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“Fast Sterben in Wien”

Er saß in der U-Bahn. Erdberg — Landstraße — Stephansplatz. Das Bedürfnis, einfach sitzen zu bleiben, das Gefühl, sich nicht bewegen zu können, zu wollen, wuchs. Das Herz pochte, die Augen fixierten die Streckenkarte überhalb der Eingangstür des U-Bahn-Waggons. Leute starrten ihn an, er glotzte kurz zurück, die einzigen Bewegungen, zu denen er fähig war. Was, wenn er einfach sitzen bliebe. Bis Ottakring, und dann? Einfach nie mehr aufstehen, alles hinter sich lassen. Die Vorstellung hatte etwas Tröstliches. Solange man nicht angekommen ist, ist man noch frei. “Volkstheater” - mit einem Ruck stand er auf und steuerte die Rolltreppe Richtung Ring an. Auch in der Straßenbahn kann man ja für immer sitzen bleiben …
[Peter Vaged, “Fast Sterben in Wien”, 2005]

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