Das Rezept für eine Musical-Erfolgsproduktion ist ganz einfach: Man nehme “Jesus Christ Superstar” … aus, das wars schon. Mehr ist nicht nötig. Wann immer, wo immer - für eine beschränkte Anzahl von Shows ist Andrew Lloyd Webbers Rockoper aus dem Jahre 1971 stets für einen “Ausverkauft”-Rekord gut. Das wissen die Vereinigten Bühnen Wien und auch andere Konzertveranstalter, und das ist auch gut, dass sie es wissen, denn somit kommen Musicalfans nun schon einige Jahre, wenn die Glocken wegfliegen, in den Genuss konzertanter Versionen von “Jesus Christ Superstar”. Die diesjährige Vorstellungsserie ist - ausverkauft.
Von der VBW-Produktion des Vorjahres mit Serkan Kaya (Judas), Drew Sarich (Jesus) und Claudia Stangl (Maria) ist rechtzeitig zur diesjährigen Premiere am 14. April 2006 ein Mitschnitt auf CD erschienen. Eine gute Idee, und auch eine CD-Veröffentlichung der konzertanten “Mozart!”-Version, die vor ein paar Wochen im Raimundtheater zu sehen war, wäre fällig.
“Jesus” 2006 ist, ohne die anderen Produktionen schmälern zu wollen, die mit Abstand überwältigendste Version der Produktionen der letzten Jahre dieser größten Geschichte aller Zeiten. Ja sicher, grundlegend hat sich nun nicht allzu viel an der Inszenierung (Regie: Dennis Kozeluh) und musikalischen Konzeption (Caspar Richter) geändert, und doch, gerade Änderungen in den Details der musikalischen Umsetzung (Musikalische Einstudierung & Leitung: Walter Lochmann) hatten es in sich. Schon bei der Ouvertüre legt der Mann am Schlagzeug (Gerald Kratzer) los, als wäre er Drummer bei der E-Street-Band: hart, treibend, mitreissend - bei weitem härter und treibender als im Vorjahr. Die Darsteller treten aus dem Zuschauerraum kommend auf, Applaus brandet auf, Jesus-Darsteller Rob Fowler kommt von der Seitenbühne - Jesus Christ Superstar, das Leitmotiv. DAS ist ein Intro, wirkungsvoll inszeniert und packend gespielt.
Die nächste Überraschung: Judas. Nicht viele kennen Petr Gazdik, um es mal nonchalant zu formulieren. Die Infos, die man im Internet findet, sind bescheiden. Er entert die Bühne des Raimundtheaters an diesem Abend mit der wilden Ausstrahlung eines Meat Loaf und einer ebenso fesselnden Stimmgewalt, gezügelt und fokussiert nur von seiner klassischen Ausbildung. Gewonnen hat er mit “Heaven on their minds” schon nach ein paar Sekunden. Er donnert den Song mit einer solchen Vehemenz in den Saal des Raimundtheaters, dass einem als Zuschauer die Luft wegbleibt. Seine Bühnenpräsenz ist erstaunlich. Ab da läuft die Show auf Schienen.
Rob Fowler (voriges Jahr als Simon/Annas) hat mit der Rolle des Jesus endlich einen Part in “Jesus Christ Superstar” gefunden, der seiner Stimme Raum gibt zu fliegen - er geht volles Risiko und scheint am Höhepunkt seiner stimmlichen Ausdruckskraft. Gazdik & Fowler fighten sich zwei Stunden lang, unterstützt von einem hervorragenden Ensemble, durch die Songs von Jesus Christ Superstar. Sie schenken sich nichts, beeindrucken mit fast stimmakrobatischer Phrasierung. Caroline Vasicek ist in ihrer Karriere an einem Punkt angelangt, an dem man ihr fast jede Rolle anvertrauen kann. Der Maria Magdalena verleiht sie eine wohltuende Zärtlichkeit, ohne ins zu süßlich Liebliche abzudriften. Reinwald Kranner überzeugt als Simon, Jacqueline Braun als Herodes ist immer wieder ein Vergnügen. Es ist der Abend der großen Stimmen. Walter Lochmann am Dirigentenpult treibt seine Leute zu einer Pump-up-the-Volume-Version des Jesus-Musicals. Andrà© Bauer als Pilatus, Dennis Kozeluh als Kaiphas, Kathleen Bauer und Tina Schöltzke als Soulgirls sowie der sympathische Roman Straka als Petrus begeistern mit ihrer ansteckenden Spielfreude. Ein Volltreffer.
Raimundtheater Wien: “Jesus Christ Superstar” 2006 - ein Abend großer Stimmen
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