Lustige Musicals gehen nicht, das ist der Tenor einer Aussage eines nicht näher bezeichneten Musical-Experten, die das deutsche Online-Magazin “DerWesten.de” in einem Artikel unter dem Titel “Großes Bedauern nach dem Musical-Aus für Essen” zitiert:
»Das war doch abzusehen. Schon vor sechs Monaten kursierten Gerüchte, hieß es: Nach Buddy ist Schluss. « Der Musical-Experte, der dies sagt, kennt die Szene, möchte seinen Namen aber nicht gedruckt sehen; doch los werden will er Einiges.
Falsche Entscheidungen wirft er dem Unterhaltungskonzern vor. Gefragt seien dramatische Stücke, Musicals wie »Elisabeth« und »Das Phantom der Oper«: »Und hier lief eine Unterhaltungs-Pop-Geschichte nach der anderen. In einem solchen Unternehmen muss doch irgendjemand merken, dass Musicals ohne große Handlung nicht funktionieren.« Auch höre heute niemand mehr Neue Deutsche Welle, die Zeiten seien vorbei: »Wer kommt denn auf die Idee, aus dieser Musik ein Musical wie `Ich will Spaß´ zu machen? Warum nicht Schlager? Das hätte vielleicht funktioniert.« In der Tat: »Ich will Spaß!« wurde nach Essen nirgendwo in Deutschland mehr gespielt.
Ist Schlagerschmafu die Alternative, quasi die Kulmination von Musikantenstadl und Carmen Nebel, eine Musikinstallation aus Schlagern mit Versatzstücken aus dem Musicalgenre? Was braucht man außer “Musik”, irgendeiner Musik, noch bei einem Musical? Ein bisserl Tanz, egal was. Ein bisschen halt die typischen Moves von Kim Duddy, das wirkt immer. Eine Handlung eventuell, nicht zu viel, könnte verwirren. Ins Musical gehen doch eh nur Volldillos. Bedienen wir das Klischee, machen wir eine Show für Vollkoffer, sind doch selbst schuld, die deppaten Wiener. “Rudolf” wollen sie nicht, zu fad, “The Producers” fällt durch, zu lustig, “Spring Awakening” kennt niemand, war das überhaupt in Wien? Stopfen wir ein bisschen Sahne zu Balladen, aus denen Pseudobetroffenheit wie warmes Schmalz läuft, umrühren, fertig. Und bitte nicht mehr als sagen wir 90 bis 100 Minuten, das kann ja nur ein Hit werden. Nehmen wir noch ein paar Kinder in die Show und schon haben wir wirklich einen Hit. Mag sein, dass das funktioniert. Hat Frau Intendantin Zechner “Ich war noch niemals in New York” eigentlich schon jemals öffentlich als “Musical” bezeichnet? Nur so eine Frage.
In Essen sitzt der Schock tief. Im Wiener Ronacher noch nicht, da verlangt man an einem Samstag für ein Ticket in der letzten Reihe, am 2. Rang in Reihe 6, also in der allerletzten Reihe des Theaters, ja, wirklich, ganz hinten, wo man alles nur mehr erahnen kann, 63 Euro, kein Scherz! Man spielt “Tanz der Vampire”, ein Selbstläufer. Aber was kommt danach? 63 Euro für die letzte Reihe. Vor ein paar Jahren konnte man über die Aussage “deutsche Verhältnisse in Wien” noch lachen, das ist nun vorbei. Niemandem kann man mehr empfehlen, diese Preise zu bezahlen. Alternativen gibt es genug. Es muss nicht Musical sein. Nicht um jeden Preis, nicht um diesen Preis.
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DerWesten.de: Großes Bedauern nach dem Musical-Aus für Essen
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