Ein Schreiben, betitelt »Die neuen Kultursklaven«, macht derzeit an den österreichischen Theatern die Runde, 200 Unterschriften konnten die Organisatoren bereits sammeln. (Stand: 25. September 2013)
Die neuen Kultursklaven!
Österreich hat eine großartige und vielfältige Kulturlandschaft, in allen Bundesländern gibt es Kulturbetriebe die über die Grenzen Österreichs angesehen sind. Allen voran die großen Theaterbetriebe, aber auch viele kleine Bühnen und Veranstaltungsstätten, sehr viele davon wurden in den letzten 25 Jahren eröffnet. Mit dabei immer die amtierenden Kulturpolitiker oder sogar Landeshauptleute. Klar, die müssen dieses vielfältige Angebot ja subventionieren. Außerdem macht es sich ja ganz gut, wenn man sich als Politiker mit namhaften Künstlern ablichten lässt, soll fürs Image ja ganz gut sein.Die Finanzierung dieses großen Angebots war bis vor einigen Jahren auch ganz gut abgesichert, ja es wurden sogar Kunstbetriebe, die durch Größenwahn einiger Intendanten tief in die Schulden rutschten, mit Millionenbeträgen entschuldet. Es war auch üblich, dass die jährlichen kollektivvertraglichen Erhöhungen durch die Subventionsgeber, Länder und Gemeinden abgegolten wurden. Dies ist allerdings schon ein Weilchen her.
Seit einigen Jahren, in denen die Staats- und Gemeindeschulden steigen, wird der Druck auf die einzelnen Kulturinstitutionen erhöht, indem Subventionen eingefroren oder sogar gekürzt werden. Lohnerhöhungen müssen die Häuser selbst erwirtschaften.
Dies hat zur Folge, dass die Direktionen den Druck an die Belegschaften weitergeben. Die meisten Kollektivverträge in der österreichischen Kultur- bzw. Theaterszene haben niedrige Grundgehälter. Um dennoch auf ein angemessenes Entgelt zu kommen, um auch eine Familie zu erhalten, ist man auf kollektivvertragliche Zulagen und Überstunden angewiesen. Besonders bei bühnentechnischen Abteilungen kommt dieses System stark zum Tragen. Dabei gibt es gerade in diesem Bereich die niedrigsten KV-Löhne Österreichs. Laut zweier Medienberichte liegen einige KV im Kulturbereich an zweit- bzw. drittletzter Stelle in Österreich. Die Kommentare einiger zynischer Direktoren lauten dann: »Ja eigentlich gehören die Gehälter doch an die letzte Stelle«, oder: »»Wenn man sich einen Urlaub am Neusiedler See leisten kann geht’s einem doch eh gut.«
Während einige Parteien gerade einen Mindestlohn von 1500 Euro fordern, werden in Kulturbetrieben Anfangsgehälter von 1318,– Euro Brutto bezahlt.
Und so wird einerseits Personal abgebaut, andererseits werden die Stücke so angelegt, dass die MitarbeiterInnen so wenig wie möglich von den Zulagen profitieren können. Eine der Zulagen bekommen Bühnenarbeiter, wenn sie für das Publikum sichtbar Umbauten tätigen. Neuerdings werden solche Umbauten öfters von den SchauspielernInnen selbst durchgeführt, und schon hat man wieder etwas eingespart. Gleichzeitig werden mit starkem Druck noch niedrigere und flexiblere Kollektivverträge gefordert, obwohl die Theaterkollektivverträge sowieso schon zu den flexibelsten gehören. Wo sonst ist ein zweimaliger Dienstantritt täglich möglich?
Die Forderung nach einer Jahresdurchrechnung ist an sich noch nicht schlimm, aber die Wünsche nach Dienstplänen, die ohne Vorankündigung und jederzeit änderbar sind, oder Kollektivverträge, die mit Öffnungsklauseln ausgedünnt werden sollen und Regelungen (All-In-Verträge), die mit jedem einzelnen Dienstnehmer vereinbart werden können – das geht zu weit. Und das Angebot für diese Flexibilisierung ist gleich null, nämlich keine Erhöhung der Grundgehälter, wie üblich. Im Gegenteil fordern Intendanten und Geschäftsführer noch niedrige Gehaltsschemen! Auch eine Verkürzung der Normalarbeitszeit, wie bei Durchrechnungen in anderen Branchen üblich, wird nicht angeboten.
Sind das die neuen KULTURSKLAVEN?
Leider wird dieses wirtschaftliche Denken hauptsächlich beim Personal (technisch) angewandt und nicht in der oft immens teuren Verwaltungsstruktur. Ob die Auslastungszahlen wegen mangelnder Qualität der Aufführungen zurückgehen, ist dabei anscheinend nicht so wichtig. Die Zahlen, die oft publiziert werden, sind nicht immer nachvollziehbar, wenn man einen Blick in den Zuschauerraum wirft, der oft halb leer ist. Um zu verhindern, dass Zuschauer in der Pause die Häuser verlassen, werden oft Stücke produziert, die kurz und ohne Pause sind. Um die Auslastungszahlen dennoch gut wirken zu lassen, werden Zuschauerränge gesperrt und jede Menge Karten zu Spottpreisen abgegeben (5 Euro usw.).
Bei der Besetzung der Stücke durch SchauspielerInnen kommt es auch sehr oft vor, dass diese für eine Vorstellung eingeflogen werden und danach wieder nach z. B. Deutschland zurückgeflogen werden. Einige Intendanten leisten sich auch, obwohl schon Schulden, Nebenbühnen und Prestigeobjekte. Es ist schon schlimm, wie subventionierte Betriebe und deren Geschäftsführer mit dem Personal umgehen, nur wegen der Selbstverwirklichung einiger Intendanten. Und die Kulturpolitiker schauen zu.
Natürlich kommt es auch vor, dass man in einem Kulturbetrieb sehr gut verdient, dies aber nur dann, wenn sich ein Intendant eine sehr große Produktion leistet. Da werden dann arbeitsrechtliche Mindeststandards missachtet. Da kann es schon vorkommen, dass man bis zu 100 Stunden die Woche arbeitet. Ohne freien Tag und ohne die täglichen Ruhezeiten einzuhalten. Danach wird einem vorgehalten, dass man zu viel verdient.Auch wer in den Krankenstand geht, lebt sehr gefährlich. In letzter Zeit werden MitarbeiterInnen, die sich durch das lange und tägliche Tragen von bis zu 200 Kilo schweren Dekorationsteilen über die Jahre hinweg körperliche Schäden (meist an Wirbelsäule und Gelenken) zugezogen haben, skrupellos gekündigt! Dies hat zur Folge, dass sich die Theatersklaven nicht in den Krankenstand zu gehen trauen und sich somit ihre Beschwerden vergrößern. Oft werden Bühnenarbeiter auch zu Arbeiten herangezogen, die in keiner Weise mit ihrem Dienstvertrag zu vereinbaren sind.
In den Führungsebenen werden im Gegenzug Prämien für Dienstleistungen ausgeschüttet die für Normalsterbliche nicht nachvollziehbar sind, weil sie eigentlich die Aufgabe der Person sind.
Und dann gibt’s auch noch politisch motivierte Postenbesetzungen, wo man sich nur fragen kann, was hat diese Person in dieser Position verloren?Die Wichtigkeit der Freiheit der Kultur wird hier nicht angezweifelt, sie endet nur dort, wo Menschen ausgenutzt werden, um diese zu ermöglichen.
Die österreichischen Kulturpolitiker (die ja meist auch Eigentümer sind) sollten sich endlich dazu äußern und entweder den Kulturbetrieben die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen oder den jeweiligen Kulturauftrag dementsprechend anpassen. Es kann auch sein, dass man plant, einige Veranstaltungsstätten zu schließen, aber dann sollen sie sich deklarieren. Nur bei Eröffnungen dabei zu sein, ist populistisch und feige.
Ebenso unerfüllt bleibt ein seit vielen Jahren und von allen Betriebsräten sämtlicher Theater Österreichs gefordertes Mitbestimmungsrecht in den Aufsichtsräten. Gerade in Zeiten, in denen der wirtschaftliche Druck auf ArbeitnehmerInnen ins Unerträgliche steigt. Oft werden die minimalsten arbeitsrechtlichen Gesetze, wie die gültigen Kollektivverträge, nicht eingehalten. Immer wieder wird versucht, MitarbeiterInnen in sittenwidrige Verträge zu drängen. Es ist für die Betriebsräte so wichtig, Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat zu erlangen, so wie es auch in anderen privatwirtschaftlich geführten Betrieben üblich ist. Obwohl es einen einstimmigen Beschluss der Bundesarbeiterkammer und einen Beschluss eines Wiener Landesparteitages gibt, ist es bisher nicht gelungen, eine Streichung des Absatzes 6, des § 133 Arbeitsverfassungsgesetz zu erwirken. Im Absatz 6 des § 133 wird das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte/Innen in Theaterbetrieben ausgeschlossen.
Sie werden sich jetzt denken, diese Zeilen stammen von einem frustrierten Mitarbeiter. Dem ist nicht so. Es ist ein Überblick über die derzeitige kulturelle Situation, die ihnen Betriebsräte/Innen und MitarbeiterInnen aus ganz Österreich bestätigen werden.
Dieses Schreiben ist eine Ergänzung zum Bericht des Standard vom 10. Septeber 2013 über die Situation der Kunstschaffenden unter dem Titel »Künstler nach wie vor in einer schwierigen sozialen Lage«.
Als Beilage die Unterschriften von Betriebsräten/Innen und Mitarbeiter/Innen
Unterschriften »Die neuen Kultursklaven«