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Schubert Theater: »Die letzten 5 Jahre« [2012]

image.jpgSich die Musical-Horizonte eigenständig sozusagen von ganz unten zu erschließen, von eigenen Produktionen auf kleinen Bühnen zu lernen, selbst rauszubekommen, wie man das Geld für eine Musicalproduktion aufstellt, Sponsoren (welche auch immer) findet, mit Verlagen verhandelt, eine Produktion erarbeitet – das ist nicht unbedingt der Regelfall im Leben eines Musicalstudenten. Und so kann man die Produktion von Jason Robert Browns »Die letzten 5 Jahre«, so, wie sie am 3., 4. und 5. Juni im Wiener Schubert Theater zu sehen war, als etwas ganz Besonderes, und sogar ohne Übertreibung Beispielgebendes sehen. Zumindest sollte sie ein Beispiel sein, nicht nur, was die Ambition an sich betrifft, sondern ebenso, wie man mit einem mittlerweile zum Musicalklassiker avancierten Stück auch mit bescheidenen finanziellen Mitteln, aber einem Wahnsinns-Engagement großartige Theatermomente erzeugen kann.

Unter der Regie von Matthias Weißschuh spielten Jil Clesse und Michael Souschek das Liebespaar Cathy Hiatt und Jamie Wellerstein, das sich nach einer fünfjährigen Beziehung getrennt hat. Jamie erzählt seine Version dieser Beziehung von der ersten Verabredung bis zur Trennung, Cathy schildert sie vom Abschied bis zur ersten Verliebtheit. Matthias Weißschuh, Jil Clesse und Michael Souschek studieren derzeit an der Konservatorium Wien Privatuniversität im 2. Studienjahr, Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater.

Jason Robert Brown hat sein Musical für Klavier, Bass, Violine und zwei Celli orchestriert, und genau so wurde es auch im Schubert Theater umgesetzt: Ronald Sedlaczek am Klavier, Sebastian Küberl am Bass, Markus Stinauer an der Gitarre, Hannah Berger an der Violine, Maria Medina Vallà¨s und Ana Flores an den Celli. Man sollte es ja kaum glauben, dass sich eine kleine Produktion dieses Top-Team leisten kann, aber üppigst budgetierte Märchen- und andere -Phantasien ihre Hallen und Open-Air-Phantasmorgien mit Musik vom Band beschallen lassen. Der Unterschied war klar zu hören: Im Schubert Theater konnte man einen in jeder Sekunde spannenden Musicalabend erleben, woanders gibt‘s maximal gebürstetes Entertainment. Ein live aufspielendes Kammerorchester ist natürlich nicht so perfekt wie ein Band, aber so ist auch das Leben, außer im Entertainment.

Jil Clesse und Michael Souschek legten ihre Rollen großteils ohne die bei dieser Show oft gesehenen Extravaganzen und Gefühlsexplosionen an – entweder als bewusste Entscheidung für mehr Natürlichkeit in der Interpretation; oder eben, weil das noch nicht drin ist, was auch nichts machen würde. So verzichtete etwa Souschek großteils beim Song »Das Lied von Schmuel« auf den oft gehörten betont jiddischen Tonfall, gestaltete aber die Parts der »Uhr« in diesem Song sehr unterhaltend. Oft bleibt am Ende der »Letzten 5 Jahre« die Frage, wer denn nun verantwortlich ist für das Scheitern der Beziehung. Es liegt in den meisten Fällen an der Regie, ob man nun als Zuschauer mehr Sympathie für Cathy oder Jamie hegt. Bei dieser Version der Show würde ich mal von einem leichten Sympathiebonus für Cathy ausgehen. Die in der Rolle der Cathy angelegten besonders unguten, aber großartig gespielten Momente kommen bei Jil Clesse doch nicht so wahnsinnig zum Tragen wie jene von Michael Souschek, der etwa bei »Keiner muss das erfahren«, dem für mich stärksten Song des Musicals, gar nicht so stark die im Lied steckende musikalische Kraft herausholt, aber auf eine ganz eigene, zärtliche Art schauspielerisch die Szene zur entscheidenden macht.
Vielleicht, vermutlich, kann man das auch ganz anders sehen. Das ist nicht nur ein Feature dieses Musicals an sich, das ist auch ein Plus der Inszenierung und der Schauspieler. Ein fantastischer Musicalabend.

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