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Verkaufts mei Gwand, i fohr in Himmel oder die “Elisabeth”-Pseudo-Derniere

Dernieren sind für Theaterfans etwas ganz Besonderes. Das gilt nicht nur für das Musical, sondern auch für das Sprechtheater, für das Theater allgemein. In Dernieren, das ist bekannt, findet man zu einem Großteil Theaterverrückte, die die betreffende Produktion viele Male, oft Hunderte Male, gesehen haben. Es ist ein Abschied, der mit Begeisterung gefeiert wird und immer in Wehmut endet, und ja, geweint wird bei Dernieren nicht selten, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. Es ist zu einem großen Anteil ein Haufen Irrer, der sich noch einmal versammelt, um gemeinsam die Magie zu erleben, ein Haufen Kunst- und Kulturbegeisterter, der noch einmal zur Gefühlskulisse wird, ohne die die Kulissen der Bühne nur ein Haufen Pappmachà© und Metall blieben.
Gelten Premieren oft als Schickimicki-Events, für die man Prominenz braucht, um in die Schlagzeilen zu kommen, ist das bei Dernieren nicht wirklich der Fall. Hier ist alles gelaufen; sicher, Artikel in der Presse sind immer von Vorteil, aber Kartenvorverkauf muss keiner mehr angekurbelt werden. Namen von Promis sind nicht mehr nötig, um in irgendwelchen Klatschkolumnen Erwähnung zu finden. Es ist ein Abschiedsfest, bei dem man gemeinsam einer doch schönen Zeit “gedenkt”.
Anders im Fall von “Elisabeth”. Hier legt der Veranstalter scheinbar Wert darauf, zur Derniere am 4. Dezember 2005 Prominenz ins Theater an der Wien zu laden und, so vermutet man, große Kartenkontingente en gros & exklusiv zu verkaufen. Der allgemeine Kartenvorverkauf für die letzte Vorstellung von “Elisabeth” wurde nie eröffnet, die Show wurde vielmehr zur “Geschlossenen Veranstaltung” erklärt. Das kann man ganz nüchtern sehen, und vermutlich hat sich der für diese Entscheidung Verantwortliche etwas dabei gedacht. Vielleicht ist es aus buchhalterischen Gründen und zum Wohle des Geschäftsjahrs nötig, Gewinn zu lukrieren, wo es auch nur möglich ist.
Man kann das Ganze auch ein wenig weniger nüchtern sehen, man kann auch die Meinung vertreten, dass hier den Fans die Derniere geraubt wird. Natürlich ist das mit “Fans” immer so eine Sache. Mal liebt man sie, mal würde man sie am liebsten auf den Mond schießen. So manche Show wurde von allzu mitgerissenen Fans zur Farce zerschrien und zerjubelt, von den Exzessen und Gelagen am Bühnentürl gar nicht zu reden. Aber andererseits: Was wären Musicals ohne die hysterischen, ehthusiasmierten Musicalfans, die auch dann für Stimmung sorgen, wenn der Altersdurchschnitt im Saal bei 66 und das Stimmungsbarometer bei “Gähn” liegt. Natürlich verdient man nicht mit Leuten, die um 2,5 Euro die Stehplätze belagern, aber andererseits, wie ätzend leer ist ein Theater, wenn die “Fans” mal nicht da sind.
Ich muss gestehen, ich habe kein Verständnis für das Phänomen “Dernierenraub”. Ich habe keine Lust, um billige Restkarten zu betteln und dann in der Vorstellung zusehen zu müssen, wie in den ersten Reihen Baumeister einschlafen, Direktoren anderer Theater angewidert die Mundwinkel nach unten verziehen und Starlets sich bei ihren Begleitungen erkundigen, wer denn die arme Frau in Weiß eigentlich sei.
“Elisabeth” wird als das Musical in Wiens Theatergeschichte eingehen, das keine Derniere hatte. Das mag traurig sein, aber vielleicht passt es zur Story, denn auch der Habsburgerin blieb keine Zeit, in Würde Abschied von dieser Welt zu nehmen.

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