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VBW/HitSquad Records: A Musical Christmas (2010)

hitsquad-musical-xmas-2.jpgJedes Jahr erscheinen zur schönsten Zeit des Jahres Dutzende CDs, die den Zweck verfolgen, die Menschheit weihnachtlich zu stimmen.

Im kleinen Österreich sind die Vereinigten Bühnen Wien fast schon Big Player auf dem Weihnachtssektor, haben sie doch in den letzten vierzehn Jahren gleich drei Weihnachts-CDs mit heimischen Musicalstars auf den Markt gebracht: “Musical Christmas in Vienna” (1996), “Musical Christmas in Vienna 2004″ (2004) und schließlich 2010: “A Musical Christmas”.

Nun ist es am großen kleinen Markt der Weihnachtslieder so, dass das Angebot an stimmungsvollen Songs nicht unüberschaubar groß ist, aber für zehn oder zwanzig CDs würde es allemal reichen.
Die VBW gehen da allerdings ihren eigenen Weg, und so ist es faszinierend, mitzuerleben, dass wir auf diesen drei verschiedenen CDs durchaus teilweise gleichen Content bekommen. “Winter Wonderland” beispielsweise hörten wir 1996 von Kevin Tarte, 2004 kams instrumental aus den Boxen, 2010 singen es Dennis Kozeluh und Uwe Kröger. “White Christmas” sangen Ethan Freeman und Caroline Vasicek 1996, 2004 gabs das Ganze mit Orchester und Chor, 2010 nehmen sich Uwe Kröger und das Ensemble des Songs an. Auch “Stille Nacht” ist auf allen drei CDs vertreten. “Rudolph The Red Nosed Reindeer” hörten wir 1996 von Viktor Gernot und 2010 singt es das Ensemble, “O du fröhliche” gabs 1996 und 2004 … und so weiter, wir wollens ja nun nicht übertreiben. Man könnte allerdings das Ganze so zusammenfassen, dass die Phantasie bei der Auswahl der Lieder eine begrenzte war, in all den vierzehn Jahren.

“A Musical Christmas” (2010) bringt mit Rasmus Borkowski einen Neuzugang im Solistenteam. Das Potential, weihnachtliche Stimmung zu verbreiten, das hat Borkowski sicherlich. Wie schade, dass man ihm in der Neuausgabe der Weihnachtsshow für zwei Soloauftritte Songs “über()lassen” hat, die schon seit Urzeiten im Programm von “Musical Christmas” sind, und noch dazu so gar nicht maßgeschneidert für den Performer klingen. “Driving Home For Christmas” kann Borkowski natürlich singen, das schafft praktisch jeder, aber passt das Lied perfekt zu einem Dreißigjährigen? War es Dennis Kozeluh dieses Jahr einfach leid, sich dieses ein wenig schwermütige Lied nochmal anzutun? Muss man es gebetsmühlenartig jedes Jahr bringen? Wenn man schon Rasmus Borkowski engagiert, warum gibt man ihm dann keine Songs, die zu ihm passen? Warum muss er dann auch noch das altvaterische “It’s Beginning To Look A Lot Like Christmas” singen, zugegeben, ein Klassiker, den schon Perry Como und Bing Crosby (vor 60 Jahren) gesungen haben, aber auch ein Lied, das wir ebenfalls schon bin zum Erbrechen im Rahmen der “Musical Christmas”-Konzerte mit der ewig gleichen und vor allem öden Pelzkappen-Choreographie erleben mussten, die schon den armen Andrà© Bauer zur Verzweiflung getrieben hat. Was für eine Verschwedung von Talent.

Andererseits ist “A Musical Christmas”, abgesehen von Teilen der Konzeption, rein von der Aufnahme und Interpretation her mehr als gelungen, und manche Songs, auch wenn man sie schon so oft gehört hat, kommen auf der CD zur Show brillant rüber. Sehr berührend Caroline Vasiceks “Who Would Imagine A King”, fast schon ergreifend Dennis Kozeluh mit “Do You Hear What I Hear”, das wunderbar sich sukzessive steigernd arrangiert ist - fast ein wenig unbedeutend setzt es an, und am Ende ist man regelrecht gefangen, großartig - das Highlight der CD.

Souverän Carin FilipcÌŒic und Wietske van Tongeren mit ihren Songs. Tongeren bringt mit dem in holländischer Sprache gesungenen “Koppà¥ngen” ein ganz eigenes Flair, FilipcÌŒic macht das gleiche, indem sie “O Holy Night” auf Französisch singt: “Cantique de Noel”.

Uwe Kröger bringt laut Booklet “My Grown Up Christmas List”, in Wirklichkeit singt er aber seine “Herzwunschliste”, also das Ganze in deutscher Sprache. Wäre im Prinzip egal, wenn die Übersetzung nicht dermaßen übel wäre. So hören wir Passagen wie:

Das Foto ist betagt,
doch ich glaub unverzagt
wie damals ans
Wunschinerfüllunggehen

Ein “betagtes” Foto? Spätestens bei dieser Formulierung ist jeder, der ein Gefühl für die deutsche Sprache hat, aus der Stimmung draußen und müsste laut lachen (und alle, die etwas von Semantik verstehen, wissen, dass “betagt” in Kombination mit “Foto” einfach nicht zu verwenden ist). Das “Wunschinerfüllunggehen”? Unglaublich. Wie simpel und schöner ist da das Original:

Well, I’m all grown up now
And still need help somehow
I’m not a child
But my heart still can dream

Oder, eine andere wunderbare Stelle:

Oft strebst du jahrelang,
das Jackpotknacken an,
doch irgendwann
steht auf dem ersten Rang(?)

Nein, das Jackpotknacken strebt man nicht an, das versucht jeder laufend, wenn er sich ein Scheinchen für die Lottoziehung kauft. Aber vielleicht meint der Übersetzer des Songs ja auch die Mühen, die man auf sich nehmen muss, um zuerst mal das Geld zu verdienen, damit man sich ein Lottoscheinchen kaufen kann. Der zweite Teil des Reims ist akustisch nicht zu verstehen und nicht mal logisch erschließbar. Was steht wo?

Auch hier wieder das wunderbare Original:

So here’s my lifelong wish
My grown up christmas list
Not for myself
But for a world in need

Und noch eine wunderbare Stelle:

Eine Hand in deiner Hand,
ein festes Freundschaftsband,
das Brücken bauen kann.

Metaphern müssen auch Sinn machen, ein Freundschaftsband (und da muss man sich nun als Übersetzer schon entscheiden, ob man einen Metaphernteil bauen will, oder wieder abstrakt werden möchte) baut keine Brücken. All diese Formulierungen und falsch konstruierten Metaphern funktionieren so nicht. (Im Original: No more lives torn apart/That wars would never start/and wars would never start)

Was die Aufnahme dieses Songs betrifft, so klingt die “Herzwunschliste” nach verdammt viel Synthesizer und setzt sich qualitätsmäßig deutlich von allen anderen Songs auf dieser CD ab, in negativem Sinn. Viel besser: Krögers “White Christmas”, aber auch hier: Das gabs schon 2009, also nichts Neues.

Sicher eine gute Idee war es, zumindest ein neues deutschsprachiges Lied ins Programm aufzunehmen. “Christkind versus Weihnachtsmann”, komponiert von Alexander Wagendristel, getextet von Sigrid Brandstetter, interpretiert von Rasmus Borkowski und Caroline Vasicek. Die jazzige Nummer ist jedoch reimmäßig stellenweise recht platt. Trotzdem, ein bisschen Pepp am Ende des Programms tut der CD sehr gut.

A Musical Christmas
VÖ: 12.11.2010
Label: HitSquad Records

Es singen: Uwe Kröger, Carin FilipcÌŒic, Caroline Vasicek, Wietske van Tongeren, Rasmus Borkowski und Dennis Kozeluh.

Ensemble: Bettina Schurek, Tina Schöltzke, Katrin Mersch, Marion Furtner, Terry Chladt, Philipp Kreinbucher, Robert Weixler und Markus Pol.
Es spielt das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien
Musikalische Leitung & Dirigent: Koen Schoots
Musikalische Einstudierung: Carsten Paap

Tracklist
01. A Christmas Song - Carin Filipcic
02. Driving Home For Christmas - Rasmus Borkowski
03. When Christmas Comes To Town - Wietske van Tongeren & Carin Filipcic
04. My Grown Up Christmas List - Uwe Kröger
05. Winter Wonderland - Dennis Kozeluh & Uwe Kröger
06. Koppà¥ngen - Wietske van Tongeren
07. Who Would Imagine A King - Caroline Vasicek
08. Christmas Medley…Uwe Kröger, Wietske van Tongeren, Dennis Kozeluh, Carin Filipcic, Rasmus Borkowski, Caroline Vasicek, Ensemble (”Let it Snow”, “Rocking Around The Christmas Tree”, “Rudolph The Red Nosed Reindeer”, “Grandma Got Run Over By A Reindeer”)
09. Polarexpress - Dennis Kozeluh, Ensemble
10. White Christmas - Uwe Kröger, Ensemble
11. Do You Hear What I Hear - Dennis Kozeluh mit Ensemble
12. cantique de noel - Carin Filipcic & Wietske van Tongeren
13. It’s Beginning To Look A Lot Like Christmas - Rasmus Borkowski, Ensemble
14. Gabriella’s Song - Carin Filipcic, Ensemble
15. Stille Nacht - Ensemble
16. Christkind versus Weihnachtsmann - Caroline Vasicek & Rasmus Borkowski, Ensemble

2 Kommentare »

  Andreas wrote @ November 16th, 2010 at 08:41

Letztes Jahr wär’s toll gewesen, dieses Jahr brauch’ ich die CD nicht … :-(

  Udo wrote @ November 15th, 2010 at 13:19

Cantique de Noel ist keine Übersetzung von O Holy Night, sonders anders herum. Das Lied wurde 1847 von Adolphe Adam komponiert, auf französisch natürlich.

Wo ist denn “Oh du Fröhliche” auf dieser CD? Wollen wir es mal nicht übertreiben.

Ach, und es gibt tatsächlich auch ein Orchester (Orchester der Vereinigten Bühnen Wien) und ein Dirigent (Koen Schoots), aber das scheint weiter nicht erwähnenswert….


Kommentar

Ich schreibe ja auch nicht von “Übersetzung”, sondern “auf Französisch”.
“O du Fröhliche” gabs 1996 und 2004, wie ich ja geschrieben habe.
Orchester und Dirigent, ja, das habe ich jetzt ergänzt, muss man erwähnen.

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