Den “Jesus” spielt er seit seinem 17. Lebensjahr, den “Judas” ab und an, mit seiner Interpretation des “Krolock” verhalf er dem Wiener Revival von “Tanz der Vampire” zum Kultstatus, und im Herbst 2011 wird er die Fans von “Sister Act” mit seiner Nummer in der Show sicher wieder begeistern.
Bis dahin escheint Ende August, von MG-Sound produziert, die brandneue Gesamtaufnahme von “Jesus Christ Superstar”, aufgenommen live im Ronacher 2011, und auch an neuen Soloprojekten arbeitet Drew Sarich.
Drew Sarich wollte immer schon Schauspieler werden, und so nennt er sich auch: Schauspieler. “Musicals sind Theater. Dafür habe ich aber genauso viel Shakespeare, Ibsen, Mamet, O’Neill und Tennessee Williams wie Sondheim, Webber, Rodgers, Hammerstein, Kander und Ebb studiert.” Sein Motto: “Lerne. Überlege. Und dann: Lerne!!”
9 Fragen - beantwortet von Drew Sarich.
1
Martin Bruny: Sie wurden 1975 in St. Louis, Missouri, geboren, “wussten schon mit 6, als Sie Neil Diamonds ,Hot August Night’ hörten, dass Sie kein Anwalt werden wollten, und haben mit 7 angefangen, im Chor zu singen. Mit 11 entdeckten Sie die Gitarre UND das Theater”, wie Sie in einem Interview mit Michael Niavarani erzählt haben.
Gabs Musicalprojekte schon während Ihrer Schulzeit, wenn ja, wann, welche – und welche Rollen haben Sie gesungen, wie waren da Ihre ersten Erfahrungen? Wie sehen Sie das Musicalgenre innerhalb des amerikanischen Schulsystems im Gegensatz zu Europa verankert? Sollte es bei uns mehr Projekte dieser Art geben?
Drew Sarich: Ja! Ich fing schon früh an! Ich glaube, meine erste Musicalrolle war ein Frosch in einem Kirchenmusical über die Plagen Ägyptens! Dann kam Jesus in »Godspell«. Auch in der Kirche. An der Highschool spielte ich den Tony in der »West Side Story«, Charlie Dalrymple in »Brigadoon«, Emile de Becque in »South Pacific«, und sogar einen 50-jährigen Mafia-Hitman in Harold Pinters »The Birthday Party«. Mit 14!
Unser Highschool-System war künstlerisch und kulturell wahnsinnig aktiv! Es gab im Herbst ein Musical und im Frühling ein Schauspiel. Die Theaterkids kamen von jeder Ecke. Sportler, Mauerblümchen, Cheerleader, Goths, Freaks, Smartkids. Es wurde für wichtig gehalten, dass man lernt, sich vor Publikum präsentieren zu können.
Auch die kreative Zusammenarbeit war SEHR wichtig. Kritik zu akzeptieren, Kollegen zu unterstützen, Verantwortung zu übernehmen, das sind unbezahlbare Fähigkeiten. Die wurden durch das Highschool-Theaterprogramm stark gefördert.
Ich weiß nicht, wie das europäische/österreichische System läuft, aber ich hoffe, dass Theater spätestens ab der 2. Klasse Standard ist. Und unter Theater meine ich Schauspiel UND Musical zusammen.
2
Martin Bruny: In Andrew Lloyd Webbers »Jesus Christ Superstar« haben Sie das erste Mal 1998 in New York den »Judas« gesungen. Seit dieser Zeit steht die Show alle paar Jahre auf Ihrem “Spielplan” – mal singen Sie den »Judas«, mal »Jesus«.
- Wo waren für Sie als Darsteller/Sänger bei der aktuellen Jesus-Produktion von Koen Schoots die Unterschiede zu den vorangegangenen Versionen der Vereinigten Bühnen Wien und wie haben Sie die in Ihrer Interpretation beeinflusst?
- Welche “Jesus”-Produktion, in der Sie mitgewirkt haben, hat sich am besten angefühlt, und warum?
Drew Sarich: Ehrlich gesagt, war meine erste “JC Superstar”-Produktion 1993! Da spielte ich Jesus mit 17. Es war für mich der Himmel auf Erden!
Die Arbeit mit Koen war wirklich toll! Wir verstehen uns, weil wir beide Möchtegern-Rocker sind! Ha! Wir sind beide große Fans von dreckiger Musik. Mehr Gitarre!!! Mehr Schlagzeug!! Das war der größte Unterschied zwischen den Versionen von 2011 und 2005. Einfach, dass der Koen frech genug war, zu sagen: »Ich mache es aber so!« Das gefällt mir.
Ich bin glücklich, dass ich so viele unterschiedliche Versionen von “Superstar” gespielt habe! Meinen Lieblingsmoment aller Zeiten hatte ich aber mit Serkan Kaya. Die Verratsszene mit Serkan zu spielen, wird immer ein Highlight in meiner Karriere sein. Es ist selten, dass man so einen Bühnenpartner bekommt. Wir mussten nichts groß planen! Wir wussten, was wir erzählen wollten: Jesus und Judas waren zwei Männer, die eine unerklärliche Beziehung hatten. Wir hatten miteinander eine unausgesprochene männliche Zärtlichkeit, die (finde ich) selten bei dieser Geschichte gesehen wird. Es wäre viel zu einfach, Jesus und Judas als Feinde zu präsentieren.
3
Martin Bruny: »Es gibt zu viele Musicaldarsteller«, meinte unlängst der Regisseur und Schauspieler Holger Hauer. Wie ist Ihre Meinung dazu? Was würden Sie jemandem raten, der gerne Musicaldarsteller werden möchte beziehungsweise am Anfang der Ausbildung steht? Wie schätzen Sie die Ausbildungsmöglichkeiten im deutschsprachigen Raum ein, sollte man ins Ausland gehen?
Drew Sarich: Ich würde ihm raten, sehr genau zu überlegen, was er erreichen möchte. Ich wollte immer Schauspieler werden. So nenne ich mich auch. Musicals sind Theater. Dafür habe ich aber genauso viel Shakespeare, Ibsen, Mamet, O’Neill und Tennessee Williams wie Sondheim, Webber, Rodgers, Hammerstein, Kander und Ebb studiert.
Die Idee ist, eine so runde Ausbildung wie nur möglich zu bekommen. Nicht zu früh an den Job zu denken.
Ich werde von jungen Schülern und Schülerinnen oft gefragt: »Wie erfährt man von Auditions?« »Was muss einer tun, um den Job zu bekommen?«
Ich sag: Lerne. Überlege. Und dann: Lerne!!
4
Martin Bruny: In der Interview-Sendereihe »Inside the Actors Studio« stellt Moderator James Lipton seit 1994 seinen Gästen in einer Art Word-Rap 10 Fragen. Er wiederum hat die Fragen vom französischen Journalisten Bernard Pivot, der sie nach dem »Proust Questionnaire« entwickelte.
Diese Fragen würde ich Ihnen gerne stellen, weil ich sie für sehr interessant halte. Das Ganze auch am liebsten auf Englisch: [Wie beispielsweise Meryl Streep sie beantwortet hat, sieht man –> hier]
a. What is your favorite word?
Yes.
b. What is your least favorite word?
No.
c. What turns you on, excites you inspires you?
Creativity.
d. What turns you off?
Rules in Art.
e. What sound do you love?
Laughter.
f. What sound do you hate?
Breaking glass.
g. What is your favorite curse word?
Bitch.
h. What profession other than yours would you like to attempt, if you could?
Gourmet Cook.
i. What profession would you not like to do?
I already did it. I assembled drug test kits on an assembly line.
j. If heaven exists, what would you like to hear God say when you arrive at the pearly gates?
I’ve been keeping your seat warm, Sir! Can I get you a cold drink?
5
Martin Bruny: Welche 5 LPs/CDs würden sich im “Soundtrack of Your Life” ganz oben finden, also Lieder oder CDs, egal aus welchem Genre, die eine Bedeutung in Ihrem Leben hatten, und welche Bedeutung haben sie?
Drew Sarich:
• The Beatles – «Abbey Road«: Ich habe unbewusst singen gelernt, als ich »Oh! Darling« das erste Mal hörte.
• Neil Diamond – »Hot August Night«: Ich lernte, was es heißt, ein Mann zu sein.
• »American Graffiti« (Original Film Soundtrack): Da entdeckte ich meine Liebe für The Beach Boys, Buddy Holly, Del Shannon und The Platters.
• Guns N’ Roses – »Appetite for Destruction«: Being bad is so good. Ich hatte bei »Rocket Queen« meine sexuelle Erwachung.
• Red Hot Chili Peppers – »Freaky Styley«: »Blackeyed Blonde« hat meine sexuelle Erwachung noch erweitert. Ich entdeckte durch diese Platte James Brown, George Clinton, The Germs, Jimi Hendrix, Jaco Pastorius, Fishbone und andere Wahrscheinlich die zweitwichtigste musikalische Entdeckung meines Lebens.
UND WEIL 5 NIE GENUG SIND!!!!!!
• Jeff Buckley – »Grace«: I learned what it means to be an artist: To share your pain with the world.
6
Martin Bruny: “Tanz der Vampire”, “Unstillbare Gier” - haben Sie die Interpretation/Darstellung (nicht die stimmliche) dieses Songs einfach so angelegt, wie Sie sie gefühlt haben, oder gab es, was die Körperlichkeit betrifft, auch Vorbilder, etwa Steve Barton? Wie entscheiden Sie, wann sie zur Rampe runterlaufen,ist es immer derselbe Moment, oder gibt es Tage, an denen Sie abweichen, was geht in den Momenten, während Sie dieses Lied singen, in Ihnen vor?
Drew Sarich: Ich versuche immer, so einfach wie möglich zu bleiben. Bei so einer Nummer wie “Gier” braucht man wirklich wenig. Das Lied ist gut genug. Ich versuche mich eher auf den Text zu konzentrieren.
Mit dem Runterrennen: Man hatte mir gesagt, ich soll so lange da oben bleiben, wie es geht. Ich erschrecke den Dirigenten liebend gern! Ha!
7
Martin Bruny: Sie haben eine kleine Geschichte von Flops erlebt, mit “Lestat” am Broadway, mit “Barbarella” und “Rudolf” in Wien. Wie motiviert man sich bei solchen Shows, vor eher wenig oder sehr wenigen Leuten zu spielen? Können Sie bei “Rudolf” nachvollziehen, dass in der Kritik mehrfach zu lesen stand, dass das Stück keine Melodie habe? Woran ist »Rudolf« Ihrer Meinung nach gescheitert?
Drew Sarich: Naja, ich habe die Stücke nicht geschrieben. Ich habe nur versucht, das meiste rauszuholen.
»Lestat« und »Rudolf« sind meiner Meinung daran gescheitert, dass die Produzenten viel zu viele Überlegungen dazu angestellt haben, was ein Publikum sehen möchte. Irgendwann hat man vergessen, dass es da eine Geschichte gab, mit der sich ein Publikum identifiziert hat. Sonst gäbe es keine »Vampire Chronicles« oder massenweise Habsburg-Biografien.
Beim »Rudolf« habe ich oft gehört: »Das Publikum will keine Tragödie sehen.« In der Richtung wurden dann sämtliche Entscheidungen getroffen, was die Geschichte angeht. Melodien gab es. Das ist Geschmackssache. »Lestat« und »Rudolf« wurden ausgeleert und verwässert, um ein »Publikum« zu bedienen.
Das Debakel »Barbarella« zu erklären, das würde locker eine Woche dauern! Ha!
Hauptsache ist, dass man durch solche Misserfolge erfährt, dass Theatermacherei und VOR ALLEM Musical kein einfacher Job ist. Man muss wenigstens genau so klug sein wie das Publikum.
8
Martin Bruny: Ist das Autogrammritual am Bühnentürl Teil des Jobs oder eine Selbstverständlichkeit? Haben Sie Erfahrungen machen müssen mit Stalkern?
Drew Sarich: Die Leute am Bühneneingang sind (zum Teil) schon sehr wichtig! Sie geben immer wieder ihr Geld aus, um uns zu sehen. Ich bin gern dabei, um »Hallo« zu sagen und Fotos zu machen. Leute, die anderes behaupten, sollen wirklich überlegen, ob sie nicht für einen Bürojob besser geeignet sind.
Stalker sind eine Gefahr. Es gibt Leute, die zwischen Schauspiel und Realität nicht unterscheiden können. So gern ich mich mit Menschen am Bühneneingang unterhalte, bin ich genauso bereit, mich zu äußern, wenn mir etwas nicht passt. Ich habe zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Solange man nicht direkt in meine Privatsphäre eindringt, rede ich liebend gern mit JEDEM.
9
Martin Bruny: Im Herbst 2011 sind Sie im Ronacher in “Sister Act« zu sehen – an welchen Soloprojekten arbeiten Sie derzeit?
Drew Sarich: Momentan nehme ich meine neue Solo-CD auf. Ich arbeite mit Titus Vadon (Russkaja, Jesus Messerschnitt, International Victim) an einer sehr nackten, intimen Platte. Ich freue mich riesig! Ich konzentriere mich momentan auf das Storytelling.
Zusätzlich habe ich ein neues Programm für mich und das “Dead Poet Quartet” geschrieben. Es heißt »Ugly Nina« und ist eine Mischung von »Das hässliche Entlein« und Tarantinos »Kill Bill« – ein Multimedia-Projekt mit Comicbook-Bildern, theatralischen Aspekten, Rocksongs und klassischen Streicherarrangements. Die Lieder werden bereits vom brillanten Klemens Bittmann für das “Dead Poet Quartet” arrangiert. Ich hoffe, dass wir bis Frühjahr 2012 Investoren finden, damit wir das groß rausbringen können!