Home RSS Go RED Go BLACK

Theater in der Josefstadt: »Forever Young«

Hedwig, eine schwarze Witwe (Sona MacDonald), stöckelt in ein gutes altes Wiener Kaffeehaus, elegant, geheimnisvoll, auf der Suche nach einem neuen Opfer. Alt soll er sein, reich, und am besten noch am Tag der Hochzeit das Zeitliche segnen. Kandidaten gibt es genügend, das Gift ist schnell gemischt – doch durch einen fatalen Irrtum trinkt es die Heiratsschwindlerin selbst. Vorhang! So könnte man den Plot von »Forever Young« beschreiben, wenn man denn einen suchen wollte, und nach heutigen Musicalgesetzen des einen oder anderen Musicalproduzenten, reichte das, um einen musikalischen Abend, eine Revue, tatsächlich als »Musical« zu bezeichnen. Etikettenschwindel gibt’s aber am Theater in der Josefstadt nicht, das hat man nicht nötig, denn das Siegel Wittenbrink bürgt für Qualität, und die Protagonisten auf der Bühne, zwischen den Bezeichnungen Star und Legende flirrend, sorgen dafür, dass die angesetzten Vorstellungstermine des »Wittenbrink-Abends«, der am 31. Januar 2013 seine Uraufführung feierte, Wochen im Voraus ausverkauft sind – restlos.
Theaterlegende Otto Schenk als schrulliger Kellner Leo schenkt dem Publikum wenige, aber zeitlose Glanzstücke – zum Niederkien. Es sieht so leicht aus, was er macht und wie er alle im Saal etwa mit dem Wienerlied »Das Glück is a Vogerl« in wehmütige Erinnerungen an Kindheitstage versetzt, nur können muss man das halt. Er bringt die »Gralserzählung« (Richard Wagner) auf Russisch, liefert Sketches ab, dass das Publikum sich vor Lachen kaum halten kann. Gideon Singer als Harry berührt mit jüdischen Liedern wie »Vos geven iz geven« von David Meyerowitz – frenetisch beklatscht, beschwört er doch hier Erinnerungen an eine künstlerische Hochzeit, die in fataler Zeit ausgelöscht wurde. Kurt Sobotka (Joseph) interpretiert entspannt das von ihm getextete und von Franz Wittenbrink komponierte Gstanzl »Kaffeehaus«, ein liebevoll-altmodisches Lied ganz in dem Stil, wie man es von der ungemein beliebten Radio-Kabarettsendung »Der Guglhupf« her kennt, die er 1978 gemeinsam mit Gerhard Bronner, Peter Wehle, Lore Krainer und Peter Frick begründete. Bis 2009 wurde sie wöchentlich vom Radiosender Ö1 ausgestrahlt, und bis zuletzt war er dabei.
Etwas kritisch könnte man anmerken, dass da, wo »gespielt« wird, dass bei so viel Authentizität der großen alten Männer – Kurt Sobotka (83 Jahre), Otto Schenk (83 Jahre), Gideon Singer (87 Jahre) und Albert Rueprecht (Andreas) (84 Jahre) –, der Unterschied zum gefakten Alter, wie von »Jungspund« Toni Slama (Anton) demonstriert, inklusive Rollator mimt er mit seinen fast jugendlichen 65 Jahren den siechsten der Männer, ein riesiger ist. Das Unechte, auch der Akzent, in dem Ruth Brauer-Kvam ihre Version der herben Pflegerin Rubina aus Montenegro abliefert, wirkt ein wenig zu »künstlich«, wenngleich großartig gespielt, ja, parodistisch angelegt, aber auf dem gegebenen Spielfeld – irritierend.
Herrlich aber, wie die Damen Ruth Brauer-Kvam, Eva Mayer (Franzi, die 15-jährige Enkelin von Leo) und Sona MacDonald ihre mitreißende, exaltierte Version von »Crazy People« (Boswell Sisters) abliefern und wie grandios Sona MacDonald zum Britney-Spears-Hit »Toxic« ihre Giftfläschchen am Gasthaustisch tanzen lässt, genau choreografiert, eiskalt, betörend.
Das Spektrum an Songs, die Franz Wittenbrink für seinen Abend zusammengestellt hat, teils mit neuen Texten versehen, neu arrangiert, in Summe an die 43 Stücke, reicht von Rainhard Fendrichs »Es lebe der Sport« und Hansi Krankls »Lonely Boy« (Paul Anka) bis zu Johann Sebastian Bachs »Komm, süßer Tod«, von Fritz Löhner-Bedas »Oh Mädchen, mein Mädchen« bis Leibers & Stollers »Hound Dog« und »Dulcinea« aus dem »Mann von La Mancha«. Miriam Busch hat bei ihrem Bühnenbild in die Vollen gegriffen und echte Kaffeehausatmosphäre geschaffen, die dreiköpfige Band mit Franz Wittenbrink beziehungsweise wahlweise Christian Frank am Klavier sowie deeLinde am Cello und Herb Berger an den Reeds, Bass und Percussion spielt souverän.
Es ist ein Abend zum Verlieben, in die Schauspielkunst des Ensembles, in die Fantasie von Franz Wittenbrink und in die Art und Weise, wie er Stimmungen konstruiert, Ekstase aufblitzen lässt, hemmungslosen Klamauk inszeniert und die Zeit mit »The Cold Song« (Dryden/Purcell) erstarren lässt – ein Erlebnis mit den großen alten Schauspielern der Josefstadt, hoffentlich eines von noch recht vielen.

»

Ihr Kommentar

Abonniere ohne zu kommentieren

HTML-Tags:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>