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The Spidey Project: Vergesst den U2-Spinnenmann - Jetzt kommt das echte Spiderman-Musical

Es ist ja wunderbar, mit welch perfiden Publicitystunts die Produzenten des U2-Spinnenmann-Musicals das Aufmerksamkeitslevel der Medien auf Trab halten. Aber sehen wir doch das Ganze mal realistisch: Außer den U2-Fans, den Touristen und all jenen, die auf Unfälle warten, wen interessiert es noch wirklich, ob Julie Taymors Werk nun wirklich auch eine “echte” Premiere auf die Reihe bekommt oder nicht. Die wahren Musicalfans haben sich schon nach den ersten Hörproben verabschiedet … doch es bleibt immer noch die Hoffnung, dass bei der nächstjährigen Grammy-Verleihung das Spinnenmännchen mit dem Preis für die beste Cast-CD ausgezeichnet wird, das hat 2010/1011 ja auch das schwachbrüstige “American Idiot” geschafft.

Man muss das verstehen. In Zeiten, in denen die Fans die aktuellen CDs ihrer Stars lieber für lau aus dem Netz klauen, überlegen sich die, wie sie ihren Fans nicht nur den Preis für ne CD aus der Tasche ziehen können, sondern noch mehr, und ein “Broadway-Musical”, das ist eine feine Sache. Dass damit das wahre Musicalgenre schön langsam zu Grabe getragen wird, was solls. Auch hierzulande machen sich die Musicalproduzenten ja tagtäglich lächerlich. Es beginnt schon bei Kleinigkeiten wie den Outfits der Platzanweiser. Kürzlich stand in einem der netten Fanforen (siehe –> hier) zu lesen:

Würde ich ins Burgtheater gehen, um dort Richard III. zu sehen, fände ich es auch deplaziert, wenn mir die Platzanweise mit künstlichem Buckel entgegenhumpelten. Aber Musical im allgemeinen und TdV im speziellen sehe ich als Unterhaltungstheater.

Weit haben wirs gebracht. Clowns, Artisten und fahrendes Volk, Unterhaltungstheater im Ringelspielsinn, hier die “hohe Kunst”, da die Kunst für die, die nur Zerstreuung suchen. Was für eine Einstellung ist das? Was für eine Definition von “Unterhaltungstheater” mag das sein?

The Spidey Project
Aber zurück zum Spinnenmann. Bevor noch Julie Taymor also ihre echte Premiere in die Gänge bringt (oder auch nicht), wird “Mr. Moran” mit “The Spidey Project: With Great Power Comes Great Responsibility” am 14. März 2011 das erste Spiderman-Musical New Yorks uraufführen. Sein Slogan: “Zero Dollars - 30 Days - The First Spiderman Musical to Officially Open in NYC.”

Stattfinden wird dieses Event in Manhattan im “People Improv Theater”. Morans “Spidey Project” erzählt die Geschichte des Spinnenmanns so, wie es im Marvel-Comic nachzulesen ist: “It’s Peter Parker, in high school at Forest Hills when he gets bitten by the spider and all that good stuff.” Eine Genehmigung von Marvel hat er zwar nicht, aber da er eine Parodie auf die Bühne bringt, nach einem Buch, das er selbst mit Jon Roufaeal geschrieben hat und einem Score, komponiert von Adam Podd und Doug Katsaros, sieht er möglichen Problemem gelassen entgegen. Geplant ist vorläufig nur eine einzige Vorstellung. Doch sollte das Publikum nach mehr verlangen … wer weiß.

Mr. Moran ist kein Unbekannter in der Branche. 2010 gewann er beim Fringe Festival für die Texte zu “Pope! The Musical” einen Excellence Award, und für sein Spidey Project haben sich schon Dutzende Darsteller, Komponisten, Set Designer und andere Interessierte gemeldet. Sein Ziel hat er klar definiert:

Our goal is to do what she [Julie Taymor] should have done in the first place, and that’s just make a really good musical.

Links
- The Spidey Project
- Pope! The Musical
- North Jersey.com: Moran writes and rewrites his way into Fringe Festival
- The New York Times: A Second Spider-Man Musical Swings Into Town

1 Kommentar »

  Dr.Deadsy wrote @ Februar 23rd, 2011 at 22:18

LOL! Vielen Dank für das korrekte Zitat nebst Typo.

Ich glaube, wir werden einfach damit leben müssen, dass wir unterschiedliche Wertungen von “unerträglich” haben. Wie ich in besagtem Forum auch schrieb, stört mich etwa das Outrieren auf der Bühne (im konkreten Fall das des Herbert-Darstellers) wesentlich mehr als die Verkleidung der Platzanweiser.

Und um auf ihre Frage einzugehen: Man kann meine Definition von “Unterhaltungstheater” sehen, wie man will. Ich persönlich sehe nichts Negatives darin, im Gegenteil. Einem Unterhaltungstheater gestehe ich wohl einfach diffusere Abgrenzung zu als dem “Nicht-Unterhaltungstheater”. Da kann der Gag auch mal auf die Fassade des Gebäudes oder der Mitarbeiter übergreifen. Und ja, Clowns, Artisten, fahrendes Volk - warum nicht? Wenn ich in einen Zirkus gehe (was ich übermorgen tatsächlich vorhabe), werde ich mich nicht daran stören, sollte mir auf dem Weg zu meinem Sitzplatz ein Clown entgegenlaufen und mich an der Nase zupfen. Passiert mir dasselbe in der Staatsoper und Dominique Meyer zupft mich, dann werde ich das wohl eher befremdlich finden.

Man mag diese meine Einstellung verquer finden - bitteschön, aber ich fürchte, ich habe sie nun mal. Menschen haben Erwartungshaltungen und Verhaltenscodices. Ob diese gerechtfertigt sind, ist eine andere Frage, man kann sie aber wohl schwerlich verbieten.
Wenn man das Phänomen auf die menschliche Ebene herunterbricht, stellt man fest, dass es da gemeinhin ebenso läuft. Von einem Vorgesetzten erwarte ich mir anderes Verhalten als von einem besten Freund, selbst wenn das Verhältnis zu meinem Chef vielleicht ein sehr gutes ist. Oder man stelle sich vor, ein Politiker gäbe bei einem Interview dieselben Antworten wie ein Kabarettist! Vielleicht wäre das ehrlicher, aber sollte dieser Politiker Außenminister sein, kann das für das Land, das er repräsentiert, mitunter ein diplomatisches Disaster auslösen. Wiewohl ich der Vorstellung dennoch einiges abgewinnen kann… Wäre es nicht schön, wenn Politiker nicht mehr lögen? Und wäre es nicht schön, sähe man in der Staatsoper keine brillantenbehängten Hofratswitwen mehr? Sobald dies eintritt, werde ich meine Erwartungshaltungen gehörig überdenken, das verspreche ich. ;-)

Was ich mit meinem Kommentar allerdings sicher NICHT ausdrücken wollte, ist eine Verurteilung. Ich unterscheide keinesfalls zwischen hochwertiger “herer” Kunst und minderwertiger Unterhaltungskunst. Meine Trennung erfolgt wertfrei.

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