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Archiv - Wien

Premiere und Destruktion am Beispiel Bronski & Grünberg: »Anti_Gone« oder Warum zerstören wir nicht die VBW

Im neuen Wiener Theater Bronski & Grünberg feiert heute die Produktion »Anti_Gone«, Text/Dramaturgie und Musikalische Leitung: Aristoteles Chaitidis, Premiere. Der interessante Plot des Stücks, das die antiken Klassiker »Iphigenie« und »Antigone« in die Jetztzeit transferiert, liest sich wie folgt:

Im Wartezimmer von Prof. Freud sitzt die gelangweilte Iphigenie. Mit dem Handy in der Hand und manchmal in Zeitschriften blätternd, wartet sie auf ihre Mutter Klytämnestra. Als sich wenige Minuten später die unbändige Antigone, wegen zwangsverordneter Therapie, ebenfalls in den Wartebereich gesellt, wird sie von der jugendlich-naiven Iphigenie in therapeutischen Rollenspielen mit ihrem Schicksal konfrontiert. Antigone, beunruhigt, versucht immer wieder Sicherheit im Konsum einer Zigarette zu finden, doch Rauchen ist nicht gestattet. Und wieder sieht sie sich zerrissen zwischen dem Wunsch nach Freiheit und der gesellschaftlich kollektiven Vereinbarung. Dieser Konflikt lässt sich ohne Gewalt nicht lösen.

Regie: Steve Schmidt
Text/Dramaturgie/Musikalische Leitung: Aristoteles Chaitidis
Choreographie: Rino Indiono

Mit: Aleksandra Corovic (Antigone), Julia Edtmeier (Iphigenie), Jan Walter (Wächter), Alfred Pschill (Klytämnestra)
Musik: Antonio Chorbadzhiyski 
Kostüm: Katharina Kappert 

Nähere Infos –> hier

Destruktion
Neues am Theatersektor entsteht in Wien oft durch die Vernichtung alter Strukturen. Ein wunderbares Beispiel ist ebenjenes Theater, Bronski & Grünberg, in dem heute »Anti_Gone« zum ersten Mal über die Bühne geht. Dieses Theater konnte in den Räumlichkeiten, die es bespielt, entstehen, weil ein Wiener »Beamte« sich vor einigen Jahren entschlossen hatte, dem ehemaligen International Theater, das an die 27 Jahre ebenda gespielt hatte, die Zuschüsse zu kürzen, und zwar um 50.000 Euro pro Jahr. Das International Theater verlor damit seine Existenz.
Nicht immer gelangen Meldungen über finanzielle Maßnahmen vonseiten der Stadt an die Öffentlichkeit. Oft hört man, dass Theaterfreaks reihenweise ihre Theater einfach so aufgeben wollen, natürlich nie unter Druck, versteht sich. Unter die Zuständigkeit desselben »Beamten« fiel ja auch die Schließung des stadtTheaters in der Walfischgasse. Da wollte die Leiterin einfach nicht mehr. Jaja, das kann schon passieren. Man investiert lange Jahre sein Herzblut in ein Theaterprojekt, und dann will man halt einfach nicht mehr. Aus dem Theater Walfischgasse wurde eine Nebenstelle der Wiener Staatsoper, und aus dem International Theatre wurde vorerst mal nichts. Zumindest aus den Räumlichkeiten. Denn als »Nachfolger« der dem International Theatre gewährten finanziellen Mittel etablierte sich rund um den gebürtigen Steirer Eric Lomas der Theaterverein »Open House Theatre«, der diverse Räumlichkeiten bis heute bespielt, aber nicht jene des »Vorgängers«. Lomas’ Pläne waren groß, aber nach ein paar Jahren verabschiedete er sich von dem Theaterverein, der freilich weiterhin existiert, laufen doch die Förderungen noch.
Destruktion ist ein wesentliches Arbeitsmittel im Kulturleben der Stadt. Stichwort Ateliertheater. Stichwort Interkulttheater. Stichwort Kammeroper. Aktuell ist das Stadtkino bedroht. 150.000 Euro weniger an Subventionen bekommt es 2017 vom zuständigen »Beamten«, der sich laut Presseberichten nicht einmal zu einem Treffen mit den Leitern des Stadtkinos bereiterklärt.

Zerstören wir die VBW?
Was haben doch die VBW für ein Glück, dass sie ihre Subventionen auf andere Wege erhalten. Noch. Denn das Prinzip Destruktion würde auch in diesem Fall Wunder wirken. Wie? Das einzige Asset, über das die VBW verfügen, ist das Orchester. Selbst da wurde an Strukturen in den letzten Jahren so viel unwiederbringlich zerstört, dass man auch das infrage stellen könnte. Aber gehen wir davon aus, dass das Orchester jenes Asset ist, das bleiben muss. Wir haben zwei Theater und ein Orchester (für den Musicalbereich). Was wir nun brauchen, ist ein Plan. Und eine Vorgehensweise. Der Plan lautet, aus den VBW ein Unternehmen zu machen, das Musical als Kunstform auffasst. Dessen Leiter das Schaffen von Musicals, den kreativen Prozess, nicht als »Denksportaufgabe« bezeichnet. Er mag dies beim Bingospielen oder sonstwo in privatem Rahmen machen, aber nicht in einem Interview mit einer Tageszeitung. Um das zu erreichen, ist es notwendig, die VBW zu zerstören – und natürlich wieder aufzubauen.
Denken wir zurück an die 1980er-Jahre. Peter Wecks großes Verdienst war es, das Long-Run-Musical in Wien zu etablieren. Und die Idee, Musicals in Auftrag zu geben, die ebenso lange liefen wie internationale Erfolgsshows. Seinem Nachfolger ist das weniger gut geglückt, und spätestens in der Ära Zechner hätte man merken müssen: Wenn wir es nicht schaffen, für die VBW eine Leitung zu engagieren, die ähnlich innovativ wie damals Peter Weck denkt, dann müssen wir neue Wege gehen. Sehen wir uns das Theater an der Wien an. Da protzt der Leiter damit, dass er genau ausrechnen kann, wie viele Zuschauer pro Produktion möglich sind, und genau so viele Vorstellungen werden dann angesetzt. Zwei, drei, vielleicht vier. 20 Schließtage pro Monat (oder etwas weniger)? Kein Problem. Warum? Es handelt sich um Opern und um höchste Qualität (und demgemäß um eine andere Organisationsstruktur). Und das ist das Grundübel in der Wiener Musicallandschaft. Musical wird nicht der Stellenwert beigemessen, den es haben könnte. Aufgabe der VBW muss es sein, die Kunstform Musical zu bedienen, nicht »Elisabeth« nach Shanghai und Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch zu exportieren, auch wenn die Gemeinde in Wales sicher recht hübsch ist. Dazu ist es nötig, neu zu denken. Es gab diesen Plan, es gab einen Mann, der das Unternehmen VBW neu denken wollte, aber er kam bei der letzten Intendantenwahl nicht zum Zug. Die Spaltung der VBW in Musical und Oper muss aufgebrochen werden, das Theater an der Wien, das Raimund Theater und das Ronacher müssen Oper und Musical zur Verfügung stehen. Es gilt neue Strukturen zu schaffen. Wenn Long-Run nicht mehr funktioniert, dann wird dieses Prinzip aufgegeben. Es kann nicht das Modell der Kulturstadt Wien sein, Musical als Quatschtheater zu finanzieren. Das mag vielleicht noch eine Zeit lang gutgehen, aber dann wird man die finanziellen Mittel anders verteilen, und aus dem Ronacher wird vielleicht wirklich ein Schwimmbad, wie das in einer Musicalparodie der VBW schon einmal herbeifantasiert wurde.

VBW: Nichts gelernt. Wo bleiben die Infos?

Was mich wundert. Die VBW betreiben auf Facebook mehrere Info-Sites. Für praktisch jede Produktion eine eigene. Dennoch bekommt man relevante Infos nur selten. Beispiel »Musical meets Opera 8«. Da ging das Ankündigungsposting des Vorverkaufsstarts mit der lakonischen Notiz online: Nur mehr Restkarten. Egal ob es dafür eine Erklärung gibt, sie ist nicht relevant.

Nun liest man online, allerdings nicht auf einer der Facebook-Sites der VBW, dass der Vorverkauf zu »Tanz der Vampire« und »I am from Austria« heute, am 31. Jänner um 14 Uhr startet. Ist es so wahnsinnig schwer, ein Facebook-Posting zu formulieren?

Links
- VBW-Facebook-Site zu »Tanz der Vampire«
- VBW: »Musicalvienna«

Oedo Kuipers: Cover Art (2016)

oedo_kuipers_cover_art-1.jpgAm 20. Mai 2016 veröffentlicht HitSquad Records die erste Solo-CD des Musicalsängers Oedo Kuipers. Er spielte in der großartigen aktualisierten Version des VBW-Musicals »Mozart!« 2015/2016 die Titelrolle, und nach wie vor bin ich der Meinung, dass seine Leistung einerseits nicht verstanden und andererseits unterschätzt wurde. Die Hardcore-Fans wollten ihren Original-Mozart wiederauferstanden wissen auf der Bühne. Jede Abweichung interpretierten sie nicht als anderen Zugang, sondern als Fehler. Die Art und Weise, wie Kuipers Mozart spielte, wurde als »er ist halt noch nicht in der Rolle« bezeichnet, ohne zu bemerken, dass er die ganze Zeit in der Rolle war, auf seine Art. Es ist auch die Kunst eines Darstellers, in einem Stück, dessen Dialoge sagen wir mal nicht gerade auf hohem Level sind, wenigstens eine gewisse Atmosphäre zu vermitteln, durch sein Schauspiel in Schwingung mit der Musik zu gelangen. Man mag zur Musik von Levay stehen, wie man will, man mag sie als rhythmusbasiert, nicht gerade kompliziert gebaut bezeichnen, aber sie spricht durch ihre einfachen Melodien und im besten Fall durch ein bisschen raffinierter gebaute Arrangements Gefühle sehr effizient an. Und das konnte auch Kuipers durch sein Schauspiel.
Wie auch immer. Längst ist Mozart! wieder Geschichte. Da müsste man eigentlich schon wieder viel über die Umstände erzählen, die dazu führten, aber ersparen wird uns diese VBW-Interna.
Erfreulich ist, dass es wieder mal eine Solo-CD eines Musicalsängers gibt, den man ernstnehmen kann. Produzent Martin Böhm über das CD-Projekt: »Ziel war, für die heutige Zeit etwas Ungewöhnliches zu produzieren und zwar: Songs aus vollkommen unterschiedlichen Epochen und Stilen zu einem! konsistenten Hörerlebnis zu vereinen. Von Unchained Melody aus den 60ern bis Chandelier aus der Jetztzeit wird alles zu einer homogenen Klangwelt vereint.« Begleitet wird Kuipers von einem Sinfonieorchester der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien

Tracklist:
1 Wonderful
2 Broken Wings
3 Unchained Melody
4 Lady In Red
5 How Am I Supposed
6 Now And Forever
7 You Raise Me Up
8 Don‘t Dream It‘s Over
9 Say Something
10 1000 Years
11 Wind Beneath My Wings
12 Chandelier
13 Send In The Clowns

Titel: Cover art
Interpret: Oedo Kuipers
EAN: 9120006683708
Katalog: 668370
Packaging: CD Jewel Case
Label: HitSquad Records
VÖ: 20.05.2016
CREDITS (Foto): Hilde van Mas

Das kann Musical. »Next to Normal« in Wien

Wer die Kunstform Musical mag und sich für eine zeitgemäße Variante dieses Genres interessiert, wird noch bis 1. Mai im Wiener MuseumsQuartier mit einem Hit bedient. Auf dem Programm steht die mit einem Pulitzerpreis und drei Tony Awards ausgezeichnete Show »Next to Normal«.
Erstmals in Österreich war eine Inszenierung dieses Musicals vor ein paar Jahren in Linz zu sehen. Und es war eine gute Show in Linz. Allerdings nicht mit dem zu vergleichen, was derzeit im MuseumsQuartier geboten wird. Einer der Gründe, warum die in Wien zu sehende Version so gut ist, ist die Besetzung. Linz hat ein Musicalensemble, aus dem heraus Darsteller bisweilen in Rollen gezwängt werden, die sie nicht packen. Ein Musicalensemble hat eben Vor- und Nachteile. Geschenkt. (Regie, Textbearbeitung waren im Vergleich zur in Wien zu sehenden … auch geschenkt.)
Felix Martin, in der Regie von Titus Hoffmann nun in Wien als Dan zu sehen, bietet dagegen in dieser Rolle so viele packend gespielte Momente, wie ich sie ihm nie zugetraut hätte. Er legt so viel Gefühl in seine Songs, dass es einen körperlich geradezu mitnimmt. Wie er mit Dirk Johnston (als Gabe) die Szene »I am the One (Reprise)« spielt, ist allein den Besuch dieser Show wert. Das kann Theater, das kann auch Musical. Wenn Musicaldarsteller spielen und nicht nur von einer Lichtstimmung in die nächste trampeln. Wenn sie von einem fähigen Regisseur geleitet werden. Pia Douwes gestaltet die bipolare Diana Goodman und ihre Wandlung mit einer Intensität und schauspielerischen Momenten, die man etwa in ihrer letzten Rolle in einer VBW-Produktion, »Der Besuch der alten Dame«, nicht feststellen konnte. Man darf nicht sagen, dass Douwes schlecht war als »alte Dame« (aber sie war schlecht). Die Show war grottenschlecht. Was da den Darstellern und Tänzern für Blödsinn abverlangt wurde, wird noch einmal in einer Musicalgeschichte ausführlich zu behandeln sein. Wenn ein Intendant (gleich welcher) die Musicals, die am Haus aufgeführt werden, auch selbst schreibt, frage ich mich: Wer ist die kritische Instanz, die die Qualität prüft. Und jetzt soll mir bitte niemand kommen und antworten: der Geschäftsführer. Wie Douwes in »Next to Normal« etwa die Abschiedsszene von ihrem Mann gestaltet, glaubhaft, der Tonfall, ganz stark.
Der Zuschauer wird übrigens auch nicht mit Choreografien bis aufs Blut gequält wie etwa beim »Besuch der alten Dame«. – Ich komm nicht los von der »Dame« … diese Show bereitet mir nach wie vor manch schlaflose Nacht, wenn ich mir überlege, wie ein Intendant es zulassen konnte, derartigen Nonsens Theaterwirklichkeit werden zu lassen. Eine derartige Regie. Darsteller mit eigenartigen Vorstellungen vom Beruf des Schauspielers. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ein Ensemblemitglied von »Der Besuch der alten Dame« bei einem Auftritt bei einer Gala auf seine Art geradezu vorexerziert hat, welche Vorstellungen von Schauspiel er hat. Gerade eben sitzt er mit seinen Kollegen noch gemütlich tratschend auf einer Couch. Nun ist er an der Reihe, ein Lied zu performen. Er stellt sein Sektglas aufs Tischchen, geht nach vor an den Bühnenrand, hockerlt sich auf den Boden – und flennt los. Vom Aperol Sprizz zum Abheulen in zwei Sekunden. Eher Pawlow denn Stanislawski.
Die Choreografien in »Next to Normal« passen. Sie sind enorm wirkungsvoll, elegant, etwa wenn Dirk Johnston sich in einer der letzten Szenen das Bühnenkonstrukt hinunter wieder in die Wirklichkeit seiner Eltern schwingt und zwingt. Gänsehautmomente.
Der Sound könnte knackiger sein. Lauter. Rockshow und so, aber die Band gibt Stoff, und gegen die Gegebenheiten einer Halle kann man nicht immer an. Immer noch besser als der Sound im Ronacher, wo man oft in einem muffigen Soundgatsch frustriert nur mehr an eines denkt: Nie mehr geb ich so viel Geld für so was aus.
»Next to Normal« ist das beste Musical, das derzeit in Wien läuft. Wer das verpasst, ist selbst schuld.

Infos gibt es –> hier.

»Next to Normal« – ein Musicaluniversum jenseits des Disneyquaks

Ende April (Premiere: 27. April) läuft das Musical »Next to Normal« im Wiener MuseumsQuartier. Außerordentliches Musiktheater neben dem Normalzustand. Wie kann man den beschreiben, diesen Normalzustand? So vielleicht: Disneyquak in der Wiener Stadthalle, Disneyquak im Ronacher, Matrosenschwachsinn im Ronacher, Disneyquak mit dem Personal des Disneyquak-Universums im Theater Akzent. Normalzustand eben. Viel näher der Hochschaubahn und dem Autodrom als an dem, was es so gern vorgibt, zu sein: Broadway. Bezeichnend, dass Wiener Musicalproducer wie Otto Normalo, der es einfach nicht besser gelernt hat und nicht bereit ist, dazuzulernen, simple Begriffe wie »Broadway-Musical« nicht richtig schreiben können. Sie schreiben »Broadway Musical«. Und ich frage mich. Was soll das? Ist das die subtile Art der Anbiederung? Die am Broadway schreiben ja auch »Broadway Musical«. Bindestriche, Rechtschreibung, Zeichensetzung, nicht wichtig. Ignoranten.
Nun gut, aber jetzt kommt tatsächlich mal ein »Broadway-Musical« nach Wien. Übrigens meine ich gelesen zu haben, dass in der Presse stand, es handle sich um die Österreich-Premiere. Ist es nicht. Es ist die Wien-Premiere – und die Österreich-Premiere dieser Produktion in dieser Übersetzung. Die Österreich-Premiere des Musicals an sich (in einer davon abweichenden Übersetzung) fand vor ein paar Jahren in Linz statt.
»Next to Normal« ist, abgesehen davon, dass es eine fabelhafte Show ist, für die Presse hierzulande, vor allem in der Besetzung, leicht thematisch aufzugreifen. Pia Douwes spielt Diana. Was für eine starke Rolle für eine Frau in einem Musical. Sicher. Und wieso sollte Pia Douwes nicht ganz dieses Klischee bedienen, ganz nach dem Motto: Die aktuelle Rolle ist immer die superste. Aber.
»Next to Normal« ist nur scheinbar ein Musical, das geeignet ist, »für die Sache der Frauen« instrumentalisiert zu werden, auch wenn das gerne vor allem in deutschen Blogs von Emanzen-Musicalfans gemacht wird. Wie kommt’s? Zuerst einmal: Das Kreativteam, das hinter der Broadway-Produktion stand, bestand nur aus Männern. Und.
»Next to Normal« bietet eine ausschließlich männliche Sicht auf weibliche Depression. Mann, wie der Mann leidet. Dieser tolle Dan. Diana mag die starke Rolle der Show sein, aber erzählt wird aus der Perspektive des Mannes. Ganz richtig merkt Grace Barnes in ihrem Buch »Her turn on Stage. The Role of Women in Musical Theatre« (2015) an: »A female lyricist would perhaps have led us to a deeper understanding of the sufferings of the female patient rather than focusing our attention on how her husband copes. A female doctor onstage may have alleviated some of my misgivings about two men discussing electric shock treatment for a woman, requiring her husband’s permission, without including her in the discussion. A great role should empower both the actress playing it and the women in the audience experiencing it. I’m not sure what is empowering by her weaknesses instead of her strengths.«
Was macht denn Diana krank? Der langweilige Ehemann, die nicht gerade kommunikative Tochter, ein Leben ohne Karriere? Warum vermisst sie Berge? Die Höhen und Tiefen des Lebens? Vielleicht, weil sie die gehabt hätte, wenn sie ihr Kind, das sie bekommen hat, während sie im College war, abtreiben lassen hätte? Sie vermisst ihr Leben, sie sagt es, und niemanden juckt’s. Alle arbeiten am Comeback der »guten Mutter«. Als sie endlich den faden Tropf Dan verlässt, was singt er da?

I am the one who loved you
I am the one who stayed
I am the one and you walked away
I am the one who waited
And now you act like you just don’t give a damn
Like you never knew who I am

Oh Mann, was für ein Märtyrer!
Dennoch, was für eine Show! Was für eine Wohltat. Nicht versäumen!

Nähere Infos unter: lskonzerte.at

Slamming the critics

Dieser Tage hatte Jacqueline Braun, eine Musicaldarstellerin, die ich persönlich sehr schätze, in Bristol Premiere mit einer Tourproduktion des Musicals »Mamma Mia!« (die Show gastiert auch in Manchester und Edinburgh). Auf Facebook postete sie eine Kritik, die der Produktion die allerbesten Noten ausstellt (–> hier nachzulesen).
Als Reaktion auf dieses Posting kam von einem Facebook-User eine Meldung ungefähr folgenden Inhalts: »Musicalkritiken können also auch nett und gut sein und am Punkt. Etwas, was Wiener Kritiker auch mal überlegen könnten.«
Okay. Nehmen wir mal an, jemand wollte diese Tourproduktion mit einer Produktion der VBW vergleichen … Stopp. Und da endet auch schon jeder sinnvolle Versuch, das zu tun. Denn an Produktionen der VBW muss man andere Maßstäbe anlegen als an eine englische Tourproduktion.
Eines der wertvollsten Assets der VBW ist das Orchester. Gut, schauen wir uns mal an, was die »Bristol Post« zum Orchester … Nein, gibt es nicht. In Ordnung, also zur Band schreibt: nada. Nichts. Da steht: »The music is simply fabulous.« Und das hat nichts mit der Qualität der Band zu tun, zumindest meiner Interpretation nach, sondern einzig und allein mit ABBA.
Das ist also eine gute, ausgewogene Kritik? Wissen Sie, könnte man da antworten. So schreibt man natürlich gerne über Stadttheater-Produktionen, die handwerklich prima gemacht sind, mit Darstellern, die überzeugen. Da spricht dann auch nichts dagegen, dass eben eine Band, von mir aus auch in kleiner Bandversion, die Musik liefert und jede Menge Musik vom Band kommt. Aber wenn die VBW mit ihren Millionensubventionen »Mamma Mia!« machen, dann erwarte ich mir einen Flash. Und nicht Erklärungen, dass man eine bestimmte Version spielen musste, mit der kleinsten oder zweitkleinsten Besetzung. Dann erwarte ich mir nicht einen dermaßen hohen Playbackanteil. Ich erwarte mir vor allem nicht ausgerechnet von den VBW Produktionen, die längst zum Stadttheater-Repertoire gehören.
In einem der vielen Musicalforen habe ich unlängst gelesen: »Ja, wie haben sie denn begonnen, die VBW, gab’s denn da Eigenproduktionen?« Nein, am Anfang lag die Leistung der Intendanz Peter Weck auf anderen Gebieten, aber er hat eine Entwicklung in Richtung Eigenproduktionen eingeleitet. Da war das Ziel klar, in der Umsetzung gab es Erfolge und Misserfolge, aber immer Mut. Und Mut vermisse ich derzeit. Mit Ausnahmen.

»Das Phantom der Oper«, Stadthalle Wien, 2015

Seit vielen Jahren gastiert die Musiktheaterproduktion »Das Phantom der Oper«, und zwar die Version von Sasson/Sautter, in der Halle F der Wiener Stadthalle. Mag vor einigen Jahren vielleicht noch die kleine Chance bestanden haben, dass der eine oder andere Kartenkäufer der Meinung war, Andrew Lloyd Webbers Version des Stoffs geboten zu bekommen und nicht das, was ohnedies angekündigt war, nämlich eben die Version von Sasson/Sautter, ist es im Jahr 2015 einfach nur mehr albern, ein Ticket für ein Musical von Sasson/Sautter zu kaufen und eine andere Version, nämlich jene von Lloyd Webber, zu erwarten.
Wer heute nicht in der Lage ist, sich ausreichend zu informieren, kann sich natürlich dennoch an seine Kartenverkaufsstelle wenden, aber mehr als detailliert die Macher der Show anzugeben, können diese Stellen auch nicht machen.
Kurzum: Ich habe keine Lust mehr, alljährlich die beißenden Kommentare jener frustrierten Zuschauer zu fast zehn Jahre alten Postings von mir zu lesen. Daher sind sie dort gelandet, wo sie auch mittlerweile hingehören: im Datennirwana. Und ich gehe sogar so weit, diese Show zu empfehlen. Was ich in den letzten Jahren in den großen Musicaltempeln dieser Stadt gesehen habe … Na, wollen wir nicht weiter drauf eingehen.

Schöne Grüße von Peter Weck

»Da spielen teilweise Leute Hauptrollen, die hätten bei mir nicht einmal in der dritten Reihe getanzt.«

Das lässt Peter Weck via »Kurier« (Ausgabe vom 30. Dezember 2014) unter dem Motto »Peter Weck übers derzeitige Musical-Niveau« wissen. Casting ist halt keine Aufgabe für Präsidentinnen und Sekretärinnen. Aber wir hoffen auf 2015 und eine heilende Flurbereinigung.

Anne-Katrin Böhm: »Alltagswahnsinn – das Kabarettical«

bohm.jpgAm 15. November zeigt Musicaldarstellerin Anne-Katrin Böhm ihre Soloshow »Alltagswahnsinn« in der Wiener Theatercouch. Worum geht’s:

Wer kennt sie nicht, die ganz normalen Stolpersteine des täglichen Lebens, die einen immer wieder in den Wahnsinn treiben?
Nervenzusammenbrüche in der Küche, Bestechungsversuche des inneren Schweinehundes, der Wunsch, Mami manchmal einen Maulkorb zu verpassen oder in der vermeintlichen Traumwohnung endlich einmal ohne Ohropax einschlafen zu können …
Mit Schwung, Charme und Champagner stellt sich die sympathisch-chaotische Protagonistin ihrem ALLTAGSWAHNSINN.
Das Solostück vereint wahnwitzige Situationen mit einer schräg-bunten Mischung aus altbekannten Chansons, ohrwurmträchtigen Schlagern und schmissig-modernen Musicalmelodien. Ein Abend zum angeregten Schmunzeln, nostalgischen Schwelgen, lauthals Lachen und wissend Lächeln.

Buch: Anne-Katrin Böhm/ Edda Klepp
Es spielt: Anne-Katrin Böhm
Nähere Infos auf der Website zur Show –> hier.
Tickets über die Website der Theatercouch –> hier.

Sollte man den VBW Subventionen streichen? Vielleicht!

Ich bin nach wie vor dabei, einige der Postings, die in einem deutschen Forum über mich zu lesen sind, zu kontern. Ich halte das für durchaus nötig. Konkret geht es um folgendes Posting:

Zum einen finde ich es gefährlich, von “Massen an Subventionen” zu sprechen. Will er, dass man die Gelder den VBW wegnimmt? Wenn er glaubt, dass diese Gelder dann in die subkulturellen Einrichtungen fließen, dann hat er leider überhaupt keine Ahnung davon, wie “Haushälter” bei der Stadt funktionieren - hier wird einzig und alleine der Gedanke des Futterneids bedient. Man muss das auch mal kosmisch sehen: Historisch betrachtet sind die VBW das Theater an der Wien, auch wenn just dieses Theater schon nicht mehr zur Verfügung steht, weil irgendwelche Ignoranten glauben, dass das mit Oper besser bespielt wird. Das sollte in den Fünfzigern abgerissen werden (nachdem man es für die Oper als Interimsunterbringung nicht mehr gebraucht hat) und wurde dann jedoch als Musicalspielstätte etabliert. Das hat schon mal 20 Jahre gedauert, bis Weck dran kam. Dieser Zustand - nämlich der, dass sich die öffentliche Hand ein Musicalhaus leistet - dauert glücklicherweise bis heute an. Man kann sicher über die Spielplanpolitik diskutieren, aber sind wir doch grundsätzlich froh, dass es das gibt. Wenn Bruny nun die jetzige Spielplanpolitik zum Kotzen findet, wovon auszugehen ist, dann kann er das ja sagen. Aber die Gelder in Frage zu stellen, ist schon Irrsinn - sowas greifen Politiker gerne auf - in der absoluten Konsequenz würde man die VBW dann schließen (wovon die kleinen Theater auch nichts hätten - das ist einfach ein anderer Sachverhalt). Ich kenne die heutigen aktuellen Zahlen nicht, aber es gab mal eine Zeit, da haben die VBW in etwa gleich viel Subventionen bekommen wie das Theater des Westens. In Berlin wurde Ottenthal-Ramsch prouziert und in Wien Musical auf Broadway- und West End-Niveau. Im Übrigen sind die VBW sowieso die einzige staatliche Bühne im deutschsprachigen Raum, die das kann. Wer dann auf die Idee kommt, ständig danach zu schreien, dass man ihnen das Geld wegnehmen soll, der tut dem Musical als solches nichts Gutes (…)
Und zum anderen: Ich möchte wirklich nichts gegen das Stadttheater Baden, das Linzer Landestheater oder das Tiroler Landestheater sagen - diese allerdings als relevanter als die VBW einzustufen, ist wirklich hochgradig albern und nicht ernst zu nehmen.

Mich erinnert der Stil des Verfassers an jenen eines selbst ernannten Musicalproducers, der mir im persönlichen Gespräch und auch in (von mir archivierten) Facebook-Chats stets versicherte, wie toll er doch meine Sicht der Dinge die VBW betreffend finde. Er dürfe das ja nie sagen. Auch in Bezug auf diese Person gilt es noch einiges aufzuarbeiten, soll sie dann doch, wie ich erfahren durfte, anderen gegenüber meine Position als eine Art gefährliche Mobilmachung der »Fans« bezeichnet haben. Da wie auch in Bezug auf das obige Posting gilt: Es gibt nichts, was man totschweigen sollte.

Was Subventionen generell betrifft, so bin ich dafür, dass der Staat dem Kulturbetrieb noch in einem viel höheren Maß Subventionen zur Verfügung stellen sollte als bisher. Alle Theater, die ein engagiertes Programm machen, sollten nicht ständig fürchten müssen, die laufenden Kosten nicht mehr decken zu können. Es sollten nur klare Regeln aufgestellt werden. So sollte den VBW meiner Meinung nach als Grundvoraussetzung für den Erhalt ihrer Subventionen vorgeschrieben werden, das Orchester in keiner Weise zu verkleinern und Stücke so auszuwählen, dass damit die Musiker des Orchesters auch beschäftigt sind. Wie kann es sein, dass eine Produktion wie »Die sieben Todsünden« im Volkstheater läuft und nicht im Ronacher? Wie kann es sein, dass, und da kommen wir zur »Relevanz«, zwar im Stadttheater Baden ein Sondheim gespielt wird, aber nicht in einem Theater der VBW? Zehn Jahre alte Disney-Musicals haben, und diese Meinung darf man vertreten, diese Art der Subventionierung nicht verdient.

Ich bin der Meinung, dass man, und das wird wohl nur mit einem größeren Cut in der Managementebene möglich sein, die Programmierung des Spielplans der VBW komplett neu gestalten muss. Revivals sollten den VBW untersagt werden. Im Fokus sollte die Schaffung neuer Stoffe sein, die Förderung von Komponisten. Die VBW sollten pro Jahr einen Auftrag für ein Musical vergeben, Workshop-Produktionen dieser Auftragsmusicals sollten auf der Probebühne stattfinden, öffentlich zugänglich. Mit der Opernabteilung des Unternehmens sollte man einen Deal aushandeln, dass per sofort das Theater an der Wien an spielfreien Tagen wieder von der Musicalsparte genutzt werden darf. Und wenn das alles nur über den Umweg der Androhung einer Streichung von Subventionen erreicht werden kann, ja, dann bin ich auch dafür.

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