Home RSS Go RED Go BLACK

Von Vollkoffern, Austrokoffern und Literatur in Österreich

Wir leben in einer Zeit der Literatur-Koffer – in Deutschland sagt man etwas stilsicherer Kanon dazu, lässt Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki eine von ihm jederzeit erklärbare und fundierte Auswahl treffen, in Österreich plant man etwas plump einen Austrokoffer, wobei die Art des Herangehens an dieses Projekt eher etwas Vollkofferartiges an sich hat. Literatur, das sollte sich vielleicht mal bei Verlagen herumsprechen, verkauft man nicht wie Schweineschmalz oder Ochsenschlepp. 5 Kilo Literatur, darfs ein bisserl mehr sein? Österreichische Literatur mit lächerlichen Slogans wie:

… das kleine Österreich ist eine kulturelle Großmacht, der »Austrokoffer« enthält 18 Bände, 5000 Seiten, 130 Autoren …

anzupreisen, wirkt vulgär und marktschreierisch, in etwa so billig wie die Kinderwebsite, die zu Promotionzwecken erstellt wurde und bunt bis zum Exzess vor sich hinstrahlt. Gänzlich zur Farce wird das Projekt »austrokoffer« durch eine Anmerkung auf der »offiziellen Website«, die sich wie folgt liest:

Nieder mit der Schlechtschreibreform! Die Texte des Austrokoffers werden sämtlich in der »alten« Rechtschreibung publiziert. Der Austrokoffer und alle Kulturmenschen sind gegen die Schlechtschreibreform.

Erstens gibt es Autoren, die sich sehr wohl der neuen Rechtschreibung bedienen, doch selbst wenn dem nicht so wäre, der Argumentationsstil, der hier benutzt wird, ist einfach nur abstoßend. Kulturmenschen, wenn man diesen schrecklichen Begriff wirklich verwenden will, definieren sich ganz bestimmt nicht über die Rechtschreibung, und mit Sicherheit haben sie keinen »Austrokoffer« nötig. »Kulturmenschen« kennen vermutlich die bedeutendsten Werke der österreichischen Literatur bereits und erfreuen sich wohl eher an Hardcover-Originalausgaben, als billige Paperback-Agglomerate zu erstehen.

Aber nun schnell weg von diesem Unwort. Was ist denn die Hauptzielgruppe des Ueberreuter-Verlags? Sind es eventuell junge Menschen, die um wenig Geld »viel Literatur« erstehen wollen? Ist es nicht auch schon jene Generation, die in der Schule zu der neuen Rechtschreibung frönenden »Nicht-Kulturmenschen« erzogen wurde. Wie dreist, einer ganzen Generation Kultur abzusprechen. Und wie lächerlich.

»

Ihr Kommentar

Abonniere ohne zu kommentieren

HTML-Tags:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>