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“Treibgut”: Durchs ODEON-Gate mitten ins Reich der Musik

Foto: Martin Bruny

Sie müssen sich das so vorstellen. Sie betreten das Wiener ODEON-Theater, diesen herrlichen, großen Saal der ehemaligen Wiener Getreidebörse, im klassizistischen Stil der italienischen Renaissance in den Achtziger-Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut, von der Taborstraße - und schrittweise wandern sie in eine andere Sphäre. Abgedroschen, ja, das ist immer im Theater so, dass man abschaltet, sich eine Auszeit vom Alltag nimmt … O. K.! Kennen Sie “Stargate”? Diese Serie, in der es um eine Vorrichtung geht, eine Art Rad, in dessen Mitte ein waberndes, durchlässiges Gel pulsiert, in das die Menschen eintauchen, um so in eine andere Dimension zu gelangen. Eine ähnliche Wirkung können Sie am eigenen Leib verspüren, wenn Sie sich dazu aufraffen, “Treibgut” im Wiener ODEON-Theater zu besuchen. Zwei Stunden lang schwebt man in Musik, und am Ende der Show fühlt man sich - erholt. Es ist nur Musiktheater, und doch von einer ganz eigenen Magie.

Foto: Martin Bruny

Es machte keinen Sinn, hier eine Art Handlung zu skizzieren, denn in “Treibgut” geht es vor allem um eines: pure Musik, um den Wohl-, Ein- und Vielklang von Stimmen. Es mag um vieles andere auch gehen, das Thema ist die Donau, Menschenschicksale zwischen Schwarzwald und Schwarzem Meer, und neben dem musikalischen Part gibt es auch einen schauspielerischen, das kann man trennen, man muss es aber nicht, denn alle Texte, die in “Treibgut” gesungen oder vorgetragen, gesprochen oder geflüstert werden, sind Teil des Gesamtkonzepts Musik. Natürlich wird Literaturkennern einiges geboten, die Zitate aus bekannter und sehr wenig bekannter Literatur sind jedoch auf so kunstvolle Weise verflochten, dass sie ein neues Ganzes ergeben und man nicht unbedingt Literatur studiert haben muss, um die Vorstellung zu genießen.

Foto: Martin Bruny

Der Schauspielteil von “Treibgut” ist, streng genommen, als Collage gebaut aus Tagebüchern und Briefen, Chroniken, Gedichten, Mirakelberichten und Reisebrichten. So steht beispielsweise die britische Romanautorin und Reiseschriftstellerin Frances Trollope in einigen wunderbar gespielten Szenen im Mittelpunkt des Geschehens. Sie hat 1838 ein immens witziges Buch mit dem Titel “Vienna and the Austrians” publiziert (2003 vom Promedia Verlag unter dem Titel “Ein Winter in der Kaiserstadt” neu herausgegeben). Gespielte Zitate aus diesem Buch setzen zu Melancholischem einen ironisch-witzigen Gegenpart.

Foto: Martin Bruny

Die Stimmen, die Michael Schnack (Vokal-Arrangements und Musikalische Leitung) engagiert hat, sind ein Crossover von Oper und Musical, von Klassik und (Musikalischem Unterhaltungs)theater. Diese Stimmen interpretieren Volkslieder in einer Unzahl von Sprachen, angefangen bei Rumänisch, über Jiddisch, Slowakisch, Deutsch, Ungarisch, Tschechisch, Ukrainisch … wenn man alle Sprachen zusammenzählte, man käme auf um die 30.

Foto: Martin Bruny

Michael Schnack hat an “Treibgut” gute sechs Jahre gebastelt, und dass sein Herzblut in der Show steckt, sieht man, wenn man ihn beobachtet, wie er vor, während und nach der Vorstellung praktisch an allen Ecken und Enden gleichzeitig ist. Keine Stelle im riesigen ODEON-Spielsaal, von der aus er nicht entweder halb versteckt oder offen seine Künstler dirigiert, ihnen die Einsätze signalisiert, darüber hinaus singt und spielt er sich die Seele aus dem Leib, richtet Programme, Poster und Postkarten her - und ist dabei noch ansteckend fröhlich. So muss man Theater machen, wenn man begeistern will.

Foto: Martin Bruny

Es wäre nicht fair, von der Darstellerriege den einen oder die andere besonders hervorzuheben. Mit dabei: Kaoko Amano (Japan), Christian Ariel (Argentinien), Eugen Condria (Rumänien), Pà©ter Fogarassy (Ungarn), Florian Graf (Österreich), Johannes Karl (Deutschland), Joanna Luto (Polen), Max Mayerhofer (Österreich), Eva Maria Neubauer (Österreich), Alexandra Nutz (Österreich), Irina Platon (Russland), Andrea Profant (Slowakei), Gernot Romic (Österreich), Murielle Stadelmann (Frankreich).

Foto: Martin Bruny

Sie kommen teilweise frisch von der Schauspielschule bzw. Musicalschule, wie beispielsweise Florian Graf (Studio der Erfahrungen von Elfriede Ott) oder Gernot Romic (Performing Arts), sind dabei durchzustarten, wie man es beispielsweise von Max Mayerhofer (Gustav Mahler Konservatorium) erwarten könnte, können teilweise auf Engagements an den ersten Häusern verweisen wie Kaoko Amano (Burgtheater), Eva Maria Neubauer (Theater in der Josefstadt) oder sind bekannt aus Film und Fernsehen - wie Alexander Pschill, der für die Regie verantwortlich zeichnet und mit dieser Produktion sein Regiedebüt gibt. Ein mehr als gelungenes, eine bis in die kleinsten Einzelheiten fein justierte Arbeit, die ständig spannend bleibt. Ein Traum von Farben und Gesang, mit Vokal-Arrangements von Paul Hille und Michael Schnack.
Foto: Martin Bruny

“Treibgut” ist, und das ganz ohne zu übertreiben, eine der sehenswertesten Musiktheaterproduktionen, die in diesem Jahr in Wien Premiere feierten. Zwei Vorstellungen stehen noch am Spielplan: am 16. und 17. Dezember 2008. Wer sich was Gutes tun will im Weihnachtsstress, sollte ins ODEON pilgern. Ticketinfos ->> hier

Foto: Martin Bruny

www.flickr.com

Treibgut

Leading Team
Regie: Alexander Pschill (Österreich)
Musikalische Leitung: Michael Schnack (USA)
Arrangements: Paul Hille (Deutschland) und Michael Schnack (USA)

Besetzung
Kaoko Amano (Japan), Christian Ariel (Argentinien), Eugen Condria (Rumänien), Pà©ter Fogarassy (Ungarn), Florian Graf (Österreich), Johannes Karl (Deutschland), Joanna Luto (Polen), Max Mayerhofer (Österreich), Eva Maria Neubauer (Österreich), Alexandra Nutz (Österreich), Irina Platon (Russland), Andrea Profant (Slowakei), Gernot Romic (Österreich), Murielle Stadelmann (Frankreich)

Aufführungstermine
11., 16. und 17. Dezember 2008 um 19 Uhr 30 im Odeon Theater, Taborstraße 10, 1020 Wien

Tickets
Karten: € 25,- / ermäßigt € 20,- und € 18,- / ermäßigt: € 12,-
Theaterverein Odeon, 1020 Wien, Taborstraße 10
Telefon: + 43 1 216 51-27
Fax:+ 43 1 216 51 27-22
Mail: odeon(at)odeon-theater.at
WWW: Odeon

Links
- Hear it Here Productions
- ODEON-Theater

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