Intendant:innen setzen Zeichen. Mit ihrem Spielplan. Auch. Aber nicht nur. Erinnern wir uns an die Musicalgala 2021 »We are Musical« im Raimund Theater. Ja, die, bei der sich sämtliche Musicaldarsteller:innen bei der lächerlichen so called Operettenparodie zum Affen machten. Bei der der Intendant mit einem gefühlt halben Meter dicken Spickzettelpack die Bühne betapselte und vorzulesen begann. Fragen drängten sich auf. Warum hat er alle Zettel mit? Warum so viele? Kann er nicht pro Ansage ein paar mitnehmen? Oder doch: Was, wenn er eigentlich Brillenträger ist und die Zettel gar nicht ablesen kann? Wenn er sie nur als Stütze dabei hat? Mit seiner Spielplangestaltung gibt Struppeck keine Rätsel auf. Kein Risiko. Und wenn, dann minimieren. Lieber ein Falco-Jukebox-Musical als ein originäres Skript. Aber ist doch originär. Okay. Nach Struppeck-Maßstäben. || Noch dazu, wenn man nicht alle Lorbeeren dafür einheimsen kann, weil: Idee von jemand anderen. Buch von jemand anderen. || Das wäre dann vielleicht einmal nicht bieder? Oder in anderen Worten »was originally developed by Vereinigte Bühnen Wien Gmbh (VBW) in Vienna »Franz Patay, CEO and Christian Struppeck, Artistic Director Musical« with music by George Fenton, book by Christopher Hampton and lyrics by Don Black«. 2015 schon war das Projekt auf Schiene. »Der dritte Mann«. Damals: Studiocanal: »Es freut uns sehr, mit den Vereinigten Bühnen Wien ein so herausragendes und renommiertes Wiener Kultur- und Theaterunternehmen als Partner gefunden zu haben, um diese großartige in Wien spielende Handlung auf die Bühne zu bringen. Nichts wäre passender, als ein solches Musical am Originalschauplatz zur Uraufführung zu bringen.« Jetzt passt London doch besser. Irgendwann muss man eben aufgeben und eingestehen, dass man es nicht schafft. || Wenn es so ist. || Der Fehler in der Intendanz Struppeck liegt beim Aushandler des Vertrags. Man hätte ihm dezidiert verbieten müssen, selbst Musicals als Intendant zu »schreiben«. So wird nach wie vor mediokrer Ware der Vorzug gegeben. Immer wieder. Bis endlich neue Zeiten anbrechen.
Womit wir bei der Volksoper sind. Lotte de Beer setzt mit dem Musical »tick, tick… Boom!« ein Zeichen für neue Zeiten. Okay, vielleicht hat sie einfach erkannt, dass sie neue Produktionen im Musicalbereich braucht, weil da auch Zuschauer ins Haus kommen. Und vielleicht hat sie ja von »tick, tick… Boom!« nur Netflix-Wissen. Wie sonst kommt sie auf die Idee, zu schreiben: »… und die Netflix-Generation darf gespannt auf die Premiere von Jonathan Larsons Musical ›tick, tick… BOOM!‹ sein«? Die Show ist 22 Jahre alt, nicht der neueste Shit der Generation Z oder Alpha. Ein Musical, keine Netflix-Serie, wenn auch vernetflixt. Bei Uraufführungen fehlen Verantwortlichen oft die Worte, weil sie keine Ahnung davon haben, wie sie etwas beschreiben sollen, über das noch nichts geschrieben wurde. Manchmal könnte man meinen, der Abstand der Kreativen zu ihrer eigenen Kreativität sei unüberwindbar. Über eine Show von Larson, die man live aufführen möchte, ist ein Netflix-Claim zumindest »originell«. Egal. Lotte de Beer macht etwas. Etwas, was nicht selbstverständlich ist für das Haus und was vermutlich mit der letzten Intendanz unvereinbar gewesen wäre. Und das ist ja schon mal ein Zeichen.
Volksoper 2023/2024
tick, tick… BOOM!
ab 28. Oktober
Musical für drei Personen und Band
Musik, Buch und Gesangstexte von Jonathan Larson
Scriptberatung von David Auburn
Vokal-Arrangements und Orchestrierung von Stephen Oremus
Original Produktion im Juni 2011 off-Broadway von Victoria Leacock, Robyn Goodman,
Dede Harris, Lorie Cowen Levy und Beth Smith
Neue deutsche Fassung der Dialoge von Timothy Roller
Musikalische Leitung: Christian Frank
Regie: Frédéric Buhr
Ausstattung: Agnes Hasun
Dramaturgie: Sylvia Schlacher / Peter te Nuyl
Jon: Jakob Semotan
Susan: Juliette Khalil
Michael: Oliver Liebl
West Side Story
ab 27. Jänner 2024
Nach einer Idee von Jerome Robbins
Buch von Arthur Laurents
Musik von Leonard Bernstein
Gesangstexte von Stephen Sondheim
Deutsche Übersetzung der Dialoge von Marcel Prawy
Musikalische Leitung: Ben Glassberg/
Tobias Wögerer
Regie: Lotte de Beer
Choreographie & Co-Regie: Bryan Arias
Bühnenbild: Christof Hetzer
Kostüme: Jorine van Beek
Dramaturgie: Magdalena Hoisbauer/
Peter te Nuyl
Tony: Anton Zetterholm / Oliver Liebl
Maria: Gemma Nha / Jaye Simmons
Anita: Ana Milva Gomes
Riff: Oliver Liebl / Peter Lesiak
Action: Peter Lesiak
A-Rab: Kevin Perry
Baby John: Liam Solbjerg
Snowboy: David Eisinger
Mouthpiece: Rico Salathe
Graziella: Teresa Jentsch
Velma: Eva Zamostny
Minnie: Ilvy Schultschik
Clarice: Melanie Böhm
Anybodys: Tara Randell
Bernardo: Lionel von Lawrence
Maria: Sophia Burgos
Chino: James Park
Pepe: Malick Afocozi
Indio: Dario Scaturro
Luis: Wei Ken Liao
Anxious: Emilio Moreno Arias
Juano: Jaime Lee Rodney
Rosalia: Sophia Gorgi
Teresita: Roberta Monção
Francisca: Danai Simantri
Estella: Luisa Montero de la Rosa
Marguerita: Elies de Vries
Doc: Axel Herrig
Detective Schrank: Nicolaus Hagg
Glad Hand: Georg Wacks
Jets: Michael Postmann
Jet Girls: Anneke Brunekreeft
Jet Girls: Laura May Croucher
Jet Girls: Josefine Tyler
Jet Girls: Bernadette Leitner
Sharks: William Briscoe-Peake
Shark Girls: Mariana Hidemi
Shark Girls: Maura Oricchio
Weiters:
Aristocats
ab 24. September (im Foyer)
Halbszenische Aufführung
Text und Musik von Richard Sherman, George Bruns, Terry Gilkyson & Al Rinker
Übersetzung der Songtexte von Heinrich Riethmüller und Nicolaus Hagg
Erzählfassung für die Volksoper von Nicolaus Hagg
PS: Eine ganz schlechte Idee der Intendanz ist die Ticketpreiserhöhung. Sie ist massiv und gerade in diesen Zeiten ein schlechtes Zeichen. Rollstuhlplätze von 79 Euro auf 90 Euro erhöhen? Ernsthaft? Für den Musicalbereich im Detail:
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