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Thornton Wilder goes Musical: Vienna Konservatorium spielt “Unsere kleine Stadt”

Foto: Unsere kleine Stadt
Thornton Wilder schrieb sein Drama “Unsere kleine Stadt” 1938 bei Zürich, in Rüschlikon. Bereits im März 1939 erlebte das Stück seine deutschsprachige Erstaufführung in Zürich. Aber erst 1946, nach dem Zweiten Weltkrieg, kam es mit beispiellosem Erfolg auf deutschsprachige Bühnen. 1938 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, wurde “Unsere kleine Stadt” eines der erfolgreichsten Werke im Stückekanon des 20. Jahrhunderts; eine Zeitlang war es allgegenwärtig auf den Spielplänen der Bühnen und auf den Lektüreplänen der Schulen.

“Auf den ersten Blick scheint das Stück eine Art Milieustudie über ein Dorf in New Hampshire zu sein. Genauer betrachtet ist es jedoch eine Meditation über die Schwierigkeit - wie es im Stück heißt -, das Leben zu verstehen, während man lebt.” (Thornton Wilder)

Der Inhalt des Werks ist an und für sich leicht wiederzugeben: Der Alltag der neuenglischen Kleinstadt steht im Zentrum des ersten Aktes, im zweiten sind es Liebe und Ehe der Nachbarskinder Emily Webb und George Gibbs. Der dritte Akt schildert das Begräbnis Emilys; sie ist bei der Geburt ihres zweiten Kindes gestorben. Ihr Jedermann-Schicksal erleben die Menschen als Gegenwart, für Spielleiter und Publikum indes ist das Geschehen bereits Vergangenheit. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Zeitebenen artikuliert sich so ein Gleichnis von der Vergänglichkeit menschlicher Existenz. Der toten Emily ist es vergönnt, einen einzigen Erdentag, ihren zwölften Geburtstag, noch einmal erleben zu dürfen. Danach kehrt sie freiwillig und tief verunsichert von ihrem posthumen Ausflug zu den Toten zurück. Sie hat mitansehen müssen, wie sich ihre Familie im Alltag gleichsam verzettelt hat. Die Menschen haben zwar zufrieden und glücklich, aber blind gelebt; der Einmaligkeit ihrer Existenz sind sie sich nie bewußt geworden. “Begreifen die Menschen jemals das Leben, während sie’s leben - jeden, jeden Augenblick?” fragt Emily. “Nein”, entgegnet der Spielleiter. “Die Heiligen und die Dichter vielleicht - bis zu einem gewissen Grade.”

Als Musicalversion bringt Produzent, Schauspieler, Sänger und Musical-Abteilungsleiter des privaten Vienna Konservatorium Michael Perfler Thornton Wilders Drama vom 25. bis 28. Jänner 2006 auf die Bühne des Wiener Theater Brett. Seine Gedanken über die Bedeutung von Thornton Wilders Werk formuliert er folgendermaßen: “Jede Generation prägt ihre eigenen Werte, ihre eigene Kultur. Wir sollten auch endlich voneinander lernen und uns zuhören, uns respektieren, die Alten von den Jungen und umgekehrt. Vieles, das unter dem Deckmantel der “pädagogischen Maßnahmen”, der Erziehung, der Gesellschaft, der einseitig orientierten Interessensgemeinschaften, als Norm, dargestellt und uns eingeimpft wird, ist Ursache dafür, dass wir zumeist noch den Rest unseres Lebens daran leiden, oder zumindest lange Zeit nachdem unsere Kindheit plötzlich vorbei ist. Einen Ausweg müssen wir selber finden. Doch liegt gerade unsere ganze Hoffnung bei der Jugend, der nächsten Generation. Sie hat die beste Chance zu leben verdient! Vielleicht gelingt es gerade der Unvoreingenommenheit, dem Idealismus und der Spontaneität der Jugend, den rücksichtslosen, wirtschaftlichen Bestrebungen der Gesellschaft und dem abgeklärten Denken der Erwachsenen die Augen zu öffnen, um gemeinsam daran zu glauben, was für die reale Welt keinen berechenbaren Faktor darstellt; Träume, Liebe, glücklich sein.”

Regie bei dieser Produktion führt Dunja Tot. Wie ist sie an die Realisierung des “Musicals” herangegangen: “Das Drama ist 1938 erschienen, in einer Zeit, als in Europa schon der Krieg tobte, in Amerika aber noch die Illusion der “heilen, unantastbaren, unveränderlichen Welt” herrschte. Alte Werte versuchte man zu behalten, trotz der Warnung von außen. Nach kurzer Zeit, als Amerika an dem Krieg teilnahm und junge Menschen in dem Krieg Leben verloren haben, war diese Welt zu Ende. Nach dem Krieg, in den 50-er Jahren, in der Zeit des Wiederaufbaus Europas und des wirtschaftlichen Aufschwungs Amerikas, hat man in den USA versucht, alte Werte wieder zu beleben und zu erhalten. Man hat versucht, jungen Menschen die Illusion einer geschützten, ewigen Ordnung zu vermitteln, wo Gott, Fleiß und Familie im Alltag die wichtigste Rolle spielten. Doch die Veränderungen sind schon spürbar, besonders in der Musik. Neue Generationen verlangen nach anderen Rhythmen, nach anderen Werten, sie sehnen sich nach einer anderen Welt. Das war der Grund, warum ich mich entschlossen habe, das Stück in die 50-er- und Anfang der 60-er Jahre zu versetzen und als Musical, mit der Musik aus dieser Zeit, zu inszenieren. Weil gerade diese Epoche anfängt, die Fragen zu stellen und für die Ideen zu kämpfen, die uns noch heute beschäftigen.”

Thorsten Kugler, einer der Darsteller des Vienna Konservatoriums, über die Songs des vermusicalten Dramas: “Das Stück ist gespickt mit Musik-Stücken aus den 50-er, 60-er und 70-er Jahren, z. B. “Lolipop”, “Blue Velvet”, “Somewhere over the rainbow”.

Auch abseits der großen Musicalbühnen ist viel los. Reinzuschauen lohnt sich. Viel Spaß dabei!

Thornton Wilder: “Unsere kleine Stadt” / Theater Brett, 25.-28. Jänner 2006 um 20.00 Uhr, Preis: Euro 16,-/12,- / 29. Jänner 2006: Arbeitsgespräch über das Stück mit Publikum, Darstellern, Regie, usw. Preis: Euro 3,50 / Karten: Theater Brett, 6., Münzwardeingasse 2, Tel. 587 06 63, Fax. 586 91 55, theaterbrett@EUnet.at, http://www.theaterbrett.at

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