, so kommt es mir machmal vor, nur deswegen schreiben, um ihre berufliche Pflicht zu erfüllen, die manche Events wahrnehmen müssen, obwohl sie lieber bei irgendeiner Indie-Band abgruften würden, die die Emotionalität eines Soulkonzerts in der Tat nicht erleben wollen, und so liest sich eine Kritik desselben Konzerts von Patti Labelle im STANDARD auszugsweise so:

Nun bleibt es jedem unbenommen, mit den Mitteln des Peinlichkeit gegen die Gesetze des Lebens anzukämpfen. Aber man sollte das dann zumindest im Musikalischen mit ausgewogenen Mitteln tun. Es erwies sich jedoch leider als verhängnisvoll, dass LaBelle die Energie einer Girlband in sich vereint. Natürlich, schön ist die Exaltation. Doch noch schöner, wenn sie mit Pausen versehen wird. In “Lady Marmalade” obwaltete jedoch der Wunsch nach Dauerintensität. Und da sie im Gesanglichen zu grobschlächtigen Mitteln tendiert, führte dies bald zur Überforderung der Lauscher.
So kommt es leider, wie es kommen muss: Wie die Anzahl von Höhepunkten jeglicher Art ab einer gewissen Menge zu Indifferenz führt, so ist man nach Tausend “Yeahs” und “Uhhhhs” an den Grenzen seiner Wahrnehmungsgelüste angelangt. Und verlässt das ehrenwerte Haus mit der Sehnsucht nach hundert Jahren Stille.

Wie schade, dass der Kritiker des STANDARD, in all seiner Hilflosigkeit, der Magie des Abends zu trotzen, sich in so Belanglosigkeiten verliert wie einer Soul-Diva zeilenlang ihr Alter vorzuhalten oder einer anerkannten Sängerin mangelnde stimmliche Mittel zu attestieren. Das ist wahrlich unterstes Niveau, auch sprachlich. Da wenden wir uns doch lieber zum Abschluß der Presseschau der Kritik der TIROLER TAGESZEITUNG zu:

Sie spielte sowohl alte Songs (”Love, Need and Want”, “If you only knew”, “On my Own”), als auch neue (”Two Steps Away”), und sie sang sie nicht nur, sondern gab mit den Liedern alles, was sie hatte, und war ständig in Kontakt mit dem Publikum. Eine Sternstunde, als sie “Lady Marmalade” anstimmte, das sie vermutlich bereits tausende Male gespielt hat. Wie selbstverständlich bat sie das Publikum, mitzusingen, und holte sich zur Verstärkung gleich ein paar Zuschauer auf die Bühne zum gemeinsamen Singen.
Als sie nach der Zugabe (wieder in Schuhen) wirklich ging, sagte sie noch zum Abschied: “Thank you. You save my life”, und man glaubte es ihr, wie auch den persönlichen Talk während des Konzerts mit Schilderungen aus ihrem Leben, der natürlicher Teil der höchst professionellen Show war. Dabei ging es um ihren Abscheu gegen die allgemeine politische Weltlage, die private Beschäftigung mit ihrer Scheidung, den Tod, nachdem sowohl Eltern als auch die Schwester und Künstlerfreunde an Krankheiten gestorben sind. Keine Frage, dass sie ihres kranken Freundes Luther Vandross ebenso gedachte wie des kürzlich verstorbenen Ray Charles.
Diese Show von Patti LaBelle, einer grandiosen Live-Performerin, war eine selten perfekte Synthese von geben und nehmen, sowohl für das äußerst dankbare Publikum, als auch für sie selbst. Hervorragend auch die Band (darunter Derrick Cummings, Kevin Randolph, Grady Harell, Jeffrey Womack).
Hoffentlich muss Wien nicht wieder siebzehn Jahre lang auf ein solches Soul-Ereignis warten!

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