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TheaterArche / Wie geht es weiter / offener Brief

Sehr geehrtes Kuratorium der Stadt Wien,
sehr geehrte Kulturjournalist*innen!

Wir möchten uns in diesem offenen Brief an Sie und die kulturinteressierte Öffentlichkeit wenden und uns bei Ihnen bedanken!
Unser Eröffnungsjahr 2019 war ein intensives, geprägt von vielen für die Öffentlichkeit mehr oder weniger wahrnehmbaren Hürden und vor allem auch von schönen, mit einer Nestroypreisnominierung und zahlreichem Publikumszuspruch, auch erfolgreichen Momenten.

Heute ist der 15. Februar 2020. Es ist der Stichtag für die Projekteinreichungen bei der Stadt Wien.
Aufgrund der Tatsache, dass die TheaterArche noch kein einziges neues Projekt durch die Kurator*innen der Stadt Wien gefördert bekommen hat (die letzte Absage ist im Anhang und kam auf den Tag genau ein Jahr nach unserer Eröffnung), habe ich beschlossen Heute zum ersten Mal seit Jahren nicht für eine Förderung einzureichen.
Die Gründe der Nichtförderung des Kuratoriums sind sicher vielfältig, ein Grund ist auf jeden Fall augenscheinlich: Die mangelnde finanzielle Ausstattung dieses Gremiums ermöglicht es nicht, uns in einem Maße zu fördern, das unsere Projekte dann auch den Fair Pay Kriterien entsprechen würden.
Der Verein TheaterArche hat im Jahr 2019 ehrenamtliche - also unbezahlte – Arbeit in der Höhe von knapp 450.000 Euro (in Worten: vierhundertfünfzigtausend) geleistet. Dieser Aufwand kann mit der budgetären Ausstattung des Kuratoriums nicht abgegolten werden. Das Kuratorium fördert auch kein einziges anderes Theaterhaus, wir verstehen also vollumfänglich, dass auch die TheaterArche nicht vom Kuratorium gefördert wird. Dennoch haben wir es in den letzten Jahren immer wieder versucht Fördergelder bei diesem Gremium zu beantragen und ich möchte mich sehr herzlich bei Katalin Erdödi, Kolja Burgschuld und Wolfgang Kralicek für die guten Gespräche und für das Interesse an unserer Arbeit bedanken, das sich durch regelmäßige Besuche bei unseren Produktionen manifestiert hat.

Auch bei den zahlreichen Medien, Radiostationen, Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendern, Onlineblogs und vor allem bei den berichtenden Journalist*innen möchte ich mich ganz herzlich für das Interesse im Eröffnungsjahr 2019 bedanken!

Wir sehen auch, dass die aktuellen Kulturpolitikerinnen interessiert sind an unserer Arbeit.
Veronica Kaup-Hasler war ebenso bei uns, wie auch Ulrike Lunacek, die bei ANSTOSS an einem Abend sogar im Rahmen des Stücks mitgewirkt hat.
Die Kulturpolitik scheint in Österreich also in guten, kompetenten und vor allem auch interessierten Händen. Das ist gut und erfreulich und war leider nicht immer so.

Denn es scheint mir, dass einige frühere Entscheidungsträger*innen, Strukturen geschaffen haben, die einer dynamischen Entwicklung der Wiener Kulturlandschaft im Wege stehen.

Bisher wurde uns immer wieder eine direkte Förderung (also eine Förderung ohne Kuratorium und diverse Gremien – so wie die meisten anderen Wiener Theaterhäuser auch gefördert werden) durch die Stadt Wien verweigert, mit dem Argument, sonst müsste man ja anderen was wegnehmen.

Wenn Steuergelder allerdings fix vergeben werden und dadurch manche fix etwas bekommen, andere wiederum fix nichts bekommen, dann geht es nicht um Inhalte und Kreativität, sondern nur darum wer früh genug da war um in dem abgesperrten, begrenzten Gießkannenareal sein Wasser abzubekommen, die anderen können von draußen zuschauen und verdorren. Und das völlig unabhängig von Qualität, Relevanz und Publikumsinteresse.
Im Rahmen der aktuellen Kulturbudgeterhöhung, möchte ich allerdings an dieser Stelle anerkennen, dass sich die Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler bei der MA 7 für uns eingesetzt hat, dass wir zumindest eine kleine Basisförderung bekommen.
50.000 Euro wurden uns somit für das Jahr 2020 von Herrn Dr. Dressler, dem Theaterreferenten der Stadt Wien, zugesagt.
Es wird also im Jahr 2020 ausreichend Geld da sein um entweder die Hauskosten (Miete, Strom und Gas) zu decken, oder um eine Vollzeitanstellung zu zahlen.

Leider kam diese informelle Förderzusage zu spät um auch beim Bund einzureichen.
Das Subsidiaritätsprinzip hat es uns bisher nicht ermöglicht Anträge beim Bund zu stellen. Für das Jahr 2020 hätten wir unseren Antrag bis Ende Oktober 2019 abschicken müssen, ein Zeitpunkt zu dem keine Basisförderung der Stadt Wien in Sicht war.

Doch unabhängig von dieser Thematik, was passiert eigentlich bei uns laufend im Theater?

Gestern war Valentinstag, es wurde so wie auch Heute das Musical ASPECTS OF LOVE von Andrew Lloyd Webber (österreichische Erstaufführung!) bei uns im Theater gespielt. Gestern haben die Karten 99,- Euro pro Stück gekostet. An den anderen Tagen sind die Kartenpreise bei 75,- Euro.
Das Haus ist bereits an allen Spieltagen ausverkauft.

Das Musical ist eine Gastproduktion, wir selber wollen uns in der TheaterArche keiner Kunstform verschließen und möchten vor allem eins: professionelle Projekte ermöglichen und diesen einen adäquaten Aufführungsort bieten – quer über alle darstellerischen Kunstformen hinweg, ohne Einschränkungen. Die TheaterArche ist ein offener Ort für Künstler*innen aller Sparten.

Bei unseren Eigenproduktionen wiederum haben wir durchaus auch einen experimentellen und zeitkritischen Anspruch, zwei Dinge die sich schwer mit allzu hochpreisigen Eintrittskarten vereinbaren lassen.

Tatsache ist aber, dass wir, um mit unserer Konkurrenz mithalten zu können, perspektivisch gesehen entweder zumindest annähernd gleich hohe Fördergelder brauchen, oder aber die Eintrittspreise so erhöhen müssten, dass es nicht mehr vertretbar wäre und wohl auch das Publikum ausbliebe.

Doch wer ist unsere Konkurrenz und wie hoch sind da die Fördergelder?

Wir sehen uns als eigenständig produzierendes Privattheater mit zahlreichen Gastspielen in Konkurrenz zu Häusern wie der Drachengasse, dem Hamakom und dem Kosmostheater, natürlich ist auch das vom Theaterverein betriebene TAG, allein durch seine geographische Nähe, in unmittelbarer Konkurrenz zu uns. Das sind Theater, die mit 450.000 – 900.000 an öffentlichen Geldern arbeiten. Wir selber haben einen Mindestfinanzierungsbedarf von 450.000 – also in der Höhe unserer 2019 geleisteten ehrenamtlichen Arbeit.

Wir haben uns nun also eine klare Deadline gesetzt, wie lange wir das Theater unter gegebenen, unterfinanzierten Bedingungen, weiter machen werden. Für diesen Zeitraum haben wir auch schon unsere Projekte festgelegt.

Wir möchten Ihnen also hiermit unsere nächsten Eigenproduktionen ans Herz legen und würden uns sehr freuen wenn Sie uns besuchen kommen!

Hier sind unsere nächsten Premieren:

19. März 2020 um 20 Uhr HIKIKOMORI (Regie und Konzept; Jakub Kavin)

21. April 2020 um 19:30 ANSTOSS reloaded (Regie und Konzept: Jakub Kavin - gefördert mit 10.000 Euro Wiederaufnahmeförderung der Stadt Wien)

24. September 2020 um 19:30 DIE SCHAMLOSEN (Regie und Konzept: Nagy Vilmos)

Dann werden wir eine längere Pause mit unseren Eigenproduktionen einlegen.

Am 11. September 2021 wird dann – 20 Jahre nach nine-eleven – ODYSSEEE 2021 Premiere haben.

Die ODYSSEE 2021 wird ein Projekt sein, bei dem wir das ganze Theater (inklusive Backstagebereich) und auch die Münzwardeingasse bespielen werden.

21 Vorstellungen werden zwischen 11. September 2021 und dem 11. November 2021 (dem 200. Geburtstag Dostojewskis) stattfinden.

Die Anzahl der Zuschauerplätze wird mit 75 limitiert sein. Die Karten werden pro Abend 45,- Euro kosten, damit erreichen wir für unsere Eigenproduktionen ein Limit, das wir nicht überschreiten wollen, dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir das Theater voll kriegen. Doch selbst bei vollem Haus wird kein FAIR PAY möglich sein.

Wir haben im Jahr 2019 einen Umsatz von knapp 130.000 Euro gemacht. Das bei 114 gespielten Vorstellungen.

Dies war uns nur deshalb möglich, weil wir praktisch keine Freikarten verteilt haben. Sogar die engsten Familienmitglieder der Schauspieler*innen haben gezahlt, oft sogar zusätzlich einiges gespendet. Auch die oben genannten Politikerinnen haben für sich und die begleitenden Personen Eintritt gezahlt – sogar im Falle der persönlichen Beteiligung im Rahmen des Stücks.

Auch im Rahmen unserer Crowdfundings haben zum Beispiel Politker*innen quer durch alle parlamentarischen Parteien – mit Ausnahme der FPÖ - gespendet. Wir nehmen also für uns in Anspruch, zu behaupten, dass wir mit unserer Arbeit die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten erreichen und über den Tellerrand der Wiener Szene hinweg wirken. Doch wir können so nicht mehr. Es ist uns einfach nicht mehr möglich so hohe Eigenleistungen aufzubringen, gleichzeitig wird das Haus mit weniger Einsatz nicht funktionstüchtig sein.

Entweder wir werden also noch in diesem Jahr eine gesicherte Finanzierung bekommen, die uns ein FAIR PAY ermöglicht, oder aber wir werden mit Ende 2021 unseren Spielbetrieb einstellen. Denn wie heißt es so schön, man soll aufhören wenn es am Schönsten ist – und drei Jahre an einem Ort mit massiver Selbst- und Fremdausbeutung sind genug. Schöner wird’s dann nicht mehr.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie über unsere Projekte und unser Haus weiterhin berichten, wenn Sie uns besuchen kommen, uns kritisieren wo es angebracht ist, und auch loben, wo wir es uns verdienen.

Denn wir freuen uns auf jeden Fall auf die Jahre 2020 und 2021, werden das Theater jeden Tag mit unserer ganzen Kreativität füllen und mit unserer ganzen Hingabe führen. Bitte begleiten Sie uns auf diesem Weg und unterstützen Sie uns mit Ihrer Berichterstattung!

Herzliche Grüße,

Jakub Kavin

www.theaterarche.at

1 Kommentar »

[…] uninteressant. Siehe dazu den offenen Brief von Jakub Kavin, dem Leiter von TheaterArche –> hier. Ebenso wichtig ist es, nicht nur Publikum zu gewinnen, sondern auch zu halten. Das schaffen die […]

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