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VBW: Die lästige Wahrheit

Ich muss gestehen, ich habe die Pressekonferenz des Geschäftsführers der Vereinigten Bühnen Wien am heutigen Tage nicht besucht. Es ging um den Zustand der Vereinigten Bühnen Wien.
Die Zeiten werden ungemütlicher und wie ich es von mehreren Seiten im Laufe der Jahre vernommen habe, driftet man in den Augen des von den Steuerzahlern, also auch von sozusagen dir und mir, finanzierten Unternehmens oft in dem Moment in die Abteilung jener Journalisten, die man bei solchen »Events« lieber nicht dabeihaben möchte, wenn man nicht mehr bloß »Bericht erstattet«. Und eines ist mal klar: Ich erstatte nicht Bericht, und ich sehe auch keinen Sinn und Zweck darin, über Musicals »Bericht zu erstatten«.
Ich habe zum Beispiel null Interesse, eine Angabe wie »70 Prozent Auslastung« des Musicals »Natürlich blond« wiederzukäuen, denn ich bezweifle diese Angabe. Ich halte auch den Begriff und die Art und Weise, wie er interpretiert wird, für völlig uninteressant oder und falsch. 9 Fragen, 9 Antworten sind es, die man in diesem Zusammenhang bräuchte:

1) Wie viel Prozent der Karten, die den Besitzer wechseln, gehen zum vollen Preis über den Tisch?
2) Wie viel Prozent der Karten gehen als Restplatzkarten über den Tisch?
3) Wie viel Prozent der Karten werden verschenkt?
4) Wie viel Prozent gehen als Regiekarten über den Tisch?
5) Was bringt es, eine zusätzliche Reihe im Ronacher einzurichten, dafür aber geplante Nachmittagsvorstellungen wieder abzusagen?
6) Ist es wahr, dass »Natürlich blond« nur deswegen bis zum letzten lebenden Mann durchgespielt wird, also bis Ende des Jahres, weil man sonst nicht den gesamten Subventionsbetrag erhalten würde? Wäre das nicht degoutant angesichts all jener freien Theatergruppen, die keinen Cent bekommen?
7) Hallo Grüne Wiens. Habt ihr gar keine Prinzipien mehr, dass ihr angesichts dieses Kulturdebakels kuscht?
8) Herr Drozda, es nervt Sie, dass Ihr Betrieb als »Krisenbetrieb« dargestellt wird? Sie sollen gesagt haben: »Die Stadt Wien als Eigentümer müsste sich klar darüber werden, was diese Institution leisten kann und soll: Aber mehr Leistung bei weniger Geld, das wird auf Dauer nicht gehen.« Wie definieren Sie Leistung im Bereich Musical?
9) Herr Drozda, Sie meinen, dass die Ronachersanierung die »Wurzel allen Übels« gewesen sei? Haben da auch alle schön gelacht während der Pressekonferenz? Die Wurzel allen Übels im Musicalbereich ist, dass sich die VBW nunmehr zwei Opernhäuser leisten, die ein ein sehr gutes, sehr elitäres Programm bieten, dass sie im klassischen Bereich auch im Bereich der Jugendbildung vieles leisten, während man sich für den Musicalbereich einen Intendanten geholt hat, der nun Musical-McDonald’s-Ware brutzelt. »Warum nicht mal einen Burger«, habe ich in einer Kritik zu »Natürlich blond« gelesen. Einfache Antwort: Weil dieser verdammte Burger einfach zu viel kostet und wie ein Burger nichts kann, außer demjenigen, der ihn zu sich nimmt, zu schaden. Man nennt das auch Volksverblödung.

Lassen wirs einmal bei den paar Fragen, die nicht beantwortet werden. Macht Spaß, da kommt sicher noch viel mehr.

Links
- Kurier: Natürlich Defizit
- ORF-TV-Bericht: VBW in Finanznöten
- APA: VP-Leeb: Vereinigte Bühnen Wien haben strukturelles Problem - Mailath-Pokorny sieht seit Jahren zu
- orf.at: Vereinigte Bühnen in Finanznöten
- Wiener Zeitung: Vereinigte Bühnen: “Kein Krisenbetrieb” trotz roter Zahlen
- derstandard.at: Vereinigte Bühnen defizitär: Drozda fordert mehr Steuergeld
- Kleine Zeitung: 4,3 Millionen Minus für Vereinigte Bühnen Wien
- Salzburger Nachrichten: 4,3 Millionen Minus für Vereinigte Bühnen Wien
- Die Presse: 4,3 Millionen Minus für Vereinigte Bühnen Wien
- wien-heute.at: Vereinigte Bühnen-Boss: “Mehr Geld oder weniger Leistung!”

19 Kommentare »

  Klaus wrote @ Mai 9th, 2013 at 21:37

Bei “Jelinek” könnte man den VBW jedenfalls nicht mehr vorwerfen, die wären nicht innovativ :)

  S.Z. wrote @ Mai 9th, 2013 at 20:21

Jelinek als Musical wäre originell ^^ Die Klavierspielerin bietet sich ja an zum Musical verwurstet zu werden wenn sie dann noch Michael Haneke als Regieseur verpflichten können ist der Erfolg garantiert ;) Obwohl ich denke das Haneke ne nummer zu groß für die VBW zur Zeit ist, na ja vielleicht mag sich ja ein Herr Kröger im Regiefach probieren …^^

  Klaus wrote @ Mai 9th, 2013 at 20:19

An “Besuch der alten Dame” wagt man sich wieder an einen Klassiker ran. Das Thema mit der Aussage,” inwieweit der Mensch beinflussbar bar ist” und “wie weit er gehen würde” ist für mich mal spannender als ein vermusicalter 08/15 Komedie-Hollywood Streifen.

  Matthieu wrote @ Mai 9th, 2013 at 16:37

Nun ist es ja, zugegeben, schwer, ein wirklich “gutes” Musical zu finden, das den Ansprüchen der Bustouristen aus den Bundesländern und den Vielgehern genügt.

NB geht aber von Anfang an am Publikum vorbei. Wer genau soll sich das angucken?

Ich habe The Producers häufig geguckt und fand es wirklich sehr witzig und gut. Ich fragte mich bereits nach der Premiere: Wer soll da rein gehen? Und dann noch, wie hier gefordert, auf englisch?
FE ist toll, das Haus war aber, wie ich finde, zu groß für das Stück. Wer sollte diese Geschichte aus dem Rang sehen wollen??? FE passt eher in die Kammeroper.

Sorry, wir brauchen nicht Sondheim, sondern massentaugliche Musicals wie damals Evita oder PdO.

Frau Zechner hat schon Rudolf mit Karacho an die Wand gefahren (völlig pseudointellektuell inszeniert, zuviel Dialog, zuwenig Gesang), als “Schmachtfetzen” hätte Rudolf, wie in Ungarn, ein Erfolg werden müssen.

“Früher” war aber auch nicht alles besser, vgl. Wake up! und Barbarella…

Das Problem ist und war, ein massentaugliches Musical zu produzieren. “Der Besuch der alten Dame” als Musical klingt für mich wie ein schlechter Witz, das zieht doch soviel Leute an, wie eine Schulaufführung der “Physiker”. Warum machen wir nicht gleich ein Musical von der Jelinek?

  Garstinger wrote @ Mai 8th, 2013 at 11:18

1) Elisabeth ca. 86%, Blond ca. 30% (bei Blond Preisanpassung nach unten im Herbst 13)
2) Der Rest
3) Bei Blond je nach Spieltag mehrere
4) Regie (Mitarbeiterkarten) wenige, da limitiert und umständlich zu bekommen.
5) Nichts, ausser Nacken und Augenschäden im Orchestergraben ;-) Wird ab 2014 höchstwahrscheinlich wieder zurückgebaut.
6) Nein. Es war aber auch nicht möglich in kurzer Zeit ein Gastspiel oder die Rechte für ein kleines, aber feines Musical zu bekommen.
7) Die Grünen sind unter anderem erst der Grund, warum Blond (Billigstlizensen) als Zwischenlösung genommen werden musste. Große Stücke sind sehr teuer und benötigen mind. 2 Jahre Vorlaufzeit.
8) Das TAW verschlingt deutlich mehr als die Hälfte der Subventionen. Renovierungen und Instandhaltung der Denkmal geschützten Häuser kostet eine Lawine und muss auch von den Subv. finanziert werden. Große Musical Produktionen sind stark unterfinanziert —> permanentes Schielen auf Auslastung.
9) Die Oper hat ein Klientel von ca. 7000 Personen, die sich auf ca. 50 Vorstellungen plus Konzerte über das Jahr mehrfach aufteilt. Verschlingt aber den Großteil der Finanzierungsmöglichkeiten.
Als Zwischenlösung blieb also gar nichts anderes über, als eine billige “Mac Donalds” Produktion im Ronacher anzusetzen. (Selbst “Les Miss” oder “Sweeny” hätten den finanziellen Rahmen deutlich gesprengt.)

PS.: Die 70% Auslastung von Blond kannst Du in Ruhe bezweifeln ;-)

  m.ganeider wrote @ Mai 2nd, 2013 at 21:14

es gibt sicherlich specials, so wie a autogrammkarte vom hund oder dergl.

  Klaus wrote @ Mai 2nd, 2013 at 18:46

Wenn es jetzt bis Ende des Jahres laufen soll, frag ich mich, warum der Vorverkauf noch nicht begonnen hat? Tüftelt man vielleicht noch an den Preisen herum weil man eingesehen hat, dass diese Preispolitik doch die falsche war?

  Michael K wrote @ Mai 2nd, 2013 at 13:14

Korrektur:

Die mit zum Vollpreis verkauften Tickets erreichte Auslastung schätze ich auf maximalst 35 Prozent, also 50 Prozent der insgesamt ausgegebenen Tickets.

  Michael K wrote @ Mai 2nd, 2013 at 13:10

Die »Wurzel allen Übels« ist doch vielmehr das unsägliche Corporate Behaviour, das seit dem Vater aller Burgergriller - nennen wir ihn hier Klaus Nitzer - gelebt wird. Scientology wäre stolz, wären seine Mitglieder von dem selbst verbreiteten Müll nur halb so begeistert. Es ist außerdem bezeichnend, dass in der Musicalsparte der VBW derart viele kulturfremde Personen beschäftigt sind. Woher kommen die und was sind deren Qualifikationen? Marketing kann es ob den laufend verlautbarten Hiobsbotschaften nicht sein.

Die zum Vollpreis verkauften Tickets schätze ich auf maximalst 35 Prozent, der Rest wird via Gruppenermäßigung und TdJ verschachert, vergebührt, verlost, verschenkt.

  S.Z. wrote @ April 30th, 2013 at 06:45

Also das Debakel speziell bei Spring Awakening und The Producers hat viele Gründe. Zum Beispiel das zwanghafte ins Deutsche übersetzen, zumal da mit freunderlwirtschaft jemand engagiert wurde die davor schon bewiesen hat wie limitiert ihre Fähigkeiten sind! SA war ja immer schon stark an ein junges Publikum gerichtet, warum man es nicht in englisch spielen konne wie JCS zB ist mir ein rätsel zumal das marketingtechnisch sicher ein verwertbarer Punkt hätte sein können denn so hätten sicher auch viele Englischlehrer ihre Klassen in das Stück geführt. Aber ich bin mir sicher dass auch die Menschen die nicht zur primären Zielgruppe gehört hätten es gestürmt hätten und nicht wie befürchtet sich von der “Fremdsprache” abschrecken hätten lassen denn das Englisch in SA war ja aus gutem Grund nicht wie Shakespears Englisch sondern absolute Alltagssprache genau wie bei The Producers

Beide Stücke haben über Jahre diverse Theater gefüllt und diverse Preise gewonnen warum sollte das in Wien nicht so sein? Ich denke mir dass im Musical wie in anderen Medien die Menschen immer weniger gefordert werden was darin resultiert dass sie anspruchsvollere Stücke meiden oder auch bei einfacheren Stücken sich nicht mehr aufraffen können ins Theater zu gehen. Die Ticketpreispolitik wird sicher ihr übrigens tun.

Ich glaube auch dass das finanzielle Debakel der VBW viel mit der Besetzungspolitik zu tun hat wo vermeintlichen “Stars” Unsummen gezahlt wurden für Leistungen welche die Zweitbesetzungen oft besser erbracht haben!

  Stefan wrote @ April 29th, 2013 at 21:30

Die Frage, die sich für mich bei den Zahlen viel mehr stellt: Ist das wahre Problem nicht die unheilige Verknüpfung von Oper und Musical und die Übergabe des TadW an die Oper? Eigendeckung von 20%? Rein wirtschaftlich ist das ein echtes Debakel, umso schlimmer, dass die ach so gescholtene Musicalabteilung, die ja in Wien nie Kultur sein darf, da mitfinanzieren muss - und kein Wunder, dass es da finanziell mit den VBW bergab geht. Da wäre es schon ehrlicher gewesen, das TadW aus den VBW auszugliedern, dann hätte es zumindest noch mehr Rücklagen gegeben.

Dass die Musicalsparte momentan ihre ganz eigenen Probleme hat, ist für mich aber genauso ohne Zweifel. Ich gehöre zwar zu denen, die NB mögen - zumindest in London hats mir recht gut gefallen, in Wien eher weniger, was am Cast liegt - aber der Glanz einer Ära Weck ist leider einfach vorbei und ich, als jemand, der Musical seit Jahrzehnten liebt, mache lieber Urlaub in London oder New York und schau mir dort Stücke an, die meinen Geschmack eher treffen, statt wie früher sechs, sieben, zehn Mal mir die Sachen in Wien zu geben - da muss oft einmal reichen. Was hier läuft, interessiert mich oft nicht oder kommt einfach ein paar Jahre zu spät - SA und NB hab ich einfach schon vor Jahren in den wirklichen Musicalmetropolen gesehen.

Das Problem liegt aber meiner Meinung nach oft auch am Publikumsgeschmack. Seien wir uns ehrlich - wir mit einem starken Musicalhintergrund wünschen uns Sondheim & Co, aber glauben wir ernsthaft, dass man damit eines der Häuser lange voll bekommt? Ich nicht. Das wäre leerer als NB. Das Publikum - das ist die Masse, nicht die Gourmets - stürmt, wie sich gezeigt hat, bei einem grauenhaften Udo Jürgens-Stück die Säle und bleibt aus Producers oder Frühlings Erwachen weg. Dass das kulturell und für die Sparte Musical, die hier aufgrund der Stückauswahl nie die Anerkennung bekommen wird, die ihr zustehen würde - einfach, weil man die Perlen dem Publikum nicht bekannt macht -, ein Debakel ist, ist klar. Wirtschaftlich macht es aber leider (oft, aber nicht immer, wie sich gerade zeigt) Sinn …

  Markus wrote @ April 29th, 2013 at 20:15

Ah, da war Herr Bruny schneller :-)

  Markus wrote @ April 29th, 2013 at 20:15

Na, Theater an der Wien und Kammeroper?

  Martin Bruny wrote @ April 29th, 2013 at 20:14

Die Kammeroper wird als eigenes Haus geführt.

  S.Z. wrote @ April 29th, 2013 at 20:06

Was genau meinst du mit zwei Opernhäuser?

  Klaus wrote @ April 29th, 2013 at 19:31

Der Vergleich mit dem McDonalds Burger gefällt mir auch gut. Möchte hinzufügen, ein McDonalds Burger kann zwar schmecken, man wird aber nicht satt.

  Heinz wrote @ April 29th, 2013 at 19:23

In den “goldenen Zeiten” war ich ca. 16x bei TdV und ich wär gerne öfter gegangen, die Klosterschwestern und das Blondchen habe ich mir jeweils nur einmal gegönnt.
Leistung kann meines Erachtens nur ein volles Haus sein! Damit ist der Geschmack einer ausreichend großen Zielgruppe getroffen.
Man sollte nicht den 2. Rang sperren bzw. die Nachmittagsvorstellungen abschaffen, sondern endlich wieder Musicals nach Wien bringen!
Dann gibts volles Haus und die Kassen werden wieder klingeln!

McDonals Ware? -> sehr treffender Begriff!

  M.ganeider wrote @ April 29th, 2013 at 18:55

Wenns leistungsbezogen verrechnet werden würd, wär NB schon längst weg!

  Markus wrote @ April 29th, 2013 at 18:45

Finde ich gut auf den Punkt gebracht. Leider.

Inzwischen gibt es sehr, sehr viel Häme gegenüber den VBW, was ich recht traurig finde. Nur: noch viel trauriger finde ich, dass diese Häme leider nur allzu berechtigt ist.

Musical ist zuallererst ein unterhaltendes Genre, aber Unterhaltung kann man gut (”anspruchsvoll”) oder eben grauenhaft platt machen. Stücke wie “Sister Act” und “Legally Blonde” habe ich in London gesehen und gestaunt, wie schlecht bzw. platt Theater sein kann - ein Erlebnis, das mich eigentlich fast immer irgendwie mitreißt. Dass nun die subventionierten VBW leider nichts anderes mehr aufzuweisen haben als die Weiterverwurstung ausgerechnet solcher Shows, stimmt traurig.

Gäbe es zumindest eine Perspektive - aber da ist kaum etwas in Sicht.
Nun als als “Notlösung” der Besuch der alten Dame. Ein Stück des neuen Intendanten selbst, inszeniert (wieder einmal) von seinem besonderen Spezi Gergen - ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Böse nachgefragt: Sollte gar der schlechte Blondinen-Witz erst den Notlösungs-Weg für die “Alte Dame” an die VBW ebnen? Ok, so verschwörungstheoretisch sollte man wohl noch immer nicht denken, aber ein unangenehmer Nachgeschmack bleibt.

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