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Reality-Check: Castingshow versus Audition

Seit dem Aufkommen der Musical-Reality-Shows, wie man die durch die Bank im deutschsprachigen Raum fehlgeschlagenen Versuche, Musical-Castingshows im TV zu veranstalten, bezeichnet, stellt sich eine Frage: Wie sehr unterscheiden sich TV-Castingshows von realen Auditions? Immer wieder wird davon gesprochen, wie arm die Kandidaten im Fernsehen sind, was sie sich nicht alles anhören müssen, man erzählt von Stand-by-Psychiatern, die zur mentalen Erstversorgung mit gesprächstherapeutischen Defibrillatoren bereitstehen. Die Showjuroren werden gegeißelt, wenn sie ihrerseits mal wieder einen der Kandidaten medial durchgewurschtet haben. Aber mal ehrlich? Ist diese geschützte Pseudocasting-Werkstätte tatsächlich vergleichbar mit der Realität, mit dem, was ausgebildete Darsteller Audition für Audition erleben? Werfen wir doch mal ein paar Seitenblicke auf den Audition-Alltag aus dem Blickwinkel einiger Darsteller.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ausgebildeter Musicaldarsteller, haben an einer renommierten Musicalschule ihren Abschluss gemacht, können auf Hauptrollen-Engagements in großen Musicals verweisen und finden sich plötzlich bei einer Audition mit folgendem Statement konfrontiert: “Bitte bewerben Sie sich nie wieder bei uns.” Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in dieser Branche und ein Großmogul des Business setzt Sie auf seine berühmt-berüchtigte schwarze Liste. Es bleiben Ihnen natürlich diverse Möglichkeiten: Kleinproduktionen und das Auswandern beispielsweise. Eines ist klar: Castingshows im Fernsehen sind Pipifax verglichen mit dem, was Musicaldarsteller in ihrem Beruf tagtäglich erleben.

Wir alle kennen die klassische Audition-Situation. Eine schöne Bühne, ein Klavier, ein Korrepetitor, Licht und das Leading Team im Theatersaal. Man hat ein Lied vorbereitet, eventuell mehrere. Am Ende der Audition ein knappes “Danke. Wir melden uns bei Ihnen.” - eine klassische Situation bei einer realen Audition, in etwa Standard (mit ein paar schmückenden Beiwörtern) bei Fernsehcastingshows, es sei denn Scherzkandidaten singen vor, aber die sind an dieser Stelle nicht mehr erwähnenswert.

Die Realität kann aber auch folgendermaßen aussehen: ein relativ kleiner, stickiger Raum, keine Bühne, ein Leading Team von 25 Leuten, von denen die meisten nichts unmittelbar mit der Auswahl zu tun haben. Grelles, unvorteilhaftes Licht. Sie beginnen mit ihrem Song - und 5 der 25 Zuhörenden stehen auf, verlassen den Raum, demonstrieren damit, dass sie nicht wirklich Interesse an Ihrer Audition haben.

Oder folgende Situation: Sie singen für eine Hauptrolle vor, haben einen beeindruckenden Lebenslauf, können auf erfolgreiche Shows mit den Produzenten, für die Sie gerade vorsingen, verweisen, hören aber vom Regisseur: “Na schaun wir mal, ob Sie auch wirklich etwas können oder nur ein schönes Gesicht haben.” Wozu dann überhaupt ein Lebenslauf, wenn ihn ohnedies niemand ernst nimmt. Eine der Erfahrungen, die man als Darsteller macht: Man hat nicht unbedingt Vorteile, wenn man mehr gemacht hat. Man reiht sich stets mit den Anfängern ein. Wo ist die Steigerungsmöglichkeit? In einem normalen Beruf sieht man bei der Bewerbung auch auf das bisher Erreichte und stellt dann fest: qualifiziert oder nicht qualifiziert. Sich einen “Namen” machen, das wäre eine Möglichkeit. Aber im Musicalbusiness ist das nicht leicht. Die Anzahl der Leute, die sich einen “Namen” gemacht haben, wird, nicht ohne Grund, oft auf eine einzige Person eingeschränkt. Da haben es die Kandidaten bei Castingshows besser: Mit ihnen fiebert ein Gutteil der Nation mit, sie haben die Chance, von Null zum “Star” zu werden - für eine gewisse Zeit.

Wenn Sie es schon als Bewerber für eine Hauptrolle nicht ganz einfach haben, kann es Sie noch schlimmer erwischen, nämlich dann, wenn Sie als Tänzer für eine Ensemblerolle vorsingen. Sie haben 16 Takte, um ihr Gesangstalent zu demonstrieren. Das ist doch genau der richtige Zeitpunkt für eine Pinkelpause, meinen da einige Leute aus dem Leading Team. Also ehrlich, Tänzer muss man sich doch nun nicht anhören.

Auch was die Songauswahl betrifft, sollte man sich nichts vormachen. Wundern Sie sich nicht, wenn man zu lachen beginnt, wenn Sie einen Song vom »falschen«, gerade nicht genehmen Komponisten anstimmen, seien Sie froh, wenn nicht gleich alle den Raum verlassen.

Es gibt Auditions, da ist man sicher, wirklich voll im Rennen zu sein. Zur Vorbereitung bekommt man einen ganzen Packen an Material, man studiert die Songs ein, meint sich laut offizieller Ausschreibung als der richtge Typ für die Rolle, doch plötzlich, vor Beginn des Auswahlprozesses, gibt es neue Noten, und zwar für 20 Leute exakt nur 10 Kopien. Selbstverständlich unterstützt man sich gegenseitig, wundert sich aber doch ein wenig über die mangelnde Professionalität. So hockt man sich mit den Konkurrenten zusammen und bemerkt … dass plötzlich völlig andere stimmliche Voraussetzungen gefragt sind. Da steht doch tatsächlich ein hohes D in den Noten. Im bisher zur Verfügung gestellten Material und laut Ausschreibung war die höchste Stelle ein hohes A. Blöde Sache, denkt man sich: “Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich gar nicht erst hergekommen.” Andere haben freilich größeres Pech. Sie sind von weit her auf ihre Kosten eigens angeflogen. Doch nicht genug damit: Beim Callback befindet man sich in “bester” Gesellschaft, im wahrsten Sinne des Wortes. So gut wie alle Darsteller, die in den letzten beiden Jahren im gesamten deutschsprachigen Raum Hauptrollen gespielt haben, egal welcher Art, sind anwesend - und singen für dieselbe Rolle vor: von Stimme, Aussehen, Statur und Alter VÖLLIG unterschiedlich - klein, groß, dick, dünn, blond, schwarz. Bei 6 aus 45 sind die Chancen auf den Jackpot fast größer. Als Darsteller fühlt man sich so, als würde man in einem Zirkus vorgeführt werden, andererseits drängt sich die Frage auf, ob da das Leading Team denn überhaupt die Hausaufgaben gemacht hat, die notwendig gewesen wären, um eine passende Auswahl durchführen zu können, ohne Leuten abzusagen, die ohnedies nie ins Konzept gepasst hätten. Als Darsteller gibt man sich immerhin auch viel Mühe, sich entsprechend den Rollenbeschreibungen vorzubereiten. Nicht immer freilich klingt das, worauf man sich einzustellen hat, logisch: Da gibt es immer öfter so wunderbare Angaben wie: “Spielalter: 20″. Was heißt das? Oder “Spielalter: 21″. Was soll man sich darunter vorstellen. Man spielt nicht 19, 20, nicht 22, nein 21?

Es kann nicht ärger kommen? Aber sicher doch. Stellen Sie sich vor, Sie haben tatsächlich Glück und bei einer vier Tage dauernden Audition sind Sie jeden Tag einer der Favoriten. Von Mitgliedern des Leading Teams bekommen Sie nach Ihrem Vorsingen bei gemeinsamen Zigarettenpausen im Beisein auch ihrer Mitkonkurrentinnen das beste Feedback. Großartig sind Sie, wirklich toll. Ihre Kollegin neben ihnen verfällt gerade, bricht in Tränen aus. Auch sie hat doch gerade vorgesungen. — Richtig, eigentlich stehen alle da, weil sie den Job wollen, ihre Miete zahlen müssen. Zeugt es da von einer besonders professionellen Einstellung, wenn sich Mitglieder des Leading Teams mit Darstellern verbrüdern? Ist es nicht vielmehr so, dass Leading Team und Kandidaten sich nicht mischen sollten, dass ein knappes “Danke, Sie hören von uns” zwar hart, aber fair ist. Wer schützt junge Darsteller vor falschen Komplimenteverteilern? Wer schützt sie dann am Ende, wenn aus einem anfänglichen “Alle in diesem Raum wollen, dass du die Rolle bekommst” doch nur ein “Wir sind uns alle einig geworden, dass du es nicht bist” wird - mit einer Begründung, die so ausfallen könnte: “Die Stimme passt doch nicht.” 4 Tage lang Topfavorit, dann passt die Stimme doch nicht? Im Land der unmöglichen Möglichkeiten sind Darsteller vor solchen Zuständen geschützter, da wäre eine solche Vorgehensweise unter Umständen sogar klagbar. Mündliche Zusagen werden dort nicht leichtfertig gemacht. Es geht nicht etwa darum, “künstlerische Entscheidungen” anzuzweifeln, es geht um eine gewisse Fairness. Wenn man ganz offensichtlich jemand gefunden hat, der in den Raum gekommen ist und - wow - wieso bestellt man dann alle anderen noch zu weiteren Vorsingen, schürt Hoffnungen, bietet dann Absagen, die menschlich gesehen untragbar sind wie “Die Stimme passt nicht”, wo doch das Leading Team eben noch der Meinung war, es sei so toll gewesen. Wieso kein Feedback, das man verstehen kann, das dabei hilft, es beim nächsten Mal besser zu machen, oder wenn es schon nicht dazu gedacht ist, zu helfen, dann doch Feedback, das nicht die künstlerische Qualität des Vorsingenden grundsätzlich in Frage stellt.

Andererseits, diejenigen, die eine Absage bekommen, können ja noch froh sein, denn die Fälle mehren sich, da Künstler nicht mal das bekommen. Sie gehen zu einer Audition und hören nie wieder etwas von der Produktion. Leute mit Galgenhumor laufen dann schon mal rum und erzählen, wie toll das doch sei, man müsse wohl nach wie vor im Rennen sein, denn Absage, nein, eine Absage habe man ja nie erhalten.

Manchmal wird Darstellern ganz klar der Eindruck vermittelt, dass Auditions zu Fließbandgeschichten werden. Bei Callbacks ist keine Zeit mehr, mit dem Material zu arbeiten, weil beim Final Call über 130 Leute den Job wollen. Man bekommt zwar jede Menge Material, das man auch einstudieren muss, aber kann dann davon praktisch nichts präsentieren. Auditions nehmen manchmal so etwas wie “Superstar”-Charakter an. Wir suchen die, die wir mögen, aber nicht die, die in die Rollen passen. Womit wir wieder am Beginn wären. Was ist der Unterschied zwischen Castingshows und der Realität.

8 Kommentare »

  Michael K. wrote @ Mai 5th, 2008 at 01:33

Natürlich haben auch SIE Recht, Herr Bruny! Natürlich ist Ihr Artikel überspitzt formuliert! Natürlich natürlich natürlich…

Ein aktuelles Beispiel, das die Notwendigkeit Ihres Artikels unterstreicht: gewisse “Bemerkungen” im Rahmen von (Hausnummer…) VBW-Castings, auf die man/frau als normal denkender Mensch gar nicht gekommen wäre - “Sie sind Deutscher. Das geht nicht.” (Ironie: Die zu besetzende Rolle soll gut informierten Kreisen zufolge ausgerechnet Herrn Kröger zugesprochen worden sein)

Was den KommentatorInnen in Ihrem Artikel EVENTUELL (und mir ganz bestimmt) FEHLT, ist eine ausführlichere Gegendarstellung… ein paar Beispiele wie es in geschätzten 85% der “normalen” Auditions aussieht: systematisch, professionell, wenig gefühlsbetont.

Zwar ist die Normalität nicht immer das, was LeserInnen spannend finden - aber der hierdurch für Außenstehende entstandene Eindruck, bei jedem Musical-Casting säßen 25 DIETER BOHLENs die aufs Klo gehen, nebenbei Game Boy spielen oder sich selbst befriedigen und am Ende im Chor “DU BIST SCH****E!” schreien, sollte etwas zurecht gerückt werden.

Es ist niemandem am Theater neu, dass Rollen - für die gecastet wird - schon besetzt worden sind. Es niemandem in der Branche fremd, dass da und dort die Freunderlwirtschaft (wie überall sonst auch) regiert.

Man KÖNNTE auf der anderen Seite vielleicht ÜBERSPITZT darüber berichten, was Produzenten, Regisseure usw… dazu veranlassen könnte, solche Sprüche zu liefern (obwohl für mich in der von Ihnen zitierten Form wenig nachvollziehbar…).

Ich hab es zum Beispiel erlebt, dass SchauspielerInnen einfach aufgrund der “tollen City-Kurzurlaube” anreisen.

Die Arbeitsagentur (BRD) ersetzt offensichtlich Reisekosten für Bewerbungsgespräche. Genaue Beträge kann ich nicht nennen - allerdings scheint es manchen SchauspielerInnen genug zu sein, um diverse Besuche mit einem schnellen Casting (auch in Österreich) zu verbinden. / Besuchs-Bestätigungen stellt man ja für Deutsche laufend aus…

Das genau jene Damen und Herren unvorbereitet, unpünktlich und desinteressiert erscheinen, könnte ich an dieser Stelle auch aufblasen und zum Horrorszenario schlechthin erklären :-) Aber ich tu’s nicht :-) Weil die paar schwarzen Schafe zum Business gehören, wie die “Scherz-KandidatInnen” bei DSDS…

  Martin Bruny wrote @ Mai 4th, 2008 at 23:36

Der Artikel ist, wie ja auch im ersten Absatz steht, aus dem Blickwinkel einiger Darsteller geschrieben, die zum Teil auf einen ganz schönen Lebenslauf zurückblicken können, es geht um Machtmissbrauch, der sehr stark so empfunden und artikuliert wurde, ich denke nicht, dass einem der Vorposter der tatsächliche Vorfall bekannt sein kann.

  TT wrote @ Mai 4th, 2008 at 23:25

mag schon sein, das ein oder zwei leute so etwas erlebt haben. aber durch einzelfälle generell auf die gesamte casting-situation zu schließen finde ich übertrieben.
meist haben dieses problem aber nur junge darstellerInnen meiner erfahrung nach. man kann sich eben selbst schwer einschätzen.
außerdem denken sich (wider erwarten) regisseure, choreographen, produzenten,… durchaus etwas bei der auswahl zu call backs. wenn dann etwas wie “die stimme passt nicht” im final call kommt, ist das vielleicht gar nicht so böse gemeint. vielleicht wurde einfach beim ersten vorsingen besser gesungen? vielleicht hat man gesehen, dass jemand nicht dem stress oder druck gewachsen ist und genau das wollte man testen? vielleicht fügt sich jemand nicht ins restliche ensemble ein? vielleicht geht es auch menschlich nicht?
das und noch viel mehr sind durchaus wichtige faktoren die entscheidungen auch in letzter minute noch beeinflussen können.

oder wie mir eine erfahrene schauspielerin zuletzt gesagt hat: “das ist eben der job!” und in folge “wer sich darüber aufregt, ist im falschen beruf.”

theater ist eben ein stark hierarchisch strukturiertes unternehmen. anders geht es gar nicht.
selbst bei peter stein der an der berliner schaubühne nach dem mitbestimmungsprinzip gearbeitet hat, zeigte sich mit der zeit, dass die stars wie z.b. bruno ganz sich natürlich mehr erlauben durften und mehr mitbestimmung hatten als die anderen.
macht wird es also immer geben und ist, solange sie nicht missbraucht wird, nicht unbedingt negativ zu sehen.

  Martin Bruny wrote @ Mai 4th, 2008 at 10:59

Selbstverständlich ist der Artikel überspitzt formuliert, selbstverständlich ist er anonymisiert, und selbstverständlich beruht er auf realen, konkreten Erlebnissen. Wunderbar, dass nicht alle Darsteller solche Erfahrungen machen, selbstverständlich laufen nicht alle Castings so ab, wunderbar, wenn es Produzenten gibt, die Auswahlprozesse fair gestalten, wer jedoch leugnet, dass es Machtmissbrauch bei Castings gibt, ist nicht ganz ernstzunehmen, schlimm, wenn er aus den Reihen der Darsteller kommt, schon eher verständlich, wenn das aus den Reihen von Produzenten kommen würde.

  Tanja S. wrote @ Mai 3rd, 2008 at 10:31

Also ich muß sagen, daß ich den Artikel jetzt nicht so weit hergeholt finde. Ich bin auch schon ein paare Jahre in dem Business und habe zwar nicht immer am eigenen Leibe, aber durchaus auch und vor allem bei Kollegenfreunden ähnliches erlebt. Das ist zwar nicht die Regel, aber sicher kommen Ungerechtigkeiten vor, wo gewisse Menschen ihre Macht benutzen. Auch wenn der Artikel möglicherweise etwas überspitzt formuliert wurde, finde ich es gut, daß auch mal diese Seite beleuchtet wird, statt der “alles ist super, wir sind eine große Familie”. Meist sind diejenigen, die sich beschweren, die die sich nie trauen, den Mund auf zu machen und so mit dem Strom der “Angepassten” mitschwimmen. Ich habe aber auch sehr schöne Erfahrungen gemacht, die vieles wieder gutmachen. Was ich aber damit sagen will ist, daß ich mir schon vorstellen kann, daß gut recherchiert wurde, mit einigen Darstellern gesprochen wurde, aber sich eben nicht alles auf die breite Masse der Darsteller bezieht. Man darf auch nicht vergessen, wieviele Menschen es in unserem Beruf gibt und so sind auch die Erfahrungen unterschiedlichster Natur.

Ich finde es aber auch schön zu lesen, daß es Leute gibt, die sich mit diesem Thema befassen. Egal, welcher Meinung man jetzt ist. Es wäre vielleicht mal interessant einen Mittel-Bericht zu finden, der weder das pure “Glamour-Leben” zeigt, noch die Horror-Geschichten erzählt.

  Michael K. wrote @ Mai 2nd, 2008 at 17:09

Ich muss mich hier (leider) den kommentierenden Damen/Herren voll und ganz anschließen: Dieser Text ist über weite Strecken so realitätsfern wie die Meinung, die Welt wäre immer noch eine Scheibe. An einer dem Autor bekannten Stelle werde ich, wenn ich heute noch Zeit dazu finde, meinen ausführlichen Senf dazu geben… hier wurde bereits alles gesagt (siehe GIL)

  Gil wrote @ Mai 1st, 2008 at 00:26

Ich bin als Darsteller seit nunmehr ca zehn Jahren im Musicalbusiness unterwegs (praktisch durchgehend beschäftigt) und bin ein absoluter “Audtition - Hasser”. Trotzdem halte ich ca. 90% von dem Text für maßlose Übertreibung, die Leuten, die selber keine Erfahrung in dieser Sparte haben, ein völlig falsches Bild liefert.
Klar, eine Audition ist stressig und kostet einen wahnsinnig viel Nerven. Man sagt sich oft genug: “Wenn ich das und das wüsste, hätte ich die Reise nicht gemacht” usw. Man erlebt auch oft genug Castings, bei denen die gesamte Cast ausgeschrieben ist, aber (z.B. bei einem Castwechsel) nur 1/3 der Positionen frei werden, von denen die Hälfte bereits längst an Bekannte vergeben wurde. Ja, das Business ist hart. Aber man muss auch die “andere Seite” verstehen - wenn sich zu einem Casting über Tausend Bewerber melden (bei Großproduktionen keine Seltenheit), man einige hundert in der ersten Runde anschauen soll, wie soll man dann für jeden viel Aufmerksamkeit haben?
Zitat:”Ihre Kollegin neben ihnen verfällt gerade, bricht in Tränen aus.” Wer tut denn so etwas bei Auditions? Ich habe so etwas nie gesehen. Wer Rückschläge nicht verkraften kann, hat einen falschen Beruf gewählt.
«Bitte bewerben Sie sich nie wieder bei uns.” - wo kommt denn so etwas vor?? Ich kenne niemanden in keiner der recht vielen Casts, in denen ich arbeiten durfte, der jemals so etwas gehört hätte, sicher nicht bei Grossen Produktionsfirmen (VBW, Stage, BB fallen mir da ein). Und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so etwas hört, ohne einen echten Grund dafür geliefert zu haben… Und sicher keinen künstlerischer Art.
Wenn man (z.B. für ein Callback) fünf Songs vorbereiten muss, aber nur einer/zwei benutzt werden, kann man damit “stichprobenartig” feststellen, wie schnell jemand arbeitet und Material lernt. Vor allem wichtig bei Leuten die für (oft mehrfache) Zweitbesetzungen gecastet werden. Ich würde das nicht als Schikane bezeichnen. Klar, es passieren auch solche Situationen (wie bei einer kürzlichen Audition für ein bekanntes Haus), dass keiner weiss, welches Material eigentlich verlangt wird, plötzlich Duette einstudiert werden, die dann aber nicht gebraucht werden, usw. Andererseits - alle sind in der gleichen Lage und niemand hat behauptet, dieser Beruf wäre leicht. Abgesehen davon ist es sicher eine Blamage für die Organisation, aber keine bewußte schlechte Behnadlung.
Wieso sollten Tänzer mehr als die berüchtigten “Sixteen bars” singen? Wenn es wirklich Tänzer sein sollen, will damit festgestellt werden, ob sie den Ton treffen können und grundsätzlich welche Stimmlage sie haben. Wozu mehr Zeit dafür aufwenden?
Ich habe keine Lust, weiter den Artikel zu kommentieren, halte ihn aber für ganz schwach recherchiert.
Zu den Fernsehcastings habe ich nur noch ein kleines Beispiel (welches IMMER zutrifft, in welcher dieser unsäglichen Shows auch immer):
“*Name des Kandidaten*…(lange, bedeutungsschwangere Pause)… ich muss dir leider sagen… (noch längere Pause) … dass du (Pause) … nächste Woche wieder singen musst”
Entschuldigung - das ist pure Folter und nur darauf ausgelegt, selbst die standfestesten zum heulen zu bringen, wenn dann am Ende doch “du bist nicht mehr dabei” oder etwas in der Art erklingt… Quälerei zur Belustigung der Menge. So etwas erlebt man bei KEINER Audition.

  derUnterschied wrote @ April 30th, 2008 at 22:08

Unterschiede sind vor allem:
Bei den Casting-shows treten größtenteils “Kinder” ohne entsprechende Ausbildung auf. Da es für diese Shows mehrere Vorrunden gibt, ist die TV-Show an sich mit einem Final-Call in der Theaterwelt zu vergleichen. Ich bezweifle, dass dort noch Amateure zu finden sind!
Weiters kann man von wenigen Casting-Show-Finalisten behaupten, dass sie ein Stück über Monate oder gar Jahre mit zumindest gleichbleibend guter Leistung führen können. Wohl eher, dass sie nach 3-4 Wochen en-suite Spielen mit Stimmproblemen oder ähnlichen Erkrankungen ausfallen. Das passiert aber äußerst selten bei “professionell” gecasteten Darstellern.
Ein weiterer Unterschied ist die Gruppe von Personen, die auswählt. Im Theater sind es (meistens *g*) Profis (Regie, Musik.Leitung, Produzent,usw). Bei den Casting-Shows (angeblich *g*) das Zuschauervoting (9-16jährige!!!).
Auch wenn die Auditions in der realen Theaterwelt alles andere als schön (und manchmal auch fair) sind, so ist das doch noch immer weit von dem entfernt, was wir in letzter Zeit (zu) oft im TV zu sehen bekommen.

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