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Auf die “Wiener Zeitung” ist Verlass: Zitat des Tages

Wenn man denkt, tiefer kann es nicht mehr kommen (siehe –> hier), legt die “Wiener Zeitung” noch eins drauf (siehe –> hier):

Musical ist in den USA eine auf Gewinn ausgerichtete Angelegenheit. In Österreich, speziell in Wien, liest sich das so: 2008 blieben die Einnahmen der Vereinigten Bühnen drei Millionen Euro unter den Erwartungen. Für 2009 wird ein Verlust von sechs Millionen Euro prognostiziert. “Rudolf” hat 84,2 Prozent Auslastung und übertrifft mit dieser mageren Ausbeute immer noch “The Producers”, die es auf gerade 73 Prozent brachten – und zwar, wohlgemerkt, auf 73 Prozent der überhaupt angebotenen Plätze. Womit dieser Flop immer noch spielend “Frühlings Erwachen” toppt, das auf 66,4 Prozent kommt. Im Moment subventioniert die Stadt Wien jede gekaufte Karte mit 36,10 Euro.

Was ist da passiert?

Ganz einfach: Das Musical ist tot. Es fehlen die Stücke. Knüller wie “West Side Story”, “Der Mann von la Mancha”, “Kiss me, Kate” oder “My Fair Lady” gibt es heute nicht mehr. Andrew Lloyd Webber war der letzte Musical-Komponist mit Bühnenpranke – und führte das Genre durch Nachahmer, zu denen er auch leider selbst gehörte, in die Abgründe hemmungslosen Kitsches. Die intellektuellen Stücke eines Stephen Sondheim wiederum konnten sich außerhalb der USA nicht so recht behaupten. In Europa setzte man lieber auf die Webber-Klone. Und verlor.

Insoferne ist also der Ronacher- und Raimund-Theater-Intendantin Kathrin Zechner kein Vorwurf zu machen. Sie kann nichts dafür, dass ein Genre abstirbt.

Einen Vorwurf muss man hingegen jenen Wiener Kulturpolitikern machen, die hartnäckig und durch Verluste unbelehrbar an dem Konzept zweier Musical-Theater in Wien festhalten. Selbst wenn Kathrin Zechner nämlich mit neuen Musical-Konzepten kommt: Sie hat keinen neuen Leonard Bernstein, keinen neuen Frederick Loewe. Sie hat nicht einmal einen neuen Webber.

Vielleicht sollte sich die Stadt Wien einmal Gedanken machen, nur noch ein Haus mit Musicals zu bespielen und das andere in ein reines Operettenhaus umzuwidmen. Denn das stünde Wien gut zu Gesicht. Und viel mehr Misserfolg als mit den Musicals kann es auch nicht geben.

Schlimm daran ist die Ahnungslosigkeit und Ignoranz, die hier aus jeder Zeile spricht. Man könnte meine, eine 80-jährige Volksopern-Abonnentin, die nach eine Vorstellung von “Frühlings Erwachen” betäubt von ihren Bühnenplätzen gestolpert ist, wolle nun jedes Musical in Grund und Boden reden, das jünger ist als 40 Jahre. Worauf bezieht sich denn Herr Baumgartner in seinem Artikel? Auf die “West Side Story” (1957), “Kiss me, Kate” (1947), “Der Mann von La Mancha” (1965) und “My Fair Lady” (1956). Und danach gibt es für den Autor nur mehr einen Komponisten mit “Bühnenpranke”: Andrew Lloyd Webber. Interessant. So gesehen dürfte es in den USA seit Jahrzehnten keine nennenswerten Musicals mehr geben.

Das Musical in Wien ist natürlich noch lange nicht am Ende. Es wäre nur dann am Ende, wenn man für das Ronacher kein Bespielungskonzept finden würde, das dieses Haus als MUSICALhaus platziert und nicht als Varieteetempel, in dem man alles spielen kann, was es am Markt gerade billig gibt oder wo ein name-dropping-passender Regisseur/Schauspieler mitwirkt. Dieses Theater wäre dann tot, wenn man es sterben lässt durch überteuerte Eintrittspreise und eine miese Tonanlage. Es wäre dann tot, wenn man hier ausschließlich aufgewärmten Braten serviert, und nicht Top-Musicalproduktionen präsentiert. Einfach mal Caspar Richter fragen. Wieso ist es möglich, in den USA wunderbare konzertante Fassungen von Musicals wie “Finian’s Rainbow” auf die Bühne zu stellen, während man hierzulande vermutlich bald “Elisabeth” als A-Capella-Stück, als Stück nur mit unter 20-Jährigen oder als interaktive Show mit Publikumswettsingen bringt.

Vielleicht sollte sich die “Wiener Zeitung” mal Gedanken machen, sich ernsthaft mit dem Musicalgenre zu beschäftigen und nicht Leute losschreiben lassen, die wie Fleischhauer rüberkommen. Denn das stünde der “Wiener Zeitung” gut zu Gesicht. Und viel schlechtere Auflagezahlen als mit Glossen wie jener kann es dann ja auch nicht geben.

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