Home RSS Go RED Go BLACK

Grimms »Deutsches Wörterbuch« auf 2 CD-ROMs: für Österreicher zum »Wucherpreis«

49,90 Euro, so viel kostet das laut Marcel Reich-Ranicki “allerwichtigste Buch in deutscher Sprache” in digitaler Form in Deutschland, das Deutsche Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm. Das ist der Preis, den der Verlag, Zweitausendeins, festgesetzt hat. In Österreich kostet dasselbe Produkt 68 Euro, also um rund 35 Prozent mehr. Anfragen an den Verlag, warum es eine solch enorme Preisdifferenz für ein und dasselbe Produkt gibt, enden sehr unbefriedigend. In meiner ersten Anfrage erhielt ich zum Beispiel die folgende Auskunft:

Zweitausendeins liefert eigentlich nur direkt an den Kunden und nicht ueber Buchhandlungen. Die Preise bei uns sind sehr knapp kalkuliert um unseren Kunden die niedrigsten Preise offerieren zu koennen. Wenn eine Buchhandlung bei uns bestellt, so koennen wir keine Rabatte gewaehren und die Buchhandlung muss auch noch die Portokosten tragen. Dies fuehrt dann dazu, dass manche Buchhaendler, wenn sie denn bei uns bestellen, den Verkaufspreis unverhaeltnismaessig erhoehen.
Dies sollte aber in Zukunft nicht mehr passieren, da wir seit kurzer Zeit auch mit einem Auslieferdienst fuer Buchhaendler (ÖBZ) in Oesterreich zusammenarbeiten. Somit erhalten die Buchhaendler die Ware weit guenstiger und sind eigentlich auch der Preisbindung fuer Oesterreich unterworfen.
Nichtsdestotrotz scheint mir der Preis von Euro 68 zienlich unproportional erhoeht, auch wenn unsere Versandkosten nach Oesterreich Euro 8,80 betragen.

Nun, ich habe mein Exemplar des »digitalen Grimm« über das ÖBZ bestellt, und angenommen, dieser Auslieferer würde 8,80 Euro auf den Originalpreis von 49,90 draufschlagen, so würden wir bei 58,70 Euro liegen. Freilich gilt der »digitale Grimm« als Bestseller, und kein Kunde würde verstehen, wenn man auf Produkte, die ohnedies nicht extra für Einzelkunden bestellt werden müssen, noch Portokosten draufschlägt … Aber wie auch immer, bei 68 Euro würden wir nicht ankommen. Was das Ganze aber noch abstruser macht, ist der offizielle Eintrag für dieses Produkt im Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB). Da kann man folgendes lesen:

Verlag : ZWEITAUSENDEINS
ISBN : 3-86150-628-9
Einband : CD-ROM
Seiten/Umfang : 14 schwarz-weiß Abbildung(en), mit 1 Begleitb. in Leinen: 131 Seiten, 1 Handb.: 44 Seiten - 24 à— 15,5 cm
Erschienen : 2. Auflage 08.07.2004
Gewicht : 300 g
Preisinfo : 49,90 Eur[D] / 68,00 Eur[A] / 140,00 sFr (unverb. Preisempfehlung

Oha, die 68 Euro sind also kein Produkt des Zufalls, kein Ergebnis eines Buchhändlers, der unverhältnismäßig viel Porto auf seine Produkte draufschlägt, nein nein, der Preis wurde vom Verlag selbst so festgesetzt. In der Regel ist es nämlich so, dass VLB-Einträge IMMER vom Verlag vorgenommen werden, und wieso sollte es in diesem Fall anders sein?
Gänzlich verwirrt richte ich eine neuerliche Anfrage an den Verlag “Zweitausendeins” und bekomme eine noch unverständlichere Antwort, die sich wie folgt liest:

Der Hintergrund ist leicht zu erläutern. Zweitausendeins liefert in Deutschland nicht über den Buchhandel aus, sondern nur über den Versand und die Zweitausendeins-Läden. Wir verzichten also auf buchhändlerische Infrastruktur und müssen sie deshalb auch nicht bezahlen: Unser deutscher Ladenpreis enthält weder Zwischenhändlerrabatte noch Buchhandelsrabatte.
Dafür kann man unsere Produkte auch nicht bequem innerhalb von einem Tag in jeder Buchhandlung bekommen.
Der ganze Service, den der Buchhandel leistet, wird mit den Rabatten finanziert (dazu natürlich auch das Buchhandelsunternehmen: Gehälter, Miete, Betriebskosten).
Wie gesagt: Wir machen da nicht mit, deshalb sind unsere Bücher billiger.
Das ÖBZ ist nicht unsere (!) Auslieferung. Zweitausendeins liefert selbst nicht an den Handel.
Seit ein paar Monaten gibt es eine engagierte Österreicherin, die unsere Bücher auf Ihr Risiko nach Österreich importiert und dort im Buchhandel anbietet. Diese Dame muß rechnen wie jeder andere Verlag auch: Sie muß das ÖBZ bezahlen (Auslieferungskosten), den Buchhändlern Rabatt vom Verkaufspreis geben und auf eigene Kosten reisen und die Bücher als Vertreterin anbieten.
Da wir selbst diese Kosten nicht in unserem Preis drin haben, bekommt sie unsere Bücher nur zu einem Preis, der all diese Kosten nicht deckt. Darum legt unsere Vertragspartnerin für Österreich höhere Preise fest (wir machen das nicht).
Wir haben mit ihr ausgemacht, daß wir Privatkunden von Deutschland aus zu deutschen Preisen beliefern dürfen, österreichische Buchhandlungen werden von ihr zu ihren Preisen beliefert. Beide Preise sind im Verzeichnis lieferbarer Bücher von uns angegeben. Unsere eigenen Euro (D)-Preise sind jederzeit in unserem Katalog und auf unserer Homepage www.Zweitausendeins.de nachzusehen.
Wer also in Österreich in die Buchhandlung geht, zahlt einen höheren Preis, als wenn er bei Zweitausendeins direkt bestellt. Bei niedrigpreisigen Büchern hat er dennoch einen Vorteil, weil der Ladenpreis niedriger als eine Einzelbestellung plus Porto ist. Und er kann sich die Titel gleich in der Buchhandlung anschauen.
Bei teureren Titeln lohnt sich das Nachrechnen und Bestellen in Deutschland.

Fazit: Ob das ÖBZ nun Auslieferer von Zweitausendeins ist, wissen wir nicht. Man scheint sich da selbst bei Zweitausendeins nicht sicher zu sein, vielleicht sollte man auch das ÖBZ bitten, den Eintrag aus der Kundenliste zu löschen. Auf der Strecke bleibt jedenfalls der Konsument, denn wer rechnet schon damit, dass ein und dasselbe Produkt um 35 Prozent teurer als im Ursprungsland verkauft wird.

Update 2012
Mittlerweile ist der »digitale Grimm« völlig gratis im Netz verfügbar –> hier.

»

Ihr Kommentar

Abonniere ohne zu kommentieren

HTML-Tags:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>