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Irgendwann reichts dann auch, Herr Jürgens

Er freue sich, einen Beitrag zu leisten, »damit Wien seine Stellung als eine der wesentlichen Musical-Metropolen wieder zurückerobert«, bekräftigte Udo Jürgens. Denn: »Vergessen wir nicht, Wien wurde nicht durch seine Oper berühmt, sondern durch seine Unterhaltungsmusik. Strauß und Lehà¡r. Und genauso wie die New Yorker Oper mit Respekt auf den Broadway blickt, könnten auch die Wiener Opernhäuser etwas vom Musical lernen. Denn man muss ja in der Oper nicht schlafen.«[oe24.at]

Jetzt ist es also passiert, ganz offiziell. Während sich der Autor dieser Zeilen einer schmerzhaften Wurzelkariesbehandlung unterzog und sämtliche Mittel der Schmerzlinderung ablehnte, ging im Wiener Theatercafà© eine nicht minder schmerzhafte Pressekonferenz über die Bühne, mit der Stage Entertainment in Wien Einzug hielt. Die Krise, so liest man immer wieder, mache es notwendig, derartige Schritte zu setzen. Das Einstiegsgeschenk: “Ich war noch niemals in New York”.

VBW-Intendantin Kathrin Zechner meint, die VBW müssten “gefälliger” werden. Interessant. Vorbei also die Zeiten der “Habsburgischen”, der “Weberischen”, aus und vorbei mit all den so scheints “ungefälligen” Projekten der RonacherMobile-Schiene. Gut so, auf der einen Seite, denn was haben diese Produktionen mit dem Musicalgenre zu tun? Warum hat man all die Jahre vergeudet und nicht Stammpublikum gesammelt, das sich nun all die Musicalproduktionen ansehen würde, die die VBW bieten, wenn sie denn welche bieten würden.

Weiß heutzutage noch jemand, wofür die VBW stehen? Kann man sich auf neue, aufregende Produktionen freuen wie in den achtziger Jahren oder den neunziger Jahren? Nein. Mal kommt eine Revue, dann ein schlecht gewählter Import vom Broadway zum Thema Drittes Reich, hierzulande gänzlich ungeeignet für ein Musical, dann baut man eine ungarische Erfolgsproduktion dermaßen ungeschickt rund um einen vermeintlichen Kassenmagneten um, dass sie in Wien floppt.

Ganz ehrlich, in Zeiten der Krise, wen würde es wundern, wenn in nicht allzu entfernter Zeit Stage Entertainment die VBW einfach übernehmen würde. In Zeiten mangelnder Phantasie, in denen die leitenden Figuren der VBW offensichtlich keinen Plan und noch weniger Zeit haben, kann man Stage Entertainment geradezu als Ideensprudel bezeichnen. Ob man Sprudel will, ist eine andere Frage. Aber warum sollte man aus Sicht von Stage Entertainment Wien nicht einfach als zusätzliche Spielstätte neben Hamburg, Stuttgart oder Essen mit einplanen, wo sollte da das Problem liegen. Die Produktionen werden fett beworben und mit Steuergeldern voll ausfinanziert. Die Frage ist, wieso der Steuerzahler für eine billige (und wir reden hier nicht von Geld) Schlagerkaraokeparade wie “Ich war noch niemals in New York” zahlen soll, wofür man dann all die Mitarbeiter braucht, mit denen in Richtung Steuergelder argumentiert wird, wenn sämtliche kreative Umsetzung in Deutschland passiert und dort die Show ohne staatliche Subventionen läuft. Kann man das Märchen von den “Wiener Fassungen” nicht endlich mal weglassen. Die paar Zeilen und Szenchen, die da aus Marketinggründen in bestehende Shows wie “Tanz der Vampire” oder “We Will Rock You” eingepflanzt wurden, sind der Rede nicht wert.

Gespannt darf man auf die Kritiken sein, die “Ich war noch niemals in New York” in Wien einfahren wird. Sehr gespannt. Aber andererseits, die Busse, die sämtliche Damen und Herren über 60 aus ganz Österreich nach Wien kutschieren werden, sind sicher bereits angeleiert, und vorsorglich haben die VBW ihre Verkaufspreise den Verkaufspreisen von Wien-Ticket angeglichen, Nein, nein, das ist natürlich keine Verteuerung, auch wenn die Tickets nun teurer wurden. Marketing eben, Marke VBW.

Weitere Absurditäten
DiePresse.com: Udo Jürgens-Musical kommt nach Wien
TT.com: “Ich war noch niemals in New York” kommt nach Wien
OÖ-Nachrichten: Udo-Jürgens-Musical mit Wien-Kolorit
Neues Volksblatt: Endlich! Udo als Retter aus der Musical-Misere
Kleine Zeitung: Ein spätes Happy End
Salzburger Nachrichten: Udo-Jürgens-Muscial ab März in Wien
United Networker: Erste Lizenzvergabe einer Eigenproduktion von Stage Entertainment – Premiere im März 2010 in Wien
Kurier: Das Udo-Jürgens-Musical kommt nach Wien

2 Kommentare »

  Udo wrote @ Oktober 20th, 2009 at 15:29

Lieber Herr Bruny, ich schätze Ihre Berichte sehr und mag hin und wieder auch Polemik. Dennoch schießen Sie hier über das Ziel hinaus. Die VBW sind in einer Krise, ja. Ich kann Ihre Argumentation dennoch nicht ganz nachvollziehen. Denn mit Producers, Frühlings Erwachen und Rudolf haben die VBW Eigenständiges und Neues nach Wien gebracht. Keine von diesen Produktionen war bei Stage zu sehen. Und leider gelingt nicht immer alles. Das war aber in der Vergangenheit auch schon mal der Fall. Oder Wake Up und Barbarella schon vergessen? Auch davon haben sich die VBW erholt. Es scheint eine “Wie man es macht, macht man es verkehrt” Situation zu sein. Künstlerisch anspruchsvoll: schön, aber will keiner (oder zu wenige) sehen. Kommerziell auf Nummer sicher: Der Untergang der VBW wird herbei geschrien! Wie es auch sein mag, wenn die VBW nach den unglücklich mehr oder weniger gescheiterten Produktionen der letzten 2 Jahren nicht schnell Ticket-Geld in die Kasse bringt, könnte es tatsächlich mal zu einer Übernahme der VBW durch die Stage kommen. Und das will doch wirklich keiner in Wien, oder doch? Gefährliches Gedankengut, das von Grünen und ÖVP nur all zu gerne zur VBW-Hetze missbraucht wird, ein Vorgang den Sie selber hier zu Recht vor kurzem kritisiert haben. Also, lassen wir die Kirche im Dorf: die Stage zieht nicht in Wien ein, sie verdient lediglich eine Lizenzgebühr an einem Stück das sie (kommerziell) erfolgreich entwickelt haben. Umgekehrt war es jahrelang so und ist es immer noch so. Das IWNNINY künstlerisch kein Höhepunkt in der Geschichte der VBW sein wird, wissen die Verantwortlichen wahrscheinlich selber am besten. Aber es gilt immer noch: “Ohne Geld ka Musi”, auch in Wien.

  klaus wrote @ Oktober 20th, 2009 at 12:41

Es stimmt schon, dass in Wien die Oper herabwertend auf das Musical schaut. Sogesehen hat mir der Beitrag von Jürgens beindruckt. Denn kulturelle “Schnösel-Politik” gibt es wirklich nicht in New York.

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