Home RSS Go RED Go BLACK

Vom Musical-Mainstream, Tenören, einem ach-so-überraschenden Besucher-Plus in Wiens Museen und dem offenen Bücherschrank in Wien

tenoere.jpg
Ich bin mir immer noch nicht unsicher, dass “Musical Tenors” ein richtig schlechter Name ist für eine Formation von Musicaldarstellern, die Musicalsongs als quasi Quartett interpretieren wollen. Zu sehr ist der Begriff von den “klassischen” Formationen diverser Tenöre besetzt, und warum will man sich stilistisch da unbedingt anhängen? Warum ist schon der Name so unoriginell angelegt? Jan Ammann, Christian Alexander Müller, Mark Seibert und Patrick Stanke - als “Musical Tenors” wollen sie 2010 durchstarten. Wer von ihnen wird den Pavarotti machen? Klischee, o. k. Aber in den Köpfen verwurzelt. Im Herbst wollen die vier Tenöre in Essen, Oberhausen und Stuttgart gastieren, 2011 sind weitere Auftritte geplant. Was erwartet das Publikum? Zuallererst würden mir die schwülstigsten Songs aller Megamusicals einfallen, die x-ten Versionen aus dem Phantom, aus Les Mis, all die konzertanten Belanglosigkeiten, die Tourneen wie “Best of Musical” so “wunderbar” unters Volk bringen. Da folgt dann, wie beispielsweise im aktuellen “Best of Musical”, auf “Er lebt in dir” aus dem “König der Löwen” der Song “Alles im Griff”. Das hat zumindest Sprachwitz auf einer unbeabsichtigten Ebene, aber sonst ist vor allem der Gähnfaktor ein großer. Das “Holiday on Ice”-Publikum ist wohl dankbar dafür, die Fans der Darsteller ebenso, aber all das sind musicalische Unbedeutsamkeiten, in die von den Zuschauern Geld investiert wird, das die Stadttheater derzeit so dringend benötigen würden. Während sie ums Überleben kämpfen, strömen die Musicalfans ins “Best of Musical”.
patrickschweigt.jpg
“Best of Musical”, allein der Titel ist einigermaßen lächerlich, wenn man sich die Setlist der aktuellen Tournee ansieht: “Dirty Dancing”, “We Will Rock You”, “Ich war noch niemals in New York”, jaja, Musicals kommen dann auch noch: “Hair” beispielsweise oder “Buddy”, und dann Kaumerträglichkeiten wie “Der Schuh des Manitu” oder “Tarzan”, und schließlich sogar ein paar Songs aus großartigen Musicals wie “Brooklyn” oder “Hairspray”. Der eine oder andere Sänger dieser Tour kann Popularitätsgewinne verzeichnen. Patrick Stanke zum Beispiel. Unter dem merkwürdigen Titel “Zwölf Städte – eine Show: Patrick Stanke rockt das Land”, der eher auf eine Solotour des Sängers schließen ließe, wird die “Best of Musical”-Tour mit Metaphern aus den Koch-Shows von Sat 1 etc. abgefeiert, von einem “leicht bekömmlichen Menü” ist die Rede, von Musical-Häppchen. Genau das hat das Musical-Genre in Zeiten von “Ich war noch niemals in New York” gebraucht.
gratiseintritt.jpg
Lustig auch ein Artikel der Wiener Tageszeitung “Die Presse”, in dem unter dem Titel “Gratis-Eintritt bringt Wiener Museen Besucher-Plus” eine gewisse Verwunderung zum Ausdruck gebracht wird, dass sich der Gratis-Eintritt in die Museen der Stadt Wien für Jugendliche und Kinder deutlich gezeigt hat. Was hat der Redakteur erwartet? Dass bei einem Gratisangebot weniger Besucher kommen werden? Würden die VBW ihre Theater auch allen Jugendlichen und Kindern zum Nulltarif öffnen, kaum vorstellbar wären da die Rekorde, die da purzeln würden. “Rudolf” hätte eine Auslastung wie die erfolgreichsten Broadway-Shows gehabt: + 103 Prozent, mindestens.
offenerbuecherschrank.jpg
Gratis gibt es in Wien demnächst Bücher. Jeder darf sich bedienen. Jeder darf Bücher nehmen und auch Bücher in den Schrank legen. In der Tat wäre es ganz nett, wenn man sich nicht nur bediente, sondern aktiv beteiligen würde am Geben und Nehmen. “Offener Bücherschrank” nennt sich ein Konzept, das Frank Gassner verwirklicht hat. Angewidert von dem nahezu ausschließlichen Überlassen des öffentlichen Raumes an kommerzielle Nutzungen, hat er sich um die Behördenwege, Entwurf und Bau des Schrankes, Gestaltung der Flyer usw. gekümmert, sowie die gesamte Finanzierung der Material- und Behördenkosten in der Höhe von etwa € 1700 übernommen. Für den Schrank wurden also keinerlei öffentliche Gelder verwendet. Die unmittelbare Umsetzung erfolgte mit Hilfe des Vereins WERKIMPULS, einer selbstverwalteten Werkstatt. Diese geht ebenfalls auf Initiative von Frank Gassner zurück. Der Schrank, der ab 5. Februar 2010, 14.00 Uhr, zugänglich sein wird, ist von zwei Seiten zu öffnen und bietet auf 3 Ebenen Platz für ca. 250 Bücher. Der Kasten steht etwas schief. Das ist Absicht. Dadurch wird ein besserer Witterungsschutz erreicht. Die Bücher fallen nicht um. Die Türen schließen leichter und sicher. Der Korpus besteht aus 24 mm zementgebundenen Holzfaserplatten. Die Türen sind aus kalt brünierten und lackierten Stahlprofilen mit einem bruchsicheren Kunststoffglas als Füllung. Wer diese Aktion, die vorläufig bis 11. Juni 2011 befristet ist, unterstützen will, kann sich –> hier Infos holen.

2 Kommentare »

  Martina wrote @ Februar 11th, 2010 at 10:34

Beschreibung:
Laut der Musicalzentrale soll das Essener Colosseum im Sommer 2010 geschlossen werden. Somit würde das wohl schönste und geschichtlich so wertvolle Theater die Pforten schließen….
Und hinzu kommt, dass das momentane, im Colosseum spielende Musical Buddy Holly wohlmöglich frühzeitig endet.
Wir wollen, dass all das NICHT eintrifft. Essen ist Kulturhauptstadt 2010 und wir möchten unser größtes Kulturgeschenk hier im Ruhrgebiet nicht verlieren!!!

http://www.facebook.com/group.php?gid=312393579208

  Martina wrote @ Februar 10th, 2010 at 11:44

Ich bin nicht der Auffassung, dass man den Musicaltenors oder ähnlichen Veranstaltungen die Schuld daran geben kann, dass die Stadttheater dringend Zuschauer benötigen. Ich gehöre zwar auch zu den regelmäßigen Besuchern der Sound of Music Konzerte, bin aber auch bereit, für Stadttheaterbesuche quer durch Deutschland zu fahren, beispielsweise aktuell Evita in Magdeburg oder South Pacific in Kassel bzw. in der Nähe Stadttheaterproduktionen anzusehen. Viele in meinem Bekanntenkreis halten es mittlerweile ähnlich. Das Aalto-Theater in Essen und das Schauspielhaus in Dortmund verfügt mittlerweile über einen guten Ruf in Sachen Musiktheater.
Ich denke vielmehr, dass viele deutsche Städte einfach nicht aus ihrer Finanzmisere herauskommen und daher leider an den städtischen Bühnen gespart wird. Andererseits wird leider immer noch darüber disktutiert, ob eine finanziel aufwändige Veranstaltung wie die Loveparade im Ruhrgebiet stattfinden soll.

Ihr Kommentar

Abonniere ohne zu kommentieren

HTML-Tags:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>