Der Tod ist eines der bestimmenden Themen in Sam Wassons Buch über den Tänzer, Choreografen & Regisseur Bob Fosse (1927–1987). »When you think something’s about to happen to you in a car«, sagte Fosse einmal, »or on an airplane, coming close to The End, this is a flash I’ll get – a woman dressed in various outfits, sometimes a nun’s habit, that whole hallucinatory thing. It’s like the Final Fuck.« – »This is a man who did not want to die, but he did want to flirt«, meint Ann Reinking, Choreografin, Schauspielerin & Tänzerin (und sechs Jahre mit dem Künstler liiert), über Fosses Faszination mit dem Tod.
Es ist also nur legitim, dass Wasson an die 100 Mal den Tod ins Spiel bringt und mit ihm auch gleich beginnt: Unter der Überschrift »The End« der erste Satz des Buches: »Gwen Verdon, legally Mrs. Bob Fosse, was smiling big.« Wir schreiben den 30. Oktober 1987, Tag 37 nach Fosses Tod. Alle sind sie gekommen, zur Leichenfeier des Choreografen, und der hatte alles geplant: »Before his cardiac bypass, Fosse had added a codicil to his will: I give and bequest the sum of $ 25,000 to be distributed to the friends of mine listed … so that when my friends receive this bequest they will go out and have dinner on me. Fosse thought the worst thing in the world (after dying) would be dying and having nobody there to celebrate his life, so he divided the twenty-five grand evenly among sixty-six people – it came out to $ 378,79 each – and then had them donate that money back to the party budget so that they’d feel like investors and be more likely to show up. Bob Fosse (…) died hoping it would be standing room only at his party, and it was.«
Sam Wasson, Professor an Wesleyan University, landete mit »Fifth Avenue, 5 A. M.: Audrey Hepburn, Breakfast at Tiffany’s, and the Down of the Modern Woman« einen Bestseller. Mit »Paul on Mazursky« (2011) und »A Splurch in the Kisser – The Movies of Blake Edwards« (2009) lieferte er zwei weitere bemerkenswerte Bücher zu Ikonen der Filmindustrie. Sein »Fosse« ist Biografie und Roman. Er hat intensiv recherchiert. Von den 724 Seiten des Buchs sind 95 prall gefüllt mit Quellenangaben. Die Art und Weise, wie Wasson diese Daten aufbereitet, ist eine Mischung aus Interpretation, Wertung sowie stilistischem Wollen – und Können. Man liest an manchen Stellen – fast – ein Filmdrehbuch, das geradezu danach schreit, irgendwann auf die große Leinwand zu kommen. Wasson liebt Namedropping und Etikettierung. Als Faust und Mephistopheles bezeichnet er den Choreografen, 28 Seiten umfasst der Index des Buches. Keiner der großen Namen fehlt.
Rein vermarktungstechnisch kann der Verlag auf einiges verweisen. So ist etwa seit 25 Jahren keine Fosse-Biografie mehr auf den Markt gekommen. Und es ist die erste, die auch auf Dokumenten des Fosse/Verdon-Archivs der Library of Congress basiert – auf Tausenden von Dokumenten, die seit 1992 öffentlich zugänglich sind. Wasson hat eine Reihe von Interviews für sein Buch geführt, unter anderem mit Dustin Hoffman über seine Rolle im Film »Lenny« Stephen Sondheim, Mariel Hemingway und E. L. Doctorow. Insgesamt verwertete Wasson mehr als 300 Interviews und versuchte Fosses Leben bis zurück zu seinem ersten Tanzunterricht zu rekonstruieren. Das gelingt ihm in zum Teil atmosphärisch dichten Passagen, wie etwa der Schilderung von Fosses Anfängen in der Burlesque-Szene als 16-Jähriger im Kapitel »Forty-Five Years«. – So ist das Buch aufgebaut. Als Countdown: noch 45 Jahren bis zum Tod. Im Kapitel »Fifteen Years« findet sich ein Musterbeispiel für die Art und Weise, wie Wasson mit seinem Quellenmaterial arbeitet: Er rekonstruiert die Dreharbeiten zu »Cabaret«, spannend wie einen Thriller, und als High Noon: die Oscar-Nacht am 27. März 1973, als Bob Fosse den großen Francis Ford Coppola in der Kategorie »Bester Regisseur« besiegt. »Cabaret« holt sich acht Oscars bei zehn Nominierungen. »Der Pate« bekommt drei bei elf Nominierungen. Fazit: Lesenswert.
Sam Wasson: Fosse. Houghton Mifflin Harcourt Publishing. New York 2013. 724 S.; (Hardcover) ISBN 978-0-547-55329-0. $ 32,00 [www.hmhbooks.com]
Sam Wasson: Fosse
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