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Der Nationalfeiertag oder Wie ich lernte, Paraden zu hassen

Nationalfeiertag in Österreich und Wien verwandelt sich in ein Militärkabarett. Als ich gestern in Richtung Rathausplatz nach Hause lustwandelte, musste ich denken unverwandt, hey, die Habsburger sind wieder im Land. Ein älterer Mann ging mit seinem Hund Gassi. Allein, er steckte in einer alten schmucken Generalsuniform, hatte einen Säbel umgeschnallt. Seine Haltung, sein schnackiger Habitus, dieses grobporige knallglatt rasierte Gesicht, das so fest in diesem Uniformgebilde steckte, eine perfekte Einheit, ready zum Losbrüllen und zackig über den Marsch paradieren. Irritiert auf dem Rathausplatz angekommen, kam ich mir da wiederum wie mitten in einer Generalmobilmachung vor. Geländewagen mit Besatzung in Tarnung schossen über den Platz. Die Soldaten mit völlig schwarz geschminkten Gesichtern, eine Hauptrolle im letzten Star Wars-Film hätten sie bestimmt bekommen, so wie sie pflichtbewusst grimmig in ihrem Wagen hockten und allein ihre weißen Glutpupillen über den Platz funkelten. Gulaschkanonen, Zelt an Zelt, besonders ulkig das Zelt der Garde - an dessen Eingang: ein Soldat, völlig bewegungslos. Einen Moment lang die verlockende Idee, ihn zu kitzeln, ihm begreiflich machen, wie lächerlich das alles ist. Hey Junge, das kann doch nicht Dein Ernst sein, Du stehst vor nem Zelt. Eine völlig sinnentleerte Geste und so bezeichnend für die gesamte Aktion, für all den Aufwand, den der Staat Österreich heute hier betreibt. Eine der größten Militärparaden der Geschichte geht in diesen Stunden über die Straßen Wiens. Die Ringstraße wird für Stunden gesperrt, Tausende, Zehntausende, ja von mir aus Hunderttausende Wiener im Geiste werden dem rollenden Blech zujubeln. So, als hätte das Bundesheer noch eine Bedeutung. Statt es auf eine professionelle Basis zu stellen, werden nach wie vor alle männlichen Bürger gezwungen, einen Pflichtdienst abzuleisten, an dessen Beginn sie persönliche Individualität, Freiheit und Selbstbestimmung vergessen müssen - und nicht selten nie wieder finden. Wie traurig und beschämend.
Was feiern wir eigentlich an diesem Tag? Hat sich unser glorreiches Heer an diesem Tag das Neutralitätsgesetz erschossen? Haben wir mit unseren tollen Panzern irgendwen überrollt, mit unseren maroden Fliegern irgend jemanden so beeindruckt, dass wir das nun feiern müssen? Eigentlich ja nicht. Vielmehr hat Österreich am 26. Oktober 1955 eine immerwährende Neutralität als Verfassungsgesetz beschlossen. Früher war es ja üblich, am Nationalfeiertag ein Fähnchen beim Fenster rauszuhängen. Quasi als Zeichen der “Feier”. In den Fensterrahmen waren kleine Vorrichtungen integriert, in die man die Fähnchen stecken konnte. Heutzutage hängen nur mehr einige wenige Wiener Fähnchen vor ihr Fenster, um den “Tag der österreichischen Fahne”, wie man den Nationalfeiertag auch nennt, gebührend zu würdigen. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass sich viele Wiener in den letzten Jahrzehnten neue Fenster geleistet haben und es da keine Fähnchenfeiervorrichtungen mehr gibt, dafür sind sie energiesparend, leicht zu reinigen, einfach modern. Und so wie diese Geste des Fähnchen in den Wind des 26. Oktober Hängens verblasst ist, sollte man sich vielleicht auch in Österreich mal von der Idee verabschieden, einen solch bedeutenden Tag mit einer Parade von Kriegsspielzeug zu begehen. Alternativen bieten sich zuhauf an. Lasst eure Soldaten in ihren Kasernen, macht mit euren Panzern, was man so macht mit unnützem Blech, es gibt ja genug Spielplätze, und feiern wir am Nationalfeiertag das, was Österreich wirklich bedeutend gemacht hat: die Kunst und Kultur! Lasset Künstler und Kulturschaffende diesen Tag gestalten und nicht Panzerblut und Soldatenmief.

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