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«Ich Tarzan, Du Jane” - Folge 2+3 oder Zur Fratze entstellt - Warum die Sat.1-Dschungelshow floppt

Die Einschaltquoten, das biedere Instrumentarium, mit dem man heutzutage misst, ob im TV ein Format erfolgreich ist oder nicht, sprechen stark dafür, die Sat.1-”Musical-Castingshow” “Ich Tarzan, Du Jane” als Flop zu bezeichnen. Schon werden Durchhalteparolen veröffentlicht wie “Wir ziehen die Show auf alle Fälle durch”. Die Frage ist, wie es so weit kommen konnte.

Die Antwort darauf ist nicht allzu schwer zu finden. Sat.1 hat einen klassischen Bastard in die Welt gesetzt. Nichts gegen Bastarde, das Wort triffts genau. “Ich Tarzan, Du Jane” ist bis dato weder eine “Musical-Castingshow”, noch hat es die Qualitäten einer “normalen” Castingshow.

Warum ist das Sat.1-Format keine “Musical-Castingshow”? Der Fernsehsender hat sich offensichtlich nicht getraut, sich voll und ganz auf Musicals einzulassen. Das, was man als Underscoring bezeichnen könnte, ist Pop und Rock, nicht Musical. Zwischen den Audition-Ausschnitten wird nur selten Musik aus dem Musicalbereich gespielt. Die Kandidaten selbst müssen zu ihren Auditions nicht wirklich Musicalsongs wählen, es darf ruhig auch mal Pop oder Rock sein. Nicht einmal bei der “Gruppenaufgabe” der dritten Folge wurden ausschließlich Musicalsongs eingesetzt. Ja wozu denn auch, schließlich
sagt Phil Collins, der Komponist des Musicals “Tarzan”, man suche ja auch keine Musicalsänger. Vibrato, oh Gott, nur nicht. Ist das alles? Musicalsänger = Vibrato? Sat.1, der Sender, der Definitionen sucht? Wenn geht, dann auch richtige?

Was sucht man also, einen Popsänger ohne Ausbildung, der acht Shows die Woche spielen soll? Wozu lädt man explizit Musicalsänger zu Auditions ein, wenn man eigentlich keine Musicalstimmen hören möchte. Das Schielen auf die Quote angesichts der Eingeladenen hat sich als falsche Strategie erwiesen, denn auch halbwegs etablierte Namen wie Mark Seibert kennt der durchschnittliche Sat.1-Zuschauer mit Sicherheit nicht. Wie auch, wenn nicht einmal die Redaktion der Show den Vornamen Seiberts richtig zu schreiben vermag. Darsteller wie Thomas Hohler erkennt man nur, weil ihre Namen für zwei Sekunden als Insert eingeblendet werden. Weder sieht man ihre Auditions, noch hört man sie einen Ton singen.

“Ich Tarzan, Du Jane” erweist sich immer mehr auch als Bumerang für Musicalstar Pia Douwes und ihre Kollegen in der Jury. Man setzt in der Show vor allem auf Großaufnahmen. Man setzt auf Slow Motion, Verfremdung, man vermisst in dieser Sendung jede Art der Natürlichkeit. So werden Grimassen der Juroren wahlweise eingesetzt, um Geilheit angesichts der Brustwarzen besonders bodygebuildeter Kandidaten lechzartig zu betonen, oder um falsche Töne zu bekritteln. Die Methode erinnert ein wenig an Stefan Raabs Buzzer-”Effektorgel”. Der Pro7-Moderator schneidet für seine Sendungen besonders witzige Clips zusammen und spielt sie dann per Knopfdruck immer wieder zur Gaudi des Publikums an passender und unpassender Stelle ein. Genau so völlig entmenschlicht werden hier die Grimassen der Juroren eingesetzt, wie Comics, entseelt, grell, zusammenhanglos. Das ist eine Strategie, die man bei DSDS und Dieter Bohlen meisterhaft verwendet, wohlgemerkt ist Dieter Bohlen aber längst zur kunstvoll gestalteten lebenden Comicfigur mutiert, man schätzt die Kaltschnäuzigkeit und den hohen Unterhaltungsfaktor. Bei den Grimassen Pia Douwes’ angesichts der Oberkörper von Auditionkandiaten kommt das schlecht rüber. Die betreffenden Szenen erinnern an billige Fleischbeschau. Generell ist der Schnitt bei der Sat.1-Show extrem schlecht. Es ist vor allem ein Wechsel von der Totalen auf die Großaufnahme ohne Mittelmaß. Ausleuchtung und Maske sind furchterregend, die Kandidaten wirken stellenweise entstellt. Das Prinzip kennt man von den Dschungelshows des Senders. Mit Hässlichkeit Quote machen, das übertragen auf Castingshows scheint das Ziel zu sein. In der dritten Folge erreichte diese Tendenz ihren Höhepunkt, als eine Art weiblicher Drill Inspector die Kandidaten so lange quälte, bis sie sich erbrachen. Ist es das, was man sehen will, wenn man sich Castingshows anguckt? Dann dürfen wir uns ja auf die nächste Folge freuen, da steht “Flugtraining” am Programm. Sehen wir dann offene Knochenbrüche, sehen wir endlich “the real deal”: das Erbrochene am Bühnenboden?

Sat.1 greift aber nicht nur beim Schnitt daneben, der Sender trickst auch mit dem Thema an sich. Großspurig spricht man von “Tarzan, dem Broadway-Hit”. Die Fakten sehen anders aus. Tarzan war am Broadway ein Flop (in Holland dagegen ein Erfolg), der frühzeitig abgesetzt wurde. Wenn deutsche Produzenten schon die Tendenz haben, Flops einzukaufen wie “Tarzan” oder “The Lord of the Rings”, sollten sie dann doch wenigstens das Publikum nicht mit gefälschten Erfolgsstories betrügen.

Ein großer Schwachpunkt der Sendung ist die Jury. Da stimmt weder die Chemie, noch sind die Dame und die Herren in der Lage, ihre Entscheidungen zu begründen. Sie speisen die Kandidaten mit einem Stehsatz ab, der immer der gleiche ist: Es wäre für uns ein Risiko, dich in die nächste Runde zu nehmen. Man fragt sich, ob sich der dafür verantwortliche Redakteur überlegt hat, wie sinnleer diese Phrase ist. Risiko? Von welchem Risiko sprechen wir? Wenn jemand schlecht singt in der zweiten Runde, dann mag er eben dann ausscheiden. Wo ist das Risiko?

Genug, freuen wir uns auf die nächste Gymnastikstunde, vielleicht wird ja auch mal zwischendurch gesungen.

5 Kommentare »

  sammy wrote @ Juni 24th, 2009 at 18:16

aaaalsoooo…ich finde ja, dass “ich tarzan - du jane” wirklich nicht so ein flop war, wie hier oben im text geschrieben.
ich finde, dass der text doch etwas hart geschrieben ist und dass man sich so einiges stecken lassen hätte können.
ich fand das casting interessant und Pia Douwes´Gesichtsausdrücke lange nicht mit Dieter Bohlens schwachsinnigem Gerede zu vergleichen!
im muscal tanrzan kommt es eben ein wenig, nun ja, komisch, wenn da ne musicalsängerin wie anna-maria Kaufmann als jane auftritt, weil ihre stimme nicht zu so einer rolle passt!!!
man sucht nach etwas, dass zu phill collins liedern passt!!!
und in der sendung wollte man, denke ich, auch zeigen, wie hart musicalstars trainieren müssen, was man alles können muss, wie diszipliniert man doch sein muss. und man möchte zeigen, dass musical nicht immer “Vibrato a´la Oper” bedeutet. man mmöchte zeigen, dass sich viele unter musical etwas ganz anderes vorstellen und ich finde, das ist wirklich gelungen. und jetzt frage ich in die runde, was ist an dsds denn besser???
wo sind alle gewinner der staffeln???wo??? ein, zwei lieder rausgebracht uns schwupps, weg sind sie vom markt´…!!!also, das kann man wirklich nicht vergleichen!!!!

  Thomson wrote @ April 3rd, 2008 at 16:23

IIch denke dass die Musical Show zum Witz geworden ist, weil die Kandidaten zu sehr nach Schauspielern und Tanzen ausgewählt wurden. Mal ehrlich: Haut euch nur eine Stimme der Kandidaten um ? Mich jedenfalls nicht ! Diese Stimmen reichen gerade mal zum rein röhren in die Singstar Konsole. Bei DSDS ist das anders: Nachdem die Kandidaten im “Quotencasting” sich entweder lächerlich und/oder berühmt gemacht haben, wird endlich auf einem etwas höheren Niveau gesendet. Es kommen auch wirklich gute Sänger (Thomas Godoj ist wirklich spitze!) dabei ans Licht außerdem werden die Songs von einer gescheiten Big Band gespielt. Ab hier werden auch die Kommentare von Dieter Bohlen erträglich. In “Ich Tarzan, du Jane” werden hingegen gepanschte und unbekannte Musicalsongs, die nicht soviel GEMA kosten, gespielt. Auserdem kann man diese Show auf keinen Fall Castingshow nennen, denn die Musicaldarsteller müssen im späteren Musical ALLE Songs auf Deutsch singen. Ich habe bisher jed. noch keinen Song auf Deutsch gehört. Habe ich etwa außer »Yoalll beee in mei Haaaart« Gegröle etwas verpasst?

  Regentropfen wrote @ April 2nd, 2008 at 16:09

Schaut euch mal das holländische Format mit Pia an. Musical im TV funktioniert wohl, wenn die Macher sich mal Gedanken machen würden, wie man es geschickt umsetzt. Pia in Holland einfach Mooi.

  Elisabeth wrote @ März 16th, 2008 at 13:22

Es stimmt, dass bei “Musical die Show” leider sehr stark auf die tänzerischen oder schauspielerischen Leistungen der Kandidaten verzichtet wurde. Nichts desto trotz muss ich sagen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass weibliche Musicaldarsteller auf einer Bühne Sit Ups oder Liegestütz machen müssen. Klar ist es in dem Beruf unentbehrlich “fit” zu sein, aber wie schon angesprochen: Fit zu sein bedeutet nicht: “Spring so lang rum bist du kotzen gehst”… Und ich bin sicher dass diese “drill instruction”, diese Art von Castingsituation ausschließlich zur Belustigung des Fernsehpublikums gemacht wurde!
Es wird niemals möglich sein eine authentische Audition für ein Musical als Fernsehshow zu vermarkten, schon allein durch die Tatsache, dass wir im TV eine Mischung aus echten Profis und “ich singe gern unter der Dusche” Kandidaten haben. Das Spektrum reicht von einem Mark Seibert bis zur Zahnarzthelferin. Normalerweise wird ja durch Lebensläufe schon voraussortiert wer überhaupt vorsingen darf. Und wieder wird dem unwissendem Zuschauer ein komplett falsches Bild vom Beruf des Musicaldarstellers vermittelt… SCHADE…

  Goodie wrote @ März 15th, 2008 at 16:30

Die Ausscheidung ist auf alle Fälle härter als bei “Musical-Die Show”. Wenn die Kandidaten diesen Drill bestehen hätten müssen, wäre keiner der 10 in die Sendung gekommen! Vor allem die weiblichen Kandidaten wären alle gescheitert. Aber dann hätte das dünne Püppchen Gudrun frühzeitig erkannt, dass sie diesen Beruf nicht durchsteht. Und auch ein Werner hätte es nie geschafft. Dann wären ernstzunehmende Kandidaten in die Show gekommen und keine Kinder.
Ich finde die Sendung “Ich Tarzan, du Jane” auch nicht besonders, aber das härtere rollenspezifischere Auswahlverfahren ist in Ordnung. Bei “Musical-Die Show” ging es nur ums Singen, ein Starmania mit Musicalsongs. Mehr mussten die Kandidaten nicht können. Die Sat1-Show verlangt den Teilnehmern mehr ab.

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