Vom 21. bis 24. April 2011 brachten die Vereinigten Bühnen Wien rundumerneuert Andrew Lloyd Webbers Rockoper »Jesus Christ Superstar« zur Aufführung. Nach einigen Jahren Pause, zuletzt war die Show 2007 in einem VBW-Theater zu sehen, spielte man eine halbkonzertante Version im Ronacher.
Eine Gesamtaufnahme dieser Produktion veröffentlicht das Wiener Label HitSquad Records am 19. August 2011 auf einer Doppel-CD. Warum eigentlich? Schließlich gibt es jede Menge von “Jesus”-Aufnahmen, und auch eine Wiener Version, die nur ein paar Jahre alt ist.
Ein Grund ist die großartige Interpretation des “Jesus” von Drew Sarich, ja, aber haben muss man die CD, weil Koen Schoots, der Musikdirektor der VBW und Dirigent sowie musikalische Leiter der Produktion, eine spektakuläre Version auf die Bühne gebracht hat, die bisher noch nie zu hören war, oder, wie in der Juni/Juli/-Ausgabe des Magazin “musicals” nachzulesen ist:
Großartig die neuen Arrangements von Koen Schoots. Der Musikdirektor der VBW fand die vorliegenden Fassungen für Orchester wenig befriedigend. Es gibt eine plakativ und grobschlächtig orchestrierte Fassung für 44 Musiker, mit vielen Instrumenten, die man einfach nicht hört, wenn man das Stück spielt. Und es gibt die Fassung für 11 Musiker, wobei dann die Streicher fehlen, die alleine schon für »John Nineteen Forty-One« ihre Berechtigung haben. Daher hat Schoots eine Fassung für 25 Musiker erstellt. Die Grooves kommen modernisiert, die Keyboard-Sounds moderner, die der Gitarren schmutziger. Harry Peller an der Gitarre kostete diese neuen Möglichkeiten sichtlich aus. Weiters schrieb Schoots »Funk«- Bläser-Einwürfe für »What’s the Buzz« und »Simon Zealotes«. Vieles wurde härter, unerbittlicher gespielt, als man es vielleicht gewohnt ist. Da passte auch Mischa Mangs (Judas) Rockröhre perfekt dazu: ungestümer, weniger Musical, mehr rougher Rock. Das kam der Show sehr zugute. Mang zeigte geniale Phrasierungen, doch der Superstar auf der Bühne war Drew Sarich. Er toppte seine bisherigen Leistungen als »Jesus«. Viel besser, eindringlicher kann man »Gethsemane« nicht mehr singen. In der Version von 2011 ist er eine Naturgewalt, gepeitscht vom Orchester, eine Erscheinung, die mit immenser Bühnenpräsenz und wohlüberlegter Gestik und Mimik, in jeder Sekunde souverän, was den Gesang betrifft, auch Judas zur Nebenfigur macht. Stetes Arbeiten an der Präzision gilt nicht nur für Sarich, sondern auch für das Orchester unter Koen Schoots. Für »Gethsemane« schrieb er in den Übergang der beiden Liedteile ein festgelegtes Gitarren-Delay hinein. Der letzte Akkord (As-Dur) der E-Gitarre im ersten Liedteil wird in dieser neuen Fassung als Echo-Effekt wiederholt. Das Tempo des Delays ist das Tempo des nächsten Teiles. Das Delay (oder auch Echo) ebbt langsam weg, mit der Absicht, dass nach etwa 6 bis7 Echos der nächste Einsatz vom Orchester kommt. Hören kann man das freilich nur, wenn das Publikum zwischen den Teilen ruhig ist. Wurden die beiden Teile von »Gethsemane« bei der Premiere noch durch störenden Applaus unterbrochen, war das in den Folgevorstellungen nicht der Fall, und so konnte man dann tatsächlich ein »Gethsemane« erleben, das auf der einen Seite noch dramatischer war als bisher und doch auch eine neue strahlende, melancholische Gelassenheit hatte, durch neue Synthesizer-Phrasierungen am Beginn des zweiten Liedteils [»Then I was inspired. Now, I’m sad and tired. After all, I’ve tried for three years, seems like ninety. Why then am I scared to finish what I started, What you started - I didn’t start it«]. Das Resultat: eine stärkere Dynamik zwischen der peitschenden Dramatik und dem leisen, fast abgeklärt-heiteren Ton dieser neuen Synthesizer-Passagen.
CD: Jesus Christ Superstar - Gesamtaufnahme Live
VÖ: 19.08.2011
Label: HitSquad Records
Besetzung
Jesus: Drew Sarich
Maria Magdalena: Caroline Vasicek
Judas: Mischa Mang
Herodes: James Sbano
Simon/Annas: Rob Fowler
Pilatus: Alexander di Capri
Petrus: Norbert Kohler
Kaiphas: Dennis Kozeluh
Soulgirl: Cornelia Braun, Melanie Ortner, Marle Martens
Ensemble: Angelina Markiefka, Jennifer Pöll, Barbara Schmid, Dà³ra Strà³bel, Robert D. Marx, Gernot Romic, Sebastian Smulders und Florian Theiler
Musikalische Leitung: Koen Schoots
Orchester: Orchester der Vereinigten Bühnen Wien
EAN: 9120006683258 Catalogue: 668325 Packaging: Doppel-CD