Wenn man sich die Zuteilung der Songs für “Musical! Die Show - Folge 6″ ansieht, fällt eines wieder einmal auf: Die Wahl beziehungsweise Zuteilung der Songs erfolgte ohne musikalisches Gespür. “On Broadway” (aus “All that Jazz”) ist im Original eine Nummer, die über 6 Minuten dauert und sukzessive Spannung aufbaut, mal abgesehen von ihrer Aussage, vom Background, den ein Darsteller haben sollte, um sie zu singen und vieles mehr. Nach über 30 Sekunden setzt normalerweise überhaupt erst die Singstimme ein. Das auf 2 Minuten zu kürzen und zu glauben, auch nur halbwegs eine akzeptable Wirkung erzielen zu können, ist fahrlässig. So macht man keine Musicalshow, so zerstört man nur den Nimbus von Klassikern und nivelliert sie auf Karaokeniveau. Ist das letztlich das Ziel von “Musical! Die Show”? Bekommen wir am Ende alle ein Video-Karaokespiel “So wirst DU Musicalstar”? Aus “All that Jazz” würde sich ein viel passenderes Lied für eine Castingshow anbieten, nämlich “Bye Bye Love”. Nicht, dass der Song im Rahmen des Filmmusicals kürzer wäre (er dauert knapp 9 Minuten), aber er lässt sich besser und publikumswirksamer “verbraten”, wenn es denn schon “All that Jazz” sein muss.
Über den Bekanntheitsgrad von “On Broadway” brauchen wir nicht weiter zu spekulieren, noch eindeutiger ist es bei dem Song “We can do it” aus “The Producers”, ein Song, den Werner Mai und Alfons Haider als Duett versuchen werden. Das Lied ist nicht nur 99,9 Prozent aller Zuschauer unbekannt, es ist auch aus einer Show, die nur mit viel Glück im Wiener Ronacher bestehen wird können (Premiere Ende Juni 2008), handelt es sich doch um ein Musterbeispiel dessen, was nicht wenige als “altmodisches Broadway-Musical” bezeichnen. So etwas wird normalerweise an der Wiener Volksoper und für deren Clientel produziert und da auch gerne angenommen. Erschwerend kommt hinzu, dass Alfons Haider sich nach wie vor für einen Musicaldarsteller hält und auch nicht davor zurückschreckt, einen Song aus “The Producers” zu mimen. Keine Sorge, er wird das wie immer erledigen und innerhalb seiner Zielgruppe für Begeisterung sorgen, aber nach wie vor ist es schwer nachvollziehbar, wie ein Entertainer dermaßen verblendet sein kann, dass er nicht merkt, wo seine Qualitäten liegen und wo seine Schwächen.
Fassen wir also zusammen:
- Vincent Bueno singt “Singin’ in the rain” und als Duett mit Gudrun “Seasons of love” aus “Rent”. Wer mit solchen Songs fliegt, muss schon einen ganz schlimmen Tag erwischen.
- Gudrun Ihninger singt “Tomorrow” aus “Annie” und — halt, das reicht eigentlich. Auch mit einer solchen Nummer fliegt man nicht.
- Simone Fetz singt “Big Spender” aus “Sweet Charity” und “America” aus “West Side Story” gemeinsam mit Eva.
- Eva Klikovics singt “Dance: Ten; Looks: Three” aus “A Chorus Line”.
- Werner Mai singt “On Broadway (”All that Jazz”) und “We can do it” (”The Producers”) mit Alfons Haider im Duett.
Kristallkugelmäßig könnten Werner und Simone diesmal ihren Joker-Song präsentieren. Aber vielleicht gibt es ja doch eine Überraschung in der ziemlich abgeschlafften Musicalshow des ORF - zu sehen heute ab 21:15 Uhr in ORF 1.
Update:
Kaum verliert man den Glauben an den Underdog, schlägt er sich wacker. Werner Mai hat sein “On Broadway” gut rübergebracht, den Auftritt mit Alfons Haider überstanden und ihn dann sowieso an die Wand gesungen, wobei natürlich insgesamt das eine recht comicalhafte Performance war. Egal, das Highlight der Sendung war “Officer Pauer” für mich. Wer ab und zu mal in Aufführungen der Konservatorium Wien Privatuniversität geht, wird ihn kennen. Gudrun hat sich zwar mit “Tomorrow” fast ins Aus gewhined, aber Officer Pauer war eine Wucht. Ciao, Simone.